Za darmo

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Es wurde späterhin von Tories, welche unter allen Dingen die Nationalschuld und unter allen Menschen Burnet am meisten haßten, oft behauptet, Burnet sei Derjenige gewesen, der der Regierung zuerst gerathen habe, eine Nationalschuld zu contrahiren. Allein diese Behauptung wird durch keinen glaubwürdigen Beweis bestätigt und scheint durch das Stillschweigen des Bischofs widerlegt zu werden. Er war unter allen Menschen derjenige, von dem am wenigsten anzunehmen war, daß er die Thatsache verschweigen würde, daß eine wichtige fiskalische Revolution sein Werk gewesen. Auch war das damalige Schatzcollegium kein solches, das die Rathschläge eines Geistlichen nöthig gebraucht, oder von dem man hätte annehmen können, daß es dieselben sonderlich beachten würde. In diesem Collegium saß Godolphin, der klügste und erfahrenste, und Montague, der waghalsigste und erfinderischste aller Financiers. Es konnte keinem dieser beiden ausgezeichneten Männer unbekannt sein, daß es in den Nachbarstaaten schon längst Gebrauch war, die durch ein Kriegsjahr nöthig gemachte übermäßige Besteuerung auf mehrere Friedensjahre zu vertheilen. In Italien bestand dieser Gebrauch seit mehreren Generationen. Frankreich hätte während des Kriegs, welcher 1672 begann und 1679 endigte, nicht weniger als dreißig Millionen nach unsrem Gelde geborgt. Sir Wilhelm Temple hatte in seinem interessanten Werke über die Batavische Föderation seinen Landsleuten erzählt, daß zu der Zeit als er Gesandter im Haag war, die damals von dem sparsamen und klugen De Witt verwaltete Provinz Holland allein ungefähr fünf Millionen Pfund Sterling schuldete, für welche die Zinsen zu vier Procent stets auf den Tag bereit waren, und daß, wenn ein Theil des Kapitals zurückgezahlt wurde, der Staatsgläubiger sein Geld mit Thränen in Empfang nahm, wohl wissend, daß er keine Anlage von gleicher Sicherheit finden konnte. Das Wunder ist nicht, daß England endlich das Beispiel seiner Feinde wie seiner Verbündeten nachahmte, sondern daß bereits das vierte Jahr seines schweren und erschöpfenden Kampfes gegen Ludwig zu Ende ging, ehe es zu einem so nahe liegenden Aushülfsmittel griff.

Am 15. December 1692 erklärte sich das Haus der Gemeinen zu einem Ausschusse für Feststellung der Mittel und Wege. Somers nahm den Präsidentenstuhl ein. Montague schlug vor, eine Million auf dem Wege der Anleihe zu erheben; der Vorschlag fand Beifall und es wurde angeordnet, daß eine Bill eingebracht werden solle. Die Details des Planes wurden ausführlich besprochen und vielfach modificirt; das Prinzip aber scheint allen Parteien gefallen zu haben. Die Geldmänner waren froh, daß sie eine gute Gelegenheit hatten, ihre aufgehäuften Kapitalien zinsbar anzulegen, und die durch die Steuerlast hart gedrückten Grundbesitzer waren bereit, um momentaner Erleichterung willen Alles zu genehmigen. Kein Mitglied wagte das Haus abstimmen zu lassen. Am 20. Januar wurde die Bill zum dritten Male gelesen, durch Somers den Lords überreicht und von ihnen ohne Amendement angenommen.86

Durch dieses denkwürdige Gesetz wurden neue Abgaben auf das Bier und andere geistige Getränke gelegt. Diese Abgaben sollten im Schatze von allen übrigen Einnahmen gesondert bleiben und einen Fond bilden, auf dessen Garantie hin eine Million gegen Leibrenten aufgenommen werden sollten. Nach dem Absterben der Renteninhaber sollten ihre Annuitäten unter die Ueberlebenden vertheilt werden, bis die Zahl der Ueberlebenden auf sieben zusammengeschmolzen war. Was nach dieser Zeit zurückfiel, sollte dem Staate zu Gute kommen. Es war demnach ausgemacht, daß das 18. Jahrhundert weit vorgerückt sein würde, ehe die Schuld getilgt war. Der Zinsfuß sollte bis zum Jahre 1700 zehn Procent, und nach diesem Jahre sieben Procent sein. Die dem Staatsgläubiger durch diesen Plan gebotenen Vortheile mögen groß scheinen, waren aber nur eben hinreichend, um ihn für sein Risico zu entschädigen. Es war nicht unmöglich, daß eine Contrerevolution ausbrach, und wenn eine solche stattfand, war es gewiß, daß Die, welche Wilhelm Geld geliehen hatten, sowohl Zinsen als Kapital verloren.

