Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht

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a) Anwendbarkeit auf kollisionsrechtliche Sonderbehandlung

192

Dazu müsste die im Kollisionsrecht von Florida (MAT e) geltende Spaltung des Ehegüterstatuts mit Anwendung der lex rei sitae auf die güterrechtlichen Verhältnisse an Grundstücken eine „besondere Vorschrift“ iSd Art. 3a Nr 2 aF EGBGB sein. Ursprünglich war an materielle Sonderregelungen (zB HöfeO) gedacht. Auch die durch kollisionsrechtliche Spaltung bewirkte Behandlung nach der lex rei sitae könnte nach Art. 3a Abs. 2 aF EGBGB beachtlich sein, weil sie einen besonderen Geltungsanspruch des Belegenheitsrechts dokumentiert.[3] Dagegen spricht auch nicht, dass die universell geltende Belegenheitsanknüpfung des Common Law nicht (wie einst § 25 S. 2 DDR-RAG) nur einseitig, sondern allseitig gilt. Das ändert nichts daran, dass Grundstücke in Florida in allen Beziehungen dortigem Recht unterstehen, also eine Sonderbehandlung erfahren.

b) Unter anderem Güterstatut erworbene Mittel (tracing rule)

193

Bedenken könnten sich allerdings ergeben, wenn mit Mitteln, die unter Geltung eines deutschen Güterstatuts erworben wurden, während der Ehe in Florida Grundbesitz erworben wird. Dann beansprucht das Recht von Florida gerade keine Geltung, weil die tracing-rule (MAT e) zur Beachtlichkeit der vorher bestehenden Rechte führen könnte. Diese wegen des nicht dinglichen Charakters der Zugewinngemeinschaft schwierige Problematik ist hier nicht entscheidungserheblich, da das Grundstück in Florida aus gegenwärtigem Arbeitsverdienst erworben wurde.

Damit untersteht das Grundstück güterrechtlich dem Recht von Florida, ist also in den Zugewinnausgleich nicht einzubeziehen; da es sich um den einzigen relevanten Vermögenswert handelt, scheidet ein Anspruch aus § 1378 BGB aus.[4]

II. Unterhalt
1. HUntStProt 2007: Anwendbarkeit
a) Anwendungsbeginn

194

Gemäß dem in Art. 3 Nr 1 lit. c EGBGB genannten Beschluss des Rates ist unbeschadet des späteren völkervertraglichen Inkrafttretens das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (HUntStProt 2007)[5] im Rahmen des Art. 15 EG-UntVO ab dem 18.6.2011 als Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten anwendbar.

b) Sachlicher, räumlicher Anwendungsbereich

195

Der Anwendungsbereich müsste eröffnet sein. Sachlich bezieht sich das HUntStProt 2007 auch auf Unterhaltspflichten aus Ehe (Art. 1 Abs. 1 HUntStProt 2007). Räumlich ist es loi uniforme, seine Anwendung ist unabhängig von Gegenseitigkeit (Art. 2 HUntStProt 2007); es gilt also vor deutschen Gerichten immer, weil Deutschland Mitgliedstaat der EG-UntVO ist (Art. 1 Abs. 2 EG-UntVO).

c) Zeitlicher Anwendungsbereich: Verfahrensbeginn oder Unterhaltszeitraum

196

Das HUntStProt 2007 löst das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜbk 1973) ab. Der zeitliche Anwendungsbereich ist umstritten; überwiegend wird mit Rücksicht auf Art. 5 des in Art. 3 Nr 1 lit. c EGBGB genannten Ratsbeschluss auf den Stichtag nach Art. 75 Abs. 1, 76 Abs. 3 EG-UntVO abgestellt, so dass in Verfahren, die ab dem 18.6.2011 eingeleitet wurden, das Unterhaltsstatut sich auch für vorher liegende Zeiträume nach den Kollisionsnormen des HUntStProt 2007 richten soll.[6] Nach zutreffender Ansicht würde dies jedoch eine unzulässige echte Rückwirkung auf abgeschlossene Unterhaltstatbestände bedeuten, die dadurch verursacht ist, dass der genannte Ratsbeschluss fehlerhaft Grundsätze der verfahrensrechtlichen Überleitung auf die kollisionsrechtliche Überleitung anwendet. Zutreffend ist die intertemporale Frage so zu lösen, dass Art. 22 HUntStProt 2007 die kollisionsrechtliche Überleitung regelt und Art. 75 Abs. 1, 76 Abs. 3 EG-UntVO nur die verfahrensrechtliche. Danach gilt neues IPR auch in seit dem 18.6.2011 eingeleiteten Verfahren nur für Unterhaltszeiträume nach seinem Inkrafttreten, also seit dem 18.6.2011.[7] Vorliegend kann sich nachehelicher Unterhalt frühestens ab der am 17.7.2017 ausgesprochenen Ehescheidung ergeben, so dass er dem HUntStProt 2007 untersteht.

d) Vorbehalte bei bestimmten Konstellationen

197

Grundsätzliche Vorbehalte für Unterhaltsansprüche in bestimmten persönlichen Konstellationen (vgl noch für Unterhalt zwischen zwei Deutschen nach Art. 15 HUÜbk 1973) sieht das HUntStProt 2007 nicht mehr vor.

