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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Neunter Band: enthaltend Kapitel 17 und 18.

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Complot Marlborough’s gegen die Regierung Wilhelm’s

Marlborough hatte nie aufgehört, dem Hofe von Saint-Germains zu versichern, daß das große Verbrechen, welches er begangen, ihm beständig vorschwebe und daß er keinen andren Lebenszweck mehr habe, als es zu bereuen und wieder gut zu machen. Er hatte nicht allein sich selbst, sondern auch die Prinzessin Anna bekehrt. Im Jahre 1688 hatten die Churchill sie mit geringer Mühe bewogen, aus dem Palaste ihres Vaters zu entfliehen. Im Jahre 1691 bewogen sie sie mit eben so geringer Mühe, einen Brief abzuschreiben und zu unterzeichnen, in welchem sie ihre innige Theilnahme an seinem Unglück und den ernsten Wunsch aussprach, ihre Pflichtverletzung wieder gut zu machen.184 Zu gleicher Zeit nährte Marlborough die Hoffnung, daß es in seiner Macht stehen werde, die Wiedereinsetzung seines früheren Gebieters auf dem bestmöglichen Wege, ohne den Beistand eines einzigen fremden Soldaten oder Seemannes, durch die Beschlüsse der englischen Lords und Gemeinen und durch die Unterstützung der englischen Armee zu bewerkstelligen. Wir sind über die Einzelnheiten seines Planes nicht vollkommen unterrichtet; die Umrisse desselben aber kennen wir aus einer von Jakob geschriebenen höchst interessanten Abhandlung, von der sich eine Copie in der Bodlejanischen Bibliothek und eine andre in den Archiven des französischen Ministeriums des Auswärtigen befindet.

Die Eifersucht mit der die Engländer die Holländer betrachteten, war damals sehr heftig. Eine herzliche Freundschaft hatte niemals zwischen den beiden Nationen bestanden. Sie waren zwar nahe verwandt mit einander; sie sprachen zwei Dialecte einer weitverbreiteten Sprache, beide rühmten sich ihrer politischen Freiheit, beide huldigten dem reformirten Glauben, beide wurden von dem nämlichen Feinde bedroht, und konnten nur so lange vor ihm sicher sein als sie einig waren. Gleichwohl herrschte keine aufrichtige Zuneigung zwischen ihnen. Sie würden einander wahrscheinlich mehr geliebt haben, wenn sie einander in mancher Beziehung weniger geglichen hätten. Sie waren die beiden großen Handelsnationen und die beiden großen Seevölker. Ihre Flaggen fand man in allen Meeren beisammen, im baltischen wie im mittelländischen, im Golf von Mexico wie in der Meerenge von Malakka. Ueberall bemühten sich der Kaufmann von London und der Kaufmann von Amsterdam einander zu überflügeln und Concurrenz zu machen. In Europa war der Kampf nicht blutig. In barbarischen Ländern aber, wo kein andres Gesetz als das Recht des Stärkeren herrschte, waren die beiden Nebenbuhler, von Habsucht und Haß erfüllt, zum Kampfe gerüstet, jeder dem andren feindselige Absichten zutrauend und jeder entschlossen, dem andren keinen Vortheil zu gönnen, nur zu oft aneinander gerathen. Daß unter solchen Umständen viele Gewaltthätigkeiten und Grausamkeiten verübt wurden, ist nicht zu verwundern. Man konnte in Europa selten genau erfahren, was in jenen entfernten Gegenden geschehen war. Alles wurde durch vage Gerüchte und durch das Nationalvorurtheil übertrieben und entstellt. Bei uns glaubte das Volk, daß die Engländer stets vorwurfsfrei seien und daß jeder Streit der Habsucht und Unmenschlichkeit der Holländer zugeschrieben werden müsse. Beklagenswerthe Vorfälle, die sich auf den Gewürzinseln ereignet hatten, wurden wiederholt auf unsre Bühne gebracht. Die Engländer waren alle Heilige und Helden, die Holländer durchgehends Teufel in Menschengestalt, lügend, raubend, schändend, mordend und quälend. Die zornigen Leidenschaften, welche diese Theaterstücke verriethen, hatten sich mehr als ein Mal im Kriege Luft gemacht. Dreimal im Zeitraume eines Menschenlebens hatten diese beiden Nationen mit gleichem Muthe und mit wechselndem Glücke um die Herrschaft auf dem deutschen Ocean gestritten. Die Tyrannei Jakob’s hatte, wie sie die Tories mit den Whigs und die Hochkirchlichen mit den Nonconformisten aussöhnte, auch die Engländer mit den Holländern ausgesöhnt. Während unsere Vorfahren aus dem Haag Befreiung erwarteten, hatte es den Anschein gehabt, als ob das Gemetzel von Amboina und die große Demüthigung von Chatham vergessen gewesen wären. Aber seit der Revolution war das alte Gefühl wiedererwacht. Obwohl England und Holland jetzt durch einen Vertrag eng mit einander verbunden waren, waren sie doch so wenig als je durch Zuneigung verbrüdert. Einmal, unmittelbar nach der Schlacht bei Beachy Head, schienen unsere Landsleute geneigt, gegen die Holländer gerecht zu sein; aber es trat sehr bald eine heftige Reaction ein. Torrington, der erschossen zu werden verdiente, wurde ein Liebling des Volks, und die Bundesgenossen, die er schändlicherweise im Stich gelassen, wurden beschuldigt, daß sie ihn ohne Ursache verfolgten. Die Parteilichkeit, welche der König für die Gefährten seiner Jugend an den Tag gelegt, war das Lieblingsthema der Aufwiegler. Die einträglichsten Stellen in seinem Hofstaate, sagte man, würden von Holländern bekleidet; das Haus der Lords fülle sich rasch mit Holländern; die schönsten Domänen der Krone würden Holländern verliehen; die Armee werde von Holländern befehligt. Daß Wilhelm klug gethan haben würde, wenn er seine lobenswerthe Vorliebe für sein Vaterland etwas weniger auffallend an den Tag gelegt und seine alten Freunde etwas sparsamer belohnt hätte, ist vollkommen wahr. Aber es wird nicht leicht zu beweisen sein, daß er bei irgend einer wichtigen Gelegenheit während seiner ganzen Regierung die Interessen unserer Insel den Interessen der Vereinigten Provinzen nachstellte. Die Engländer waren jedoch in diesem Punkte zu Anfällen von Eifersucht geneigt, die sie ganz unfähig machten, der Vernunft Gehör zu geben. Einer der heftigsten dieser Anfälle trat im Jahre 1691 ein. Die Antipathie gegen die Holländer war zu der Zeit in allen Klassen stark, nirgends aber stärker als im Parlament und in der Armee.185