Dies war der Ursprung der Schuld, die seitdem das größte Wunder geworden ist, das jemals den Scharfsinn der Staatsmänner und Philosophen in Verlegenheit gesetzt und ihren Stolz beschämt hat. Bei jeder neuen Vermehrung dieser Schuld hat die Nation stets das nämliche Geschrei der Angst und Verzweiflung erhoben. Bei jeder neuen Vermehrung dieser Schuld haben einsichtsvolle Männer allen Ernstes behauptet, daß Bankerott und Ruin bevorständen. Und doch wuchs die Schuld fortwährend, und Bankerott und Ruin waren so fern als je. Als der große Kampf mit Ludwig schließlich durch den Frieden von Utrecht beendigt wurde, schuldete die Nation ungefähr funfzig Millionen, und diese Schuld wurde, nicht bloß von dem ungebildeten großen Haufen, nicht blos von fuchsjagenden Squires und Kaffeehausrednern, sondern von scharfen und tiefen Denkern als eine Last betrachtet, welche den Staatskörper fortwährend lähmen würde. Gleichwohl blühte der Handel, der Wohlstand nahm zu, die Nation wurde reicher und reicher. Dann kam der österreichische Erbfolgekrieg, und die Schuld stieg auf achtzig Millionen. Tagesschriftsteller, Geschichtsschreiber und Redner erklärten, daß jetzt unsre Lage jedenfalls eine verzweifelte sei. Die Zeichen zunehmenden Wohlstandes, Zeichen, die weder gefälscht noch verborgen werden konnten, mußten jedoch jeden aufmerksamen und nachdenkenden Beobachter überzeugen, daß eine Schuld von achtzig Millionen für das von Pelham regierte England weniger war, als eine Schuld von funfzig Millionen für das von Oxford regierte England gewesen war. Bald brach von neuem Krieg aus, und unter der energischen und verschwenderischen Verwaltung des ersten Wilhelm Pitt schwoll die Schuld rasch auf hundertvierzig Millionen an. Sobald der erste Siegesrausch verflogen war, erklärten Männer der Theorie und Männer der Praxis einstimmig, daß der verhängnißvolle Tag nun wirklich gekommen sei. Der einzige unter allen praktischen und theoretischen Staatsmännern, der die allgemeine Verblendung nicht theilte, war Edmund Burke. David Hume, ohne Widerrede einer der gründlichsten Staatsökonomen seiner Zeit, erklärte, unser Wahnsinn übertreffe noch den Wahnsinn der Kreuzfahrer. Richard Löwenherz und Ludwig der Heilige hätten nicht mathematischen Beweisen Hohn gesprochen. Es sei unmöglich, mit Ziffern zu beweisen, daß der Weg zum Paradiese nicht durch das gelobte Land gehe, aber es sei möglich mit Ziffern zu beweisen, daß der Weg zum Nationalruin durch die Nationalschuld führe. Es sei jedoch überflüssig noch von dem Wege zu sprechen, denn mit dem Wege hätten wir es nicht mehr zu thun, wir seien bereits am Ziele angelangt und Alles sei vorbei: alle Einkünfte der Insel nördlich vom Trent und westlich vom Reading seien verpfändet. Es würde besser für uns gewesen sein, wenn Preußen oder Oesterreich uns besiegt hätte, als daß wir die Zinsenlast für hundertvierzig Millionen tragen müßten.87 Dieser große Gelehrte – denn das war er – hätte indessen nur die Augen zu öffnen gebraucht, um überall um sich her Fortschritt und Verbesserung zu erblicken: sich vergrößernde Städte, sich immer weiter ausbreitende Bebauung des Bodens, Märkte, zu klein für die Masse der Käufer und Verkäufer, Häfen, nicht mehr genügend zur Aufnahme der Schiffe, künstliche Flüsse, welche die Hauptbinnensitze der Industrie mit den wichtigsten Seehäfen verbanden, besser erleuchtete Straßen, besser eingerichtete Häuser, kostbarere Waaren, in eleganteren Läden zum Verkauf gestellt, leichtere Wagen, die auf ebeneren Wegen dahinrollten. Er hätte in der That nur das Edinburg seiner Kindheit mit dem Edinburg seines Mannesalters zu vergleichen gebraucht. Seine Prophezeiung bleibt für die Nachwelt ein denkwürdiges Beispiel der Schwäche, von der auch die stärksten Geister nicht frei sind. Adam Smith sah ein wenig, aber auch nur ein wenig weiter. Er gab zu, daß die Nation die Schuldenlast trotz ihrer ungeheuren Größe doch trage und unter ihr in einer Weise gedeihe, die Niemand