Mythos, Pathos und Ethos

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Mythos, Pathos und Ethos
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Thomas Häring

Mythos, Pathos und Ethos

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Hundertjährige, der im Tausendjährigen Reich aus dem Zeitfenster entschwand

3,75 Jahre Süddeutscher Zeitdung

05.10.2013: Die Ideen des Nerz

Auferstanden aus Ruinen - Eine politische Wiedervereinigung

Und jedem Abschied wohnt ein Zauder inne

Das Ende einer Ähra

Lebe jeden Tag als wäre er Dein letzter

2008 - Das Volk erwacht

Der Traum vom Siegen

Völlig losgelöst

15.10.2013: 2009: Nach der Wahl ist vor der Wahl - Der perfekte Festerbelle

2013 - Das Jahr der Veränderung

23.10.2013: Das Duell der Intrigiganten

29.10.2013: Das Leben, die Welt, die Anderen und ich

30.10.2013: Die Kirche, das Geld, die ganz Anderen und Du

31.10.2013: Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

01.11.2013: Vision impossible

04.11.2013: Stilbruch

05.11.2013: Bettgeschichten

07.11.2013: Gewalt in der Kita

08.11.2013: Zeit für einen Paradigmenwechsel

Romanisch-regressiv - Demokroaten unter sich

09.11.2013: Stinos an die Front!

10.11.2013: Oh je SPD! Ein politischer Kommentar von Prof. Dr. Dr. Besserweiß

75 Jahre danach - Der "Ewige Jude" meldet sich zu Wort

Mein bester Freund, seine Freundin, meine Mitbewohnerin und ich

11.11.2013: Die Narren sind los - Surrealitäter

Der Tor des Jahrtausends - Ein Fußball-Roman (kein Feidenweller)

Das Aufeinandertreffen

Der Querulant

Traumatabearbeitung

12.11.2013: Spitz auf Knopf - Der Histeriker-, äh Historikerstreit

13.11.2013 Arbeitslose vs. Agentur - Der Kampf geht weiter

Über die Schwierigkeit einen Roman zu verfassen

14.11.2013: Es kann immer nur einer gewinnen: Die Wettmafia

15.11.2013: Die Offenbarung

Mopsfledermäuse und Spinner

17.11.2013: 5

23.11.2013: Wahnsinn schon mal in Paris?

24.11.2013: Peng-Stoff und Peng-Sätze

Krieg der Eltern - Die Schlacht der Geschlechter

25.11.2013: Die Zeitung

27.11.2013: Es geht jetzt reich weiter … Scheich nach der Werbung

Evangelium Gaudimax - Habemus Papam

Wertvolle Tips für eine politische Karriere

28.11.2013: Test am End

29.11.2013: 4

Das Unwort zum Sonntag

Und dann das

SS-Störungen

01.12.2013: 3

Hiob 2013

Wahlen nach Zahlen

Dezember im Starthäuschen

02.12.2013: Das Kater unser - Ein Denkmal

Human’s Odyssee

Wende gut - alles gut?

03.12.2013: Rudis Resterampe - Resteficken

Freierabend

Improvisatihohn

2

04.12.2013: Grab - und wie es die Welt sah

1

05.12.2013: 0

Impressum neobooks

Der Hundertjährige, der im Tausendjährigen Reich aus dem Zeitfenster entschwand

25.09.2013: Heute bin ich 100 Jahre alt geworden. Da staunen Sie, was? Wundern Sie sich aber bitte nicht darüber, daß ich diesen Tag nicht zelebriere oder mit meiner Familie, meinen Freunden oder Bekannten feiere. Erstens habe ich keine mehr und zweitens ist mir nicht danach. Ich werde die mir noch verbleibende Zeit nutzen, um über mein bisheriges Leben zu berichten, aber da bei uns Alten das Langzeitgedächtnis bekanntlich viel besser als das Kurzzeitgedächtnis funktioniert, werde ich mit den Ereignissen der letzten Tage und Wochen beginnen, bevor ich jene gleich wieder vergesse.

