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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.

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Krieg in den Niederlanden; der Marschall Villeroy

Inzwischen waren die Blicke von ganz Europa mit gespannter Erwartung auf die Niederlande gerichtet. Der große Feldherr, der bei Fleurus, bei Steenkerke und bei Landen gesiegt, hatte keinen ihm Ebenbürtigen zurückgelassen. Aber Frankreich besaß noch Marschälle, die sich für hohe Commandos sehr wohl eigneten. Catinat und Boufflers hatten bereits Beweise von Tüchtigkeit, Entschlossenheit und Eifer für die Interessen des Staats gegeben. Jeder dieser beiden ausgezeichneten Offiziere wurde ein Luxemburg’s würdiger Nachfolger und ein Wilhelm’s würdiger Gegner gewesen sein, aber ihr Gebieter zog zu seinem Unglücke Beiden den Herzog von Villeroy vor. Der neue General war Ludwig’s Spielkamerad gewesen, als sie Beide noch Kinder waren, war dann ein Günstling geworden und hatte nie aufgehört, es zu sein. In den äußern Vorzügen, wegen denen die französische Aristokratie damals in ganz Europa berühmt war, zeichnete sich Villeroy selbst unter der französischen Aristokratie aus. Er war von hoher Statur und hatte angenehme Züge, seine Manieren waren von edler und etwas hochmüthiger Artigkeit, sein Anzug, sein Ameublement, seine Equipagen und seine Tafel prächtig. Niemand erzählte eine Anekdote mit größerer Lebendigkeit; Niemand ritt besser bei einer Jagdpartie; Niemand hatte mehr Glück bei dem schönen Geschlecht; Niemand setzte und verlor Haufen von Gold mit liebenswürdigerem Gleichmuth; Niemand kannte die Abenteuer, die Freunde und die Feinde der Herren und Damen, welche täglich die Säle von Versailles füllten, genauer als er. Besonders zwei Charactere hatte dieser vollendete Cavalier seit vielen Jahren studirt und alle ihre Falten und Winkel kennen gelernt: den Character des Königs und den der Frau, die in Allem, dem Namen ausgenommen, Königin war. Damit aber waren Villeroy’s Kenntnisse zu Ende. In der Literatur sowohl wie in geschichtlichen Dingen war er völlig unwissend. Im Staatsrathe öffnete er nie den Mund, ohne sich Blößen zu geben. Für den Krieg besaß er keine einzige Qualification außer dem persönlichen Muthe, den er mit der ganzen Klasse gemein hatte, der er angehörte. In jeder wichtigen Krisis seiner politischen und militärischen Laufbahn war er abwechselnd trunken von Arroganz oder völlig muthlos. Kurz bevor er einen bedeutungsvollen Schritt that, war sein Selbstvertrauen grenzenlos; er hörte auf keinen Rath und ließ den Gedanken, daß ein Fehlschlagen möglich sei, gar nicht in sich aufkommen. Bei der ersten Niederlage aber gab er Alles verloren, wurde unfähig zu leiten und anzuordnen und rannte in hilfloser Verzweiflung hin und her. Ludwig liebte ihn jedoch, und man muß Villeroy die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er Ludwig ebenfalls liebte. Die Güte des Gebieters war gegen alles Unheil probefest, das die Unbesonnenheit und Schwäche des Dieners über sein Königreich brachte, und die Dankbarkeit des Dieners äußerte sich bei mehr als einer Gelegenheit nach dem Tode des Gebieters in ehrenvoller, wenn auch nicht wohlbegründeter Weise.44