habe voraussehen können. Aber er warnte seine Landsleute, ein so gewagtes Experiment zu wiederholen. Die Grenze sei erreicht, selbst eine geringe Vermehrung könne verderblich werden.88 Nicht minder schwarz war das Licht, in welchem Georg Grenville, ein ausgezeichnet fleißiger und praktischer Minister, unsre finanzielle Lage erblickte. Er meinte die Nation müsse unter einer Schuldenlast von hundertvierzig Millionen erliegen, wenn nicht ein Theil derselben von den amerikanischen Colonien getragen würde. Der Versuch, einen Theil der Last auf die amerikanischen Colonien zu übertragen, rief einen neuen Krieg hervor. Nach diesem Kriege hatten wir hundert Millionen Schulden mehr und die Colonien verloren, deren Beistand als unerläßlich dargestellt worden war. Wieder wurde England aufgegeben, und wieder beharrte der sonderbare Patient darin, trotz aller Diagnosen und Prognosen der Staatsärzte immer kräftiger und blühender zu werden. Wie es mit einer Schuld von hundertvierzig Millionen sichtlich besser gediehen war als mit einer Schuld von funfzig Millionen, so gedieh es wieder mit einer Schuld von zweihundertvierzig Millionen besser als mit einer Schuld von einhundertvierzig Millionen. Bald jedoch stellten die Kosten der aus der französischen Revolution hervorgehenden Kriege, welche an Kostspieligkeit alle übertrafen, die die Welt je gesehen, die Kräfte des öffentlichen Credits auf die äußerste Probe. Als die Welt wieder ruhig geworden war, betrug die fundirte Schuld England’s achthundert Millionen. Wenn man dem aufgeklärtesten Manne im Jahre 1792 gesagt hätte, daß im Jahre 1815 die Zinsen von achthundert Millionen auf den Tag von der Bank ausgezahlt werden würden, so würde er dies eben so wenig geglaubt haben, als wenn man ihm gesagt hätte, die Regierung werde im Besitz der Aladinslampe oder des Fortunatusbeutels sein. Es war in der That eine riesige, eine fabelhafte Schuld, und wir dürfen uns kaum darüber wundern, daß das Geschrei der Verzweiflung lauter war als je. Doch abermals überzeugte man sich, daß das Geschrei eben so grundlos gewesen war als je. Nach einigen Jahren der Erschöpfung erholte sich England wieder. Dennoch beklagte es sich, wie Addison’s eingebildeter Kranker, der beständig wimmert, er müsse an der Schwindsucht sterben, bis er so fett wird, daß er beschämt schweigen muß, fortwährend, daß es in Armuth versunken sei, bis sein Reichthum sich durch Zeichen verrieth, die seine Klagen lächerlich machten. Die verarmte, die bankerotte Gesellschaft erwies sich nicht nur fähig, alle ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, sondern wurde sogar, während sie ihre Verbindlichkeiten erfüllte, so schnell immer reicher und reicher, daß die Zunahme ihres Reichthums fast mit den Augen zu erkennen war. In jeder Grafschaft sahen wir seit kurzem Wüsteneien in Gärten verwandelt; in jeder Stadt sahen wir neue Straßen und Squares und Marktplätze, glänzendere Laternen, reichlichere Versorgung mit Wasser; in den Vorstädten jedes großen Sitzes der Industrie sahen wir die Villas, jede in ein reizendes kleines Paradies von Hollunder und Rosen gebettet, sich rasch vermehren. Während seichte Politiker beständig wiederholten, daß die Kräfte des Volks durch die Wucht der öffentlichen Lasten erdrückt würden, fand die erste Dampfwagenfahrt auf einer Eisenbahn statt. Bald war die Insel mit Schienenwegen überzogen. Eine Summe, größer als der Betrag der ganzen Nationalschuld zu Ende des amerikanischen Kriegs, wurde von diesem ruinirten Volke binnen wenigen Jahren freiwillig auf den Bau von Viaducten, Tunneln, Dämmen, Brücken, Bahnhöfen und Lokomotiven verwendet. Inzwischen wurde die Besteuerung fast beständig leichter und leichter und doch war die Staatskasse gefüllt. Man darf ohne Besorgniß vor Widerspruch behaupten, daß es uns eben so leicht wird, die Zinsen von achthundert Millionen zu bezahlen, als es vor hundert Jahren unseren Vorfahren wurde, die Zinsen von achtzig Millionen zu bezahlen.

