Internationales Privatrecht

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IV. Namensstatutwahl: Kinder

1. Bedeutung, Durchführung

689

a) Art. 10 Abs. 3 gibt dem Inhaber der elterlichen Sorge die Möglichkeit, durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten zu bestimmen, dass das Kind den Namen nach einer der in Art. 10 Abs. 3 genannten Rechtsordnungen erhalten soll. Die Wahl des Namensstatuts kann sowohl zu einer Rechtsordnung führen, die den Kindesnamen zwingend kraft Gesetzes festlegt, als auch eine materielle Namenswahl eröffnen.

690

b) Wer Inhaber der elterlichen Sorge ist, bestimmt sich als selbständig anzuknüpfende Vorfrage nach dem von Art. 21 berufenen Recht; bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes im Inland also nach deutschem Recht.

691

c) Die Rechtswahl ist in der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung ebenfalls unbefristet; sie bedarf, wenn sie nach der Beurkundung der Geburt abgegeben wird, der öffentlichen Beglaubigung.

2. Wählbare Rechtsordnungen

692

Wählbare Rechtsordnungen sind: Jedes Heimatrecht eines Elternteils, bei Doppelstaatern auch ein nach Art. 5 Abs. 1 nachrangiges Heimatrecht; deutsches Recht, wenn ein Elternteil hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; im Fall der Namenserteilung (Einbenennung, zB durch einen Stiefelternteil) das Heimatrecht des den Namen Erteilenden.

3. Hinkende Namensführung

693

Die Gefahr einer hinkenden Namensführung besteht auch hier; dabei ergibt sich allerdings für den Sorgeberechtigten, der eine weit reichende Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt erhält, zugleich eine erhebliche Verantwortung. Im Gegensatz zur Bestimmung des Ehenamens, die von beiden Ehegatten in Abwägung ihrer Integrationsinteressen getroffen wird, kann die Wahl des Namensstatuts und damit mittelbar des Namens des Kindes auch genutzt werden, um eine Integration des Kindes bei einem Elternteil (dem alleine Sorgeberechtigten) und zugleich die Desintegration zu dem anderen Elternteil zu fördern. Das deutsche Kindschaftsrecht, das bei Kindern nicht verheirateter Eltern noch immer im Zweifel der Mutter die Alleinsorge gibt, leistet, zusammen mit der Möglichkeit der Namensstatutswahl zu deutschem Recht, einem solchen fragwürdigen Sorgerechtsgebrauch Vorschub.

694

Die italienischen Staatsangehörigen M und V sind nicht verheiratet und haben ein gemeinsames Kind, das mit seinen Eltern in Deutschland lebt. Das Kind führt nach italienischem Recht (Art. 10 Abs. 1) den Namen seines Vaters V, der das Kind als erster Elternteil anerkannt hat. Als sich die Eltern des inzwischen 10-jährigen Kindes trennen, erfährt die Mutter M, dass sich gemäß Art. 16 Abs. 1 KSÜ die elterliche Sorge nach deutschem Recht als Aufenthaltsrecht des Kindes bestimmt. Da M und V bisher irrig davon ausgegangen waren, dass sie – wie im italienischen Recht vorgesehen – gemeinsam sorgeberechtigt seien, haben sie nie eine Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr 1 BGB abgegeben. M ist also alleine sorgeberechtigt (§ 1626a Abs. 2 BGB) und nutzt dies nunmehr, um eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr 2 zu deutschem Recht zu treffen. Damit bestimmt sich der Name des Kindes nunmehr nach § 1617a Abs. 1 BGB: Das Kind erhält den Namen der allein sorgeberechtigten Mutter. Hatten M und V mit dem Kind zunächst in Italien gewöhnlichen Aufenthalt und ist V mit dem Kind nach Deutschland umgezogen, so bleibt V weiter sorgeberechtigt (Art. 16 Abs. 3 KSÜ), kann also die einseitige Namensstatutswahl durch M verhindern.