Diese Antipathie beschloß Marlborough zu benutzen, um, wie er Jakob und dessen Anhängern versicherte, eine Restauration herbeizuführen. Die Stimmung beider Häuser war von der Art, daß sie durch geschickte Behandlung nicht unwahrscheinlich bestimmt werden konnten, eine gemeinschaftliche Adresse zu überreichen, welche darum ersuchte, daß alle Ausländer aus dem Dienste Ihrer Majestäten entfernt werden möchten. Marlborough unternahm es, eine solche Adresse bei den Lords zu beantragen, und es würde nicht schwer gehalten haben, einen Gentleman von großem Gewicht zu finden, der einen gleichen Antrag bei den Gemeinen gestellt hätte.

Wenn die Adresse durchging, was konnte Wilhelm dann thun? Würde er nachgeben und alle seine theuersten, ältesten und zuverlässigsten Freunde aus seiner Nähe entfernen? Es war kaum möglich zu glauben, daß er eine so schmerzliche und so demüthigende Concession machen würde. Fügte er sich nicht, so entstand ein Bruch zwischen ihm und dem Parlament und des Parlament hatte das Volk zur Stütze. Selbst ein kraft eines erblichen Titels regierender König hätte wohl vor einem solchen Kampfe mit den Ständen des Reichs zurückschrecken können. Einem Könige aber, dessen Rechtstitel auf einem Beschlusse der Stände des Reichs beruhten, mußte ein solcher Kampf fast unvermeidlich zum Verderben gereichen. Die letzte Hoffnung Wilhelm’s war dann die Armee. Diese zu bearbeiten nahm Marlborough ebenfalls auf sich, und es ist höchst wahrscheinlich, daß ihm auch hier sein Plan gelungen sein würde. Sein Muth, seine Talente, seine noblen und gewinnenden Manieren, der glänzende Erfolg, den er bei jeder Gelegenheit wo er das Commando geführt, errungen, hatten ihn ungeachtet seiner schmutzigen Laster zum Liebling seiner Waffenbrüder gemacht. Sie waren stolz darauf, einen Landsmann zu haben, der bewiesen hatte, daß ihm nur die Gelegenheit fehlte, um es mit dem geschicktesten Marschall von Frankreich aufzunehmen. Bei den englischen Truppen waren die Holländer noch weniger beliebt als bei der Nation überhaupt. Wäre daher Marlborough, nachdem er sich die Mitwirkung einiger hoher Offiziere gesichert, im kritischen Augenblicke vor den Regimentern erschienen, die er in Flandern und in Irland zum Siege geführt, hätte er sie aufgefordert, sich um ihn zu schaaren, das Parlament zu beschützen und die Fremden zu vertreiben, so ist starker Grund zu der Annahme vorhanden, daß seinem Aufrufe Folge geleistet worden wäre. Es würde dann in seiner Macht gestanden haben, die Versprechungen zu erfüllen, die er seinem früheren Gebieter so feierlich gegeben.