 

Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß sich in die Begriffe Derer, welche die durch eine lange Reihe unbestreitbarer Thatsachen so schlagend widerlegte lange Reihe zuversichtlicher Prophezeiungen aussprachen und Derer, die sie glaubten, ein arger Trugschluß eingeschlichen hatte. Diesen Trugschluß nachzuweisen, ist mehr Sache des Nationalökonomen als des Geschichtsschreibers. Hier genüge es zu sagen, daß die Unglückspropheten in einer zweifachen Täuschung befangen waren. Sie glaubten irrthümlich, daß zwischen einem Individuum, das einem andren Individuum schuldet, und einer Gesellschaft, die einem Theile ihrer selbst schuldet, eine genaue Analogie stattfinde, und diese Analogie führte sie zu endlosen Täuschungen über die Wirkung des Fundirungssystem. In einem nicht minder großen Irrthum waren sie bezüglich der Hülfsquellen des Landes. Sie berücksichtigten die Wirkungen nicht, welche die unaufhörlichen Fortschritte jeder Erfahrungswissenschaft und die unablässigen Bemühungen jedes Menschen, im Leben vorwärts zu kommen, hervorbringen. Sie sahen daß die Schuld zunahm, aber sie vergaßen daß alles Andere eben so wohl zunahm wie die Schuld.

Eine lange Erfahrung berechtigt uns zu der Annahme, daß England im 20. Jahrhundert besser im Stande sein wird eine Schuld von sechzehnhundert Millionen zu tragen, als es zur gegenwärtigen Zeit seine gegenwärtige Schuld tragen kann. Doch sei dem wie ihm wolle, Diejenigen, welche so zuversichtlich voraussagten, daß es zuerst einer Schuld von funfzig Millionen, dann einer Schuld von achtzig Millionen, dann einer Schuld von hundertundvierzig Millionen, dann einer Schuld von zweihundertvierzig Millionen und zuletzt einer Schuld von achthundert Millionen erliegen müsse, waren ohne allen Zweifel in einem doppelten Irrthum. Sie überschätzten bei weitem den Druck der Last und unterschätzten bei weitem die Kraft, welche die Last zu tragen hatte.

Es muß wünschenswerth erscheinen, einige Worte darüber hinzuzufügen, wie das Fundirungssystem die Interessen der großen Republik der Nationen berührt hat. Wenn es wahr ist, daß Alles was der Intelligenz über die rohe Gewalt, und der Redlichkeit über die Unredlichkeit einen Vortheil giebt, die Tendenz hat, das Glück und die Tugendhaftigkeit unsres Geschlechts zu fördern, so kann es schwerlich in Abrede gestellt werden, daß die Folgen dieses Systems im weitesten Umfange heilsam gewesen sind. Denn es liegt auf der Hand, daß aller Credit von zwei Dingen abhängt: von der Fähigkeit eines Schuldners, seine Schulden zu bezahlen, und von seinem Willen, sie zu bezahlen. Die Fähigkeit einer Gesellschaft, ihre Schulden zu bezahlen, steht im Verhältniß zu den Fortschritten, die sie in der Industrie, im Handel und in allen den Künsten und Wissenschaften gemacht hat, welche unter dem wohlthätigen Einflusse der Freiheit und der Gleichheit vor dem Gesetze blühen. Der Wille einer Gesellschaft, ihre Schulden zu bezahlen, steht im Verhältniß zu dem Grade, in welchem sie die Verpflichtungen eines gegebenen Versprechens respectirt. Von der Kraft, welche in der Größe des Gebiets und in der Zahl streitbarer Männer besteht, mag ein roher Despot, der kein andres Gesetz kennt als seine persönlichen kindischen Launen und trotzigen Leidenschaften, oder ein Convent von Socialisten, der alles Eigenthum für Diebstahl erklärt, mehr besitzen, als die beste und weiseste Regierung. Aber die Kraft, die aus dem Vertrauen der Kapitalisten entspringt, kann ein solcher Despot oder ein solcher Convent nie besitzen. Diese Kraft, – und es ist eine Kraft, die den Ausgang mehr als eines großen Kampfes entschieden hat – flieht ihrer Natur nach Rohheit und Betrug, Tyrannei und Anarchie, um sich der Civilisation und Tugend, der Freiheit und Ordnung anzuschließen.