Der Herzog von Maine

Ein solcher Mann war der General, dem die Leitung des Feldzugs in den Niederlanden anvertraut wurde. Der Herzog von Maine wurde hingeschickt, um unter diesem Lehrer die Kriegskunst zu erlernen. Maine, der natürliche Sohn Ludwig’s von der Herzogin von Montespan, war von Kindheit auf von Frau von Maintenon erzogen worden und wurde von Ludwig mit der Liebe eines Vaters, von Frau von Maintenon mit der nicht minder zärtlichen Liebe einer Pflegemutter geliebt. Ernste Männer nahmen Anstoß daran, daß der König, während er eine so große Frömmigkeit zur Schau trug, in so auffälliger Weise seine Vorliebe für diese Frucht eines doppelten Ehebruchs an den Tag legte. Allerdings, sagten sie, sei ein Vater seinem Kinde Zuneigung schuldig, aber ein Souverain sei seinem Volke auch die Beobachtung der Schicklichkeit schuldig. Trotz dieses Murrens war der Sohn öffentlich anerkannt, mit Reichthum und Ehre überhäuft, zum Herzog und Pair creirt, durch einen außerordentlichen Act königlicher Gewalt über Herzöge und Pairs von älterem Datum gestellt, mit einer Prinzessin von königlichem Geblüt vermählt und zum Großmeister der Artillerie des Reichs ernannt worden. Mit Talenten und Muth hätte er eine große Rolle in der Welt spielen können. Aber sein Geist war beschränkt, seine Nerven schwach, und die Weiber und Priester, die ihn erzogen, hatten die Natur wirksam unterstützt. Er war orthodox in seinem Glauben, correct in seiner moralischen Führung, einschmeichelnd in seinem Benehmen, ein Heuchler, ein Unheilstifter und ein Feigling.

Man erwartete in Versailles, daß Flandern in diesem Jahre der Hauptkriegsschauplatz sein werde. Es wurde daher dort eine große Armee zusammengezogen. Starke Linien wurden von der Lys bis zur Schelde gebildet, und Villeroy nahm sein Hauptquartier in der Nähe von Tournay. Boufflers beobachtete mit etwa zwölftausend Mann die Ufer der Sambre.

Auf der andren Seite standen die britischen und holländischen Truppen unter Wilhelm’s unmittelbarem Commando in der Nähe von Gent. Der Kurfürst von Baiern lag an der Spitze eines starken Corps bei Brüssel. Eine kleinere Heeresabtheilung, hauptsächlich aus Brandenburgern bestehend, lagerte nicht weit von Huy.

Anfangs Juni begannen die militärischen Operationen. Die ersten Bewegungen Wilhelm’s waren bloße Scheinbewegungen, durch welche er die französischen Generäle verhindern wollte, seine wirkliche Absicht zu muthmaßen. Er hatte sich vorgenommen, Namur wieder zu nehmen. Der Verlust dieser Festung war der empfindlichste von allen Unfällen eines unglücklichen Feldzugs gewesen. Die Wichtigkeit Namur’s vom militärischen Gesichtspunkte war stets groß gewesen und war während der seit der letzten Belagerung verflossenen drei Jahre größer geworden als je. Die alten Vertheidigungsmittel, welche Cohorn mit Aufbietung seiner ganzen Kunst errichtet hatte, waren durch neue Befestigungen, die Meisterwerke Vauban’s, verstärkt worden. Die beiden berühmten Ingenieurs hatten so geschickt mit einander gewetteifert und waren der Natur so geschickt zu Hülfe gekommen, daß die Festung für die stärkste in ganz Europa galt. Ueber dem einen Thore hatte man eine prahlerische Inschrift angebracht, welche die Verbündeten herausforderte, den Preis den Händen Frankreich’s zu entreißen.

Wilhelm hielt seine Absicht so sorgfältig geheim, daß nicht die leiseste Andeutung davon ruchbar wurde. Einige hielten Dünkirchen, Andere Ypern für das Ziel seiner Operationen. Die Märsche und Scharmützel, durch die er sein Vorhaben verdeckte, wurden von Saint-Simon mit den Zügen eines geschickten Schachspielers verglichen. Feuquières, der in der Kriegswissenschaft weit gründlicher bewandert war als Saint-Simon, sagt uns, daß einige von diesen Zügen gewagt gewesen seien und ein solches Spiel nicht ungestraft gegen Luxemburg hätte gespielt werden können, und dies ist wahrscheinlich richtig; aber Luxemburg war nicht mehr und was Luxemburg für Wilhelm gewesen war, das war jetzt Wilhelm für Villeroy.

