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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.

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Wharton

Mit Russell, Somers und Montague war ein Vierteljahrhundert lang ein vierter Whig eng verbunden, der im Character mit keinem von ihnen große Aehnlichkeit hatte. Dies war Thomas Wharton, der älteste Sohn Philipp’s, Lord Wharton. Thomas Wharton ist im Laufe dieser Erzählung schon häufig genannt worden; aber es ist jetzt Zeit ihn ausführlicher zu schildern. Er stand in seinem siebenundvierzigsten Jahre, war aber in Bezug auf Körperconstitution, Aussehen und Manieren noch ein junger Mann. Selbst Diejenigen, die ihn am gründlichsten haßten – und Niemand wurde gründlicher gehaßt – räumten ein, daß seine natürlichen Anlagen vortrefflich und daß er zum Reden wie zum Handeln in gleichem Grade befähigt sei. Sein Rang und seine Talente machten ihn zu einer so hervorragenden Persönlichkeit, daß wir an ihm den Ursprung und das Fortschreiten einer moralischen Verderbtheit, die unter seinen Zeitgenossen epidemisch war, deutlich zu erkennen vermögen.

Er war in den Tagen des Covenants geboren und war der Erbe eines dem Covenant angehörenden Hauses. Sein Vater war als ein Verbreiter calvinistischer Schriften und als ein Beschützer der calvinistischen Geistlichen bekannt. Seine ersten Knabenjahre brachte er unter Genfer Kragen, schlichten Haartouren, verdrehten Augen, näselndem Psalmengesange und dreistündigen Predigten zu. Schauspiele und Gedichte, Jagd und Tanz waren durch die strenge Hausordnung seiner frommen Familie verdammt. Die Früchte dieser Erziehung traten zu Tage, als der heißblütige und geistvolle junge Patrizier das düstere Haus seiner puritanischen Eltern mit dem heiteren und üppigen London der Restauration vertauschte. Die ausschweifendsten Cavaliere schauderten über die Ausschweifung des emancipirten Rigoristen. Er erwarb sich frühzeitig den Ruf, der größte Wüstling in England zu sein und behauptete diesen Ruf bis an sein Ende. Der Sklave des Weines wurde er zwar nie und er bediente sich desselben hauptsächlich nur zu dem Zwecke, um sich zum Beherrscher seiner Genossen zu machen. Aber bis an das Ende seines Lebens waren die Frauen und Töchter seiner nächsten Freunde nicht sicher vor seinen unzüchtigen Plänen. Die Unsittlichkeit seiner Unterhaltung erregte selbst zur damaligen Zeit Erstaunen. Der Religion seines Vaterlandes fügte er aus bloßem gottlosen Muthwillen Beleidigungen zu, die zu empörend sind, als daß man sie näher bezeichnen könnte. Seine Lügenhaftigkeit und seine Frechheit wurden sprichwörtlich. Von allen Lügnern seiner Zeit log er am gewandtesten, am erfinderischsten und am umständlichsten. Den Begriff Scham schien er gar nicht zu kennen. Kein Vorwurf, mochte auch der beißendste Witz ihn geschärft und gespitzt haben, schien einen Eindruck auf ihn zu machen. Große Satyriker, die von bitterem persönlichen Hasse gegen ihn beseelt waren, erschöpften ihre ganze Kraft in Angriffen auf ihn. Sie überhäuften ihn mit heftigen Schmähungen und mit noch heftigeren Verhöhnungen; aber sie überzeugten sich, daß weder Schmähungen noch Hohn ihm mehr als ein ungezwungenes Lächeln