Mythos, Pathos und Ethos

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Braus starb leider schon 1988 mit 73 Jahren, dabei war der Wadenhauer in dem Alter gerade erst Bundeskanzler geworden, es gibt schon manchmal wirklich merkwürdige Zufälle im Leben. Es entstand ein Vakuum bei den Christsozialen, welches jene mit Schreibl und Baigel nicht ausreichend füllen konnten, so daß plötzlich meine Freunde von den Republikanern erstarkten und große Wahlerfolge feierten. Leider dauerte das auch nicht lange.

Die 16 Jahre unter Hartmut Fohl und seiner schwarz-gelben Koalition habe ich in einer relativ angenehmen Erinnerung. Hauptsache, die Linken waren und kamen nicht an die Macht, das war für mich das Wichtigste.

Privat hatte sich bei mir auch einiges getan, ich hatte mir eine Haushälterin angelacht und mit der lauter schweinische Sachen gemacht, zum Beispiel gekocht. Leider war sie der deutschen Sprache nicht richtig mächtig, sonst hätten wir uns noch besser verstanden. Klar, jetzt werden Sie wahrscheinlich hervortreten, mit dem Finger auf mich zeigen und schimpfen: "Was ist denn das für ein falscher Nazi? Läßt sich da von einer Ausländerin bedienen!", aber was blieb mir denn Anderes übrig? Deutsche Frauen wollten von mir nichts wissen, die ließen sich lieber mit den amerikanischen Besatzern ein und wenigstens war ich der deutsche Arbeitgeber und damit der Chef in jener Konstellation. 1998 war für mich das schlimmste Jahr seit 1945, denn wir verloren die Macht an die Linken, noch dazu an die rot-grünen Chaoten, denen vor gar nichts grauste, ich schreibe nur Homo-Ehe, dann wissen gleich alle Bescheid. An die letzten 15 Jahre kann ich mich zum Glück nicht mehr wirklich erinnern, das sollen Andere übernehmen, das tu ich mir freiwillig nicht an.

Ja, meine Lieben, bald werden die Letzten von meiner Sorte ausgestorben sein, genauso wie die ehemaligen KZ-Häftlinge, deren Geschichten sich die Medien immer wieder freiwillig und gerne anhören, dabei sind die doch stinklangweilig. Außerdem finde ich es total ungerecht und typisch für die Siegerjustiz, daß meinen Kameraden, die allesamt auch schon fast 90 oder älter sind, heutzutage noch der Prozeß gemacht wird. Was für eine Schande! Nur gut, daß niemand so genau weiß, was ich vor und im Krieg so alles angestellt habe, sonst würde es mir wahrscheinlich auch noch an den Kragen gehen.

Wie dem auch sei, ich bin nun so frei, mich von Ihnen zu verabschieden, und lasse Sie ab jetzt in Frieden. Heil Gerkel? Nein, das kann ich nicht, die ist eine Frau, aus dem Osten, evangelisch und geschieden, so eine darf doch dieses Land nicht regieren, aber sie tut es ja schon seit acht Jahren, das ist nicht mehr mein Deutsches Reich, mir werden gleich die Knie weich.

Schlimm genug, so etwas, aber daß in den USA seit fast fünf Jahren ein Neger an der Spitze des Staates steht, das ist ja wohl die größte Ungeheuerlichkeit des dritten Jahrtausends! Und wer serviert dem und seiner Familie dann das Essen? Wahrscheinlich ein Weißer, ich bin entsetzt und empört, das ist doch wirklich unerhört, sind die da drüben schon so gestört?

Schon gut, ruhig Blut, ich soll mich nicht immer so aufregen, hat mein Arzt hier zu mir gesagt, wenn der wüßte, daß ich nur deshalb so alt geworden bin, weil ich mich andauernd so massiv aufgeregt habe. Wie auch immer, es wird bestimmt noch schlimmer, ich für meinen Teil, trete jetzt gleich ab, machen Sie’s gut und Heil!

3,75 Jahre Süddeutscher Zeitdung

Ende März 2002: Was für ein Drama! Großes Theater im Bundesrat. Abgestimmt werden sollte über das neue Zuwanderungsgesetz, das Rot-Grün durchsetzen, die Union aus CDU/CSU jedoch verhindern wollte. Hinter den Kulissen wurde fleißig Stimmung gemacht und manipuliert, am Ende lief es auf ein Duell zwischen Bundeskanzler Bernhard Schräder (SPD) und seinem Herausforderer, dem bayerischen Ministerpräsidenten Egmont Sträuber (CSU) hinaus. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft und irgendwie mauschelten sich die Sozialdemokraten ins Ziel, indem sie das unterschiedliche Votum des Landes Brandenburg, in dem eine SPD/CDU-Koalition regierte, durch das Votum des Ministerpräsidenten Stolpe (SPD) aufheben ließen. Handelte es sich dabei um einen Pyrrhussieg der Roten oder doch eher um einen taktisch genialen Schachzug?