Von allen Plänen, welche je zur Restauration Jakob’s oder seiner Nachkommen entworfen wurden, versprach dieser der beste zu sein. Der Nationalstolz und der Haß gegen Willkürgewalt, welche bisher auf Wilhelm’s Seite gewesen waren, würden sich jetzt gegen ihn gewendet haben. Hunderttausende, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben würden, um eine französische Armee zu verhindern, den Engländern eine Regierung aufzudringen, würden keine Lust gezeigt haben, eine englische Armee am Hinaustreiben der Holländer zu hindern. Selbst die Whigs konnten, ohne ihre alten Grundsätze aufzugeben, kaum einen Fürsten unterstützen, der sich hartnäckig weigerte, den ihm durch sein Parlament kund gegebenen allgemeinen Wunsch seines Volks zu erfüllen. Das Complot lief sich ganz gut an. Es wurden eifrig Stimmen geworben, und viele Mitglieder des Hauses der Gemeinen, die nicht die entfernteste Ahnung davon hatten, daß ein weitergehender Plan dahinter steckte, versprachen gegen die Fremden zu stimmen. Marlborough war unermüdlich, die Mißstimmung der Armee zu nähren. Sein Haus war beständig mit Offizieren angefüllt, die sich durch Schmähen der Holländer bis zur Wuth erhitzten. Noch ehe aber die Vorbereitungen beendigt waren, stieg in einem der Jakobiten ein sonderbarer Verdacht auf. Daß der Urheber dieses kühnen und schlauen Planes die bestehende Regierung stürzen wollte, konnte kaum einem Zweifel unterliegen. Aber war es auch ganz gewiß, welche andre Regierung er einzusetzen gedachte? Konnte er nicht Wilhelm absetzen, ohne Jakob einzusetzen? War es nicht möglich, daß ein so kluger, so ehrgeiziger und so gewissenloser Mann einen doppelten Verrath im Sinne haben konnte, einen Verrath, den die großen italienischen Politiker des 15. Jahrhunderts ein Meisterstück der Staatskunst genannt, um den ihn ein Borgia beneidet, den ein Machiavel bis in den Himmel erhoben haben würde? Wie, wenn dieser vollendete Heuchler beide rivalisirende Könige betrog? Wie, wenn er als Befehlshaber der Armee und als Protector des Parlaments die Prinzessin Anna zur Königin proklamirte? War es nicht möglich, daß die ermüdete und gehetzte Nation sich eine solche Einrichtung willig gefallen ließ? Jakob war unpopulär, weil er ein unter dem Einflusse papistischer Priester stehender Papist war. Wilhelm war unpopulär, weil er ein ausländischen Günstlingen zugethaner Ausländer war. Anna war zu gleicher Zeit Protestantin und Engländerin. Unter ihrer Regierung konnte das Land nicht in die Gefahr kommen, entweder mit Jesuiten oder mit Holländern überschwemmt zu werden. Daß Marlborough die stärksten Gründe hatte, sie auf den Thron zu setzen, lag auf der Hand. Am Hofe ihres Vaters konnte er nie etwas Andres als ein reuiger Sünder sein, dessen Dienste durch einen Pardon mehr als bezahlt waren. An ihrem Hofe aber wäre der Gatte ihrer geliebten Freundin das geworden, was Pipin Heristall und Karl Martell den Chilperich und Childebert gewesen waren. Die oberste Leitung der Civil- und Militärverwaltung wäre in seine Hände gekommen, er hätte über die ganze Macht England’s verfügt, er hätte die Wagschale Europa’s gehalten, große Könige und Republiken hätten um seine Gunst gebuhlt und ihre Staatskassen erschöpft in der eitlen Hoffnung, seine Habsucht zu befriedigen. Es war daher anzunehmen, daß, wenn er die englische Krone in seine Gewalt bekam, er sie der Prinzessin aufsetzen würde. Welche Beweise die Richtigkeit dieser Annahme unterstützten, ist nicht bekannt; soviel aber ist gewiß, daß sich etwas ereignete, was einige der ergebensten Freunde der verbannten Familie überzeugte, daß er eine neue Perfidie im Sinne habe, welche selbst das noch übertraf, was er in Salisbury gethan. Sie fürchteten daß, wenn es ihnen in diesem Augenblicke gelang, Wilhelm los zu werden, Jakob’s Situation hoffnungsloser als je sein würde.