oder einen scherzhaften Fluch entlocken konnten, und sie warfen endlich die Peitschen fort und gaben zu, daß es unmöglich sei, ihm Gefühl beizubringen. Daß er bei solchen Fehlern eine große Rolle im Leben spielen, bei zahlreichen Wahlen durch seine persönliche Popularität über die furchtbarsten Gegner siegen, einen starken Anhang im Parlamente haben und sich zu den höchsten Staatsämtern emporschwingen konnte, scheint unbegreiflich. Aber er lebte zu einer Zeit, wo der Parteigeist fast an Wahnsinn grenzte und er besaß in seltenem Grade die Eigenschaften eines Parteiführers. Ein einziges Band gab es, das er achtete. In allen Beziehungen bis auf eine der falscheste Mensch von der Welt, war er der treueste aller Whigs. Den religiösen Ansichten seiner Familie hatte er schon frühzeitig mit Verachtung entsagt; den politischen Meinungen seiner Familie aber blieb er durch alle Versuchungen und Gefahren eines halben Jahrhunderts treu. In kleinen wie in großen Dingen zeigte sich beständig seine Hingebung für seine Partei. Er besaß das schönste Gestüt in England und es war sein größtes Vergnügen, Wetten gegen Tories zu gewinnen. Zuweilen, wenn man in einer entfernten Grafschaft zuversichtlich erwartete, daß das Pferd eines hochkirchlichen Squires das erste auf der Rennbahn sein werde, kam noch am Vorabend des Rennens Wharton’s Careleß, der in Newmarket nur aus Mangel an Mitbewerbern zu rennen aufgehört, oder Wharton’s Gelding an, für den Ludwig XIV. vergebens tausend Pistolen geboten hatte. Ein Mann, dessen bloßes Sportvergnügen von dieser Art war, gab wenig Hoffnung, auch in einem ernsten Kampfe leicht geschlagen zu werden. Einen solchen Meister in der ganzen Kunst der Wahlumtriebe hatte England noch nie gesehen. Buckinghamshire war seine specielle Provinz, und dort herrschte er ohne Nebenbuhler. Aber seine Fürsorge erstreckte sich auch auf die whiggistischen Interessen von Yorkshire, Cumberland, Westmoreland und Wiltshire. Zuweilen waren zwanzig, ja dreißig Parlamentsmitglieder von ihm ernannt. Als Stimmenwerber war er unwiderstehlich. Er vergaß nie ein Gesicht, das er einmal gesehen hatte. Ja in den Städten, in denen er seinen Einfluß zu befestigen wünschte, erinnerte er sich nicht allein der Wähler, sondern auch ihrer Familien. Seine Gegner erstaunten über die Stärke seines Gedächtnisses und über die Leutseligkeit seines Benehmens und gaben zu, daß es unmöglich sei gegen einen vornehmen Mann zu kämpfen, der den Schuhmacher bei seinem Taufnamen nannte, der gewiß war, daß des Fleischers Tochter zu einem schönen Mädchen herangewachsen sei und der sich angelegentlich danach erkundigte, ob des Hufschmieds jüngster Bube Hosen bekommen habe. Durch derartige Kunstgriffe machte er sich so beliebt, daß seine Reisen zu den Quartalsitzungen von Buckinghamshire königlichen Lustreisen glichen. In jedem Dorfe, durch das er kam, wurden die Glocken geläutet und ihm Blumen gestreut. Man glaubte allgemein, daß er im Laufe seines Lebens auf seine parlamentarischen Interessen nicht weniger als achtzigtausend Pfund verwendet habe, eine Summe, die nach Verhältniß des Werthes des Grundbesitzes dreimalhunderttausend Pfund in unsrer Zeit gleichkommend betrachtet werden muß.