Die Unions-Ministerpräsidenten jedenfalls empörten sich lebhaft, doch als wenige Tage später herauskam, daß es sich dabei um ein Schauspiel gehandelt hatte, wuchs die Empörung der Bevölkerung, welche ihren Staatsschauspielern fortan noch weniger glauben wollte als zuvor. Ja, der ach so erhabene Bundesrat war zweifellos für parteitaktische Spielchen mißbraucht worden, aber irgendwie konnte man das auch nachvollziehen, denn gut fünfeinhalb Monate später sollte die Bundestagswahl stattfinden, in der es mal wieder für alle Parteien um alles ging.

20. Juli 2002: Es war vollbracht, ein weiterer Widerstandskämpfer hatte aufgeben müssen. Bundesverteidigungsminister Alf Paarping von der SPD war von seinem Chef, Bundeskanzler Schräder, gefeuert worden und fast alle atmeten erleichtert auf. Schließlich hatte sich der ehemalige SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende in den vergangenen Jahren immer unbeliebter und unmöglicher gemacht gehabt. Auf so einen Ballast im anstehenden Bundestagswahlkampf konnte und wollte man gerne verzichten. Außerdem erinnerte man sich auch noch schaudernd an die vergeigte Bundestagswahl 1994, in der Paarping als Kanzlerkandidat für die Sozialdemokraten angetreten und deutlich hinter allen Erwartungen zurückgeblieben war. Nein, der Alf wagte an jenem 20.Juli 2002 kein Attentat auf Kanzler Schräder, er plante auch keinen Putsch, doch sein Widerstand war endlich gebrochen, denn ohne ihn würde es seine Partei in Zukunft höchstwahrscheinlich leichter haben, seine Badefotos mit seiner damaligen neuen Flamme, einer Gräfin, waren allen in der Partei noch nur zu gut in Erinnerung. 65 Tage vor der Wahl war so ein Rausschmiß eines Ministers durchaus gewagt, doch im Grunde hatte die SPD nicht mehr viel zu verlieren, deswegen ging sie das Risiko ein.

Anfang September 2002: Für die PDS wurde es immer enger. Wegen der Bonusmeilen-Affäre war ihr Aushängeschild Igor Fysi als Berliner Wirtschaftssenator zurückgetreten und nun war der Einzug ins Parlament in Gefahr. Dank Flut und drohendem Irak-Krieg, wegen denen Schräder immer mehr Ostdeutsche auf seine Seite zog, drohte der PDS der parlamentarische Garaus. Man hoffte, drei Direktmandate zu erringen, um dadurch den Wiedereinzug in den Bundestag zu schaffen, doch das war mehr als ungewiß. Das Hauptproblem für die Partei war und blieb Westdeutschland, denn dort erreichte man als "Regionalpartei Ost" höchstens ein bis zwei Prozent der Wählerstimmen. Früher hatte immer der dunkelrot wählende Osten das Ganze gerettet, doch dieses Mal sah es da auch nicht so gut aus. Schließlich wollten viele Ostdeutsche Egmont Sträuber als deutschen Bundeskanzler unbedingt verhindern, weshalb sie lieber die SPD als die PDS zu wählen beabsichtigten.

Hinzu kam, daß die Parteispitze und Fraktionsführung ziemlich blaß und unscheinbar rüberkamen, was die eigenen Erfolgsaussichten nicht unbedingt verstärkte. Sollte die PDS erstmals seit der Wende außen vor bleiben?

22.09.2002: Der Wahlabend gehörte zu den spannendsten überhaupt und wurde dank unfähiger Meinungsforscher noch viel aufregender als ohnehin. In der ARD wurde Egmont Sträuber bereits recht bald als Wahlsieger und künftiger Bundeskanzler präsentiert, im ZDF sah es eher nach einem Unentschieden oder leichten Vorteilen für Rot-Grün aus. Am Ende lag die SPD ganz knapp vor CDU/CSU, doch die Grünen hatten die FDP über einen Prozentpunkt distanziert, so daß es für Rot-Grün reichen würde, da es die PDS mit vier Prozent und zwei Direktmandaten als Partei nicht ins Parlament geschafft hatte, nur ihre beiden Direktkandidatinnen würden in den Bundestag einziehen.