 

Marlborough’s Complot durch die Jakobiten verrathen

Sie waren von der Falschheit ihres Complicen so fest überzeugt, daß sie sich nicht nur weigerten, in der Ausführung des von ihm entworfenen Planes weiter zu gehen, sondern den ganzen Anschlag Portland entdeckten.

Wilhelm scheint durch diese Mittheilung in einem bei ihm ganz ungewöhnlichen Grade beunruhigt und aufgebracht worden zu sein. Er war sonst nachsichtig, ja sogar absichtlich blind für die Schlechtigkeit der englischen Staatsmänner, die er in seinem Dienste verwendete. Er ahnete, er wußte sogar, daß einige seiner Diener mit seinem Nebenbuhler in Correspondenz standen, und doch bestrafte er sie nicht, verabschiedete sie nicht und zeigte ihnen nicht einmal ein finstres Gesicht. Er schätzte das ganze Geschlecht von Staatsmännern, welches die Restauration gebildet und der Revolution hinterlassen hatte, gering, und er hatte nur zu guten Grund, sie gering zu schätzen. Er kannte sie zu gut, als das er sich hätte darüber beklagen sollen, daß er bei ihnen keine Wahrhaftigkeit, Treue, Consequenz und Uneigennützigkeit fand. Das Aeußerste was er von ihnen erwartete, war, daß sie ihm dienen würden, soweit als sie ihm ohne Gefahr für sich selbst dienen konnten. Wenn er hörte, daß sie, während sie in seinem Staatsrathe saßen und von seiner Freigebigkeit reich wurden, sich in Saint-Germains einen Einfluß zu verschaffen suchten, der ihnen im Falle einer Contrerevolution von Nutzen sein konnte, so war er eher geneigt ihnen das geringschätzende Lob zu ertheilen, das vor Alters der weltlichen Klugheit des ungerechten Hausverwalters gezollt wurde, als sie zu strenger Rechenschaft zu ziehen. Aber Marlborough’s Verbrechen war von ganz andrer Art. Sein Verrath war nicht der eines Kleinmüthigen, der sich für alle Fälle eine Hinterthür offen halten will, sondern der eines Mannes von furchtlosem Muthe, großer Klugheit und maßlosem Ehrgeize. Wilhelm war nicht zur Furcht geneigt; aber wenn es irgend etwas in der Welt gab was er fürchtete, so war es Marlborough. Den Verbrecher so zu behandeln wie er es verdiente, war allerdings unmöglich, denn Die, welche seine Absichten der Regierung verrathen hatten, würden sich nie dazu verstanden haben, gegen ihn in der Zeugenloge zu erscheinen; aber ihm das Obercommando der Armee zu lassen, die er eben zu verführen beschäftigt war, würde Wahnsinn gewesen sein.

Marlborough’s Ungnade

Spät am Abend des 9. Januar hatte die Königin eine peinliche Unterredung mit der Prinzessin Anna. Am andern Morgen in der Frühe wurde Marlborough benachrichtigt, daß Ihre Majestäten seiner Dienste ferner nicht bedürften und daß er sich nicht beikommen lassen solle, wieder vor dem Könige oder der Königin zu erscheinen. Er war mit Ehren, und, was ihm noch viel lieber gewesen war, mit Reichthümern überschüttet worden. Dies Alles wurde ihm plötzlich entzogen.

