Mythos, Pathos und Ethos

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Auferstanden aus Ruinen - Eine politische Wiedervereinigung

Meistens ist es ja so, daß historische Ereignisse großartig gewürdigt, allerorten besprochen und angemessen präsentiert werden. Nicht ganz so war es beim Gründungsparteitag der neuen Partei Die Linke, welcher am 16.06.2007 stattgefunden hatte. Das hatte viele verschiedene Gründe, einer davon war sicherlich der, daß Parteien, die sich eher am politischen Rand befinden, nicht so geschätzt sowie gewürdigt werden wie die Vertreter der Mitte und der darin garantierten Mittelmäßigkeit. Das, was gemeinhin als Deutsche Einheit oder Wiedervereinigung bezeichnet worden war, hatte mit den Worten als solche nicht wirklich viel zu tun. Westdeutschland hatte Ostdeutschland geschluckt, so war es letzten Endes doch gewesen, die BRD hatte die DDR übernommen und sich einverleibt, die Leute im Westen konnten weitermachen und -leben wie vorher und für die im Osten änderte sich von heute auf morgen schlagartig alles. Von daher war es auch nicht weiter verwunderlich, daß Parteien wie CDU und FDP ihre Ost-Blockflöten einfach schluckten und ihnen das Recht zubilligten, die Klappe zu halten und schön weiter zu nicken, sowie brav zuzustimmen, wie im Osten halt damals auch. Bündnis 90 und die Grünen versuchten sich an einer Vereinigung, doch wenn man sah, wer und was da dann bei Bündnis 90 nach einigen Jahren noch davon übrig geblieben war, konnte man auch das nicht als wirkliche Wiedervereinigung betrachten. Doch nun war es endlich geschehen, mit der Fusion von PDS und WASG hatte die erste wirkliche Vereinigung zweier Parteien stattgefunden, die eine aus dem Osten, die andere aus dem Westen. Wir hatten es bei der Linken also nun mit einer gesamtdeutschen Partei zu tun, der ersten richtigen, wenn man so will. Und was passierte? Jubelte Deutschland? Nicht unbedingt. Guildo Festerbelle veranstaltete auf dem FDP-Parteitag, der bezeichnenderweise einen Tag später, am geschichtsträchtigen 17.06.2007 stattfand, ein großes Trauerspektakel und griff die Linke gleich dermaßen massiv an, daß man sogleich merkte, daß es da einer mit der Angst zu tun bekommen hatte. Durchaus verständlich, denn jener Linken hatte es die FDP und ihre Führungsspitze schließlich in allererster Linie zu verdanken, daß aus einer schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl 2005 nichts geworden war. Von daher konnte man die ganze Verachtung durchaus verstehen.

Auch die SPD griff sofort an, denn ihre Wähler liefen oft und gerne zur Linken über und das paßte den Sozialdemokraten natürlich überhaupt nicht. Von der Union kamen selbstverständlich auch keine freundlichen Worte und von den Grünen ebenso wenig, handelte es sich bei der Linken für sie doch um eine Konkurrentin um Wählerstimmen im linken Spektrum.

Wenn eine Partei von allen anderen eher beschimpft als begrüßt wurde, dann war sie unbedingt notwendig und zu begrüßen, denn das zeigte, daß sie auf Mißstände aufmerksam machte, die von den Altparteien ignoriert oder unter den Teppich gekehrt worden waren, deshalb also herzlich willkommen!

An die Spitze der Neuen Linken wurden mit Afroträne und Whisky zwei Männer gewählt, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch genau dieses Ergänzungsprinzip ließ hoffen, denn so wurden alle Felder und Belange abgedeckt. Es sollten spannende Jahre vor ihnen liegen.

Die alten Genossen im Osten hatten natürlich auch so ihre Bedenken gehabt, schließlich wollten sie nicht von einer Westpartei übernommen werden wie alle anderen vor ihnen, doch da die PDS wesentlich größer war als die WASG, stand das in keinster Weise zu befürchten.