Bernhard Schräder und seine SPD waren hochzufrieden. Zwar hatten sie etliche Prozentpunkte verloren und waren nur gerade so stärkste Partei geblieben, doch da sie in den Monaten vor der Wahl in den Meinungsumfragen weitaus schlechter dagestanden waren, konnten sie mit dem Wahlergebnis gut leben.

Ganz anders sah es bei der Union aus. Sie hatte zwar über drei Prozent an Wählerstimmen dazu gewonnen, aber dennoch keines ihrer drei Wahlziele erreicht.

Die Grünen freuten sich über einen beachtlichen Zuwachs, die FDP hatte ebenfalls zugelegt, allerdings viel mehr erhofft gehabt und war deswegen sehr enttäuscht.

Wieder einmal begann nach der Wahl das große Stühlerücken, die Herren Nerz (CDU) und Böllermann (FDP) verabschiedeten sich vorerst aus dem Rampenlicht und in den Parteien wurde das Wahlergebnis gründlich studiert sowie analysiert.

Gerade so hatte die rot-grüne Koalition ihren Kopf aus der Schlinge gezogen, man verfügte also noch über ausreichend Unterstützung im deutschen Volk, auch wenn man insgesamt betrachtet durchaus Stimmen verloren hatte.

Es gab einige Beobachter, die an jenem Wahlabend prophezeiten, das rot-grüne Bündnis würde keine vier Jahre durchhalten; da war zweifellos oft auch nur der Wunsch der Vater des Gedankens, doch im Nachhinein kann man konstatieren, daß die Propheten Recht behalten sollten, wenn auch erst im Jahre 2005.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Gelegenheit nutzen und einige Querverweise anstellen, denn genau elf Jahre später, nämlich am 22.09.2013, fand bekanntlich wiederum eine Bundestagswahl statt. Verglichen mit der von 2002 legte die Union noch mal zu, die SPD hatte dramatisch verloren, die Grünen landeten fast beim selben Ergebnis, die FDP deutlich darunter und die Linke (ehemals PDS) gewaltig drüber. Zugegeben, man sollte nicht einfach zwei Bundestagswahlen, die dazwischenlagen, einfach überspringen, aber manchmal macht das durchaus Sinn und bietet erstaunliche Erkenntnisse. Der Fall der FDP zum Beispiel war nämlich bekanntlich viel tiefer, da sie ja nicht von 7,4 % sondern von 14,6 % auf 4,8 Prozent der Wählerstimmen herabgestürzt kam. Für die Grünen waren die 8,4 % auch nur deshalb ein Drama, weil sie von 10,7 % gekommen waren und sich wegen der tollen Werte in den Meinungsumfragen 2011 viel mehr ausgerechnet hatten. Egal, das nur am Rande, damit man mal sehen kann, wie relativ doch alles ist. Am besten erkennt man das natürlich an der SPD, denn die hat im Vergleich zu 2009 2,7 % Wählerstimmen dazu gewonnen und war deshalb gar nicht so traurig.

 

Wasserstandsmeldung vom 26.09.2013: Sowohl die SPD als auch die Grünen zieren sich immer noch und haben nicht recht Lust darauf, in eine Koalition mit dem Wahlsieger CDU/CSU zu gehen. Die FDP hofft verständlicherweise auf Neuwahlen, aber den Gefallen wird den Liberalen wohl niemand tun, denn nicht alle sind traurig darüber, daß die Partei der Besserverdienenden aus dem Bundestag geflogen ist.

Anfang Oktober 2002: Nach der Wahl war bekanntlich immer auch vor der Wahl und so saßen die Parteien sowie ihre jeweiligen Spitzenkandidaten bereits mit ihren Hufen scharrend in den Startlöchern. In Hessen und Niedersachsen wurde Anfang Februar 2003 ein neuer Landtag gewählt und so hoffte die SPD auf die Rückkehr an die Macht in Wiesbaden, wohingegen die CDU mit Tristan Gulf in Niedersachsen darauf setzte, daß aller guten Dinge drei wären und er es nach zwei gescheiterten Anläufen endlich ins Amt des Ministerpräsidenten schaffen würde.