Der wichtigste Dienst, den Wharton der Whigpartei leistete, bestand jedoch im Anwerben von Rekruten aus der jungen Aristokratie. Er war ein eben so geschickter Stimmenwerber unter den gestickten Röcken im Saint James-Kaffeehause, wie unter den Schurzfellen zu Wycombe und Aylesbury. Er warf sein Auge auf jeden jungen Mann von Stande, der majorenn wurde, und es war für einen solchen jungen Mann nicht leicht, den Kunstgriffen eines vornehmen, beredtsamen und reichen Schmeichlers zu widerstehen, der jugendliche Lebhaftigkeit mit großer Verschlagenheit und langjähriger Erfahrung in den eleganten Gesellschaftskreisen verband. Es war gleichgültig, was der Novize vorzog, ob die Galanterie oder die Sportvergnügungen, den Würfelbecher oder die Flasche; Wharton entdeckte sehr bald die vorherrschende Leidenschaft, bot Theilnahme, Rath und Beistand an, und während er nur der Diener der Vergnügungen seines Schülers zu sein schien, sicherte er sich die Stimme desselben.

Die Partei, deren Interessen Wharton mit so viel Muth und Beständigkeit seine Zeit, sein Vermögen, seine Talente und selbst seine Laster widmete, beurtheilte ihn, was auch sehr natürlich war, viel zu nachsichtig. Er war weit und breit unter dem ganz unverdienten Namen des ehrlichen Tom bekannt. Einige fromme Männer, zum Beispiel Burnet und Addison, drückten ein Auge zu über das Aergerniß, das er gab, und sprachen wenn auch nicht mit Achtung, so doch mit Wohlwollen von ihm. Ein höchst geistreicher und gebildeter Whig, der dritte Earl von Shaftesbury, Verfasser der „Characteristiken”, nannte Wharton den räthselhaftesten aller Menschen, ein seltsames Gemisch des Besten und Schlimmsten, privater Sittenlosigkeit und öffentlicher Tugend, und gestand offen, daß er nicht begreifen könne, wie ein in jeder Beziehung, außer in der Politik, völlig grundsatzloser Mensch in der Politik treu wie Stahl sein konnte. Doch gerade das was in den Augen der einen Partei Wharton’s Fehler mehr als zur Hälfte ausglich, schien sie in den Augen der andren Partei sämmtlich zu erschweren. Die Meinung, welche die Tories von ihm hatten, ist in einer einzigen Zeile ausgedrückt, die der talentvollste Mann dieser Partei nach seinem Tode schrieb: „Er war der universellste Schurke, den ich je kennen gelernt habe.”200 Wharton’s politische Gegner lechzten nach seinem Blute und machten wiederholte Versuche es zu vergießen. Wäre er nicht ein Mann von unerschütterlicher Kaltblütigkeit, von unerschrockenem Bluthe und von vollendeter Fertigkeit in Führung der Waffen gewesen, so würde er kein hohes Alter erreicht haben. Aber weder Zorn noch Gefahr beraubten ihn jemals seiner Geistesgegenwart; er war ein unvergleichlicher Fechter, und er besaß eine besondere Geschicklichkeit darin, Gegner zu entwaffnen, die alle Duellanten seiner Zeit beneideten. Seine Freunde sagten, er habe nie Jemanden zum Zweikampfe herausgefordert, habe nie eine Herausforderung zurückgewiesen, habe nie einen Gegner getödtet und habe sich doch nie geschlagen, ohne das Leben seines Gegners in seinen Händen zu haben.201

 

Die vier Männer, welche ich hier geschildert habe, glichen einander so wenig, daß man sich wundern muß, wie sie jemals in Uebereinstimmung mit einander handeln konnten. Gleichwohl handelten sie viele Jahre lang in vollkommenster Uebereinstimmung. Sie stiegen mehr als ein Mal und fielen mehr als ein Mal zusammen. Aber ihre Einigkeit dauerte so lange, bis der Tod sie löste. So wenig Achtung einige von ihnen verdienten, keinen von ihnen kann man beschuldigen, daß er gegen seine Brüder von der Junta falsch gewesen wäre.

Häupter der Torypartei

Während die große Masse der Whigs unter diesen gewandten Führern in einer Ordnung kämpfte, welche der einer regulären Armee glich, befanden sich die Tories in dem Zustande einer schlecht eingeübten und einer schlecht commandirten Miliz. Sie waren zahlreich und auch von Eifer beseelt; aber man kann kaum sagen, daß sie damals ein Oberhaupt im Hause der Gemeinen gehabt hätten. Der Name Seymour hatte einst in hohem Ansehen bei ihnen gestanden und er hatte seinen Einfluß noch nicht ganz verloren. Aber seitdem er im Schatzamte gesessen, hatte er es mit ihnen verdorben, indem er Alles was er früher, als er noch nicht im Amte war, heftig angegriffen hatte, heftig vertheidigte. Sie hatten auch einmal auf den Sprecher Trevor ihr Augenmerk gerichtet, aber seine Habgier, Schamlosigkeit und Feilheit waren jetzt so notorisch, daß alle achtbaren Gentlemen jeder politischen Farbe sich schämten, ihn auf dem Präsidentenstuhle zu sehen. Von den alten toryistischen Mitgliedern hatte nur Sir Christoph Musgrave großes Gewicht. Die wirklichen Führer der Partei waren eigentlich zwei oder drei Männer, welche in Grundsätzen erzogen waren, die dem Toryismus direct entgegengesetzt waren, Männer, die den Whiggismus bis an den Rand des Republikanismus getrieben und die nicht nur für Niederkirchliche, sondern für mehr als halbe Presbyterianer gegolten hatten. Die ausgezeichnetsten von diesen Männern waren zwei angesehene Squires aus Herefordshire: Robert Harley und Paul Foley.