Die Linken im Westen wiederum fürchteten einen Imageschaden wegen der ganzen Stasi- und SED-Geschichten in der PDS, doch zu ihrem Gründungsparteitag hatte sich die Neue Linke frisch herausgeputzt, optisch verjüngt und machte einen ziemlich angriffslustigen Eindruck. Es ging nicht länger nur darum, das eigene Leben und die ostdeutsche Vergangenheit zu verteidigen und zu rechtfertigen, sondern man befand sich in der Gegenwart, weshalb man sich mit aktuellen Problemen auseinandersetzte statt in Nostalgie zu schwelgen.

Oswald Afroträne war also wieder Parteivorsitzender geworden; irgendwie erschien das durchaus konsequent, denn nachdem die SPD in ihren Regierungsjahren sehr weit in die Mitte gerückt war, weshalb auf der linken Seite ein Vakuum entstehen hatte können, welches nun die Linke besetzte, fühlte er sich als letzter verbliebener echter Sozialdemokrat und emigrierte sozusagen in die einzige linke Partei, die Deutschland noch zu bieten hatte.

Als Randnotiz sei noch hinzugefügt, daß es zum ersten Mal nach zwei Jahren ohne Grüne in irgendeiner Regierungsbeteiligung, stark danach aussah, daß es in Bremen alsbald zu einer rot-grünen Koalition kommen sollte. Auch das war an diesem historischen Wochenende bekanntgegeben worden, aber verständlicherweise in den Nachrichten unter ferner liefen gelandet.

So spannend die Politik als solche auch war, noch prickelnder erschienen natürlich die persönlichen Geschichten und Affinitäten, die im Gespräch zwischen Afroträne und Fysi einmal mehr zutage traten. "So, jetzt sind wir also eine Partei. Gute Arbeit, Igor, nun kann es endlich richtig losgehen!" freute sich Oswald. "Ganz genau, ich bin auch immer noch total begeistert und freue mich dermaßen, daß ich vor lauter Glück gar nicht weiß, wohin mit meiner Zufriedenheit", gestand Igor. "Gut, dann wollen wir mal strategisch werden: Also, im Bundestag dilettiert die Große Koalition so vor sich hin und das ist gut für uns, denn dadurch könnten wir bei der Bundestagswahl 2009 viele Wählerstimmen dazu gewinnen." "Davon bin ich auch felsenfest überzeugt. Aber fast noch wichtiger, vor allem für uns aus der PDS, ist die Westerweiterung unserer Partei. Wir wollen nun endlich in die westdeutschen Landtage einziehen und dort auch dauerhaft bleiben." "Das dürfte kein Problem mehr sein. Außer vielleicht in Bayern." "Das stimmt, aber damit können wir durchaus warten. Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das wäre schon toll." "Keine Sorge, das kriegen wir auf jeden Fall hin." "Hoffentlich. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie ernüchternd für uns früher immer die Wahlabende gewesen sind, wenn ein westdeutscher Landtag gewählt wurde. Ein bis zwei Prozent gab es da immer nur für die PDS zu holen, das war ungemein frustrierend, vor allem wenn man im Osten quasi eine Volkspartei darstellt." "Ja, das ist wirklich ein extremer Kontrast. Du, wo wir gerade bei extrem sind: Mir ist da Eure Lara Magenbrecht aufgefallen, die ist ja wirklich eine ganz scharfe Mieze." "Mag sein, aber bei der würde ich aufpassen, die hat nämlich richtig scharfe Krallen." "Umso besser, ich brauche kein Heimchen am Herd, sondern eine selbstbewußte, unabhängige Frau." "Also das ist sie auf jeden Fall. Trotzdem wäre ich da an Deiner Stelle vorsichtig, mein lieber Oswald. Erstens ist die Frau verheiratet und zweitens sind bei der schon viele abgeblitzt und damit meine ich jetzt nicht nur bei politischen Diskussionen." "Nur weiter so! Die wird immer interessanter für mich, ich glaube, die sollte ich mir mal aus der Nähe anschauen." "Meine Güte, man könnte ja meinen, wir hätten hier den Schräder im Haus", dachte sich Fysi ein wenig pikiert. Andererseits freute er sich als Ostdeutscher selbstverständlich darüber, daß quasi ein Qualitätsprodukt aus eigenem Hause so eine Aufmerksamkeit auf sich zog, denn auch die Medien sprangen ja bekanntlich auf die "schöne Kommunistin" voll an, warum auch immer.