In Hessen hatten meistens die Sozialdemokraten regiert, entweder alleine oder mit den Grünen, die CDU hatte es dort oft schwer gehabt, doch nun war sie selbstbewußt und optimistisch. Robert Doch wollte unbedingt wiedergewählt werden, hoffte er doch insgeheim auch auf eine mögliche Kanzlerkandidatur 2006. In Hessen wurde es oft sehr eng und spannend, denn die beiden Lager (Schwarz-Gelb und Rot-Grün) waren ungefähr gleich groß. Elf Jahre später sollte auch noch die Linke ein weiteres Mal im Parlament sitzen und damit jegliche Regierungsbildung beinahe unmöglich machen.

25.11.2002: Österreich hatte gewählt, Rolf Jan Schlüssel und seine ÖVP feierten einen triumphalen Erfolg, da es ihnen gelungen war, die enttäuschten FPÖ-Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Vier Jahre zuvor war man noch hinter den Rechtspopulisten geblieben und hatte mit 26,9 Prozent der Wählerstimmen ein desaströses Ergebnis erzielt gehabt, doch nun standen 42,3 % auf der Habenseite und alles war gut. Die FPÖ war böse abgestürzt, würde aber dennoch wieder Platz auf den Regierungsbänken finden, auch wenn sie selbst den Bruch der Koalition herbeigeführt hatte. Die SPÖ hatte zwar zugelegt, lag aber deutlich hinter der ÖVP und auch die Grünen waren nicht an der FPÖ vorbeigekommen. Österreich blieb also so konservativ wie eh und je, die Zeit der SPÖ auf Platz eins in der Wählergunst schien damit vorbei zu sein und Kanzler Schlüssel bereitete sich voller Genugtuung auf eine weitere Amtszeit vor. Auch der Verweis auf das rot-grüne Chaos in Berlin hatte der ÖVP scheinbar Stimmen gebracht und den Grünen wohl Stimmen gekostet.

In Deutschland ärgerte sich Egmont Sträuber derweil nach wie vor darüber, daß er nur im Süden so beliebt war, denn die West- und Norddeutschen, aber in allererster Linie die Ostdeutschen, hatten dafür gesorgt gehabt, daß er nicht ins Kanzleramt hatte einziehen können. Die Niederlage nagte immer noch an ihm, er warf Finanzminister Weichel und Kanzler Schräder Wahllügen vor und ließ sogar einen Untersuchungsausschuß ins Leben rufen, welcher jene Vorwürfe überprüfen sollte. So jemanden wie Sträuber nannte man gemeinhin einen schlechten Verlierer, aber der hoffte nach wie vor darauf, daß Rot-Grün bald am Ende sein würde. In den Meinungsumfragen stand die Koalition bereits zwei Monate nach der Bundestagswahl katastrophal da, so daß es auch für die Landtagswahlen im Februar 2003 sehr schlecht ausschaute. Genau darauf spekulierte die Union: Zwei heftige Niederlagen in Hessen und Niedersachsen, dann würde den "rot-grünen Chaoten in Berlin" der Wind so scharf ins Gesicht wehen, daß sie vielleicht aufgeben müßten. Na ja, Träumen mußte eben erlaubt sein, Sträuber hoffte halt nach wie vor immer noch darauf, womöglich doch irgendwie Bundeskanzler werden zu können, aber je mehr Zeit verstrich, desto unwahrscheinlicher wurde das.

Die FDP beschäftigte sich derweil lieber ausgiebig mit sich selbst, schließlich saß man schon wieder auf den Oppositionsbänken, weshalb man genügend Zeit dafür hatte. Als alleiniger Sündenbock für das unbefriedigende Wahlergebnis wurde Jörg D. Böllermann auserkoren, der mit seinen antisemitischen Tiraden die FDP eben nicht zu einer rechtspopulistischen, erfolgreichen Partei hatte machen können, obwohl es am rechten Rand durchaus ein beachtliches Wählerpotential gegeben hätte. Allerdings hatte seine Aggressivität die Wähler eher verschreckt als angezogen und so war aus dem Projekt 18 nicht mal ein Projekt 8 geworden. Böllermann selbst hielt sich für unschuldig, gab aber dem Druck seiner Parteifreunde nach, wenngleich er nach wie vor von der Richtigkeit seiner Strategie überzeugt war und sich immer noch für den Allergrößten hielt.