2. HUntStProt 2007: Anknüpfung Nachehelicher Unterhalt
a) Grundsatzanknüpfung

198

Anders als Art. 8 HUÜbk 1973 knüpft das HUntStProt 2007 nacheheliche Unterhaltsansprüche nicht mehr akzessorisch an das Scheidungsstatut an, sofern die Ehegatten nicht eine entsprechende Wahl nach Art. 8 Abs. 1 lit. d HUntStProt 2007 getroffen haben, was vorliegend nicht der Fall ist. Damit ist nach Art. 3 Abs. 1 HUntStProt 2007 deutsches Recht am gewöhnlichen Aufenthalt der Unterhalt begehrenden Laila anzuwenden.

b) Einrede bei engerer gemeinsamer Verbindung

199

Art. 5 HUntStProt 2007 erlaubt jedoch beim Unterhalt zwischen Ehegatten und früheren Ehegatten jeder Partei die kollisionsrechtliche Einrede, das von Art. 3 HUntStProt 2007 berufene Recht könne keine Anwendung finden, weil das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, eine engere Verbindung zu der betreffenden Ehe habe. Ali Akbar hat nach der Fallfrage diesen Einwand erhoben. Allerdings besteht eine solche engere Verbindung nicht zwingend zu Florida als dem Staat des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts. Vorliegend hat deutsches Recht durchaus zu der Ehe eine über den aktuellen Aufenthalt der Laila hinausgehende Verbindung; die Ehegatten hatten hier einen Teil der Ehe gelebt, Laila ist deutsche Staatsangehörige und Ali Akbar hatte zeitweise ein deutsches Personalstatut. Die Rückkehr von Laila nach Deutschland ist also nicht zufällig; vielmehr war durchaus damit zu rechnen, dass sie bei Trennung in ihren Heimatstaat zurückkehren würde.[8] Die erhobene kollisionsrechtliche Einrede greift somit absehbar nicht durch.

III. Versorgungsausgleich
1. Nachgeholter VA
a) Nachholung bei Auslandsscheidung

200

Fraglich ist, ob ein Versorgungsausgleich (VA), der im deutschen Scheidungsverfahren von Amts wegen Verbundsache ist, also regelmäßig im Scheidungsverfahren erfolgt (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG), nach Scheidung im Ausland – sofern diese in Deutschland anerkannt wird – überhaupt stattfinden kann. Wenngleich ein solcher selbstständiger VA unter Geltung der §§ 606 ff aF ZPO nicht vorgesehen war, erschien schon damals die Ermöglichung der Nachholung geboten. Zahlreiche Rechtsordnungen kennen den VA nicht; insbesondere deutsche Ehegatten würden durch verfahrensrechtlichen Zufall des VA verlustig gehen, wenn eine im Ausland ohne Durchführung des VA erfolgte Ehescheidung relativ großzügig anzuerkennen wäre und der VA damit ausgeschlossen wäre. §§ 102, 218 FamFG stellen ohnehin für selbstständige VA-Verfahren Zuständigkeiten bereit, die nicht nur für einen schuldrechtlichen VA, sondern auch für einen umfassenden nachgeholten VA genutzt werden können.

b) Keine Erfassung durch Rechtskraft ausländischer Scheidung

201

Auch eine anzuerkennende Rechtskraft der ausländischen Scheidung steht nicht entgegen, da in dem Verfahren in Florida über einen VA nicht zu befinden war und auch nicht befunden wurde, also der VA nicht Streitgegenstand war,[9] so dass, anders als dies im deutschen Scheidungsverfahren für den schuldrechtlichen VA der Fall ist, auch kein Durchführungsvorbehalt tenoriert werden konnte.