Verschiedene Gerüchte über die Ursache von Marlborough’s Ungnade

Die wahre Geschichte dieser Vorgänge war nur Wenigen bekannt. Evelyn, der gewöhnlich vortreffliche Erkundigungsquellen hatte, glaubte, daß die Bestechlichkeit und die Erpressung, deren Marlborough sich notorisch schuldig gemacht hatte, den königlichen Unwillen erregt hätten. Die holländischen Minister konnten den Generalstaaten nur sagen, daß Marlborough’s Feinde sechs verschiedene Geschichten in Umlauf gebracht hätten. Einige sagten, er habe sich indiscreterweise ein wichtiges militärisches Geheimniß entschlüpfen lassen; Andere, er habe unehrerbietig von Ihren Majestäten gesprochen; Andere, er habe zwischen der Königin und der Prinzessin Unfrieden gestiftet; Andere, er habe in der Armee Cabalen geschmiedet; Andere, er habe unbefugterweise mit der dänischen Regierung über die allgemeine europäische Politik correspondirt; noch Andere endlich, er habe mit den Agenten des Hofes von Saint-Germains verkehrt.186 Seine Freunde widersprachen allen diesen Geschichten und behaupteten, sein einziges Verbrechen bestehe in seiner Abneigung gegen die Fremden, die über seine Landsleute dominirten, und er sei ein Opfer der Machinationen Portland’s geworden, von dem man wußte, daß er ihn nicht leiden konnte und den er eben nicht sehr artig einen hölzernen Patron genannt hatte. Das von Anfang an über der Geschichte von Marlborough’s Ungnade schwebende Dunkel wurde nach Verlauf von funfzig Jahren durch die schamlose Lügenhaftigkeit seiner Wittwe noch undurchdringlicher. Jakob’s gedrängte Darstellung zerreißt den Geheimnißschleier und giebt nicht nur darüber Aufklärung, warum Marlborough in Ungnade fiel, sondern auch darüber, wie mehrere von den Gerüchten über die Ursache seiner Ungnade entstanden sind.187

 

Bruch zwischen Marien und Anna

Wenn auch Wilhelm dem Publikum keinen Grund angab, warum er durch Entlassung seines Dieners seine unbestrittene Prärogative ausübte, so war doch Anna von dem wahren Sachverhalt unterrichtet worden, und man hatte es ihr überlassen zu beurtheilen, ob ein Offizier, der sich eines schändlichen Verraths schuldig gemacht, ein passender Bewohner des Palastes sei. Drei Wochen vergingen. Lady Marlborough behielt noch immer ihren Posten und ihre Gemächer zu Whitehall inne, ihr Gatte wohnte noch immer bei ihr, und noch immer gaben der König und die Königin kein Zeichen von Mißfallen. Endlich beschloß die übermüthige und rachsüchtige Gräfin, durch ihre Langmuth dreist gemacht, ihnen offen zu trotzen, und begleitete ihre Gebieterin eines Abends in den Abendzirkel nach Kensington. Das war selbst der sanften Marie zu stark. Sie würde ihren Unwillen vor der ganzen Gesellschaft, welche die Spieltische umgab, geäußert haben, hätte sie nicht bedacht, daß ihre Schwester sich in einem Zustande befand, in welchem die Frauen Anspruch auf besondere Schonung haben. Sie sagte daher diesen Abend nichts; am folgenden Tage aber wurde der Prinzessin ein Brief von der Königin überbracht. Marie erklärte, daß sie eine Schwester, die sie liebe und bei der sie leicht über jeden gewöhnlichen Fehler hinwegsehen könne, ungern betrübe; aber die Sache sei zu ernst. Lady Marlborough müsse entlassen werden. So lange sie Whitehall bewohne, würde auch ihr Gatte daselbst wohnen. Sei es aber schicklich, daß ein Mann in seiner Lage den Palast seines beleidigten Gebieters bewohnen dürfe? Se. Majestät sei indessen so entschieden abgeneigt, selbst gegen den schlimmsten Uebelthäter mit Strenge zu verfahren, daß er auch dies sich habe gefallen lassen und es sich noch langer würde gefallen lassen haben, hätte nicht Anna die Gräfin veranlaßt, dem Könige und der Königin in ihrem eigenen Gesellschaftszimmer zu trotzen. „Es war unfreundlich von einer Schwester,” schrieb Marie; „es würde unartig von einer Gleichstehenden gewesen sein, und ich brauche wohl nicht zu sagen, daß ich mehr beanspruchen darf.” Die Prinzessin versuchte es in ihrer Antwort nicht, Marlborough zu rechtfertigen oder zu entschuldigen, sprach aber die feste Ueberzeugung aus, daß seine Gattin unschuldig sei, und beschwor die Königin, nicht auf einer so herzzerreißenden Trennung zu bestehen. „Es giebt kein Unglück,” schrieb Anna, „das ich nicht eher würde ertragen können als den Gedanken, mich von ihr zu trennen.”