15. März 2003: Die große Rede war gehalten worden und nun würde sich zeigen, was davon zu halten war. In einem Berliner Lokal trafen im Pissoir der Herrentoilette zwei Journalisten aufeinander, die für verschiedene Zeitungen arbeiteten und deshalb umso begehrlicher alles daran setzten, Informationen auszutauschen. "Na, Jakob, wie hat Dir die Rede vom Schräder gefallen?" erkundigte sich der Ältere der Beiden. "Ich weiß nicht so recht, Hans. Irgendwie war das Ganze weder Fisch noch Fleisch", fand der Andere. "Also nicht mal was für die Grünen." "Doch, ich glaube, die können damit am besten leben." "Also daß die Gewerkschaften aufschreien würden, das war ja ohnehin von vornherein klar gewesen, aber die Kritik von der Opposition ist schon ein wenig lächerlich." "Findest Du? Das sehe ich anders. Die Gerkel und der Festerbelle würden Deutschland, wenn sie könnten, am liebsten so was von durchregieren, daß kein Stein auf dem anderen bleibt." "Ja, in der Opposition ist gut stinken. Das sagen die jetzt, aber wenn sie dann die Wahlen deswegen verlieren, dann knicken die ganz schnell wieder ein." "Mag sein, aber derjenige, der jetzt erst mal die Wahlen verlieren wird, ist zweifellos der Bundeskanzler." "Gut, da ist wohl was dran, aber das war ja in den letzten Jahren ohnehin fast immer der Fall gewesen, von daher ändert sich nicht wirklich was." "Auch wieder wahr. Trotzdem glaube ich, daß er da seiner SPD und deren Wählern schon jede Menge zumutet. Ganz schön mutig, das alles." "Na ja, dem ist halt das Land wichtiger als die eigene Partei. Eigentlich schon lobenswert, wenn es mal einer in Kauf nimmt, wegen Reformen abgewählt zu werden, die meisten Politiker würden sich das nicht trauen." "Ja, stimmt schon, aber vielleicht hat der Schräder auch einfach keinen Bock mehr und will auf die Art und Weise so schnell wie möglich aus dem Kanzleramt raus." "Das glaube ich nicht. Der spielt halt mal wieder alles oder nichts, denn wenn er so weitermachen würde wie bisher, dann hätte er bei der nächsten Wahl überhaupt keine Chance." "Ja, das kann man so sehen. Also gut, war schön mit Dir geplaudert zu haben, laß uns jetzt aber lieber gehen, die ganzen anderen Männer warten schon und trauen sich nicht hierher zum Pinkeln, weil sie uns nicht stören wollen." "Ach ja, tatsächlich. Schön, dann bis zum nächsten Mal, vielleicht treffen wir uns dann ja an einem gemütlicheren Ort."

Ende März 2003: "Herr Doktor, ich glaube ich bin schizophren", begann der Patient das Gespräch beim Psychiater." "Das hätten Sie wohl gern, aber so leicht wird man das nicht", entgegnete der Arzt. "Ich schon, ich bin nämlich ein führendes Mitglied der Grünen." "Au weh, da habe ich mir ja was angetan. Guter Mann, ich glaube, Ihnen und Ihrer Partei ist nicht mehr zu helfen. Wer sich dermaßen verbiegt, nur um in der Regierung zu bleiben, mit dem wird es noch ein böses Ende nehmen." "Das befürchte ich auch. Ich weiß ja selber schon gar nicht mehr, wo mir eigentlich der Kopf steht." "Kein Wunder, bei diesen ständigen Positionswechseln und faulen Kompromissen. Dabei hätte Ihre Partei doch wirklich allen Grund zu feiern. 20 Jahre im Bundestag ist schließlich wirklich eine Leistung." "Ja, aber wir Grünen sind ja 1990 im Westen aus dem Parlament geflogen und quasi nur wegen Bündnis 90 wieder reingekommen." "Gut zu wissen, daran kann ich mich nämlich überhaupt nicht mehr erinnern. Guter Mann, was kann ich eigentlich für Sie tun?" "Das weiß ich leider auch nicht so genau. Entweder eine Gehirnwäsche, damit ich alles toll finde, was die rot-grüne Bundesregierung macht oder einen kompletten Neustart in meinem Kopf, damit ich noch einmal ganz von vorne beginnen kann." "Wissen Sie, Regierungsjahre sind keine Herrenjahre, vor allem nicht als kleiner Koalitionspartner. Die Welt da draußen ist nicht so schön, wie Ihr Grünen Sie Euch vorstellt. Deshalb solltet Ihr Euch lieber mit den Realitäten abfinden." "Aber wir hatten doch immer so wunderschöne Träume." "Zeiten ändern sich eben. Wer Einfluß und Macht haben will muß leiden." "Also gut, wenn das so ist, Herr Doktor, dann möchte ich jetzt doch meine Gehirnwäsche." "Mit dem größten Vergnügen."