Das schönste Geburtstagsgeschenk hat mir zweifellos die FDP gemacht, indem sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, welche ja bekanntlich 1949 begonnen hatte, nicht in den Bundestag eingezogen ist. Daß ich das noch erleben darf! Welch große Freude! Man muß sich das einmal vorstellen und auf der Lunge zergehen lassen: 64 Jahre lang hintereinander saß die FDP im Bundestag, die meiste Zeit davon sogar in der Regierung. 4,8 Prozent, noch nie zuvor war mir die Fünf-Prozent-Hürde so sympathisch wie heute. Daß es die AfD (Alternative für Deutschland) ebenfalls nicht ins Parlament geschafft hat, dürfte genauso zu verschmerzen sein. Es gibt also jetzt endlich eine rechtspopulistische Partei bei uns, das wurde aber auch höchste Zeit. Nachdem Frau Gerkel mit der CDU immer weiter in die Mitte gerückt ist und da die konservative CSU bekanntlich nur in Bayern antritt, entstand ein Vakuum auf der Rechten, welches nun scheinbar ausgefüllt worden ist. Die SPD und ihre linken Schwestern, die Grünen sowie die Linke, können ihr Glück kaum fassen. Sie sitzen alle drei im Bundestag und hätten dort sogar eine rechnerische Mehrheit, wenngleich sie die bestimmt nicht nutzen wollen und werden. Zusammengerechnet kämen die bürgerlichen Parteien auf 51 beziehungsweise 52 Prozent der Wählerstimmen (sofern man das eine Prozent der Freien Wähler noch dazuzählen würde), die linken Parteien dagegen lediglich auf knapp 45 Prozent (wenn man das Ergebnis der Piraten dazurechnet). Also eine klare rechte Mehrheit, die im Parlament jedoch nicht sichtbar wird, da darin nur CDU und CSU sitzen. Tja, hätte die AfD nicht so viele enttäuschte FDP-Wähler angezogen, wären die Freien Wähler nicht angetreten oder hätte Frau Gerkel nicht alle Stimmen aus dem bürgerlichen Lager für sich und ihre Partei beansprucht, dann hätten wir womöglich weitere vier Jahre Schwarz-Gelb vor uns, doch zum Glück blieb uns das allen erspart. Die FDP hat etwas Bemerkenswertes vollbracht: Sie wurde gedrittelt, landete nach 14,6 Prozent der Wählerstimmen 2009 bei besagten 4,8 %. Das ist wahrlich eine sehr beachtliche Leistung, es gibt nicht viele, die so etwas fertigbringen, was also waren die Ursachen für dieses Debakel?

 

"Das ist Guildo Festerbelle, das ist der, den keiner mag", hieß es mal in einer "Cover-Version" der "Perfekten Welle". Er allein ist nicht der Hauptschuldige, aber er hat seinen Teil zur Misere beigetragen. 2009 landeten CDU/CSU bei gerade mal 33,8 Prozent der Stimmen, ein ziemlich maues Ergebnis, das der Tatsache geschuldet war, daß die Union in der Großen Koalition mit der SPD wenig vom eigenen Programm durchsetzen hatte können. Deshalb wählten viel CDU- und CSU-Anhänger 2009 die FDP, um dafür zu sorgen, daß eine christlich-liberale Koalition möglich wurde. Dummerweise glaubte Parteichef Festerbelle, die 14,6 % für seine Partei wären selbst erarbeitet und die FDP hätte jede Menge neue Fans dazu gewonnen. Also plusterte er sich mächtig auf, sprach von seinem Haufen als zukünftiger Volkspartei und konnte vor lauter Kraft fast nicht mehr laufen. Außerdem war er es nach elf Jahren in der Opposition gewohnt zu kritisieren, weshalb er sich in den Koalitionsverhandlungen sowie in den ersten Monaten der Koalition nach wie vor wie ein Oppositionsführer gerierte. Er wollte ein neues liberales Zeitalter einläuten, glaubte, jene Regierung würde jahrzehntelang bestehen und der Größenwahn ließ ihn nicht mehr los. So versprach er seinen Wählerinnen und Wählern Steuersenkungen, seinen Parteifreunden gut dotierte Posten und sich selber einen Platz in den Geschichtsbüchern.

Na ja, letzteren hat er tatsächlich bekommen, wenn auch nicht unbedingt so, wie er sich das seinerzeit vorgestellt hatte. Die FDP ist grandios gescheitert, sie hat es sich mit allen verscherzt, die ihr mal wohlwollend gegenüberstanden und wenn man bedenkt, daß von den 4,8 %, die sie immerhin noch gewählt haben, nur 40 Prozent von denen angaben, die FDP wäre ihre Lieblingspartei, dann kann man sich vorstellen, wie tief die Gelben gesunken sind.