Und jedem Abschied wohnt ein Zauder inne

Wir schrieben Mitte Juli 2007 und Egmont Sträuber hielt mal wieder eine Regierungserklärung. Das Besondere daran war, daß es seine letzte sein würde und irgendwie mutete sie auch deshalb ein wenig merkwürdig an, weil Sträuber ja zehn Wochen später endlich und endgültig von seinen Ämtern zurücktreten sollte; ob er das eigentlich selber auch wollte, lassen wir mal lieber dahingestellt. Noch einmal lauschten die CSU-Abgeordneten mehr oder weniger gelangweilt ihrem ehemals großen Meister und der versuchte doch allen Ernstes, die Linien für das politische Handeln bis hinein ins Jahr 2020 vorzugeben. Dabei war Schräder 2003 schon sehr mutig gewesen, eine Agenda 2010 zu präsentieren; aber daß ein scheidender Regierungschef 2007 eine Agenda 2020 vorstellte, das sprengte dann doch jeglichen Rahmen. Man ließ den Alten noch ein letztes Mal gewähren, weil man sich dachte, "danach ist ja zum Glück Ruhe und dann kann er uns mal kreuzweise den Buckel runterrutschen mit seiner selbstherrlichen Art und seinen Einflüsterern aus der Staatskanzlei", die er den einfachen Abgeordneten in seinen letzten Regierungsjahren immer mehr vorgezogen hatte. Also standen alle nach seiner Rede noch einmal auf, spendeten stehend Applaus und freuten sich insgeheim darüber, daß die Opposition bereits eine CD mit "Sträubers Gestammelten Werken", also seinen schönsten Versprechern, in Umlauf gebracht hatte, damit man wenigstens ein lustiges Andenken an den anstrengenden Mann mit nach Hause nehmen konnte. Blackschein und Zuber konnten sich mittlerweile den Luxus erlauben, erst während der Rede Sträubers im Landtag hereinzuschneien und ihre Plätze einzunehmen, ein Jahr früher wäre so eine Majestätsbeleidigung völlig undenkbar gewesen. Ja, die Zeiten änderten sich, nur Sträuber blieb derselbe Autist wie gewohnt, deshalb perlte auch die Kritik der Opposition wie immer an ihm ab.

Blackschein und Zuber redeten nach der Ansprache ihres baldigen Vorgängers miteinander: "Du, Merlin, ich dachte schon Du kommst gar nimmer", bemerkte Gunnar. "Ach, weißt Du, ich hab den Egmont schon so oft reden hören und wenn man es genau nimmt, dann sagt er eigentlich eh fast immer das Gleiche", entgegnete Zuber. "Das stimmt, aber heute war doch sein letzter Auftritt, da hättest Du wirklich nicht eine halbe Stunde warten müssen, bis Du im Parlament auftrittst und Dich auf Deinen Platz begibst." "Man muß manchmal auch Zeichen setzen können, außerdem hatte ich da gerade eine wichtige Besprechung mit meiner zukünftigen Generalsekretärin und mir persönlich ist die Zukunft ehrlich gesagt wesentlich wichtiger als die Vergangenheit." "Mir auch, Merlin, mir auch. Aber der Sträuber will uns ja sogar in unsere gemeinsame Zukunft hineinpfuschen mit seinem Programm 2020. Der ist doch wirklich von allen guten Geistern verlassen." "Ach, das darfst Du nicht überbewerten. Der war solange an der Macht, der kann gar nicht mehr anders, selbst wenn er wollte. Wir halten uns jetzt noch zweieinhalb Monate zurück und dann legen wir endlich los." "Au ja, darauf freue ich mich jetzt schon. Wenn doch bloß nicht diese blöden Wahlen schon ein Jahr später wären." "Und wenn schon? Wir werden das beste Tandem sein, das die CSU jemals hatte." "Auf jeden Fall. Aber irgendwie hat der Magnet schon Recht gehabt als er meinte, der Sträuber hätte mir mit seinem Regierungsprogramm die politischen Fußfesseln angelegt." "Ach was! Du darfst nicht auf die Schwarzmaler von der Opposition hören, Gunnar. Die wollen nur den Untergang der CSU. Genauso wenig darfst Du aber auch auf den Sträuber und seine Lakaien hören, die wollen nämlich nur den Untergang von uns Beiden." "Glaubst Du das denn wirklich?" "Leider ja. Der Sträuber, der Feehoffer und der Öder scharren bereits jetzt mit den Füßen und warten nur auf unsere ersten Fehler." "Na ja, das wird garantiert nicht lange dauern, so wie ich uns kenne. War nur ein Scherz, Merlin, nicht gleich böse schauen. Apropos Öder: Was machen wir mit der Blindschleiche eigentlich?" "Na ja, ich würde sagen, der soll Europaminister werden, dann haben wir ihn nicht ständig vor Augen, diesen Stiefelknecht vom Sträuber." "Gute Idee. Also dann, ich geh jetzt, bevor ich noch dem Sträuber über den Weg laufe und mit dem reden muß." "Ja, darauf kann ich auch nur zu gern verzichten. Seit Wildbad Kreuth behandelt mich der eh wie einen Aussätzigen." "Sei froh, dann schüttelt er Dir wenigstens nicht die Hand." "Auch wieder wahr." Sie reichten sich zum Abschied selbstverständlich schon die Hände und gingen daraufhin fröhlich gestimmt auseinander. Bald würde es soweit sein.