Mal wieder saßen die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Andrea Gerkel und Egmont Sträuber, in einem Büro zusammen, um sich über die allgemeine politische Lage auszutauschen. "Wie geht es denn Ihrer Muschi, Egmont?" wollte die Ostbiene wissen. "Also wirklich, Sie sind und bleiben ein Ferkel, Andrea! Ich bin doch kein Trans, Trans, Transrapid!" empörte sich der Bayer. "Aber ich meinte doch Ihre werte Gemahlin, mein lieber Egmont, die Kathrin." "Ach so, die Muschi meinen Sie. Ja mei, solange es mir gut geht, geht es der auch gut, glaube ich zumindest." "Möchten Sie denn mal meine Muschi sehen?" "Äh, also, na ja, ich weiß nicht." "Ich meine doch meine schwarze Katze, Sie Schwein." "Ach so. Na gut, meinetwegen." "Das freut mich, dann bringe ich sie das nächste Mal zu unserem Gespräch mit. Wissen Sie noch, wie Sie mich damals beim Golfradshausener Frühstück vernascht haben, Egmont?" "Aber selbstverständlich und das werde ich auch nie vergessen. Leider hat es dann ja doch nicht ganz für mich gereicht." "Sie haben Ihr Bestes gegeben. Mein lieber Egmont, wann darf ich denn endlich Herr Sträuber zu Ihnen sagen?" "Soweit sind wir noch lange nicht, hochverehrte Andrea. Das dürfen nur meine besten Parteifreunde und sonst niemand. Außerdem finde ich es nicht gut, daß Sie die Wahlchancen unserer Union so gefährden." "Was meinen Sie damit?" "Schräder punktet, weil er gegen den Irak-Krieg ist und Sie kriechen dem Bush in den Arsch. Das ist so was von unpopulär." "Na und? Beliebtheit ist nicht alles." "Das erklärt auch Ihre miesen Umfragewerte. Wissen Sie eigentlich, wie Sie bei uns in der CSU genannt werden?" "Jetzt bin ich aber gespannt. Wie denn?" "WC-Ente." "WC-Ente? Wieso das denn?" "Ganz einfach: Im aktuellen Politbarometer liegen Sie auf der Skala von plus fünf bis minus fünf bei 0,0." "Ich verstehe. Und wenn schon?" "Nichts da, Popularität ist wichtig und die bekommt man nur mit Populismus. Der Mischer steht bei plus 2,4." "Das macht nichts, denn wenn ich erst mal deutsche Bundeskanzlerin bin, dann werde ich auch so gute Werte haben." "Glauben Sie das wirklich, Andrea?" "Warum nicht?" "Ach, da würden mir viele gute Gründe einfallen." "Mein lieber Egmont, soll das etwa heißen, daß Sie von mir erwarten, daß ich den Leuten nach dem Mund rede?" "Genau das heißt es. Aber fürs Erste würde es mir schon reichen, wenn Sie mir nach dem Mund reden. Also, was ist jetzt mit den Amerikanern?" "Ich mag den Greg U. und daran wird sich auch nichts ändern." "Ja, das ist auch völlig in Ordnung, aber denken Sie bitte daran, daß fast alle Deutschen gegen den Irak-Krieg sind." "Mag sein, aber wir sind in der Opposition, lieber Egmont und es ist unsere Aufgabe, die Regierung zu kritisieren." "Das schon, aber doch nur, wenn es auch Wählerstimmen bringt." "Ach so, ich glaube, ich habe verstanden." "Na also, es geht doch." "Wieso ähn Sie eigentlich fast nicht mehr?" "Ach, das tue ich nur, wenn ich denke bevor ich rede." "Danke für die Blumen."