Allerdings ist Mitleid hier völlig fehl am Platz, denn die FDP-Vertreter waren meistens diejenigen mit der größten Klappe, marktradikal bis zum Exzeß, immer nur die Wirtschaft fördern und die Arbeitslosen fordern, "das wird der Markt schon regeln", lautete ihre Maxime. Und in der Tat, der Markt hat es geregelt und die FDP auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt, vorerst zumindest. Aus den FDP-Abgeordneten und ihren Mitarbeitern wurden quasi "die Schlecker-Frauen der Politik". Natürlich wird die olle FDP in vier Jahren grandios wiederauferstehen, aber sie wird sich nicht mehr so arrogant aufführen, das steht zweifelsfrei fest. Genießen wir deshalb die folgenden vier historischen Jahre, in denen die FDP erstmals nicht im Bundestag vertreten sein wird.

"Wer Gerkel als Bundeskanzlerin haben will, muß FDP wählen", hatte der Spitzenkandidat der Liberalen wenige Tage vor der Wahl noch getönt gehabt. Die Wähler hingegen waren schlauer und wählten, wenn sie Gerkel haben wollten, lieber gleich die CDU, schließlich war sie ja für jene Partei angetreten. Dieses erbärmliche Betteln um die Zweitstimme der Unionswähler, das in früheren Jahren immer erfolgreich funktioniert hatte, gab der FDP in der öffentlichen Wahrnehmung endgültig den Rest. "Haste mal ne Stimme, uns reicht auch die Zweitstimme", wurden die Leute angebettelt und das war nicht mal mehr nur noch peinlich, sondern fast schon widerlich. Nicht einmal die mitfühlenden Frauen, welche ein Dirndl ausfüllen konnten, wollten den Sexismus-Experten mehr ihre Stimme geben.

Ja, die FDP mußte einen ähnlichen Absturz erleben, wie die CSU 2008, als sie von 60,7 % bei der Landtagswahl in Bayern 2003 bei 43,4 % landete. Auch da war der Größenwahn schuld gewesen, deshalb bleibt lediglich festzuhalten, daß alle bekommen was sie verdienen, die Wähler sind auf ihre Art und Weise durchaus gerecht und das stimmt einen doch ziemlich hoffnungsfroh.

Nach der Großen Koalition von 2005 bis 2009 erreichten die drei kleineren Parteien FDP (14,6 %), Die Linke (11,9 %) und Die Grünen (10,7 %) miteinander über 36 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 und lagen zusammen gerade mal noch gut 20 Prozent hinter CDU/CSU (33,8 %) und SPD (23 %). So einen geringen Abstand hatte es noch nie zuvor gegeben, doch das war eben allein der Tatsache geschuldet, daß die Anhänger der großen Parteien entweder nicht zur Wahl gingen oder mal die Kleinen wählten, da sie von ihrer Partei enttäuscht worden waren. Demzufolge verwunderte es nicht wirklich, daß jene Wählerinnen und Wähler 2013 wieder zu ihren Volksparteien zurückkehrten, nur die Kleinen schienen das nicht so recht begreifen zu wollen. Die Grünen hatten von mindestens 13 bis 15 Prozent der Stimmen geträumt und auch die Linke hatte auf ein zweistelliges Ergebnis gehofft.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2013 das wohl ehrlichste seit vielen, vielen Jahrzehnten gewesen ist, auch wenn das etlichen Leuten nicht passen wird.

Bevor meine Demenz mich ein weiteres Mal übermannt, noch ein paar Worte zu den einzelnen Parteien:

Andrea Gerkel wird 2017 wahrscheinlich nicht wieder antreten und das könnte für ihre CDU ein böses Erwachen bedeuten, denn viele Menschen haben der CDU nur wegen ihr die eigene Stimme gegeben. Genauso war es in Bayern mit Torsten Feehoffer von der CSU, die Persönlichkeiten an der Spitze machen halt doch eine Menge aus. Andrea Gerkel ist Deutschlands beliebteste Politikerin und das mit weitem Abstand, sie hätte mit den 41,5 % für die Union beinahe die absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag erreicht. Wenn man nicht das Wahlrecht vor der Wahl hätte ändern müssen, dann wäre jener Coup womöglich sogar gelungen, so aber mußte die FDP dran glauben, denn die meisten CDU-Wähler verzichteten deswegen auf ein Stimmen-Splitting, so daß der FDP nicht einmal die massive Unterstützung durch die Schild-Zeitung mehr über die Fünf-Prozent-Hürde half.