 

Das Ende einer Ähra

Ach ja, es hätte alles so schön werden können. Im Grunde war die CSU Ende September 2007 nichts Anderes als eine Familie, die ihren verwirrten Opa ins Altenheim brachte. Der war in den letzten Jahren immer anstrengender und zu einem richtigen Haustyrann geworden, der nur noch auf sein Pflegepersonal gehört und die Familienmitglieder weitestgehend ignoriert hatte. Damit dem Alten der Abschied nicht gar so schwer fiel, hatte man am 28.09.2007 noch schön brav Geburtstag mit ihm gefeiert, sogar eine alte Bekannte, die deutsche Bundeskanzlerin, war extra angereist, um dem Opa noch ein paar nette und spöttische Worte mit auf den Weg ins Heim zu geben. Die Devise lautete also mittlerweile nicht mehr "Heim ins Reich", wie beispielsweise bei den Sudetendeutschen, zu denen die Ehefrau des verkalkten Greises gehörte, einst üblich, sondern "reich ins Heim" und das sollte dem Sträuber-Opa auch gelingen. Damit ihm der Abschied von der Macht nicht gar so schwer fiel, entschied die große Familie, dem Alten als Dank für 14 Jahre einen motorisierten Rollstuhl zu schenken.

Allerorten war die Erleichterung groß, daß man sich die Reden des Sträuber bald nicht mehr live anhören würde müssen, doch sein Nachfolger als CSU-Parteichef machte da wenig Hoffnung auf Besserung. Zwischen drei Persönlichkeiten hatten sich die Delegierten entscheiden dürfen und sie wählten die sicherste Variante. Merlin Zuber wurde neuer Parteichef und seine erste Rede in jener Funktion ließ Schlimmstes befürchten. Nicht daß man sich auf einmal den Egmont zurückgewünscht hätte, so schlimm war der Sprechdurchfall vom Zuber dann doch nicht gewesen, aber Begeisterung sah definitiv anders aus. Den Feehoffer hatte man nicht wählen können, weil der ein außereheliches Kind hatte und zwar auch noch ganz frisch, das paßte mit der Scheinheiligkeit sowie der Doppelmoral, welche die CSU und ihre Mitglieder nun mal auszeichneten, beim besten Willen nicht zusammen. Also bekam der Merlin gut 58 Prozent und der Torsten über 39 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die restlichen 2,5 % vereinte die sagenumwobene Heidemarie Mauli auf sich, welche seit ihrem Vorschlag von der Ehe auf Zeit in der Partei völlig isoliert war. Es hätte alles ganz gemütlich über die Bühne gehen können, wenn jene Frau Mauli nicht den künftigen Ministerpräsidenten Gunnar Blackschein zur Rede gestellt hätte. Der hatte angeblich verlauten lassen, die Heidi wäre "ein Fall für den Psychiater" und jener hatte der Guten anscheinend in ihrer Therapiesitzung empfohlen, den Ärger nicht runterzuschlucken, sondern der ganzen Situation offensiv zu begegnen und den Gunnar in der Aussprache, die auf dem Parteitag angesetzt gewesen war, zu fragen, was er denn eigentlich damit meinte, noch dazu, da sie Beide ja bekanntlich eine gemeinsame Geschichte vorzuweisen hatten. Dem Blackschein war das ganze Theater mehr als peinlich, die Frau nervte ihn seit Wochen und dann auch noch das! Er schwieg, um sie nicht noch mehr beleidigen zu müssen, doch sie begann immer wieder zu drängen und irgendwie war die groteske Situation das beste Beispiel für eine Partei, die innerlich nach wie vor ziemlich zerrissen und gespalten war. Der Königsmord an Egmont Sträuber war keineswegs vergessen und verziehen, erst recht nicht verarbeitet und Heidemarie Mauli verkörperte den Verrat an dem großen bayerischen Staatsmann am deutlichsten. Deswegen versuchten alle Beteiligten, das Ganze irgendwie unbeschadet zu überstehen und selbst Sträuber hielt sich mit Beschimpfungen zurück, seine Zeit war abgelaufen, aber er würde hinter den Kulissen weiterhin mitmischen, so viel stand fest. Denn auch im Altenheim gab es Telefone und die konnte der alte Mann sogar benutzen.