Parlamentsreform

Während die Bill, welche zuerst die fundirte Schuld England’s ins Leben rief, unter allgemeinem Beifall die regelmäßigen Stadien durchlief, discutirten die beiden Häuser zum ersten Male die große Frage der Parlamentsreform.

Es muß bemerkt werden, daß das Ziel der Reformer jener Generation lediglich darin bestand, den Repräsentativkörper zu einem treueren Interpreten der Gesinnung des Wahlkörpers zu machen. Es scheint fast keinem einzigen von ihnen eingefallen zu sein, daß der Wahlkörper ein untreuer Interpret der Gesinnung der Nation sein könne. Allerdings waren die Mißgriffe in der Zusammensetzung des Wahlkörpers, welche endlich in unseren Tagen einen unwiderstehlichen Sturm des öffentlichen Unwillens erregten, im 17. Jahrhundert bei weitem nicht so zahlreich und so schädlich, als sie es im 19. geworden waren. Der größte Theil der Burgflecken, denen im Jahre 1832 das Wahlrecht entzogen wurde, waren, wenn auch nicht absolut, doch relativ, unter der Regierung Wilhelm’s III. viel wichtigere Plätze als unter der Regierung Wilhelm’s IV. Von den volkreichen und wohlhabenden Fabrikstädten, Seehäfen und Badeorten, denen das Wahlrecht unter der Regierung Wilhelm’s IV. verliehen wurde, waren einige unter der Regierung Wilhelm’s III. kleine Dorfschaften, von ein paar Bauern oder Fischern in Hütten mit Strohdächern bewohnt; andere waren Getreidefelder oder den Birkhühnern preisgegebene Moorstrecken. Mit Ausnahme von Leeds und Manchester gab es zur Zeit der Revolution nicht eine einzige Stadt von fünftausend Einwohnern, die nicht zwei Vertreter ins Haus der Gemeinen geschickt hätte. Doch auch damals fehlte es nicht an auffallenden Anomalien. East- und West-Looe, das nicht die Hälfte der Bevölkerung und nicht die Hälfte des Vermögens des kleinsten der hundert Kirchspiele London’s hatte, wählte eben so viele Mitglieder als London.89 Old Sarum, eine verödete Ruine, die der Reisende des Nachts zu betreten sich scheute, aus Furcht, darin lauernden Räubern in die Hände zu fallen, hatte eben so viel Gewicht in der gesetzgebenden Versammlung wie Devonshire oder Yorkshire.90 Einige ausgezeichnete Männer beider Parteien, zum Beispiel Clarendon unter den Tories, und Pollexfen unter den Whigs, verwarfen dieses System. Dennoch waren beide Parteien, allerdings aus sehr verschiedenen Gründen, nicht geneigt, es zu ändern. Es wurde durch die Vorurtheile der einen Partei und durch die Interessen der andren beschützt. Nichts konnte dem Geiste des Toryismus mehr zuwider sein als der Gedanke, Institutionen, welche seit Jahrhunderten bestanden, mit einem Schlage zu vernichten, um auf den Trümmern etwas Symmetrischeres aufzubauen. Den Whigs dagegen konnte es nicht entgehen, daß sie durch eine Aenderung in diesem Theile unsrer Verfassung viel wahrscheinlicher etwas verlieren als gewinnen würden. Es wäre in der That ein großer Irrthum, wollte man glauben, daß ein Gesetz, das die politische Macht von kleinen auf große Wahlkörper übertrug, im Jahre 1692 dasselbe bewirkt haben würde, was es im Jahre 1832 bewirkte. Im Jahre 1832 bestand die Wirkung der Uebertragung in einer Vergrößerung der Macht der städtischen Bevölkerung. Im Jahre 1692 würde sie die Macht der ländlichen Bevölkerung unwiderstehlich gemacht haben. Von den hundertzweiundvierzig Mitgliedern, welche im Jahre 1832 kleinen Wahlflecken entzogen wurden, wurden über die Hälfte großen und blühenden Städten zugetheilt. Im Jahre 1692 aber gab es kaum eine große und blühende Stadt, die nicht schon so viele Vertreter gehabt hätte, als sie mit einem Anschein von Billigkeit verlangen konnte. Es hätte daher fast Alles was den kleinen Wahlflecken entzogen worden wäre, den Grafschaften gegeben werden müssen, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Alles was darauf abzielte, die Grafschaften zu heben und die Städte zu unterdrücken, im Ganzen auf die Hebung der Tories und auf die Unterdrückung der Whigs hinausgelaufen wäre. Vom Anbeginn unserer bürgerlichen Wirren hatten die Städte auf Seiten der Freiheit und des Fortschritts, die Landgentlemen und die Landgeistlichen auf Seiten der Autorität und des Althergebrachten gestanden. Wenn daher eine Reformbill, welche kleinen Wahlkörpern das Wahlrecht entzog und großen Wahlkörpern mehr Abgeordnete bewilligte, bald nach der Revolution zum Gesetz erhoben worden wäre, so unterliegt es kaum einem Zweifel, daß die entschiedene Mehrheit des Hauses der Gemeinen aus ländlichen Baronets und Squires, Hochkirchlichen, Hochtories und halben Jakobiten bestanden haben würde. Bei einem solchen Hause der Gemeinen ist es fast gewiß, daß eine Verfolgung der Dissenters stattgefunden haben würde; es ist schwer einzusehen, wie eine Vereinigung mit Schottland hätte zu Stande kommen sollen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß eine Restauration der Stuarts erfolgt sein würde. Daher wurden die Theile unsrer Verfassung, welche die Politiker der liberalen Schule in neueren Zeiten allgemein als Mißstände betrachten, fünf Generationen früher selbst von den Männern, die am eifrigsten für bürgerliche und religiöse Freiheit waren, mit Wohlgefallen betrachtet.