Die Prinzessin ließ ihren Oheim Rochester kommen und bat ihn dringend, ihren Brief nach Kensington zu überbringen und dort ihr Fürsprecher zu sein. Rochester lehnte das Amt des Boten ab und zeigte sich, obwohl er die Eintracht zwischen seinen Verwandten herzustellen versuchte, durchaus nicht geneigt, zu Gunsten der Churchill zu sprechen. Er sah in der That schon seit langer Zeit mit höchstem Mißfallen die unbedingte Herrschaft, welche dieses characterlose Ehepaar über seine jüngere Nichte ausübte. Anna’s Schreiben wurde sonach der Königin durch einen Diener übersandt. Die einzige Antwort darauf war ein Handbillet von dem Lord Kammerherrn, Dorset, welches Lady Marlborough befahl, den Palast zu verlassen. Mrs. Morley wollte sich nicht von Mrs. Freeman trennen, und Mr. Morley war jeder Aufenthaltsort recht, wo er seine drei Gänge und seine drei Flaschen haben konnte. Die Prinzessin zog sich daher mit ihrer ganzen Familie nach Sion House, einer dem Herzoge von Somerset gehörenden, am Ufer der Themse gelegenen Villa zurück. In London bewohnte sie Berkeley House, das in Piccadilly in der Gegend stand, wo sich jetzt Devonshire House befindet.188 Ihr Einkommen war ihr durch eine Parlamentsacte gesichert, aber keine Strafe, welche die Krone über sie zu verhängen die Macht hatte, wurde gespart. Ihre Ehrenwache wurde ihr entzogen. Die fremden Gesandten machten ihr nicht mehr die Aufwartung. Wenn sie nach Bath ging, schrieb der Staatssekretär an den dortigen Mayor, um ihn aufzufordern, sie nicht mit den Ehrenbezeigungen zu empfangen, mit denen königliche Besucher bewillkommnet zu werden pflegten. Wenn sie in der St. James-Kirche dem Gottesdienste beiwohnte, bemerkte sie, daß es dem Rector untersagt worden war, ihr die üblichen Achtungsbezeigungen zu erweisen, sich auf der Kanzel vor ihr zu verbeugen und eine Abschrift des Predigttextes auf ihr Kissen legen zu lassen. Selbst der Nachtwächter von Piccadilly, sagte man, vielleicht fälschlich, habe Ordre gehabt, nicht mehr unter ihren Fenstern von Berkeley House ihr Lob in seinen holprigen Versen zu singen.189