Doch zunächst hatte er Ärger mit seiner Alten, denn Kathrin machte ihm die Hölle heiß. "So, jetzt wo das Spektakel endlich vorbei ist, muß ich mal ganz ernsthaft mit Dir reden. In der Zeitung stand nämlich, daß Du Dich mit der Mauli doch getroffen hättest und zwar am 18.Januar 2007. Stimmt das?" insistierte die Ehefrau. "Äh, also, das kann schon sein, daran kann ich mich nicht mehr so recht erinnern, ich habe damals mit so vielen Leuten geredet, vielleicht war da auch mal die Mauli darunter. Aber wenn, dann nur ganz kurz", behauptete der Ehemann. "Oh wie ich Deine Lügen hasse! Und diese Idee mit der Ehe auf Zeit, das habt Ihr Euch doch gemeinsam ausgedacht, nur damit Du Dich von mir trennen kannst und sie dann heiraten darfst." Egmont verstand die Welt nicht mehr. Waren denn plötzlich alle verrückt geworden? "Kathrin, Muschi, das ist doch alles völliger Schwachsinn! Der Blackschein wollte endlich Ministerpräsident werden, nachdem er wegen mir all die Jahre auf der Karriereleiter nicht hochgekommen war. Zuerst, da ich als Kanzlerkandidat scheiterte und später, weil ich doch nicht nach Berlin gegangen bin. Um mich loszuwerden, tat er sich mit seinen fränkischen Kameraden zusammen und die beschlossen, daß jemand von ihnen fordern sollte, daß ich 2008 nicht mehr als Spitzenkandidat für die CSU antrete. So wurde es auch gemacht und weil das alles so prima lief, machte man noch eine Spitzel-Affäre daraus, um mich noch schneller aus dem Amt zu jagen. Ich weiß zwar nicht, was genau der Blackschein der Mauli versprochen hat, aber umsonst wird sie das alles bestimmt nicht gemacht haben." Kathrin schaute ihren Göttergatten irritiert an. "Woher weißt Du denn das alles?" "Das haben mir der Öder und der Feehoffer erzählt. Du hast ja selber mitbekommen, wie die Mauli den Blackschein auf dem Parteitag zur Rede stellen wollte." "Ja, aber da hast Du ihm doch auch geraten, nicht auf sie zu antworten." "Selbstverständlich. Das mit der Mauli ist nämlich für den Blackschein völlig aus dem Ruder gelaufen. Die sollte ja nur meinen Sturz mit verursachen und beschleunigen, aber doch nicht plötzlich ein politisches Eigenleben entwickeln und sich selber als Kandidatin für den Parteivorsitz aufstellen lassen. Da ist dem Gunnar ganz anders geworden. Die war nicht mehr zu kontrollieren und hat sich nur noch an sich selbst und ihrer ständigen Medienpräsenz berauscht." "Bei Dir war das früher oft auch nicht anders." "Mag sein, aber ich hatte mir die Kamerabeobachtung auch redlich verdient. Und überhaupt: Als ob es in der Geschichte der CSU eine Frau schon mal zu was gebracht hätte. Schau ruhig nach in den Parteiarchiven, mit Ach und Krach wirst Du da die eine oder andere unbedeutende Ministerin finden, aber das war es dann auch schon gewesen." "Ist ja gut Egmont, krieg Dich wieder ein. Also schön, wenn das so ist, dann beende ich hiermit unseren Ehestreit. Aber daß Du mir damals nicht erzählt hast, daß Du Dich doch mit der Mauli getroffen hast, das werde ich Dir nicht verzeihen." "Papperlapapp! Ich habe damals mit so vielen Leuten reden müssen, das ging alles so schnell und irgendwie drunter und drüber, da habe ich mir nicht jedes unwichtige Gesicht gemerkt. So und jetzt möchte ich Zeitung lesen."