Anfang der letzten Maiwoche 2003: 10 Jahre Sträuber als Ministerpräsident in Bayern. Ich verneigte mein Haupt in Erfurt, äh, natürlich in Ehrfurcht vor jenem großen Meister, der aus Bayern die Vorstufe zum Paradies gemacht hatte. Egmont Sträuber Superstar, er war und blieb der Mann der Stunde, seine Minister zitterten vor ihm, er interessierte sich für alles, las jede Akte höchstpersönlich und er war so etwas wie der Alleinherrscher in Bayern. Sein Volk war zufrieden mit ihm, seine Wahlergebnisse waren grandios und er hoffte nach wie vor darauf, vielleicht doch noch Bundeskanzler in Berlin zu werden. Um das zu schaffen, brauchte er ein phänomenales Wahlergebnis bei der Landtagswahl im September 2003 und da die Deutschen und damit auch die Bayern höchst unzufrieden mit der rot-grünen Koalition waren, weshalb jene schon in Hessen und Niedersachsen gewaltig abgestraft worden war, sah es gut aus für den tollen Egi. Früher hatte er sich mit Parteifreunden herumschlagen müssen, die ihn als Ministerpräsidenten verhindern hatten wollen, aber die CSU-Basis und die Landtagsfraktion hatten ein Machtwort gesprochen und sich und damit auch ihn durchgesetzt. Dennoch war es fünf Jahre lang nicht immer leicht, denn Leo Baigel war CSU-Parteichef und Finanzminister in Bonn, weshalb sich Sträuber des Öfteren mit jenem auseinandersetzen und streiten mußte. Doch seit der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl 1998 war der nervende Leo weg vom Fenster und Sträuber war auch noch CSU-Parteichef geworden, also vergleichbar mit Schräder, der nach Afrotränes Demission SPD-Chef geworden war. Egmont Sträuber stand im Zenit seines politischen Lebens und es gab nicht wenige Journalisten, die sich vorstellen konnten, daß der große Kümmerer, den die Bayern unheimlich mochten, noch zehn weitere Jahre als Ministerpräsident in Bayern regieren würde. Was für eine Lichtgestalt!

 

Ende Mai 2003: Es war einer jener Tage, an denen Bernhard Schräder von Anfang an wußte, daß er lieber im Bett hätte bleiben sollen, doch dann hätte ihn seine neue Alte, die Frau, die sie Pferd nannten, wohingegen er der Typ war, den sie Bernd nannten, weshalb die Beiden hervorragend zusammen paßten, ihn wieder zugetextet und das brauchte er auch nicht jeden Tag. In der Partei war die Stimmung mies, so wie eigentlich immer, Schräder konnte sich nicht daran erinnern, daß die Stimmung in der Partei jemals gut oder normal gewesen wäre, das schien wohl in der SPD einfach Usus zu sein. Ganz egal ob die Sozialdemokraten regierten oder opponierten, sie trugen immer diesen gequälten Gesichtsausdruck mit sich herum, in dem sich das ganze Leid der Welt widerspiegelte. Was für Heulsusen! Er aber war der Kanzler der ruhigen und starken Hand, er wollte etwas vorwärtsbringen in diesem Land. Seine Agenda 2010 wurde ihm fast pausenlos um die Ohren gehauen und als ob das nicht schon anstrengend genug gewesen wäre, machte der relativ neue Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Pierre Seinglück, nun ein weiteres Faß auf, indem er damit drohte, die Koalition mit den Grünen zu beenden und stattdessen die FDP mit ins Boot, beziehungsweise ins Koalitionsbett zu holen. Das hätte Schräder und seiner SPD gerade noch gefehlt, es war so schon alles mühselig genug. Was konnte man dagegen tun? Ein Killerkommando engagieren? Einen Privatdetektiv ansetzen? Oder einfach mit den betreffenden Leuten vernünftig reden? Alles Optionen, die nicht wirklich überzeugen konnten und so ärgerte sich Bernhard ein wenig, bevor er sich wieder in seine soziale Hängematte legte, um dort von seinem Recht auf Faulheit Gebrauch zu machen, wie es seiner Ansicht nach vor allem die Lehrer, jene "faulen Säcke", tagtäglich praktizierten. Das Leben war schön, nur in der SPD schien die Sonne nie.

05.06.2003: Was war passiert? Jörg D. Böllermann, der ehemalige absolute Überflieger der FDP, hatte sich mit einem Fallschirmsprung das Leben genommen. Ganz Deutschland war schockiert und das völlig zurecht. Der Betroffene selber aber hatte scheinbar keinen anderen Ausweg mehr gesehen, denn nachdem er in seiner Partei nicht mehr sonderlich gern gesehen gewesen war, hatte nun auch noch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet gehabt. Eigentlich etwas, das man einem FDP-Mitglied durchaus zutraut und wofür man sich als Liberaler nun wirklich nicht schämen braucht, außer vielleicht dafür, daß man dabei erwischt wurde, aber bei Jürgen, den manche Leute gerne lieber würgen wollten als für ihn zu bürgen, war alles ein bißchen anders. Er hatte ein Buch geschrieben gehabt, mit dem bezeichnenden Titel "Klartext" und plante, eine eigene Partei zu gründen, die mal gründlich aufräumen sollte mit den Altparteien und den ganzen Lügen, Tabus und was da noch so alles dazugehörte. Doch er wußte, daß er das alles vergessen konnte, wenn gegen ihn ermittelt wurde. Scheinbar hatte der gute Mann Millionen ins Ausland gebracht, vielleicht die Zinsen nicht versteuert, womöglich war er auch ein wenig korrupt gewesen, Hans Werner Braus läßt grüßen, wer weiß das schon so genau? Man soll über die Toten nichts Schlechtes sagen, auf alle Fälle war Jörg D. Böllermann einer von denen gewesen, die ganz hoch hinaus hatten wollen. Er hielt sich für den geborenen Kanzlerkandidaten der FDP, hatte Festerbelle das Projekt 18 eingeredet und versucht, am rechten Rand zu fischen. Doch nun war er tot und die Welt mußte ohne ihn weiterleben. Würde ihr das gelingen?