Aber während Whigs und Tories in dem Wunsche, die bestehenden Wahlrechte aufrecht zu erhalten, übereinstimmten, mußten sie gleichwohl zugeben, daß das Verhältniß zwischen dem Wähler und dem Abgeordneten nicht so war, wie es hätte sein sollen. Vor dem Bürgerkriege hatte das Haus der Gemeinen das volle Vertrauen der Nation besessen. Ein von den Gemeinen mit Mißtrauen, Verachtung und Haß betrachtetes Haus der Gemeinen war etwas Unbekanntes. Die bloßen Worte schon würden dem Ohre eines Sir Peter Wentworth oder Sir Eduard Coke wie einen Widerspruch enthaltend geklungen haben. Nach und nach aber trat eine Veränderung ein. Das im Jahre 1661 während des auf die Rückkehr der königlichen Familie folgenden Anfalls von Freude und Zuneigung gewählte Parlament, repräsentirte nicht die reiflich erwogene Ansicht, sondern nur die momentane Laune der Nation. Viele von den Mitgliedern waren Männer, welche einige Monate früher oder einige Monate später keine Aussicht gehabt haben würden, Sitze zu erlangen, Männer von zerrüttetem Vermögen und von ausschweifenden Sitten, deren einziger Anspruch auf das öffentliche Vertrauen in dem wilden Hasse bestand, den sie gegen Rebellen und Puritaner hegten. Sobald das Volk wieder nüchtern geworden war, sah es mit Schrecken, was für einer Versammlung es in seinem Freudenrausche die Sorge für sein Eigenthum, seine Freiheit und seine Religion anvertraut hatte. Und die in einem Augenblicke wahnsinniger Begeisterung getroffene Wahl konnte sich als eine Wahl auf Lebenszeit herausstellen. Nach dem damals bestehenden Gesetz hing es ganz von dem Willen des Königs ab, ob während seiner Regierung den Wählern Gelegenheit geboten werden sollte, ihren Fehler wieder gut zu machen. Achtzehn Jahre vergingen und eine neue Generation wuchs heran. Auf die glühende Loyalität, mit welcher Karl in Dover bewillkommnet worden war, folgten Unzufriedenheit und Abneigung. Das allgemeine Geschrei lautete, daß das Königreich schlecht regiert, erniedrigt, unwürdigen Männern und noch unwürdigeren Frauen als Beute preisgegeben würde, daß unsre Flotte sich einem Kampfe mit Holland nicht gewachsen gezeigt habe, daß unsre Unabhängigkeit für das Gold Frankreich’s verkauft worden, daß unsere Gewissen in Gefahr seien, aufs Neue dem Joche Rom’s unterworfen zu werden. Das Volk war Rundkopf geworden, aber die Versammlung, welche allein ermächtigt war, im Namen des Volks zu sprechen, war noch eine Versammlung von Cavalieren. Allerdings fand der König gelegentlich selbst dieses Haus der Gemeinen unlenksam. Es hatte von vornherein nicht wenige ächte Engländer enthalten, andere waren hineingekommen, wenn durch den Tod Lücken entstanden, und selbst die Majorität konnte trotz ihrer höfischen Gesinnung nicht umhin einige Sympathie für die Nation zu fühlen. So bildete sich eine Vaterlandspartei, die zu achtunggebietender Stärke anwuchs. Diese Partei aber sah ihre Anstrengungen stets durch systematische Bestechungen vereitelt. Daß einige Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung directe Geschenke erhielten, wurde mit gutem Grunde vermuthet, konnte aber nicht bewiesen werden. Daß das Patronat der Krone in ausgedehntem Maße angewendet wurde, um auf die Abstimmungen einzuwirken, war notorisch. Ein großer Theil Derer, welche das Geld der Nation in Bewilligungen für die Regierung, weggaben, erhielten einen Theil des Geldes in Form von Gehalten wieder, und so bildete sich eine Söldnerschaar, auf die der Hof fast unter allen Umständen zuversichtlich rechnen konnte.