Harley

Der Raum, den Robert Harley in der Geschichte dreier Regierungen ausfüllt, seine Erhebung, sein Sturz, der Einfluß, den er in einer wichtigen Krisis auf die Politik von ganz Europa ausübte, die intime Freundschaft, in der er mit einigen der größten Schriftsteller und Dichter seiner Zeit lebte, und das häufige Vorkommen seines Namens in den Werken Swift’s, Pope’s, Arbuthnot’s und Prior’s müssen ihn jederzeit zu einer interessanten Persönlichkeit machen. Der Mann selbst war jedoch der uninteressanteste, den es geben konnte. Es ist in der That ein merkwürdiger Contrast zwischen den ganz gewöhnlichen Eigenschaften seines Geistes und den ganz außerordentlichen Wechselfällen seines Lebens.

Er war der Erbe einer puritanischen Familie. Sein Vater, Sir Eduard Harley, hatte sich unter den Patrioten des Langen Parlaments einen Namen gemacht, hatte unter Essex ein Regiment commandirt, war nach der Restauration ein thätiger Widersacher des Hofes gewesen, hatte die Exclusionsbill unterstützt, hatte dissentirende Prediger beherbergt, Bethäuser besucht und sich bei den herrschenden Gewalten so verhaßt gemacht, daß er zur Zeit des Aufstandes im Westen verhaftet und sein Haus nach Waffen durchsucht worden war. Als die holländische Armee von Torbay nach London marschirte, erklärten er und sein ältester Sohn Robert sich für den Prinzen von Oranien und für ein freies Parlament, organisirten einen starken Reitertrupp, nahmen Besitz von Worcester und bewiesen ihren Eifer gegen den Papismus, indem sie in der High Street dieser Stadt öffentlich ein Werk der Sculptur zerbrachen, das strengen Rigoristen götzendienerisch dünkte. Bald nachdem die Convention in ein Parlament verwandelt worden war, wurde Robert Harley als Abgeordneter für den Wahlbezirk Cornwall nach Westminster geschickt. Sein Verhalten war so, wie es sich von seiner Geburt und Erziehung erwarten ließ. Er war ein Whig und sogar ein intoleranter und rachsüchtiger Whig. Nichts konnte ihn zufriedenstellen als eine allgemeine Proscription der Tories. Sein Name figurirt in der Liste derjenigen Mitglieder, welche für die Sacheverell’sche Klausel stimmten, und bei der allgemeinen Wahl, die im Frühjahr 1690 stattfand, bot die Partei die er verfolgt hatte, Alles auf, um ihn nicht ins Haus der Gemeinen zu lassen. Die Harley wurden als Todfeinde der Kirche bezeichnet, und dies machte einen solchen Eindruck, daß beinahe keiner von ihnen einen Sitz erlangt hätte. Dies war der Anfang der politischen Laufbahn eines Mannes, dessen Name ein Vierteljahrhundert später in den Acclamationen jakobitischer Volkshaufen unzertrennlich mit der Hochkirche verbunden war.202

Bald jedoch begann man zu bemerken, daß bei jeder Abstimmung Harley mit denjenigen Gentlemen stimmte, die seine politischen Ansichten verabscheuten, und dies war nichts Wunderbares, denn er spielte die Rolle eines Whigs vom alten Schlage, und vor der Revolution dachte man sich einen Whig immer als einen Mann, der eifersüchtig jede Ausübung der Prärogative bewachte, der die Schnüre der öffentlichen Börse nur ungern löste und der eifrig alle Fehler der Minister der Krone aufstach. Ein solcher Whig erklärte Harley noch immer zu sein. Er gab nicht zu, daß der neuerliche Wechsel der Dynastie irgend etwas in den Pflichten eines Volksvertreters geändert habe. Die neue Regierung müsse eben so argwöhnisch beobachtet, eben so streng gezügelt und eben so spärlich mit Geld versehen werden als die alte. Da er nach solchen Grundsätzen wirkte, sah er sich natürlich mit Männern zusammenwirken, deren Grundsätze den seinigen direct entgegengesetzt waren. Er legte dem Könige gern Hindernisse in den Weg; sie legten dem Usurpator gern Hindernisse in den Weg, und die Folge davon war, daß, so oft sich eine Gelegenheit bot, Wilhelm Hindernisse in den Weg zu legen, der Rundkopf in Gesellschaft der ganzen Schaar der Cavaliere entweder im Hause blieb oder in die Vorhalle hinausging.