Jakobitische Complots gegen die Regierung während Wilhelm’s Abwesenheit

Während der König so beschäftigt war, begnügten sich zu Hause die Jakobiten, da sie in seiner Abwesenheit ihre Pläne gegen seine Person nicht verfolgen konnten, mit Conspiriren gegen seine Regierung. Sie wurden etwas weniger scharf bewacht als während des vorhergehenden Jahres, denn der Ausgang der Untersuchungen in Manchester hatte Aaron Smith und seine Agenten entmuthigt. Trenchard, der sich durch seine Wachsamkeit und Strenge zu einem Gegenstande des Schreckens und Hasses gemacht hatte, war nicht mehr und hatte in dem was man den untergeordneten Staatssekretärposten nennen kann, Sir Wilhelm Trumball zum Nachfolger erhalten, einen gelehrten Juristen und erfahrenen Diplomaten von gemäßigten Ansichten und einer Behutsamkeit, die an Zaghaftigkeit grenzte.45 Die Mißvergnügten wurden durch die Milde der Regierung kühn gemacht. Wilhelm war kaum nach dem Continent abgesegelt, so hielten sie an einem ihrer Lieblingszusammenkunftsorte, dem Old King’s Head in Leadenhall Street, ein großes Meeting. Charnock, Porter, Goodman, Parkyns und Fenwick waren anwesend. Auch der Earl von Aylesbury war zugegen, ein Mann, dessen Anhänglichkeit an das exilirte Königshaus notorisch war, der es aber stets in Abrede stellte, daß er je daran gedacht habe, durch unmoralische Mittel eine Restauration herbeizuführen. Sein Leugnen würde mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit haben, hätte er nicht dadurch, daß er der Regierung, gegen die er beständig intriguirte, die Eide geleistet, das Recht verwirkt, als ein Mann von Gewissen und Ehre betrachtet zu werden. Ferner nahm Sir John Friend an der Versammlung Theil, ein Eidverweigerer, der zwar einen sehr schwachen Verstand besaß, sich aber als Brauer ein sehr großes Vermögen erworben hatte, das er bereitwillig auf Insurrectionspläne verwendete. Nach dem Diner – denn die Pläne der Jakobiten wurden gewöhnlich beim Weine entworfen und zeigten in der Regel einige Spuren von der heiteren Gemüthsstimmung, in der sie entstanden waren – wurde resolvirt, daß die Zeit zu einem Aufstande und zu einer französischen Invasion gekommen sei und daß ein besonderer Abgesandter die Ansicht der Versammlung nach Saint-Germains überbringen sollte. Charnock wurde dazu auserwählt. Er nahm den Auftrag an, fuhr über den Kanal, sprach mit Jakob und hatte Unterredungen mit den Ministern Ludwig’s, konnte aber nichts zu Stande bringen. Die englischen Mißvergnügten wollten nichts unternehmen, bevor nicht zehntausend Mann französischer Truppen auf der Insel wären, und zehntausend Mann konnten nicht ohne große Gefahr der Armee entzogen werden, welche in den Niederlanden gegen Wilhelm kämpfte. Als Charnock zurückkehrte, um die Erfolglosigkeit seiner Sendung zu berichten, fand er einige seiner Bundesgenossen im Gefängniß. Sie hatten sich während seiner Abwesenheit nach ihrer Weise die Zeit damit vertrieben, daß sie am 10. Juni, dem Geburtstage des unglücklichen Prinzen von Wales, einen Aufstand in London anzustiften versuchten. Sie versammelten sich in einem Wirthshause in Drury Lane, und nachdem sie sich die Köpfe durch Wein erhitzt hatten, brachen sie unter Anführung Porter’s und Goodman’s mit den Degen in der Hand auf, zogen mit Trommelwirbel durch die Straßen, entfalteten Banner und begannen Freudenfeuer anzuzünden. Aber die Wache, vom Volke unterstützt, war zu stark für die Unruhstifter. Sie wurden in die Flucht geschlagen, das Wirthshaus, in dem sie geschwelgt hatten, wurde vom Pöbel demolirt, die Rädelsführer wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und mit Geldbußen und Gefängnißhaft bestraft, erlangten aber Zeit genug ihre Freiheit wieder, um sich an einem weit strafbareren Anschlage zu betheiligen.46

 