Lebe jeden Tag als wäre er Dein letzter

Hätte sich Gunnar Blackschein an jene Devise gehalten, zumindest in Bezug auf sein politisches Leben als Bayerischer Ministerpräsident, dann hätte er höchstwahrscheinlich anders gehandelt als er es letztendlich getan hatte. Im festen Glauben, bayerische Landtagswahlen dienten lediglich der Bestätigung der CSU-Alleinherrschaft für weitere fünf Jahre, werkelte er bei seiner ersten und insgesamt auch einzigen Kabinettsumbildung nicht großartig herum, sondern beschränkte sich auf das Notwendigste. Schließlich ging er felsenfest davon aus, ein Jahr später noch einmal die Gelegenheit zu einer richtigen Kabinettsbildung zu bekommen. Also verjüngte er sein Kabinett lediglich ein wenig und machte es etwas weiblicher, mehr aber auch nicht. Zuber wurde neuer Finanzminister und da der nach seinen eigenen Plänen 2009 nach Berlin in die Bundesregierung gehen wollte, um dort das Gewicht der CSU zu stärken, hatte Blackschein auch noch die Option, ein Jahr nach den Landtagswahlen etwas im eigenen Kabinett zu verändern. Also immer mit der Ruhe, bloß ned hudln, ganz gemächlich beschritten die "beiden Maczynskis", wie der parteiinterne Spöttermund Blackschein und Zuber schon getauft hatte, jeweils ihren neuen Thron und ließen sich vom Fußvolk feiern. An der überaus erfolgreichen CSU-Politik wollten sie sowieso nicht viel ändern, nur der Regierungsstil sollte wieder volksnaher und weniger abgehoben werden. So dümpelte alles vor sich hin, von einem Aufbruch war in keinster Weise was zu spüren, aber irgendwie konnte man das durchaus nachvollziehen. Die CSU war schließlich die erfolgreichste Partei Europas, sie stand im Zenit ihrer Macht und Umfragewerte von 58 Prozent Zustimmung in der bayerischen Bevölkerung vom Juli 2007 ließen erahnen, daß Gunnar und Merlin da ein fettes Erbe in die Hände bekommen hatten, das sie innerhalb eines Jahres unmöglich verspielen oder verschleudern würden können. Alles schien perfekt, der Übergang vom autoritären Sträuber zu den Teamplayern Blackschein und Zuber war scheinbar gelungen und so freute man sich in der CSU in allererster Linie darüber, daß nach vielen anstrengenden, nervenaufreibenden Monaten, endlich wieder Ruhe eingekehrt war. Die beiden Neuen genossen ihre neue Macht und Zuber legte in Berlin in der Großen Koalition einen durchaus passablen Start hin. Irgendwie waren halt alle froh darüber, daß Egmont Sträuber endlich von der politischen Bildfläche verschwunden war, seine Aktenberge waren ihnen allen noch in allzu guter Erinnerung geblieben.