Bald erwarb sich Harley die Autorität eines Führers unter Denen, mit denen er trotz großer Meinungsverschiedenheiten gewöhnlich stimmte. Sein Einfluß im Parlamente stand eigentlich in gar keinem Verhältniß zu seinen Fähigkeiten. Sein Verstand war sowohl beschränkt als schwerfällig. Er war nicht im Stande, eine umfassende Ansicht von einem Gegenstande zu gewinnen. Nie brachte er es dahin, sich öffentlich mit Geläufigkeit und Klarheit auszudrücken. Bis ans Ende seines Lebens blieb er ein langweiliger, unsicherer und verworrener Redner.203 Auch besaß er keine der äußeren Vorzüge eines Redners. Seine Gesichtszüge waren unregelmäßig, seine Gestalt klein und etwas verwachsen, und seine Geberden plump. Gleichwohl wurde er mit Achtung angehört, denn er hatte seinen Geist so wie er war, sorgfältig ausgebildet. Er hatte in seiner Jugend fleißig studirt und bis an sein Ende liebte er Bücher und den Umgang mit geistreichen und gebildeten Leuten. Er strebte sogar selbst nach dem Rufe eines Schöngeistes und Dichters und verwendete zuweilen Stunden, die er viel nützlicher hätte verwenden können, auf die Verfertigung von Versen, abscheulicher als die des Nachtwächters.204 Doch verschwendete er seine Zeit nicht immer so unnütz. Er besaß die Art von Fleiß und die Art von Genauigkeit, die ihn zu einem respectablen Alterthumsforscher oder Wappenkundigen gemacht haben würden. Er fand Vergnügen daran, alte Acten zu durchstöbern, und damals konnte man sich nur durch das Stöbern in alten Acten eine gründliche und umfassende Kenntniß des Parlamentsrechtes erwerben. Da er in diesem mühsamen und trocknen Studium wenig Rivalen hatte, so wurde er bald in Bezug auf Form- und Privilegiumsfragen als ein Orakel betrachtet. Sein moralischer Character trug nicht wenig zur Vermehrung seines Einflusses bei. Er hatte zwar große Fehler, aber sie waren von keiner entehrenden Art. Er war nicht durch Geld zu bestechen. Sein Privatleben war regelmäßig, und selbst Satyriker haben ihm kein unerlaubtes Liebesverhältniß vorgeworfen. Das Spiel haßte er, und er soll bei White’s Kaffeehause, damals dem Lieblingsaufenthalte der vornehmen Gauner und Gimpel, nie ohne eine Aeußerung des Unwillens vorübergegangen sein. Seine Gewohnheit, sich täglich im Claret zu benebeln, wurde von seinen Zeitgenossen kaum als ein Fehler angesehen. Seine Kenntnisse, sein Ernst und seine unabhängige Stellung gewannen ihm das Ohr des Hauses, und gerade sein schlechter Vortrag war gewissermaßen ein Vortheil für ihn. Denn die Menschen geben sehr ungern zu, daß ein und derselbe Mann ganz verschiedene Vorzüge in sich vereinigen kann. Es ist eine Beruhigung für den Neid, zu glauben, was glänzend ist, könne nicht gediegen sein, und was klar ist, könne nicht tief sein. Nur sehr langsam wurde das Publikum zu der Erkenntniß gebracht, daß Mansfeld ein großer Jurist und Burke ein großer Meister der Staatswissenschaft sei. Montague war ein glänzender Redner, und daher wurde er, obgleich er sich zehnmal besser als Harley für die trockensten Geschäftszweige eignete, von seinen Verleumdern als ein oberflächlicher, geschwätziger, dünkelhafter Mensch dargestellt. Dagegen schlossen viele Leute aus dem Mangel an äußerem Glanze in Harley’s Reden, daß viel praktischer Werth in ihm sein müsse, und er wurde für einen tiefen Denker von gründlicher Belesenheit erklärt, der zwar kein glänzender Redner, aber besser geeignet sei zur Leitung von Staatsangelegenheiten als alle glänzenden Redner der Welt. Diesen Ruf wußte er sich lange mit jener Schlauheit zu erhalten, die man oft mit ehrgeiziger und ruheloser Mittelmäßigkeit gepaart findet. Er beobachtete stets, selbst seinen besten Freunden gegenüber, ein mysteriöses und zurückhaltendes Wesen, das zu verrathen schien, daß er um irgend ein wichtiges Geheimniß wisse, und daß sein Geist mit einem großen Plane beschäftigt sei. Auf diese Art erwarb er sich und behauptete er lange den Ruf der Weisheit. Erst als dieser Ruf ihn zum Earl, zum Ritter des Hosenbandordens, zum Lordschatzmeister von England und zum Herrn der Geschicke Europa’s gemacht hatte, begannen seine Bewunderer dahinter zu kommen, daß er eigentlich ein beschränkter, verworrener Kopf war.205