Die SPD hatte es mal wieder schwer. Ihr Spitzenkandidat Pierre Seinglück wurde von den Medien ständig durch den Kakao gezogen; erst kreidete man ihm seine beträchtlichen Nebenverdienste an, was bei einem SPD-Politiker nicht gern gesehen wurde, bei CDU-, CSU- und FDP-Politikern waren hohe Nebenverdienste hingegen die Regel und wurden eher gewürdigt als kritisiert. Dann wurde jeder Satz des Kandidaten Seinglück, der gerne deutscher Bundeskanzler geworden wäre, hergenommen und darauf durchleuchtet, ob man ihm damit nicht schaden konnte. Zu guter Letzt reichte es dem Mann, weshalb er den Medien und ihren Vertretern in einem pantomimischen Interview den Stinkefinger zeigte, doch nicht einmal das brachte ihn voran, ganz im Gegenteil.

Ja, das Leben war manchmal ein kleines bißchen ungerecht, denn Karl-Georg Wellmann von der CDU konnte es sich sogar leisten, den Berlinern auf Wahlplakaten den Stinkefinger zu zeigen und bekam trotzdem über 42 Prozent der Erststimmen, was locker für seine Wiederwahl in den Bundestag reichte. Dazu nun ein kleiner Text von mir:

I-Pad und Stinkefinger. Was hat sich Karl-Georg Wellmann von der CDU dabei gedacht, als er all seinen potentiellen Wählerinnen und Wählern, leicht versteckt aber doch deutlich sichtbar, den erigierten Mittelfinger entgegenstreckte? Dazu noch dieses süffisante Grinsen, frei nach dem Motto: Da könnt Ihr mal sehen was ich wirklich von Euch halte. Er ist definitiv Deutschlands ehrlichster Politiker, vielleicht wurde er auch gerade deswegen wieder in den Bundestag gewählt. "Endlich mal einer, der sich nicht verstellt", mögen sich da etliche Steglitzer und Zehlendorfer gedacht und ihn deshalb gewählt haben. Gerüchten zufolge sollen sogar etliche Punks sowie Anarchisten den mutigen Whistleblower gewählt haben, da sie ihn irrtümlich für einen der Ihren hielten. Aber womöglich war es auch ganz anders gewesen und Karl-Georg hat mit seiner fingerfertigen Aktion lediglich demonstrieren wollen, daß er Technik nicht mag.

Ja, das ist schon so eine Sache mit dem ganzen neumodischen Zeug. Da wollte so ein Berliner CDU-Mann mal ganz cool sein und ließ sich deshalb mit I-Pad ablichten, auf dem er mit seinem Mittelfinger herumscrollte, womöglich wollte er so etwas wie Sträuber mit "Laptop und Lederhose" kreieren, aber ob "I-Pad und Stinkefinger" da dasselbe Potential haben wird?

Wie auch immer, sein Mut wurde jedenfalls belohnt, aber das vermutlich halt auch, weil er in der richtigen Partei war und die Sieger können sich bekanntlich alles erlauben. Nur 1,2 Prozent fehlten der Union zur absoluten Mehrheit, genau so viel hätte auch Egmont Sträuber 2002 noch gebraucht, um zusammen mit der FDP regieren zu können, irgendwie schon interessant, das Ganze.

Die SPD dagegen steht mal wieder vor der Wahl zwischen Pest und Cholera. Ein rot-rot-grünes Bündnis hat sie kategorisch ausgeschlossen, Rot-Grün zusammen kamen gerade mal auf gut 34 %, sind also meilenweit von einer eigenen Regierungsmehrheit entfernt und so bleiben nur die Große Koalition oder die Opposition als Optionen übrig.

Die Grünen haben eigentlich auch keine Lust auf eine Koalition mit der gefräßigen Andrea, die bekanntlich ihre Koalitionspartner ruiniert und schlecht aussehen läßt, weshalb die dann mindestens an die zehn Prozent der Wählerstimmen verlieren, was im Fall der Grünen gar nicht möglich wäre, denn dann hätten die Minusstimmen und so etwas gibt es ja bekanntlich nicht. Also wird sich halt doch mal wieder die SPD opfern müssen, immerhin mit der Aussicht, daß die allseits beliebte Kanzlerin höchstwahrscheinlich 2017 nicht mehr zur Wahl antreten wird.