Belagerung von Namur

Inzwischen war Alles zur Ausführung des von Wilhelm entworfenen Planes bereit. Dieser Plan war den übrigen Befehlshabern der alliirten Truppen mitgetheilt worden und hatte lebhaften Beifall gefunden. Vaudemont wurde mit einem beträchtlichen Armeecorps in Flandern gelassen, um Villeroy zu überwachen. Der König marschirte mit dem Reste seiner Armee direct auf Namur. In dem nämlichen Augenblicke rückte der Kurfürst von Bayern von der einen und die Brandenburger von einer andren Seite gegen denselben Punkt heran. Diese Bewegungen waren so gut verabredet worden und wurden so rasch ausgeführt, daß der geschickte und energische Boufflers nur eben noch Zeit hatte, sich in die Festung zu werfen. Er hatte sieben Dragonerregimenter, ein starkes Corps Artilleristen, Sappeurs und Mineurs und einen Offizier Namens Megrigny bei sich, der mit Ausnahme Vauban’s für den besten Ingenieur in französischen Diensten galt. Wenige Stunden nachdem Boufflers in die Festung eingezogen war, umzingelten die Belagerungstruppen sie von allen Seiten und die Circumvallationslinien wurden rasch gebildet.

Die Nachricht erweckte keine Besorgniß am französischen Hofe. Man zweifelte dort nicht, daß Wilhelm sehr bald gezwungen werden würde, mit schwerem Verlust und Schande von seinem Unternehmen abzustehen. Die Stadt war stark befestigt, das Kastell galt für uneinnehmbar, die Magazine waren mit Lebensmitteln und Munition hinreichend versehen, um bis zu der Zeit vorzuhalten, wo man von den Armeen der damaligen Zeit erwartete, daß sie ihre Winterquartiere beziehen würden; die Besatzung bestand aus sechzehntausend Mann der besten Truppen der Welt, sie wurde von einem ausgezeichneten General befehligt, dem ein ausgezeichneter Ingenieur zur Seite stand, und überdies zweifelte man nicht, daß Villeroy mit seiner großen Armee zur Unterstützung Boufflers’ herbeieilen und daß die Belagerer dann in größerer Gefahr sein würden als die Belagerten.

Diese Hoffnungen wurden durch die Depeschen Villeroy’s aufrechterhalten. Er gedenke, sagte er, zuerst Vaudemont’s Armeecorps zu vernichten und dann Wilhelm von Namur zu vertreiben. Vaudemont werde vielleicht einer Schlacht auszuweichen versuchen, aber er könne nicht entrinnen. Der Marschall ging so weit, daß er seinem Gebieter die Nachricht von einem vollständigen Siege innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden versprach. Ludwig brachte einen ganzen Tag in ungeduldiger Erwartung zu. Endlich kam anstatt eines mit englischen und holländischen Fahnen beladenen Offiziers von hohem Range ein Courier an, der die Nachricht brachte, daß Vaudemont fast ohne allen Verlust seinen Rückzug bewerkstelligt habe und unter den Mauern von Gent in Sicherheit sei. Wilhelm lobte das Feldherrntalent seines Unterbefehlshabers in den wärmsten Ausdrücken. „Mein Vetter,” schrieb er an ihn, „Sie haben sich als einen größeren Meister in Ihrer Kunst erwiesen, als wenn Sie eine offene Feldschlacht gewonnen hätten.”47 Im französischen Lager jedoch und am französischen Hofe war man allgemein der Ansicht, daß Vaudemont weniger durch seine eigene Geschicklichkeit als durch das fehlerhafte Verfahren seiner Gegner gerettet worden sei. Einige warfen die ganze Schuld auf Villeroy, und Villeroy machte keinen Versuch, sich zu rechtfertigen. Man glaubte aber allgemein, daß er sich wenigstens zum großen Theil hätte rechtfertigen können, wenn ihm die königliche Gunst nicht lieber gewesen wäre als militärischer Ruhm. Sein Plan, sagte man, hätte gelingen können, wäre die Ausführung desselben nicht dem Herzoge von Maine übertragen worden. Bei dem ersten Schimmer von Gefahr sei dem Bastard der Muth gesunken. Er habe seine Angst nicht zu verbergen vermocht. Zitternd, stammelnd und nach seinem Beichtvater rufend, habe er dagestanden, während die ihn umgebenden alten Offiziere ihn mit Thränen in den Augen beschworen hätten vorzurücken. Eine kurze Zeit wurde die Schande des Sohnes dem Vater verschwiegen. Aber Villeroy’s Stillschweigen bewies, daß ein Geheimniß dahinter stak, die Spötteleien der holländischen Journale klärten das Geheimniß bald auf, und Ludwig erfuhr, wenn auch nicht die ganze Wahrheit, doch genug, um sich unglücklich zu fühlen. Noch nie während seiner langen Regierung war er so bewegt gewesen. Einige Stunden lang hielt seine finstre Gereiztheit seine Diener, seine Höflinge und selbst seine Priester in Schrecken. Er vergaß die Liebenswürdigkeit und den edlen Anstand, wegen denen er in der ganzen Welt berühmt war, so weit, daß er vor den Augen einer glänzenden Schaar von Herren und Damen, welche nach Marly gekommen waren, um ihn speisen zu sehen, einen Stock auf dem Rücken eines Lakaien zerschlug und den armen Teufel noch mit dem abgebrochenen Griffe verfolgte.48