 

Bald nach der allgemeinen Wahl von 1690 begann Harley, der in der Regel mit den Tories stimmte, selbst ein Tory zu werden. Dieser Wechsel fand so allmälig statt, daß man es kaum bemerkte; aber er war deshalb nicht minder ein Factum. Er begann sich in Zeiten der toryistischen Doctrin zuzuwenden, daß England sich auf einen Seekrieg beschränken müsse. Er empfand in Zeiten die ächte Toryantipathie gegen die Holländer und gegen die Geldmänner. Die Antipathie gegen die Dissenters, welche zur Vervollständigung des Characters nothwendig war, kam viel später. Endlich war die Umgestaltung vollendet, und der ehemalige Conventikelbesucher wurde ein intoleranter Hochkirchlicher. Doch bis an sein Ende zeigten sich dann und wann die Spuren seiner ersten Schule, und während er im Sinne Laud’s handelte, schrieb er zuweilen im Style Lobe Gott Barebones’.206

200Swift’s Note zu Mackay’s Characteristik Wharton’s.
201Diese Schilderung Montague’s und Wharton’s habe ich aus unzähligen Quellen zusammengetragen. Ich muß jedoch speciell die höchst interessante Lebensbeschreibung Wharton’s erwähnen, welche unmittelbar nach seinem Tode erschien.
202Einen großen Theil meiner Angaben über die Harley habe ich aus ungedruckten Memoiren von Eduard Harley, dem jüngeren Bruder Robert’s, entlehnt. Eine Abschrift dieser Memoiren befindet sich unter den Mackintosh-Manuscripten.
203Der einzige Schriftsteller, der, soviel ich mich entsinnen kann, Harley’s Rednergabe gelobt hat, ist Mackay, der ihn beredtsam nennt. Swift schrieb an den Rand: „Eine große Lüge.” Und Swift war gewiß bereit, Harley mehr als Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. „Dieser Lord,” sagt Pope, „sprach so verworren von Geschäftsangelegenheiten, daß man nicht wußte, was er eigentlich wollte, und Alles trug er in epischer Weise vor, denn er fing stets in der Mitte an.” Spence’s Anecdotes.
204„Er pflegte,” sagt Pope, „fast jeden Tag werthlose Verse vom Hofe in den Scriblerus-Club zu senden und kam dann fast jeden Abend hin, um mit ihnen zu schwatzen, selbst wenn sein Alles auf dem Spiele stand.” Einige Proben von Harley’s Poesie sind gedruckt worden. Das Beste ist meiner Ansicht nach eine Stanze, die er auf seinen Sturz im Jahre 1714 dichtete; und selbst das Beste ist schlecht.
205Die Characteristik Harley’s ist aus unzähligen Lob- und Schmähschriften zusammengestellt; aus den Werken und den Privatcorrespondenzen Swift’s, Pope’s, Arbuthnot’s, Prior’s und Bolingbroke’s und aus einer Menge von Schriften wie Ox and Bull, The High German Doctor und The History of Robert Powell the Puppet Showman.
206In einem Briefe, datirt vom 12. Sept. 1709, kurz zuvor ehe er auf den Schultern des hochkirchlichen Pöbels ans Staatsruder emporgehoben wurde, sagt er: „Meine Seele ist unter Löwen gewesen, ebenfalls Menschensöhnen, deren Zähne Speere und Pfeile und deren Zungen scharfe Schwerter sind. Aber ich komme dahinter, wie gut es ist, dem Herrn zu dienen und seinen Seelenfrieden zu haben.” Der Brief war an Carstairs gerichtet. Ich zweifle, ob Harley so gefrömmelt haben würde, wenn er an Atterbury geschrieben hätte.