Für die AfD wird es weiterhin aufwärts gehen, denn die Rettungspakete für Krisenländer werden in der EU auch weiterhin fleißig geschnürt werden und so kann sich die Professorenpartei darauf verlassen, daß immer genug Protestwähler zu ihr überlaufen werden.

Zum Glück gibt es in der CDU bereits einen würdigen Nachfolger für Königin Drea, wenn die mal das Politische segnen sollte, nämlich Caius Julius Caesar aus Nordrhein-Westfalen, allein schon vom Namen her die beste Lösung.

Was also bleibt nach der Bundestagswahl 2013 zusammenfassend festzustellen? Schwarz-Gelb ist erst mal Geschichte, sollte sich die AfD langfristig im Bundestag etablieren, dann wird man zukünftig mehr als nur einen Koalitionspartner brauchen, die Zeit der personellen Erneuerung hat in den Verliererparteien begonnen und damit haben die Wähler irgendwie auch gewonnen.

An dieser Stelle, bevor ich mit meiner eigenen Lebensgeschichte beginne, noch einige Zeilen zur bayerischen Landtagswahl, welche eine Woche vorher stattgefunden hat: "Die Erektionen waren euphorisch", berichtete eine Reporterin von der CSU-Wahlparty und das konnte man sich nur zu gut vorstellen, wie die alten Säcke der bierbäuchigen CSU-Anhänger wiederauferstanden und sich voller Geilheit an der Reporterin gerieben hatten, schließlich macht Macht geil und, wie schon Fürstin Chloria aus eigener Erfahrung einst mitteilte: "Der Schwarze schnakselt gern". Ja, die Wiedererringung der Alleinherrschaft in und über Bayern, welche die CSU in allererster Linie ihrem Parteichef und Ministerpräsidenten Torsten Feehoffer zu verdanken hatte, sorgte für überglückliche Mienen im Lager der Christsozialen.

Ganz anders sah es hingegen bei der bayerischen FDP aus. Niedergeschlagenheit und Enttäuschung hatten sich breitgemacht, mit gut drei Prozent der Wählerstimmen war man sowohl aus der Regierung als auch aus dem Bayerischen Landtag herausgeflogen; wenn, dann verlor man schon richtig. Kein Wunder, bei so sympathischen Spitzenleuten wie Marvin Beil, man fragte sich wirklich, nach einem Blick auf jenen und den hessischen Spitzenkandidaten Jürgen-Udo Wahn (dessen FDP bei der Landtagswahl in Hessen, welche am gleichen Tag wie die Bundestagswahl stattgefunden hatte, von 16,2 % auf 5,0 % abgeschmiert war) und Leuten wie Müderle, Dösler, aber auch Tomburger, woher man diese Gestalten nur brachte, gab es da irgendwo einen liberalen Lebensborn, in dem jene Über-Menschen gezüchtet worden waren?

Die SPD freute sich über die 2 vorne, gab sich mit 20,6 Prozent zufrieden, na ja, nach 56 Jahren in der Opposition in Bayern war man bescheiden geworden. Zwar war man mit dem äußerst populären, in München seit 20 Jahren als Oberbürgermeister amtierenden Christoph Ode als Spitzenkandidaten in die "Mutter aller Schlachten" (Zitat von Torsten Feehoffer) gezogen, doch am Ende gab es mal wieder nur lange Gesichter. Die Grünen und die Freien Wähler waren ebenfalls in den Landtag eingezogen, beide mit Verlusten, aber 2008 hatte es ja da noch die Große Koalition auf Bundesebene gegeben, welche dafür gesorgt hatte, daß die Kleinen über sich hinausgewachsen waren. Die Grünen waren enttäuscht, da sie sich aufgrund der Umfragen vor der Wahl mehr versprochen gehabt hatten, doch bei denen lief so ziemlich alles schief, was möglich war, von daher mußten sie sich mit 8,6 % zufriedengeben, die Freien Wähler erreichten immerhin 9,0 Prozent. Also ein deutlicher Vorsprung der CSU, welche 47,7 Prozent der Wählerstimmen abgeschöpft hatte und da die Wahlbeteiligung um sechs Prozent auf fast 64 gestiegen war, hatten eigentlich fast alle im Landtag vertretenen Parteien Stimmen dazu gewonnen, nur bei den Prozentzahlen sah man das bei den beiden kleinen Parteien nicht wirklich, weshalb jene nicht so gut drauf waren.