Daß Anna Unrecht hatte, war klar; nicht ganz so klar aber war es, ob der König und die Königin Recht hatten. Sie hätten ihr Mißfallen entweder ganz verbergen, oder die wahren Gründe desselben offen erklären sollen. Leider jedoch ließen sie Jedermann die Strafe sehen, aber kaum irgend Jemanden die Veranlassung dazu erfahren. Sie hätten bedenken sollen, daß bei mangelnder Kenntniß der Ursache eines Streits das Publikum von vornherein geneigt ist, für den schwächeren Theil Partei zu nehmen und daß diese Geneigtheit in dem Falle ganz besonders stark sein muß, wenn eine Schwester ohne sichtbaren Grund von einer Schwester hart behandelt wird. Sie hätten ferner auch bedenken sollen, daß sie die einzige verwundbare Seite von Mariens Character Angriffen preisgaben. Ein hartes Geschick hatte sie mit ihrem Vater verfeindet. Ihre Verleumder sprachen ihr jede natürliche Kindesliebe ab und selbst ihre Lobredner mußten, wenn sie von der Art und Weise sprachen, wie sie sich ihrer Kindespflichten entledigte, einen gedämpften und apologetischen Ton annehmen. Es konnte sich daher nicht unglücklicher treffen, als daß sie zum zweiten Male der Bande des Bluts uneingedenk erschien. So lag sie also nun im offenen Kriege mit den beiden Personen, die ihr nach dem Verwandtschaftsgrade am nächsten standen. Viele, welche ihr Benehmen gegen ihren Vater durch die dringende Gefahr, die ihr Vaterland und ihre Religion bedroht hatte, für gerechtfertigt hielten, vermochten nicht, ihr Verfahren gegen ihre Schwester zu vertheidigen. Während Marie, der man in dieser Angelegenheit thatsächlich nichts Schlimmeres zur Last legen konnte als Unbesonnenheit, von der Welt als eine Tyrannin betrachtet wurde, spielte Anna, die so strafbar war, als sie ihren geringen Fähigkeiten nach es nur immer sein konnte, die Theilnahme erweckende Rolle einer sanften, ergebenen Dulderin. In den vertrauten Briefen, welche mit dem Namen Morley unterschrieben waren, sprach die Prinzessin zwar die Gesinnungen einer Furie im Style eines Fischweibes aus, schimpfte maßlos auf die ganze holländische Nation und nannte ihren Schwager bald eine Ausgeburt, bald ein Monstrum, bald einen Caliban.190 Aber die Nation hörte von ihrer Sprache und sah von ihrem Benehmen nur was anständig und unterwürfig war. Das Wahre scheint gewesen zu sein, daß die hämische und niedrigdenkende Gräfin den Ton der vertraulichen Correspondenz Ihrer Hoheit angab, während der liebenswürdige, ruhige und kluge Earl das Verfahren vorschreiben durfte, das der Oeffentlichkeit gegenüber zu beobachten war. Eine kurze Zeit lang wurde die Königin allgemein getadelt. Aber der Zauber ihres Characters und ihres Benehmens war unwiderstehlich, und binnen wenigen Monaten erlangte sie die verlorene Popularität wieder.191