695

Das Ergebnis der Eröffnung einer unbefristeten Wahl des Namensstatuts ist offenbar vom Gesetzgeber nicht bedacht worden; die nach § 1617a Abs. 2 BGB zugelassene Erteilung des Namens des anderen Elternteils sowie die Erstreckung einer Bestimmung eines Ehenamens durch die Eltern auf das Kind (§ 1617c BGB) bedarf hingegen nach Vollendung des fünften Lebensjahres der Einwilligung bzw Anschließung des Kindes, die bei über 14-Jährigen höchstpersönlich ist; vor Erreichung des 14. Lebensjahres bedarf es der familiengerichtlichen Genehmigung. Die nachträgliche Wahl des Namensstatuts würde dagegen mittelbar eine nachträgliche Änderung des Kindesnamens ohne jede Kontrolle am Maßstab des Kindeswohls ermöglichen. Dies sollte durch analoge Anwendung des § 1617c Abs. 1 BGB auf die Namensstatutswahl vermieden werden.

Literatur:

Henrich Die Rechtswahl im internationalen Namensrecht und ihre Folgen, StAZ 1996, 129; ders. Die Angleichung im internationalen Namensrecht – Namensführung nach Statutenwechsel, StAZ 2007, 197; Hepting Regelungszwecke und Regelungswidersprüche im Namensrecht, StAZ 1996, 1; ders. Das IPR des Kindesnamens nach der Kindschaftsrechtsreform, StAZ 1998, 133.

Anmerkungen

[1]

Vgl auch den bis ins 18. Jhdt. existierenden „Klostertod“ – Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit bei endgültigem Klostereintritt – §§ 1199 ff Preußisches ALR.

[2]

www.wikipedia.org sub: „Death in absentia“.

[3]

Art. 12 S. 1 formuliert wie Art. 11 EVÜ („Vertrag“); Art. 12 S. 2 verdeutlicht, dass Rechtsgeschäfte (also auch einseitige) gemeint sind.

[4]

Vgl zur Vertretung eines ausländischen Fiskus: BGHZ 40, 197, 199; zur Prozessführungsbefugnis BGHZ 125, 196, 199.

[5]

www.wikipedia.org sub: „Offshore company“.

[6]

BGH EuZW 2000, 412, 413: „Wenn eine derart einfache Umgehungsmöglichkeit bestünde, liefen den Gründern unangenehme Schutzvorschriften im Ergebnis leer. Es ist zu befürchten, dass sich im dergestalt eröffneten ‚Wettbewerb der Rechtsordnungen‘ gerade die Rechtsordnung mit dem schwächsten Schutz dritter Interessen durchsetzen würde (‚race to the bottom‘).“

[7]

BGH EuZW 2000, 412.

[8]

BGBl. 1956 II 488.

[9]

EuGH Rs. 81/87 ECLI:EU:C:1988:456 (Daily Mail).

[10]

EuGH Rs. C-212/97 ECLI:EU:C:1999:126 (Centros).

[11]

So aber OGH EuZW 2000, 156.

[12]

EuGH Rs. C-208/00 ECLI:EU:C:2002:632 (Überseering BV).

[13]

BGHZ 154, 185, 189 (Abschlussentscheidung zu Überseering).

[14]

EuGH Rs. C-167/01 ECLI:EU:C:2003:512 (Inspire Art).

[15]

EuGH Rs. C-210/06 ECLI:EU:C:2008:723 (Cartesio Oktató és Szolgáltató bt).

[16]

EuGH Rs. C-378/10 ECLI:EU:C:2012:440 (VALE Építési kft.).

[17]

Zur Umsetzung in Deutschland Rn 667, vgl KG NJW-RR 2016, 1007: Umwandlung einer französischen Sàrl in eine GmbH.

[18]

BGHZ 154, 185; auch nach der Cartesio-Entscheidung: BGH NJW 2011, 3372, 3373.

[19]

BGHZ 164, 148, 149.

[20]

Zum 1.11.2008 durch das MoMiG v. 23.10.2008, BGBl. 2008 I 2026.

[21]

OLG München ZIP 2007, 2124.

[22]

Daher kann einer inländischen Zweigniederlassung einer englischen Limited nicht die Handelsregistereintragung versagt werden, nur weil ihre Firmierung nicht § 18 Abs. 1 HGB entspricht, sofern nicht solche zwingenden Gründe (zB konkrete Täuschungseignung) vorliegen, vgl LG Aachen IPRax 2008, 270.