Inzwischen wurde die Belagerung von Namur von den Verbündeten energisch betrieben. Der wissenschaftliche Theil ihrer Operationen stand unter der Leitung Cohorn’s, der durch Wetteifer angespornt wurde, seine ganze Geschicklichkeit aufzubieten. Drei Jahre früher hatte er die Kränkung erfahren, die von ihm befestigte Stadt durch seinen großen Lehrmeister Vauban genommen zu sehen. Sie jetzt, nachdem die Festungswerke neue Verbesserungen erhalten hatten, wiederzunehmen, wäre eine würdige Revanche gewesen.

Am 2. Juli wurden die Laufgräben eröffnet. Am 8. wurde ein tapferer Ausfall französischer Dragoner tapfer zurückgeschlagen, und spät an demselben Abend erstürmte ein starkes Infanteriecorps, mit den englischen Fußgarden voran, nach einem blutigen Kampfe die Außenwerke auf der Brüsseler Seite. Der König leitete persönlich den Angriff, und seine Unterthanen erfuhren mit Entzücken, daß er, als der Kampf am heißesten war, seine Hand auf die Schulter des Kurfürsten von Bayern legte und ausrief: „Sehen Sie, sehen Sie meine wackeren Engländer!” Eine besondere Tapferkeit selbst unter diesen tapferen Engländern legte Cutts an den Tag. In dem Bulldoggenmuthe, der vor keiner noch so fürchterlichen Gefahr zurückschreckt, hatte er nicht seines Gleichen. Es hielt zwar nicht schwer, verwegene Freiwillige, Deutsche, Holländer und Briten zu finden, die das Aeußerste wagten; aber Cutts war der Einzige, der eine solche Expedition als eine Lustpartie zu betrachten schien. Er fühlte sich in dem heftigsten Feuer der französischen Batterien so behaglich, daß seine Soldaten ihm den ehrenvollen Beinamen des Salamanders gaben.49

Am 17. wurde die erste Contrescarpe der Stadt angegriffen. Die Engländer und Holländer wurden dreimal mit großem Blutvergießen zurückgeschlagen und kehrten dreimal zum Angriff zurück. Endlich blieben die Angreifenden, trotz der Anstrengungen der französischen Offiziere, welche mit dem Degen in der Hand auf dem Glacis fochten, Herren der streitigen Werke. Während der Kampf wüthete, erblickte Wilhelm, der im dichtesten Kugelregen seine Befehle ertheilte, mit Erstaunen und Verdruß unter den Offizieren seines Stabes Michael Godfrey, den Vicegouverneur der Bank von England. Dieser Gentleman war in das Hauptquartier des Königs gekommen, um einige Anordnungen zur schnellen und sicheren Beförderung von Geld aus England zur Armee in den Niederlanden zu treffen, und war neugierig, einmal wirklichen Krieg mit anzusehen. Solche Neugierde konnte Wilhelm nicht leiden. „Mr. Godfrey,” sagte er zu ihm, „Sie sollten sich nicht diesen Gefahren aussetzen; Sie sind kein Soldat und können uns hier nichts nützen.” – „Sire,” erwiederte Godfrey, „ich bin keiner größeren Gefahr ausgesetzt als Eure Majestät.” – „Nicht doch,” entgegnete Wilhelm, „ich bin da, wo meine Pflicht mir zu sein gebietet, und ich kann ohne Anmaßung mein Leben in Gottes Hand legen; aber Sie —” Während sie noch so mit einander sprachen, streckte eine Kanonenkugel von den Wällen Godfrey todt zu den Füßen des Königs nieder. Man fand jedoch nicht, daß die Furcht, „gegodfreyt” zu werden – dies war einige Zeit der gebräuchliche Ausdruck – müßige Zuschauer abhielt, in die Laufgräben zu kommen.50 Obgleich Wilhelm seinen Kutschern, Bedienten und Köchen verbot, sich auszusetzen, sah er sie doch zu wiederholten Malen an den gefährlichsten Orten umherstreifen, um einen Blick auf den Kampf zu werfen. Er soll sich zuweilen haben hinreißen lassen, sie mit der Reitpeitsche aus dem Bereich der französischen Kanonen zu treiben, und die Anekdote ist, mag sie wahr oder erdichtet sein, jedenfalls sehr bezeichnend.