Anfang Juli 2003: Luigi Herlusconi hatte die Schnauze voll gehabt und deshalb zurückgeschlagen. Andauernd hatten ihn die europäischen Linken provoziert und kritisiert, doch dann kam die Retourkutsche und die hatte es in sich gehabt. "Diese blöden Deutschen können mich mal", hatte er sich vermutlich gedacht gehabt und deswegen seinem Lieblingsgegner vorgeschlagen, er könne in einem Film über Konzentrationslager, der gerade in Italien gedreht werde, "den Kapo spielen". Eigentlich durchaus lobenswert, wenn der italienische Regierungschef einem deutschen Sozi ein Jobangebot macht, aber in dem Fall handelte es sich dann wohl doch eher um eine gezielte Beleidigung.

Andererseits mußte man den guten Luigi auch verstehen. Immer wieder kritisierten die europäischen Linken sein Medienimperium, seine Macht und seinen Einfluß, dabei fühlte er sich unschuldig und hielt sich selbst für einen liberalen Freigeist. Na ja, jedenfalls wollte er sich nicht andauernd anpissen lassen, zunächst hatte er sich alles Mögliche angehört gehabt, doch irgendwann war ihm die Hutschnur geplatzt. "Diese Deutschen sollen sich mal nicht so haben. Die waren es doch gewesen, die ganz Europa überfallen haben", bemerkte Herlusconi. "Das stimmt natürlich, aber den Faschismus erfunden haben wir Italiener", wandte ein Freund von ihm ein. "Na und? Was geht uns das an? Diese Deutschen sind viel zu empfindlich, die haben keinen Sinn für Humor und verstehen keine Ironie." "Da hast Du natürlich Recht, Luigi, aber vielleicht solltest Du Dich doch besser entschuldigen." "Ich? Mich entschuldigen? Aber warum das denn? Die haben mich doch die ganze Zeit angegriffen, verleumdet und beleidigt!" "Ja, aber trotzdem." "Also gut, solange ich es nicht ehrlich meinen muß." "Aber natürlich.Wir verstehen uns schon."

Ende Juli 2003: Die bayerische SPD, seit Jahrzehnten ein Fall für die "Aktion Sorgenkind". In den Städten gut verwurzelt, aber auf dem flachen Land ein unbekanntes Wesen. Jede Menge Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte, aber im Landtag überhaupt nichts zu melden. Wahrscheinlich handelt es sich bei der bayerischen SPD um die Partei, die am längsten von allen in der Opposition gelandet ist. Und dann als Gegner auch noch eine Partei, die nur in Bayern antritt und sich deshalb voll auf dieses Land konzentrieren und so tun kann, als wäre sie eins mit dem Freistaat. Als bayerischer Sozialdemokrat braucht man eine gewisse masochistische Ader, aber zu viel Mitleid ist auch nicht angebracht. "Die sind selber schuld, die theoretisieren immer nur rum und wollen ihre Landsleute umerziehen", urteilte ein Politikwissenschaftler. "Genau, die haben sich in ihrer Oppositionsecke bequem eingerichtet und fühlen sich dort pudelwohl", stimmte ihm ein Soziologe zu. "Sobald einer der Ihren beliebt ist, wird er schon verdächtig und nicht für voll genommen." "Ja, wer Erfolg hat, ist der bayerischen SPD grundsätzlich suspekt. Solche Leute läßt man am liebsten links liegen und ignoriert sie so lange, bis sie aufgeben oder die Partei wechseln." "Ja, man bleibt lieber unter sich und kungelt sowie mauschelt mit seinesgleichen, anstatt die verstaubten Räume mal gut durchzulüften. Schuld sind immer die Anderen, im Zweifel die Wähler." "Glaubst Du, daß die SPD irgendwann mal in Bayern Erfolg haben wird?" "Ich kann es mir nicht vorstellen. Da müßte es sich die CSU schon dermaßen mit ihren eigenen Wählern verscherzen, aber das ist wirklich unrealistisch." "Allerdings."