[23]

 

BGH NJW 2005, 1648 für niederländische BV.

[24]

„Unternehmerische Mitbestimmung“ bezeichnet die Mitwirkung von Vertretern der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat bei AG, KGaA, GmbH und Genossenschaften (§ 1 MitbestG), die gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist (vgl § 96 Abs. 1 AktG) und damit dem Gesellschaftsstatut folgt. Hingegen werden als „Betriebliche Mitbestimmung“ die Mitwirkungsrechte insbesondere des Betriebsrats nach dem BetrVG bezeichnet (Rn 638).

[25]

Das Phänomen umfasst sowohl deutsche Unternehmen als auch von inländischen Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften betriebene Unternehmen: Hoffmann AG-Report 2016, R167, R169.

[26]

BGH NJW 2007, 1529.

[27]

EuGH Rs. C-594/14 ECLI:EU:C:2015:806 (Kornhaas/Dithmar).

[28]

Dazu Metzing ZEuS 2017, 43, 71 ff.

[29]

Zu einem Referentenentwurf des BMJ aus dem Jahr 2008: Wagner/Timm IPRax 2008, 81.

[30]

BGHZ 128, 41, 45: Die organschaftliche Vertretungsmacht des Rektors zum Abschluss eines Beratervertrages mit einer DDR-Hochschule untersteht dem Statut der juristischen Person, nicht dem Vertragsstatut dieses Vertrages.

[31]

Zur verbreiteten Gegenansicht Dignas GmbHR 2005, 139 (Art. 10 Abs. 4 war bis 17.12.2009 Art. 10 Abs. 5 aF).

[32]

OLG München RIW 1998, 147.

[33]

Erst recht, wenn man die Ortsform als nicht genügend ansieht, dazu Dignas GmbHR 2005, 139, 141 ff.

[34]

Anders ist es, wenn die Gesellschaft ihren Satzungssitz ändert, das Gründungsrecht aber einen inländischen Satzungssitz verlangt: OLG München ZIP 2007, 2124.

[35]

Der Sprachgebrauch der SE-VO und der Richtlinie 2001/86/EG ist uneinheitlich, ErwGr 9 der RiLi spricht von „Fusion“.

[36]

Nach BGH NJW 2009, 289.

[37]

www.wikipedia.org sub: „Certificate of incorporation“.

[38]

www.wikipedia.org sub: „Partnership, 2. Common Law“ und sub„Limited partnership“.

[39]

Zu Recht ablehnend für den (eingetragenen) Idealverein OLG Zweibrücken NJW-RR 2006, 42; anders Behrens ZEuP 2007, 324.

[40]

Die Verschmelzung (§§ 2 ff UmwG) ist begrifflich ein Typus der Umwandlung (§ 1 Abs. 1 UmwG: Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung, Formwechsel).

[41]

EuGH Rs. 411/03 ECLI:EU:C:2005:762 (Sevic Systems AG).

[42]

Widmann/Mayer/Heckschen Umwandlungsrecht (Lfg. 157, 2016) § 1 UmwG Rn 252.

[43]

Henssler/Strohn/Decker Gesellschaftsrecht (3. Aufl., 2016) § 1 UmwG Rn 13; Lutter/Drygala Umwandlungsgesetz (5. Aufl., 2015) § 1 UmwG Rn 15; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Hörtnagl Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz (7. Aufl., 2016) § 1 UmwG, Rn 54.

[44]

Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU L 310/1.

[45]

KG NJW-RR 2016, 1007: Formwechsel S.à.r.l. in GmbH nach den Bestimmungen des UmwG für Formwechsel Kapitalgesellschaft in GmbH.

[46]

Personenstandsrechtsreformgesetz vom 19.2.2007, BGBl. 2007 I 122, geändert durch Art. 4 Abs. 1a BVertrÄndG, BGBl. 2007 I 748.

[47]

Dazu Mäsch IPRax 2008, 17.

[48]

Nur zufällig zusammen mit der Anpassung des IPR an die Rom III-VO: BGBl. 2013 I 101.

[49]

Dazu Freitag StAZ 2013, 69; Mankowski StAZ 2014, 97.