Uebergabe der Stadt Namur

Am 20. Juli bemächtigten sich die Bayern und Brandenburger unter Cohorn’s Leitung nach hartem Kampfe einer Linie von Vertheidigungswerken, welche Vauban in festes Gestein von der Sambre bis zur Maas gehauen hatte. Drei Tage später setzten sich die Engländer und Holländer, Cutts wie gewöhnlich in vorderster Reihe, in der zweiten Contrescarpe fest. Alles war zu einem Hauptsturme bereit, als eine weiße Fahne auf den Wällen erschien. Der Effectivbestand der Besatzung betrug jetzt noch wenig mehr als die Hälfte von dem was er bei Eröffnung der Laufgräben gewesen war. Boufflers fürchtete, daß es unmöglich sein werde, mit achttausend Mann den ganzen Gürtel der Mauern noch viel länger zu vertheidigen; aber er war überzeugt, daß ein solches Truppencorps hinreichen werde, das Kastell auf dem Gipfel des Felsens zu behaupten. Ueber die Kapitulationsbedingungen wurde man bald einig. Ein Thor wurde den Verbündeten preisgegeben. Den Franzosen wurden achtundvierzig Stunden bewilligt, um sich in das Kastell zurückzuziehen, und es wurde ihnen die Versicherung gegeben, daß die Verwundeten, welche sie unten ließen, etwa fünfzehnhundert an der Zahl, gut behandelt werden sollten. Am 6. rückten die Alliirten ein. Der Kampf um den Besitz der Stadt war vorüber, und ein neuer und furchtbarerer Kampf begann um den Besitz der Citadelle.51

 

Villeroy hatte unterdessen einige kleine Eroberungen gemacht. Dixmuyden, das einigen Widerstand hätte leisten können, hatte ihm nicht ohne dringenden Verdacht der Verrätherei von Seiten des Gouverneurs, seine Thore geöffnet. Deynse, das weniger im Stande war, sich zu vertheidigen, war diesem Beispiele gefolgt. Die Besatzungen der beiden Städte waren in offener Verletzung eines zur Auswechselung der Gefangenen getroffenen Uebereinkommens nach Frankreich geschickt worden. Der Marschall rückte hierauf gegen Brüssel vor, wahrscheinlich in der Hoffnung, durch Bedrohung dieser schönen Hauptstadt die Verbündeten zur Aufhebung der Belagerung des Kastells von Namur zu bestimmen. Sechsunddreißig Stunden lang warf er Bomben und glühende Kugeln in die Stadt. Die Kurfürstin von Bayern, die sich innerhalb der Mauern befand, abortirte vor Schreck. Sechs Klöster wurden zerstört. Fünfzehnhundert Häuser standen zu gleicher Zeit in Flammen. Die ganze untere Stadt würde bis auf den Grund niedergebrannt sein, hätten nicht die Bewohner durch Sprengung zahlreicher Gebäude dem Feuer Schranken gesetzt. Ungeheure Massen der kostbarsten Spitzen und Teppiche wurden vernichtet, denn die Industrie und der Handel, welche Brüssel in der ganzen Welt berühmt gemacht hatten, waren bisher durch den Krieg wenig beeinträchtigt worden. Mehrere von den Prachtgebäuden, welche den Marktplatz umgaben, wurden in Trümmer geschossen. Selbst das Rathhaus, das prächtigste der vielen prächtigen Senatshäuser, welche die Bürger der Niederlande erbaut haben, war in der größten Gefahr. All’ diese Verwüstung bewirkte jedoch weiter nichts, als daß sie viele Privatleute unglücklich machte. Wilhelm ließ sich weder durch Furcht noch durch Herausforderung bewegen, die Hand, mit der er Namur umklammert hielt, zu lockern. Das Feuer, das seine Batterien rings um das Kastell unterhielten, war von der Art, wie man es noch in keinem Kriege gesehen hatte. Die französischen Kanoniere wurden durch den Kugelregen von ihren Geschützen vertrieben und gezwungen, in unterirdischen gewölbten Gallerien Schutz zu suchen. Cohorn wettete jubelnd mit dem Kurfürsten von Bayern um vierhundert Pistolen, daß der Platz bis zum 31. August neuen Styls fallen werde. Der große Ingenieur verlor zwar seine Wette, aber nur um wenige Stunden.52