 

Bayern ohne die FDP, alles ist wieder gut und in Ordnung. Schon eine wahre Meisterleistung der Liberalen, wie sie es doch immer wieder schaffen, sich selbst aus den Regierungen und Parlamenten zu kicken. Noch schöner daran ist und bleibt, daß ihnen dabei jegliche Einsicht fehlt, was sie denn falsch gemacht hätten, dabei bräuchten sie oft nur in den Spiegel, also nicht in das Magazin, sondern in den echten schauen, dann wüßten sie es sofort.

Eine Krise bedeutet ja immer auch eine Chance auf einen Neuanfang. Wie das bei meiner Geburt am 25.09.1913 gewesen war, weiß ich leider nicht genau. Die Begeisterung hielt sich vermutlich in Grenzen, wenngleich es sich ja bei mir vermutlich um ein Weihnachtsgeschenk gehandelt haben mußte. Wie, Sie verstehen nicht? Ganz einfach: Meinen Berechnungen zufolge wurde ich am 24. oder 25.12.1912 gezeugt, also jedenfalls ziemlich sicher zur Weihnachtszeit, denn ich war keine Frühgeburt und kam auch nicht zu spät, weshalb mich das Leben nicht bestrafte. Wie dem auch sei, entweder war ich das Weihnachtsgeschenk meines Vaters an meine Mutter, der mit ihr schlief, weil er vergessen hatte, ihr ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen oder es war umgekehrt und sie entschuldigte sich für ihr Versäumnis mit der Erlaubnis eines Quickies. Womöglich war auch Alkohol im Spiel, der sie erst in Stimmung brachte, im Endeffekt spielt es überhaupt keine Rolle und ich will es auch nicht wirklich wissen. Über das Jahr 1913, das ich überwiegend in meiner geschützten Höhle verbracht habe, brauche ich Ihnen nicht viel mitzuteilen, lesen sie dafür einfach den Roman "1913" von Fabian Billies, dann wissen Sie schon Bescheid. Jedenfalls begann im Jahre 1914 der Erste Weltkrieg, für die Leute damals war es einfach nur "der Weltkrieg", denn wenn die gewußt hätten, daß gut 20 Jahre nach dem Ende des Ersten auch schon gleich der Zweite folgen würde, dann wären sie höchstwahrscheinlich nicht so euphorisch in die Schlacht gezogen. Man hatte es seinerzeit mit lauter aufstrebenden Nationen zu tun, unter ihnen viele imperialistische Kolonisten, welche sich die Welt untertan machen wollten. Außerdem gab es jede Menge junge Männer, die sich auf die große Prügelei freuten, denn das war doch mal was Anderes als das stinknormale, langweilige Leben in Friedenszeiten. Mein Vater wurde ebenfalls eingezogen und kehrte nie mehr zurück. Später hieß es immer, er wäre "im Krieg geblieben", was ich als Kind natürlich noch nicht so verstanden habe, wie es eigentlich gemeint war. Später erklärte man mir dann, das hieße tatsächlich, er wäre auf dem Schlachtfeld gestorben, was mich traurig und stolz zugleich machte. Doch je älter ich wurde, desto mehr beschlichen mich die Zweifel, ob nicht doch meine erste Interpretation die richtige gewesen wäre. Nein, ich behaupte damit nicht, er hätte nicht genug vom Krieg bekommen und wäre im Krieg geblieben, um nie wieder nach Hause zu seiner nörgelnden Ehefrau und dem kleinen Schreihals, der ich damals war, zurückkommen zu müssen, aber ich konnte mir gut vorstellen, daß er irgendwo eine nette Frau gefunden und mit jener eine Familie gegründet hatte. Meiner Mutter erzählte ich selbstverständlich nichts von meiner Theorie, für sie war es besser zu glauben, er wäre im Krieg gefallen und nicht mehr aufgestanden.