[50]

BGH FamRZ 2007, 1540.

[51]

www.wikipedia.org sub: „Middle name“: In der Namensführung zwischen Vor- und Familiennamen stehend und regelmäßig abgekürzt; „George W[alker] Bush“.

[52]

www.wikipedia.org sub: „Patronym“: In der Namensführung den Familiennamen ersetzend, in Island noch der Regelfall, in anderen skandinavischen Staaten fakultativ: zB Jördis Jonsdóttir (= Jördis Jons Tochter)

[53]

EuGH Rs. C-353/06 ECLI:EU:C:2008:559 (Stefan Grunkin ua/Standesamt Niebüll); EuGH Rs. C-148/02 ECLI:EU:C:2003:539 (García Avello).

[54]

EuGH Rs. C-208/09 ECLI:EU:C:2010:806 (Sayn-Wittgenstein) StAZ 2011, 77: Österreich, das Adelstitel auch als Namensbestandteile nicht zulässt, muss nicht über Art. 21 AEUV einen Adelsnamen importieren.

[55]

Die Frage, ob diese Einschränkung Art. 21 AEUV genügt, wenn der Name in einem Heimat-Mitgliedstaat erworben wurde, liegt dem EuGH als Vorabentscheidungsersuchen vor: AG Wuppertal StAZ 2016, 86.

[56]

EuGH Rs. C-438/14 ECLI:EU:C:2016:401 (Nabiel Peter Bogendorff von Wolffersdorff/Standesamt Stadt Karlsruhe).

[57]

Otto StAZ 2016, 225; Rauscher LMK 2016, 38141; der EuGH (vorige Fußnote) überlässt diese Frage der Entscheidung deutscher Gerichte.

[58]

So OLG Dresden 6.7.2011 17 W 465/11 betreffend die Tochter des Deutschen, um dessen Namen es in EuGH Rs. C-438/14 ECLI:EU:C:2016:401 (Nabiel Peter Bogendorff von Wolffersdorff/Standesamt Stadt Karlsruhe) geht.

[59]

BGHZ 121, 305, 317: Führung des Vornamens in polnischer Schreibweise nach Einbürgerung eines ehemals polnischen Staatsangehörigen deutscher Volkszugehörigkeit.

[60]

BGHZ 147, 159, 166: Das Bestimmungsrecht des § 1355 kann nur einmal ausgeübt werden, ist aber durch eine Namensbestimmung nach ausländischem Recht nicht verbraucht.

[61]

Ursprünglich 1.1.2009 (Art. 2 (15) lit. b PStRG BGBl. 2007, I 122, vorgezogen durch Art. 4 Abs. 1a 7. BVertrÄndG, BGBl 2007 I 748.

[62]

OLG München FamRZ 2009, 1630; Hepting StaZ 2008, 161, 174; Mäsch IPRax 2008, 17; anders aber für die Übersetzung von Adelsprädikaten.

[63]

Zur konkludenten Wahl einer Rechtsordnung bei Wahl eines Ehenamens im Bewusstsein, dass dieser nur nach der betreffenden Rechtsordnung statthaft ist: OLG Düsseldorf StAZ 2010, 110.

[64]

BGH NJW 2016, 2953.

[65]

OLG Düsseldorf StAZ 2010, 110.

[66]

Umfassend zur Namensführung in romanischen Rechtsordnungen Pintens StAZ 2016, 65, zum Ehenamen dort S. 71.

Teil III Besonderer Teil des IPR › § 8 Familienrecht

§ 8 Familienrecht

Inhaltsverzeichnis

A. Eherecht

B. Lebensgemeinschaften ohne Ehe

C. Unterhalt

D. Kindschaftsrecht

E. Vormundschaft, Pflegschaft, Betreuung

Teil III Besonderer Teil des IPR › § 8 Familienrecht › A. Eherecht

A. Eherecht

I. Eheschließung

696

Völkervertragliche Regelungen des Eheschließungsrechts enthält das Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung v. 12.6.1902, das nur noch im Verhältnis zu Italien, und damit nach seinem Art. 8 Abs. 1 nur für Eheschließungen in Deutschland oder Italien unter Beteiligung von wenigstens einem Deutschen oder Italiener gilt.