Boufflers begann jetzt einzusehen, daß seine einzige Hoffnung noch auf Villeroy ruhte. Dieser war von Brüssel nach Enghien gerückt, hatte dort aus den entferntesten Festungen der Niederlande alle entbehrlichen Truppen zusammengezogen und marschirte nun an der Spitze von mehr als achtzigtausend Mann auf Namur. Mittlerweile stieß Vaudemont zu den Belagerern. Wilhelm hielt sich daher für stark genug, Villeroy eine Schlacht anzubieten, ohne die Operationen gegen Boufflers einen Augenblick einzustellen. Dem Kurfürsten von Bayern wurde die unmittelbare Leitung der Belagerung übertragen. Der König von England nahm auf der Westseite der Stadt eine stark verschanzte Stellung ein und erwartete hier die von Enghien heranrückenden Franzosen. Alles schien anzudeuten, daß ein wichtiger Tag bevorstehe. Zwei der zahlreichsten und besten Armeen, welche Europa je gesehen, standen einander gegenüber. Am 15. August erblickten die Vertheidiger des Kastells von ihren Wachtthürmen das mächtige Heer ihrer Landsleute. Zwischen diesem Heere aber und der Citadelle war das nicht minder mächtige Heer Wilhelm’s in Schlachtordnung aufgestellt. Villeroy gab Boufflers durch eine Salve von neunzig Kanonenschüssen das Versprechen eines baldigen Entsatzes, und in der Nacht mahnte Boufflers durch Signalfeuer, welche weithin über die ausgedehnte Ebene der Maas und Sambre zu sehen waren, Villeroy an die schleunige Erfüllung dieses Versprechens. In den Hauptstädten Frankreich’s und England’s war Alles in der ängstlichsten Spannung. Ludwig schloß sich in sein Betzimmer ein, beichtete, genoß das heilige Abendmahl und gab Befehl, daß die Hostie in seiner Kapelle ausgestellt werden solle. Seine Gemahlin hieß alle ihre Nonnen niederknien.53 London wurde durch eine Reihenfolge von Gerüchten, theils von Jakobiten, theils von Börsenspekulanten fabricirt, in einem Zustande heftiger Aufregung erhalten. Eines frühen Morgens wurde mit Bestimmtheit behauptet, es habe eine Schlacht stattgefunden, die Verbündeten seien geschlagen, der König getödtet und die Belagerung aufgehoben worden. Sobald die Börse geöffnet wurde, war sie gedrängt voll Leute, welche hören wollten, ob die Nachricht wahr sei. Die Straßen waren den ganzen Tag mit Gruppen von Schwatzenden und Zuhörenden angefüllt. Am Nachmittag beruhigte die Gazette, welche ungeduldig erwartet worden war und von Tausenden begierig gelesen wurde, die Aufregung, jedoch nicht vollkommen, denn man wußte, daß die Jakobiten durch Kaper und Schmuggler, die bei jedem Wetter in See gingen, früher Nachrichten erhielten als sie dem Staatssekretär in Whitehall auf dem regelmäßigen Wege zukamen. Noch vor dem Abend hatte sich die Aufregung völlig gelegt; aber sie wurde durch einen frechen Betrug plötzlich wieder angefacht. Ein Reiter in der Uniform der Garden sprengte durch die City und meldete, daß der König gefallen sei. Er würde wahrscheinlich einen ernsten Aufruhr veranlaßt haben, hätten ihn nicht einige für die Revolution und den protestantischen Glauben schwärmende junge Handwerker zu Boden geschlagen und nach Newgate transportirt. Der vertraute Correspondent der Generalstaaten berichtete nach dem Haag, daß man trotz aller Geschichten, welche die mißvergnügte Partei erfinde und aussprenge, allgemein der Ueberzeugung sei, daß die Alliirten siegen würden. Der Probierstein der Aufrichtigkeit in England, schrieb er, seien die Wetten. Die Jakobiten seien zwar stets bereit zu beweisen, daß Wilhelm geschlagen werden müsse, oder zu behaupten, daß er schon geschlagen sei; aber sie wollten gleichwohl keine höheren Einsätze wetten als ihre Gegner und seien kaum zu bewegen, überhaupt eine Wette einzugehen. Die Whigs seien hingegen bereit, Tausende von Guineen auf den Ausgang des Kriegs und auf den Glücksstern des Königs zu wetten.54