2. Versorgungsausgleichsstatut

202

Zu bestimmen ist das auf den nachgeholten VA anwendbare Recht.

a) Art. 8 deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen

203

Art. 8 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens wäre zwar sachlich anwendbar; der persönliche Anwendungsbereich ist jedoch nicht eröffnet, da Leila Deutsche ist, also jedenfalls nicht beide Ehegatten bei Antragstellung Iraner waren.

b) Art. 17 Abs. 3 EGBGB: Intertemporal anwendbare Fassung

204

 

Intertemporal ist nach dem Inkrafttreten des auf die Rom III-VO abgestimmten Art. 17 EGBGB neuer Fassung zu klären, ob Art. 17 Abs. 3 EGBGB in alter oder neuer Fassung Anwendung findet. Dies bestimmt sich nach Art. 229 § 28 EGBGB; da das Scheidungsverfahren nach Inkrafttreten der Neufassung des Art. 17 Abs. 3 EGBGB am 28.1.2013 eingeleitet wird, gilt für den Versorgungsausgleich Art. 17 Abs. 3 EGBGB in der Neufassung.

c) Anknüpfung des VA

205

Nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB unterliegt der VA als kollisionsrechtliche Scheidungsfolge dem nach der Rom III-VO anzuwendenden Scheidungsstatut, ist jedoch in der Neufassung nur noch bei deutschem Scheidungsstatut anzuwenden; das durch das ausländische Gericht angewendete Scheidungsstatut ist ohne Bedeutung; maßgeblich ist das Recht, welches ein deutsches Gericht fiktiv in einem Scheidungsverfahren angewendet hätte, das zur selben Zeit wie das ausländische Scheidungsverfahren eingeleitet worden wäre.

aa)

206

Der intertemporale Anwendungsbereich nach Art. 18 Rom III-VO ist hier nicht mehr zu prüfen, da die Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB in der seit 28.1.2013 geltenden Fassung eine Verfahrenseinleitung nach dem 21.6.2012 impliziert. Da eine Rechtswahl nach Art. 5 Rom III-VO nicht erfolgt ist, ist Art. 8 Rom III-VO anzuwenden. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im selben Staat bei Verfahrenseinleitung (Art. 8 lit. a Rom III-VO) fehlte am 5.1.2015; der frühere gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt in Florida war von Leila schon über 1 Jahr aufgegeben (Art. 8 lit. b Rom III-VO).

bb)

207

Fraglich ist, ob die Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit eine gemeinsame Staatsangehörigkeit hatten (Art. 8 lit. c Rom III-VO); auch im Anwendungsbereich des EU-Kollisionsrechts sind § 2 AsylG und Art. 12 GFK zu beachten. In Betracht kommt nur das nach § 2 AsylVerfG aF erworbene deutsche Personalstatut. Leila hat dieses nie verloren; der unmittelbare Übergang von einem deutschen Personalstatut als Flüchtling zur deutschen Staatsangehörigkeit ändert das Personalstatut nicht.

Zu prüfen ist, ob Ali Akbar noch ein deutsches Personalstatut hat. Dieses könnte durch Verzicht auf den Status des Asylberechtigten erloschen sein. Der 1995 geltende § 72 Abs. 1 Nr 4 AsylVerfG aF (ebenso § 72 AsylG) sieht den Verzicht als Erlöschensgrund für die Anerkennung als Asylberechtigter vor. Damit erlischt auch der auf dieser Anerkennung beruhende Status. Die Rückgabe des Reiseausweises ist nur Folge des Erlöschens (§ 72 Abs. 2 AsylVerfG aF). Ali Akbar hatte also bei Stellung des Scheidungsantrags wieder ein iranisches Personalstatut. Damit liegen auch die Voraussetzungen des Art. 8 lit. c Rom III-VO nicht vor.

cc)

208

Abzustellen ist damit gemäß Art. 8 lit. d Rom III-VO auf das Recht des angerufenen Gerichts. Fraglich ist, ob damit bei Anwendung von Art. 8 Rom III-VO kraft Verweisung aus Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB die lex fori des ausländischen Gerichts berufen wird, welches die Ehe tatsächlich geschieden hat, oder ob auch insoweit auf die kollisionsrechtliche Fiktion abzustellen ist, dass das anwendbare Recht aus Sicht eines scheidungszuständigen deutschen Gerichts beurteilt wird. Letzteres ist zu bejahen, da der Zweck des nachgeholten VA darin besteht, ihn so durchzuführen, wie er durchzuführen gewesen wäre, wäre die Ehe in Deutschland geschieden worden. Damit ist deutsches Recht VA-Statut nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB und es findet ein regulärer, nicht ein außerordentlicher VA (Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB) statt.

3. „Kennen“ des VA

209

Die Durchführung des VA nach deutschem Recht setzt auch bei Nachholung voraus, dass ihn eines der Personalstatute der Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags kennt (Art. 17 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 EGBGB). Da Leila Deutsche ist und deutsches Recht den VA nicht nur kennt, sondern sogar vorsieht, kommt es nicht darauf an, ob das Recht von Florida den VA kennt.