Na ja, jedenfalls war ich ab 1914 der Mann im Haus und errichtete eine Schreckensherrschaft, an die ich mich leider überhaupt nicht mehr erinnern kann. Angeblich hatten wir in jenen Jahren des Ersten Weltkriegs wenig zu essen und meine Mutter dachte viel an ihren Mann, aber das war es dann auch schon gewesen. 1918 hatte der Spuk schließlich ein Ende und der König mußte abdanken, mit ihm gleich die ganze Monarchie noch dazu. Ja, Verlierer waren nun mal nicht gern gesehen, auch nicht im deutschen Volk und weil es da im Osten bei den Russen eine kommunistische Revolution gegeben hatte, drohte dem Deutschen Reich ein ähnliches Schicksal. Die Räterepublik hatte allerdings nur eine äußerst kurze Lebenszeit, man kann ja heutzutage kaum glauben, daß es die erste davon auf deutschem Boden ausgerechnet in Bayern gegeben hat, aber dann kam die Zeit der Weimarer Republik, mit dem ersten Versuch einer Demokratie, in der jede Partei, die von irgendwem gewählt wurde, Abgeordnete in den Reichstag schicken konnte und durfte. Das führte zu schwierigen Regierungsbildungen, unzähligen Kompromissen und einem großen Durcheinander. Und genauso wie sich die Bayern nach dem Chaos-Jahr mit Zuber und Blackschein an der Spitze der CSU wieder klare Verhältnisse wünschten, die sie dann in der Wahl Feehoffers manifestierten, so sehnten sich die meisten Deutschen recht schnell wieder nach einem König und da jene Zeit halt mal vorbei war, wenigstens nach einem Führer, einem Alleinherrscher, der bestimmte, wohin die Reise gehen sollte. Ich für meinen Teil wuchs heran, bekam so einiges mit, mußte natürlich in die Schule wie alle anderen auch und erkannte recht schnell, daß sich die Jugendlichen und jungen Leute nach etwas Neuem sehnten. Als dann irgendwann die NSDAP mit ihrem Anführer Adolf Hitler auf der Bildfläche erschien, waren viele von uns begeistert, ich zähle mich auch dazu. Der Mann hatte Feuer in sich, der redete nicht lange um den heißen Brei herum, sondern nannte die Dinge direkt beim Namen. Er erzählte von der Dolchstoßlegende, schimpfte über den Schandfrieden von Versailles und appellierte an das deutsche Volk, wieder aufzustehen, sich zu erheben und ein weiteres Mal zu der großen, starken und stolzen Nation zu werden, welche das arische Blut, das angeblich in unseren Adern floß, Herrenmenschen die wir laut ihm nun mal waren, wieder freudig pulsieren ließ. Hitler wurde schnell bekannt, berühmt und berüchtigt, ich zählte bereits als 18jähriger zu seinen großen Fans. Schon bemerkenswert, daß uns ausgerechnet ein Österreicher wieder aufbauen und motivieren mußte, andererseits war es ja auch bei Fußballmannschaften oft so, daß ein ausländischer Trainer mehr bewirkte als ein Landsmann, woran auch immer das liegen mochte. Wir fühlten uns wie neugeboren, viele jungen Leute wurden arisch-repressiv und wünschten sich, daß jener böhmische Gefreite, als der er des Öfteren bezeichnet worden war, die Macht ergriff. 1923 hatte er es mal mit einem Putsch versucht gehabt, was an mir als Zehnjährigem ziemlich unbemerkt vorbeigegangen war und daran erinnerte mich meine Mutter immer wieder gerne, wenn ich mal wieder zu sehr von meinem großen Idol schwärmte. Ich tat das als läßliche Jugendsünde ab und ging nicht weiter darauf ein. Schließlich waren wir Jungen die Zukunft des Landes und wenn wir den Hitler zu unserem Reichskanzler machen wollten, dann war das unser gutes Recht, der alte Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte ja immer nur so Nieten als Kanzler eingesetzt gehabt, die allesamt schon nach wenigen Monaten mit ihrem Deutsch am Ende gewesen waren. Hitler kam, sah und siegte, mit ihm feierte auch die Farbe Braun eine glorreiche Wiederkehr und das nicht ohne Grund. In Braunau am Inn war der Führer schließlich am 20.04.1889 geboren worden, vom chinesischen Sternzeichen her betrachtet ein Büffel, genau wie ich. In den Braunhemden marschierte die Hitlerjugend genauso wie die Parteiführung der NSDAP, seine Freundin hieß Eva Braun, was von uns aber niemand wußte, in Braunschweig bekam er eine Stelle in einem Amt und damit die deutsche Staatsbürgerschaft, ohne die er nicht deutscher Reichskanzler werden hätte können und Braunschlag war die