Andrea Gerkel unterhielt sich mit Dan Mützewirsing über die wichtigsten Dinge. "Also, den Sträuber werde ich bestimmt nicht vermissen. Der hat immer so eine Hektik reingebracht", ließ sie verlauten. "Na ja, Hauptsache wir verstehen uns, damit ein reibungsloses Zusammenarbeiten in der Koalition weiterhin möglich ist", fand Mütze. "Aber der Zuber und der Blackschein werden jetzt hoffentlich nicht die ganze Zeit nur ihre Landtagswahl in Bayern im Blick haben und alles, was sie tun, danach ausrichten." "Das glaube ich nicht. Der Sträuber hat denen doch ein Programm vorgeschrieben, das bis ins Jahr 2020 reicht, da können und werden die bestimmt keine eigenen Akzente entwickeln." "Wollen wir das Beste hoffen. Ach ja, Dan, die Hälfte unserer gemeinsamen Regierungszeit ist jetzt bald vorbei und wir wissen ja Beide, daß es nach den vier gemeinsamen Jahren in der Großen Koalition dieses Bündnis aller Voraussicht nach nicht länger geben wird." "Wollen wir das Beste hoffen." "Ja, wir werden irgendwann wieder getrennte Wege gehen und ab und zu knirscht es bei uns ja auch mächtig im Gebälk." "Was soll das jetzt wieder heißen?" "Na ja, dieser Post-Mindestlohn, also irgendwie bin ich da jetzt doch dagegen." "Also das ist ja wirklich unglaublich! Dabei haben Sie vor ein paar Monaten noch das Gegenteil behauptet gehabt." "Ach Dan, Du weißt doch wie das bei mir ist: Heute so, morgen so und übermorgen sowieso. Was kümmert mich mein Gesetz von gestern?" "Wenn das so ist, dann kann ich ja gleich zurücktreten. Meine Frau ist ohnehin schwer krank, von daher ist das sowieso die beste Lösung." "Komisch, Dan. Immer im Oktober oder November trittst Du von irgendwas zurück. Das hat wohl mit der Jahreszeit zu tun." "Mir egal. Machen Sie’s gut, Frau Gerkel, vielleicht sieht man sich ja irgendwann mal wieder." "Ja, das wäre schön. Viel Glück und Erfolg für Ihre neue Aufgabe, hoffentlich setzen mir Ihre Genossen jetzt nicht den Bert Kuck vor die Nase." "Ganz bestimmt nicht, der ist nämlich viel lieber Oppositionsführer als Bundesminister." "Na, da bin ich aber beruhigt."

 

Und so endete Mitte November 2007 Dan Mützewirsings Amtszeit als Bundesarbeitsminister und im Grunde war damit auch schon die Große Koalition am Ende, auch wenn sie sich noch zwei weitere Jahre durchschleppen sollte.

Was also blieb übrig am Ende jenes ungewöhnlich gewöhnlichen Jahres 2007? Eine CSU ohne Egmont Sträuber und Heidemarie Mauli, denn die Beiden hatten in der Partei fortan überhaupt nichts mehr zu sagen, wohl als Strafe dafür, daß viele Monate lang nur von ihnen die Rede gewesen war. Als Ersatz dafür hatte die "schwarze Bestie" Gunnar Blackschein und Merlin Zuber nominiert, Torsten Feehoffer dagegen blieb in Lauerstellung und wartete auf bessere Zeiten für sich, die aber erst dann kommen konnten, wenn seine Christlich Soziale Union schlechtere Zeiten erlebte. Es gab fortan eine SPD ohne Dan Mützewirsing, aber dafür mit einem wiedererstarkten Bert Kuck, des Weiteren eine CDU, über der einsam und allein eine Bundeskanzlerin Andrea Gerkel schwebte, die mit den Niederungen der Innenpolitik so wenig wie möglich zu tun haben wollte. Fast schon präsidial regierte sie und war darob äußerst beliebt im Land. Ja, der G8-Gipfel in Heiligendamm sollte vielleicht noch erwähnt werden, wo sich die Linken aller Herren Länder ein Stelldichein gaben, um gegen die aus ihrer Sicht falsche Politik der reichsten Länder zu demonstrieren. In der Wirtschaft ging es mal wieder drunter und drüber, die nächste Blase drohte zu platzen und die deutsche Politik schaute gebannt auf die anstehenden Landtagswahlen in Niedersachen, Hessen und Hamburg. Also alles wie immer, jede/r schmorte im eigenen Saft und drehte sich um sich selbst.