 

Die Servilität dieses Parlaments hatte einen tiefen Eindruck im Volke zurückgelassen. Man war allgemein der Ansicht, daß England gegen die Gefahr gesichert werden müsse, jemals wieder eine Reihe von Jahren durch Männer repräsentirt zu werden, die sein Vertrauen verloren hätten und die dafür bezahlt würden, daß sie gegen seine Wünsche und Interessen stimmten. Der Gegenstand kam in der Convention zur Sprache und einige Mitglieder wünschten damit ins Reine zu kommen, so lange der Thron noch unbesetzt war. Seitdem war das Verlangen nach einer Reform immer dringender und dringender geworden. Das mit Steuern schwer belastete Volk war natürlich geneigt, Diejenigen, welche von den Steuern lebten, nicht mit sehr günstigem Auge zu betrachten. Daß der Krieg gerecht und nothwendig war, erkannte Jedermann an, und Krieg konnte nicht ohne großen Kostenaufwand geführt werden. Aber je größer die Summen waren, die zur Vertheidigung der Nation erfordert wurden, um so wichtiger war es, nichts zu verschwenden. Die enormen Einkünfte der Staatsbeamten erregten Neid und Unwillen. Hier wurde ein Gentleman dafür bezahlt, daß er nichts that. Dort wurden mehrere Gentlemen dafür bezahlt, daß sie etwas thaten, was ein Einzelner besser gethan haben würde. Die Equipage, die Dienerschaft, die Spitzencravatten und die Diamantschnallen des Staatsdieners wurden natürlich von Denen, welche früh aufstanden und sich spät niederlegten, um ihm die Mittel zu verschaffen, in Glanz und Luxus zu leben, mit scheelen Augen angesehen. Solche Mißbräuche abzustellen war das specielle Amt eines Hauses der Gemeinen. Was aber hatte das bestehende Haus der Gemeinen in dieser Beziehung gethan? Absolut nichts. Im Jahre 1690 waren bei Feststellung der Civilliste allerdings einige scharfe Reden gehalten worden. Aber im Jahre 1691 war bei Berathung der Mittel und Wege ein Beschluß durchgegangen, der so albern abgefaßt war, daß er sich als eine vollständige Fehlgeburt erwies. Der Mißbrauch bestand fort und mußte fortbestehen, so lange er eine Quelle des Gewinns für Diejenigen war, die ihn hätten abstellen sollen. Wer konnte eine treue und wachsame Aufsicht von Aufsehern erwarten, die ein directes Interesse daran hatten, der Verschwendung Vorschub zu leisten, welcher Einhalt zu thun ihr Amt war? Das Haus wimmelte von Angestellten aller Art, Lords des Schatzes, Lords der Admiralität, Zollcommissaren, Acciscommissaren, Prisencommissaren, Cassirern, Controleurs, Einnehmern, Zahlmeistern, Münzbeamten, Hofbeamten, Regimentsobersten, Schiffskapitains und Festungsgouverneurs. Wir schicken, sagte man, einen unserer Nachbarn, einen unabhängigen Gentleman, in dem vollen