697

Außerdem enthalten einige Konsularverträge Eheschließungsregeln, vor allem betreffend die Form und Zulässigkeit der Eheschließung vor den Konsuln.

1. Materielle Voraussetzungen der Eheschließung

a) Eheschließungsstatut

698

Art. 13 Abs. 1 knüpft die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten an sein Personalstatut; für Staatenlose oder Mehrstaater gilt also Art. 5. Maßgeblich ist das Heimatrecht im Zeitpunkt der Eheschließung, die Anknüpfung ist somit unwandelbar. Der Begriff „Verlobte“ wird dabei untechnisch verwendet; auch wenn die Eheschließenden nicht im Rechtssinn verlobt sind, ist Art. 13 anzuwenden. Es müssen kumulativ die Voraussetzungen nach den Heimatrechten beider Eheschließender vorliegen.

699

Dabei kann durchaus ein beteiligtes Heimatrecht auf den anderen Verlobten übergreifen, indem es Voraussetzungen aufstellt, die nicht nur die Person des einen Verlobten angehen, sondern beide Verlobte. Man spricht dann von beidseitigen Ehevoraussetzungen. Solche, die sich nur auf den Ehegatten beziehen, von dessen Heimatrecht sie angeordnet werden, heißen einseitige Ehevoraussetzungen. ZB ist § 1303 Abs. 1 BGB eine einseitige Ehevoraussetzung; Volljährigkeit wird nur für den deutschen Eheschließenden gefordert. Dagegen ist § 1306 BGB beidseitig zu verstehen; ein Deutscher, der selbst nicht bereits verheiratet ist, kann auch keinen Ausländer heiraten, der mit einer dritten Person verheiratet ist (vgl Beispiel Rn 703).

 

b) Qualifikation

700

aa) Eheschließungsrechtlich qualifiziert wird die Ehemündigkeit, Zustimmungserfordernisse, die Möglichkeit der Stellvertretung bei der Eheschließung, sofern es sich nicht nur um eine Formfrage handelt.

701

Die Zulässigkeit echter Stellvertretung („im Willen“) ist selten, insbesondere in Verbindung mit einer Auswahl des Ehegatten durch den Stellvertreter. Häufiger ist die Eheschließung durch Stellvertreter „in der Erklärung“, was meist eine bloße Botenschaft bedeutet, die nicht materiell (als Teil des Eheschließungsstatuts nach Art. 13 Abs. 1), sondern als bloße Formfrage qualifiziert wird.

702

bb) Die Erfordernisse sind aber häufig auch negativ – als Ehehindernisse (negative Eheschließungsvoraussetzung, zB §§ 1306 bis 1308 BGB) – formuliert; auch diese unterfallen dem Eheschließungsstatut.

703

Vorfragen im Tatbestand eines Ehehindernisses sind dabei selbständig anzuknüpfen.

Das Eheverbot der Bigamie (§ 1306 BGB) greift als Ehehindernis ein, wenn ein Verlobter (D) Deutscher ist. Schließt dieser die Ehe mit einer Mexikanerin (M), die vorher in Mexiko einen Mexikaner (X) geheiratet hat und inzwischen durch ein mexikanisches Gericht geschieden wurde, so ergeben sich zwei Vorfragen: Die Wirksamkeit der ersten Ehe (M-X) wird in materieller Hinsicht an das Eheschließungsstatut (Heimatrecht von M und X), in formeller Hinsicht an das Formstatut der Ehe M-X angeknüpft. Die wirksame Auflösung der Ehe von M und X ist eine Frage des internationalen Zivilverfahrensrechts: Das Scheidungsurteil des mexikanischen Gerichts wirkt in Deutschland nur nach Anerkennung (bei Scheidung im gemeinsamen Heimatstaat von M und X zwar nicht förmlich durch die Landesjustizverwaltung – § 107 FamFG – jedoch inzident nach dem Maßstab der §§ 108, 109 FamFG). Ist die Ehe M-X wirksam geschlossen und nicht wirksam geschieden, so steht § 1306 BGB der Ehe M-D entgegen, andernfalls nicht.

c) Mangelfolgen

704

aa) Das Eheschließungsstatut bestimmt nicht nur über die bei Eheschließung zu beachtenden positiven und negativen Voraussetzungen der Ehe; ein wichtiger Anwendungsbereich ist die spätere Feststellung der Verletzung von Ehevoraussetzungen. Insbesondere in Verfahren, welche die Aufhebung, Nichtigerklärung oder Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe zum Gegenstand haben, knüpft das Gericht die Mängel, die sich bei der – damaligen – Eheschließung ereignet haben sollen, nach dem unwandelbaren Statut des Art. 13 Abs. 1 an (zu Art. 13 Abs. 3 nF Rn 591).