Aber es gab auch Menschen, für die alles anders als früher war. Heidemarie Mauli zum Beispiel, die sich mit einem Nürnberger Parteifreund unterhielt. "Schöne Scheiße! Jetzt habe ich quasi alles verloren, was ich mir jemals erarbeitet habe", beklagte sie sich. "Tja, das Volk liebt halt eben nach wie vor nur den Verrat, aber nicht den Verräter", konstatierte jener. "Aber die Verräter waren doch Zuber und Blackschein, jedoch ganz bestimmt nicht ich!" "Die Einen sagen so, die Anderen meinen das Gegenteil." "Das war doch alles ein abgekartetes Spiel. Der Gunnar hat mich erst hereingelegt und dann brutal auflaufen lassen. Zunächst hat er mich immer ermuntert und unterstützt, er war genauso wie wir alle hier der Meinung, daß der Sträuber 2008 nicht mehr als Spitzenkandidat der CSU antreten soll." "Na klar, aber das durfte er natürlich nicht öffentlich sagen. Deshalb befand sich der Blackschein immer in der Zwickmühle, Du dagegen konntest frei von der Leber weg reden und fordern, denn Du hattest nichts zu verlieren." "Oh doch, nämlich meinen guten Ruf. Und wie stehe ich jetzt da in der öffentlichen Meinung? Die Leute beschimpfen mich als Hexe oder Eso-Spinnerin, ich bin überall unten durch und habe scheinbar meine Schuldigkeit getan, weshalb ich jetzt gehen kann." "Mag sein, aber so ganz unschuldig an der ganzen Situation bist Du nun auch wieder nicht." "Aber was habe ich denn getan? Interviews gegeben, wenn man mich darum gebeten hat. Fotos von mir machen lassen, wenn man es mir vorgeschlagen hat. Das sind doch keine Verbrechen." "Das nicht, aber viele Leute hatten nach einer Weile halt den Eindruck gewonnen, Dir würde es nur noch um die eigene Selbstdarstellung gehen, weshalb sich die öffentliche Meinung irgendwann gegen Dich gewendet hat." "Aber ich wollte doch nur das Beste für die Partei." "Ja, das haben wir dank Dir auch erreicht, aber anstatt sich darüber zu freuen und in Reih und Glied zurückzukehren, warst Du süchtig nach der Aufmerksamkeit geworden und wolltest sogar CSU-Vorsitzende werden. Das war dann für viele endgültig der letzte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat." "Aber mir blieb ja gar nichts Anderes übrig, weil sich sonst niemand getraut hat, gegen den Zuber und den Feehoffer zu kandidieren." "Wie auch immer, Du hattest Deinen Spaß sowie Deinen Ruhm und jetzt ist aber auch wieder gut." "Aber der Blackschein hat mich sogar als Fall für die Psychiatrie bezeichnet." "Und was sagt Dein Psychiater dazu?" "Der findet das überhaupt nicht nett." "Ach, das ist doch alles halb so wild. Wir haben die Justizministerin Werk und als Bundeskanzlerin amtiert die Frau Gerkel." "Was willst Du mir damit sagen?" "Daß Du erst eine Chance hast, wenn in einer anderen Partei ein Paul oder ein Maul Karriere macht." "Sehr witzig. Ich geh jetzt lieber erst mal wieder auf meinen Selbstverwirklichungstrip, in dieser Altherrenpartei sind doch Hopfen und Malz verloren." "Gut möglich, aber sie werden immer noch gerne gesucht und gefunden."