Vertrauen nach Westminster, daß seine Gesinnungen und Interessen in vollkommenem Einklange mit den unsrigen stehen. Wir erwarten von ihm, daß er uns von jeder Last befreien werde, ausgenommen von den Lasten, ohne welche der Staatsdienst nicht bestehen kann und die wir daher, so drückend sie für uns sein mögen, geduldig und entschlossen tragen. Noch ehe er aber eine Session im Parlamente ist, erfahren wir, daß er mit einem ansehnlichen Gehalte zum Sekretär des Hofmarschallgerichts oder zum Aufseher der abgelegten Garderobe ernannt wurde. Ja, wir erfahren zuweilen, daß er eine von den Stellen in der Schatzkammer erhalten, deren Emolumente mit den Steuern, die wir bezahlen, steigen und fallen. Es wäre wahrhaftig ein Wunder, wenn unsere Interessen in der Hand eines Mannes, dessen Einnahme in Procenten von unseren Verlusten besteht, gut aufgehoben wären. Das Uebel würde bei weitem nicht so groß sein, wenn wir öfters Gelegenheit hätten zu erwägen, ob die Vollmachten unsres Vertreters erneuert oder zurückgezogen werden sollen. Nach dem gegenwärtig bestehenden Gesetz aber ist es nicht unmöglich, daß er diese Vollmachten zwanzig bis dreißig Jahre behält. So lange er lebt, und so lange der König oder die Königin lebt, ist es nicht wahrscheinlich, daß wir unser Wahlrecht je wieder ausüben werden, es müßte denn ein Streit zwischen dem Hofe und dem Parlamente entstehen. Je verschwenderischer und willfähriger ein Parlament ist, um so weniger ist anzunehmen, daß es sich mit dem Hofe überwerfen wird. Je schlechter mithin unsere Vertreter sind, um so länger werden wir voraussichtlich dazu verurtheilt sein, sie behalten zu müssen.

Das Geschrei war laut. Man gab dem Parlamente gehässige Spottnamen. Bald hieß es das Beamtenparlament, bald hieß es das stehende Parlament und wurde für eine drückendere Last erklärt als selbst ein stehendes Heer.

Zwei Specifica gegen die Leiden des Staats wurden dringend empfohlen und theilten sich in die öffentliche Gunst. Das eine war ein Gesetz, welches die Staatsbeamten vom Hause der Gemeinen ausschloß. Das andre war ein Gesetz, welches die Dauer der Parlamente auf drei Jahre beschränkte. Im Allgemeinen zogen die toryistischen Reformers eine Stellenbill (Place Bill), die whiggistischen Reformers eine Dreijährigkeitsbill (Triennial Bill) vor; aber nicht wenige eifrige Mitglieder beider Parteien waren dafür, beide Heilmittel zu versuchen.

86Commons’ Journals; Stat. 4. W. & M. C. 3.
87Siehe eine höchst bedeutsame Anmerkung in Hume’s History of England, Anhang III.
88Wealth of Nations, Buch V. Kap. 3.
89Wesley fiel diese Anomalie im Jahre 1745 auf. Siehe sein Tagebuch.
90Pepys, 10. Juni 1668.