705

bb) Dieses Statut bestimmt auch die Auswirkungen fehlender Ehevoraussetzungen auf den Bestand der Ehe. Da zwei Rechtsordnungen zusammentreffen, beurteilt sich die Fehlerfolge (Nichtigkeit, Aufhebbarkeit, Erfordernis eines Urteils etc) nach dem jeweils betroffenen Recht, das die verletzte Ehevoraussetzung bestimmt hatte. Wenn eine verletzte Ehevoraussetzung in beiden Heimatrechten bestimmt war, entscheidet aufgrund der kumulativen Anwendung das Recht, welches die weitergehenden Rechtsfolgen aus dem Verstoß herleitet („ärgeres Recht“).[1]

706

Das deutsche Recht kennt seit dem 1.7.1998 nur noch zwei Typen von Mangelfolgen für den Bestand der Ehe: Die Nichtehe, die nur bei gröbsten Verstößen (fehlende Mitwirkung eines Standesbeamten, vgl aber § 1310 Abs. 2, 3; im IPR als Frage der Form qualifiziert) eintritt und die Aufhebung der Ehe auf Antrag zum Familiengericht (§ 1313 BGB). Verstöße gegen zahlreiche Ehevoraussetzungen sind heilbar (§ 1315 BGB) oder berühren den Bestand der Ehe von Anfang an nicht (zB § 1308 BGB). Schon der Vergleich zu dem bis 30.6.1998 geltenden Recht zeigt, dass es sich nicht um zwingende, sondern um rechtspolitisch variierbare Lösungsmodelle handelt; andere Rechtsordnungen kennen teils andere Ehehindernisse, teilweise behandeln sie die Folgen anders:

707

Ein 20-jähriger Deutscher heiratet eine 15-jährige, bereits verheiratete shiʼitische Iranerin. Aus Sicht des deutschen Rechts (Heimatrecht des Mannes) verstößt die Ehe gegen § 1306 BGB (beidseitiges Bigamieverbot); § 1303 Abs. 1 BGB (Ehemündigkeit) ist nicht verletzt, weil es sich um eine einseitige Ehevoraussetzung handelt und der Ehemann volljährig ist. Nach iranischem Heimatrecht der Frau ist deren Ehemündigkeit gegeben. Allerdings verstößt auch nach iranischem Recht die Ehe gegen ein Bigamieverbot, weil das islamische Recht einer Frau nur eine Ehe zur selben Zeit gestattet. Die Mangelfolgen sind verschieden: Die Ehe ist nach § 1314 Abs. 1 BGB nur auf Antrag hin aufhebbar, also nicht nichtig. Nach shiʼitischem Recht ist die zweite Ehe einer Frau bei Bestehen der ersten Ehe unheilbar nichtig; einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es dazu nicht. Das shiʼitische Recht ist damit das ärgere Recht, dessen Wirkung (Nichtigkeit) sich durchsetzt. Um Zweifel am Bestehen der Ehe auszuschließen, kann jedoch eine Feststellungsklage erhoben werden bzw ein bereits gestellter Aufhebungsantrag in eine Feststellungsklage geändert werden. Im Gegensatz zum Aufhebungsantrag (Gestaltungsantrag) wird dann nur die – kraft iranischen Rechts bereits eingetretene – Nichtigkeit festgestellt. Hingegen wäre in der spiegelbildlichen Situation die Ehe zwischen einer Deutschen und einem bereits verheirateten Iraner aus iranischer Sicht wirksam, so dass die Ehe nur am Mangel des § 1306 BGB leidet und somit nach § 1314 Abs. 1 BGB wirksam, aber aufhebbar ist.

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