4. Antrag

210

Es könnte ein Antrag erforderlich sein. Dies ergibt sich zwar nicht aus Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB, denn Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB gilt nur, wenn nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB kein VA durchzuführen ist, sei es, dass das Scheidungsstatut nicht deutsches Recht ist, sei es, dass ihn kein Heimatrecht kennt. Auch die Gegenausnahme des Art. 17 Abs. 3 S. 2, letzter Hs. EGBGB (kollisionsrechtliche Härteklausel) ist nicht einschlägig.

Jedoch kann auch ein VA nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB von Amts wegen nur im Verbundverfahren durchgeführt werden; ist die Ehe im Ausland geschieden worden, kann nicht ein deutsches Familiengericht von sich aus tätig werden und ein eigenständiges VA-Verfahren eröffnen, weshalb ein Antrag erforderlich ist, der hier vorliegt.

5. Ausländische Rentenanwartschaften

211

Fraglich ist schließlich, ob nur die Rentenanwartschaften aus der deutschen Rentenversicherung einzubeziehen sind oder ob auch die in den USA erworbenen pension plan-Rechte zum Ausgleich kommen. Dies ist keine Frage der kollisionsrechtlichen Einbeziehung, da der VA nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB umfassend nach deutschem Recht erfolgt, sondern ein Problem der materiellrechtlichen Reichweite und Methode des VA im deutschen Familienrecht.[10]

IV. Morgengabe (mehriye)
1. Qualifikation
a) Methode: Funktionelle Qualifikation

212

Die Morgengabe ist ein dem deutschen Recht unbekanntes Rechtsinstitut. Zur Ermittlung der maßgeblichen Kollisionsnorm bedarf es daher der Qualifikation, die sich nach hM als funktionelle Qualifikation an der Funktionsähnlichkeit zu deutschen Rechtsinstituten orientiert. Ein fremdes Rechtsinstitut findet nur Anwendung, wenn das auf dieses Institut im konkreten Fall anwendbare Recht das Rechtsinstitut vorsieht.

b) Qualifikation bei mehrfachen Funktionen

213

Grundsätzlich ist die Vereinbarung der Morgengabe im islamischen Recht im Verhältnis zu dem dort geltenden Recht des Ehemannes zur einseitigen Erklärung der Ehescheidung (talaq), dem Güterstand der Gütertrennung und dem auf drei Monate begrenzten nachehelichen Unterhalt zu sehen (vgl MAT c). Die Morgengabe soll eine Vermögensbildung der Ehefrau und damit eine Absicherung gewährleisten. Im Übrigen sind die Ausgestaltungen unterschiedlich. Im iranischen Recht, das shi‘itischen Rechtsgrundsätzen folgt, wird die mehriye sogleich nach Eheschließung Eigentum der Frau (Art. 1082 iran ZGB, MAT b) – wie immer dies sachenrechtlich konstruiert ist. Hingegen ist im sunnitischen Recht eine Teilung in zwei Raten üblich, von denen die größere erst (und nur) bei Scheidung fällig wird.

Eine einheitliche Qualifikation des Rechtsinstituts erscheint aus Sicht des deutschen Rechts schwierig. Das deutsche Recht regelt die Interessenbalance im Fall der Scheidung durch zahlreiche Institute (Zugewinnausgleich, Unterhalt, Versorgungsausgleich, Hausratverteilung), während im islamischen Recht die Morgengabe finanzielle Risiken absichern soll, aber auch die Aufgabe hat, dem Recht des Mannes zum jederzeitigen talaq ein die Frau gegen Willkür schützendes Gegengewicht gegenüberzustellen, eine Funktion, die das deutsche Scheidungsrecht nicht vorsehen muss.

Gut vertretbar erscheint vor allem bei der sunnitischen Gestaltung eine scheidungsrechtliche Qualifikation als „Schadenspauschale“ wegen des einseitigen Rechts zur Ehescheidung. Eine ehewirkungsrechtliche Qualifikation stellt stärker auf die mit der Eheschließung immer notwendig verbundene Vereinbarung einer Morgengabe (Art. 1087 iran ZGB, MAT b) ab, auch wenn diese kein Wirksamkeitserfordernis, sondern Konsequenz der Eheschließung ist. Im Schrifttum wird wegen der monetären Absicherung vorwiegend eine unterhaltsrechtliche und ehegüterrechtliche Qualifikation vertreten.[11]

c) Ehewirkungsrechtliche Qualifikation

214

Mit dem BGH[12] dürfte es zutreffen, angesichts dieser Mischung der Motivationen die Morgengabe ehewirkungsrechtlich zu qualifizieren, sofern sie, wie im iranischen Recht, als Wirkung der Eheschließung ausgestaltet ist und zu einem unmittelbaren, von einer späteren Ehescheidung unabhängigen Vermögenserwerb führt. Bedenken bleiben, da in der iranischen Praxis der Gegenstand der mehriye bei bestehender Ehe häufig nicht der Ehefrau übergeben und deshalb bei Ehescheidung hierüber gestritten wird.