184Der Brief, datirt vom 1. December 1691 findet sich im Life of James, II. 477.
185Burnet II. 85, und Burnet-Mspt. Harl. 6584. Siehe auch eine von Holmes unterzeichnete, aber aus von Ferguson gelieferten Mittheilungen bestehende Denkschrift unter den von Macpherson gedruckten Auszügen aus den Nairne’schen Papieren. Es trägt das Datum October 1691. „Der Prinz von Oranien,” sagt Holmes, „wird von den Engländern tödtlich gehaßt. Sie sehen sehr deutlich, daß er keine Liebe zu ihnen hat; auch setzt er in sie kein Vertrauen, sondern lediglich in seine Holländer.... Es ist nicht zu bezweifeln, daß das Parlament nicht für Fremde sein wird, die es mit dem Kappzaum reiten.”
186Evelyn’s Diary, Jan. 24; Hop an die Generalstaaten 22. Jan. (1. Febr.) 1691/92; Baden an die Generalstaaten, 16. (26.) Febr.
187Jakob’s Worte lauten folgendermaßen; sie wurden im November 1692 geschrieben: „Mes amis, l’année passée, avoient dessein de me rappeler par le Parlement. La manière étoit concertée; et Milord Churchill devoit proposer dans le Parlament de chasser tous les étrangers tant des conseils et de l’armée que du royaume. Si le Prince d’Orange avoit consenti à ce proposition, ils l’auroient eu entre leurs mains. S’il l’avoit refusée, il auroit fait déclarer le Parlement contre lui; et en même temps Milord Churchill devoit se déclarer avec l’armée pour le Parlement; et la flotte devoit faire de même; et l’on devoit me rappeler. L’on avoit déjà commencé d’agir dans ce projet; et on avoit gagné un gros parti, quand quelques fidèles sujets indiscrets, croyant me servir, et s’imaginant que ce que Milord Churchill faisoit n’étoit pas pour moi, mais pour la Princesse de Danemark, eurent l’imprudence de découvrir le tout à Benthing, et détournerent ainsi le coup.” Eine Uebersetzung dieser höchst bedeutsamen Stelle, welche mit einem Male viele interessante und schwierige Probleme löst, wurde vor achtzig Jahren durch Macpherson veröffentlicht. Sonderbarerweise aber erregte sie keine Aufmerksamkeit und ist meines Wissens von keinem Biographen Marlborough’s erwähnt worden. Jakob’s Erzählung bedarf keiner Bestätigung, doch wird sie durch das Burnet-Mspt. Harl. 6584 vollkommen bestätigt. „Marleburrough,” schrieb Burnet im September 1693, „befleißigte sich, das Verfahren des Königs zu verschreien, ihn in allen seinen Reden herabzusetzen und den Engländern einen Widerwillen gegen die Holländer einzuflößen, die, wie er behauptete, die Gunst und das Vertrauen des Königs in höherem Maße besäßen als sie,” – die Engländer vermuthlich —. „Dies war ein Punkt, über den die Engländer, welche nur zu geneigt sind, alle anderen Nationen zu verachten und sich selbst zu überschätzen, sehr leicht Feuer fingen. So wurde es der allgemeine Gegenstand der Unterhaltung, und bei Marleburrough, wo ein beständiges Randivous der englischen Offiziere war, wurde unaufhörlich davon gesprochen.” Ueber Marlborough’s Entlassung schrieb Burnet um die nämliche Zeit: „Der König sagte mir darüber, er habe sehr triftigen Grund zu glauben, daß er sich mit König Jakob ausgesöhnt habe und mit Frankreich in Correspondenz stehe. Gewiß ist, daß er alles Mögliche that, um in der Armee und im Volke eine Partei gegen die Holländer zu bilden.” Es ist interessant, diese einfache Erzählung, welche geschrieben wurde als die Thatsachen noch neu waren, mit der entstellten Erzählung zu vergleichen, welche Burnet viele Jahre später, als Marlborough mit den Whigs eng verbunden war und dem Lande große und glänzende Dienste leistete, für die Oeffentlichkeit vorbereitete. Burnet II. 90. Die Herzogin von Marlborough hatte die Frechheit in ihrer Vindication zu erklären, „sie habe nie erfahren können, welchen Grund der König für die Entziehung seiner Gunst angebe.” Sie spricht die Vermuthung aus, daß Young’s Fälschung die Ursache gewesen sein mag. Nun muß sie aber gewußt haben, daß Young’s Fälschung erst einige Monate nach der Ungnade ihres Gatten begangen wurde. Ueberhaupt war es traurig bestellt um ihr Gedächtniß, eine Gabe, von der man sprichwörtlich sagt, daß Leute ihrer Klasse derselben sehr nöthig bedürfen. Ihr eignes Buch überführt sie der Lüge. Sie giebt uns einen Brief von Marien an Anna, in welchem Marie sagt: „Ich brauche die Veranlassung nicht zu wiederholen, welche Mylord Marlborough dem Könige gegeben, um das zu thun was er gethan hat.” Aus diesen Worten geht klar hervor, daß Anna die Veranlassung kannte. Hätte sie dieselbe nicht gekannt, so würde sie es gewiß in ihrer Antwort gesagt haben. Ihre Antwort ist vorhanden und sie enthält kein Wort über diesen Gegenstand. Sie kannte also die Veranlassung, und ist es wohl möglich zu glauben, daß sie dieselbe vor ihrer geliebten Mrs. Freeman geheimhielt?
188Meine Mittheilungen über diese Vorgänge habe ich der Erzählung der Herzogin von Marlborough entnehmen müssen, einer Erzählung die man mit fortwährendem Mißtrauen lesen muß, ausgenommen da wo sie, wie es oft der Fall ist, ein Beispiel von ihrer eignen Bosheit und Unverschämtheit erzählt.
189The Duchess of Marlborough’s Vindication; Dartmouth’s Note zu Burnet II. 92; Verses of the Night Bellman of Piccadilly and my Lord Nottingham’s Order thereupon, 1691. Es giebt auch ein beißendes Pasquill auf Lady Marlborough von demselben Jahre, betitelt: The Universal Health, a true Union to the Queen and Princess.
190Man darf nicht glauben, daß Anna den Shakespeare las. Ohne Zweifel hatte sie oft die Enchanted Island gesehen. Dieses jämmerliche rifacimento des „Sturmes” war damals wegen der Maschinerie und der Dekorationen in der Stadt sehr beliebt.
191Burnet MS Harl. 6584.