beste österreichische Serie seit Jahren. Entschuldigung, manchmal vermische ich Vergangenheit und Gegenwart, das kommt in meinem Alter leider öfter mal vor. Jedenfalls war Braun die Farbe der Stunde, sehr erdig und wir Jungen fühlten uns wohl. Den Tag der Machtergreifung, den 30.01.1933, feierte ich mit meinen Kameraden, wir soffen bis zum Morgengrauen und kotzten dann in die Büsche. Wir fühlten uns unbesiegbar und glaubten an die Wiederauferstehung des deutschen Volkes sowie an unseren Sieg über seine Feinde. Na ja, es ging alles ganz verheißungsvoll los, auch wenn die Leute von der SA ständig nervten und ebenfalls lukrative Posten ergattern wollten. Ich selber war ja anfangs auch in der SA gewesen, doch irgendwann hatte ich gemerkt, daß der Führer höchstpersönlich mit den alten Kameraden, welche für die Bewegung in den Straßenschlachten den Kopf hingehalten hatten, nicht mehr sonderlich viel anfangen konnte und so wandte auch ich mich von meinen alten Freunden langsam ab und suchte mir bessere Gesellschaft. Zugegeben, ich war durchaus schockiert, als die alten Kameraden im Sommer 1934 massenweise hingerichtet wurden, aber andererseits störte es mich auch nicht sonderlich, denn irgendwie waren die ein Relikt aus alten Zeiten, welches man in der Zukunft nicht mehr brauchen würde. Die meisten Leute in Deutschland sahen das ähnlich, viele lobten den Führer für seine Entschlossenheit und der machte munter weiter. Das ganze historische Zeug, Reichstagsbrand, Notverordnungen, Ermächtigungsgesetz und so weiter dürfte ja hinlänglich bekannt sein, von daher werde ich mich lieber auf meine eigene Lebensgeschichte konzentrieren. Apropos Konzentration: Von den Lagern wußten die meisten Deutschen wirklich nichts, also das KZ Dachau war schon bekannt, aber da dorthin ja nur Andersdenkende sowie Andersartige gebracht wurden, machte sich unsereins darüber keine großen Gedanken. Wir bejubelten viel lieber den Führer beim Reichsparteitag in Nürnberg, lasen voller Begeisterung den "Stürmer" und freuten uns darüber, daß der Hitler von einem Erfolg zum nächsten eilte. Bevor er damit anfing, die Juden auszurotten, tat er dasselbe mit der Arbeitslosigkeit, was ihn noch beliebter machte. Er war ein politisches Genie, das stand für uns als seine überzeugten Anhänger völlig außer Frage und die paar Kritiker, Besserwisser und Dauernörgler ignorierten wir entweder oder denunzierten sie bei der Gestapo, wenn sie ihre Klappe überhaupt nicht halten wollten. Wie bereits erwähnt, für mich persönlich waren die Jahre zwischen 1933 und 1938 vielleicht die schönsten meines Lebens. Der Führer gurrte süßlich wie eine Friedenstaube, wenn er mit dem Ausland korrespondierte, im Inland hielt er die Zügel straff und fest in der Hand, wir hatten alle gut zu tun und waren stolz auf unsere glorreiche Nation. Es ging wieder aufwärts und wir wußten nur zu gut, wem wir das zu verdanken hatten. Den Juden bestimmt nicht, denn die konnte unser Führer überhaupt nicht leiden, warum auch immer, jedenfalls hatte er was gegen die und weil er sie nicht mochte, behandelten auch wir sie so schlecht wie möglich, obwohl sie uns früher ziemlich egal gewesen waren. Für die Juden wurde es immer ungemütlicher im Deutschen Reich, was uns nichts ausmachte, denn wir hatten unseren Ariernachweis, der bewies, daß wir ein Teil der Herrenrasse, die über die ganze Welt herrschen sollte, waren. Von daher hatten wir es ziemlich gut erwischt, ich für meinen Teil sah auch nicht schlecht aus und weil ich als Kind viele Jahre lang dank meiner Mutter gelernt hatte, wie Mann mit Frauen umgehen mußte, erzielte ich bei der Damenwelt beachtliche Erfolge. Mein Charme war legendär, Scham kannte ich nicht und so feuerte ich aus allen Rohren, noch lange bevor der Zweite Weltkrieg begann. Das Problem an der Sache bestand lediglich darin, daß sich manche meiner Freundinnen relativ ähnlich sahen, weil ich scheinbar auf einen ganz bestimmten Typus Frau abfuhr, also ähnlich wie heutzutage der Maurice Mecker oder der Dietmar Kohlen, nur halt nicht auf so Mischlinge wie die, das wäre seinerzeit auch völlig undenkbar und überhaupt nicht gern gesehen gewesen, als abartige Rassenschande hätte man das bezeichnet.