Im vorliegenden Fall ist weder das Ehewirkungsstatut (auch nicht jenes bei Eheschließung) noch das Ehegüter-, Scheidungs- oder Unterhaltsstatut ein islamisches Recht; daher geht die Vereinbarung einer mehriye ins Leere.

2. Auslegung als sonstiger (Scheidungsfolgen-)Vertrag
a) Auslegung bei Handeln unter „falschem“ Statut

215

Im Gegensatz zu rein gesetzlich ausgefüllten Rechtsinstituten, die unter einem „falschen Statut“ ohne jede rechtliche Wirkung sind (zB die Übergabe eines jüdisch-rechtlichen Scheidebriefs bei deutschem Scheidungsstatut), hat aber die Morgengabe auch ein konsensuales Element, das im Rahmen der vom „richtigen Statut“ eröffneten Vertragsfreiheit einer Auslegung zugänglich ist.[13]

b) Schuldrechtliche Auslegung

216

Eine rein schuldrechtliche Auslegung als abstraktes Schuldversprechen kommt nicht in Betracht, weil diese den gewollten familienrechtlichen Bezug ignoriert.[14] Die Ehegatten haben durch die Bezeichnung als Morgengabe und den Vertrag im Übrigen die Orientierung an dem islamisch-familienrechtlichen Institut klargestellt, wollten also keine abstrakte Verbindlichkeit begründen. Als abstraktes Schuldversprechen wäre die Vereinbarung zudem gemäß § 518 Abs. 1 S. 2 BGB formunwirksam.

c) Auslegung als Scheidungsfolgenvereinbarung

217

In Betracht zu ziehen ist eine Auslegung als Ehevereinbarung zur Abänderung oder Pauschalierung vermögensrechtlicher Folgen der Scheidung nach den tatsächlich anzuwendenden Statuten. Da die Ehegatten von den Grundsätzen des islamischen Rechts ausgingen, könnte das Morgengabeversprechen als Vereinbarung der Rechtsfolgen islamischen Rechts verstanden werden. Der Vertrag wäre dann als Verzicht auf güterrechtliche und unterhaltsrechtliche Ansprüche sowie den Versorgungsausgleich gegen Zahlung einer als Morgengabe bezeichneten pauschalen Abfindung zu verstehen (MAT c, d).

Eine solche Auslegung würde jedoch einen Regelungswillen voraussetzen. Die Ehegatten sind aber nur von gesetzlich eintretenden Rechtsfolgen des islamischen Rechts ausgegangen. Es wäre eine bloße Unterstellung, wollte man ihnen einen Regelungswillen hinsichtlich eines deutschen Statuts unterstellen. Ehewirkungsrechtlich wäre, abgesehen vom Unterhaltsrecht, allenfalls an den Ausgleich von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen zu denken, zu dem die Vereinbarung noch weniger Bezug hat.

d) Formunwirksamkeit

218

 

Eine solche Auslegung könnte zudem mangels Einhaltung der Form scheitern. Soweit güterrechtliche oder versorgungsausgleichsrechtliche Ansprüche abgegolten werden sollten, fehlt es an der Form der notariellen Niederschrift (§§ 1410, 1408 Abs. 2 BGB, § 7 Abs. 3 VersAusglG). Als Unterhaltsvereinbarung wäre die vor dem 1.1.2008 (seither § 1585c S. 2 BGB idF des Unterhaltsrechtsreformgesetzes 2007) geschlossene Vereinbarung nach deutscher Orts- und Geschäftsform zwar formfrei wirksam. Aus Sicht des deutschen Rechts stellt sich aber zusätzlich ein Problem des § 139 BGB. Da jedenfalls eine güter- und versorgungsausgleichsrechtliche Abgeltung nicht erreicht wird, dürfte eine Auslegung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kaum eine andere Lösung als die Gesamtnichtigkeit zulassen. Eine Pauschalierung aller Scheidungsfolgen scheitert; ein isolierbarer unterhaltsrechtlicher Teil (dem Betrag nach) ist nicht bestimmbar.