Die Ereignisse rechtfertigten das Vertrauen der Whigs und die Zurückhaltung der Jakobiten. Am 16., 17. und 18. August standen die Armeen Villeroy’s und Wilhelm’s einander gegenüber. Man erwartete mit Bestimmtheit, daß der 19. der entscheidende Tag sein werde. Die Alliirten waren schon vor Tagesanbruch kampffertig. Um vier Uhr stieg Wilhelm zu Pferde und ritt bis acht Uhr Abends von Posten zu Posten, seine Truppen vertheilend und die Bewegungen des Feindes beobachtend. Der Feind näherte sich seinen Verschanzungen an mehreren Stellen hinreichend um zu sehen, daß es nicht leicht sein würde, ihn daraus zu vertreiben; aber es kam zu keinem Gefecht. Er legte sich zur Ruhe nieder und erwartete mit Sonnenaufgang angegriffen zu werden. Aber als die Sonne aufging, sah er, daß die Franzosen sich einige Meilen zurückgezogen hatten. Er schickte sofort einen Boten an den Kurfürsten von Bayern und ersuchte ihn, unverzüglich das Kastell zu erstürmen. Während man die nöthigen Vorbereitungen dazu traf, wurde Portland abgeschickt, um die Besatzung zum letzten Male zur Uebergabe aufzufordern. Es sei klar, sagte er zu Boufflers, daß Villeroy alle Hoffnung aufgegeben habe, die Belagerung aufheben zu können. Es würde daher eine nutzlose Vergeudung von Menschenleben sein, wenn er den Kampf noch länger fortsetze. Boufflers war jedoch der Meinung, daß zur Wahrung der französischen Waffenehre noch ein Tag des Gemetzels erforderlich sei, und Portland kehrte zurück, ohne etwas ausgerichtet zu haben.55

In den ersten Nachmittagsstunden wurde der Sturm durch vier Divisionen des verbündeten Heeres an vier Stellen zu gleicher Zeit unternommen. Ein Punkt war den Brandenburgern, ein andrer den Holländern, ein dritter den Bayern und der vierte den Engländern angewiesen. Die Engländer waren zuerst minder glücklich, als sie seither gewesen. Dies kam daher, weil die meisten diensterfahrenen Regimenter mit Wilhelm gegen Villeroy marschirt waren. Sobald als das Zeichen durch Sprengen zweier Pulverfässer gegeben war, rückte Cutts zuerst an der Spitze einer kleinen Schaar Grenadiere unter Trommelwirbel und mit fliegenden Fahnen aus den Laufgräben vor. Dieses tapfere Corps sollte durch vier Bataillone unterstützt werden, welche noch nie im Feuer gewesen waren und die, obgleich vom muthigsten Geiste beseelt, noch der Festigkeit entbehrten, die ein so gefährlicher Dienst erforderte. Die Offiziere fielen rasch hintereinander. Jeder Oberst und jeder Oberstleutnant wurde getödtet oder schwer verwundet, Cutts erhielt eine Kugel in den Kopf, die ihn für einige Zeit kampfunfähig machte. Die unerfahrenen Rekruten, so fast ohne alte Führung, drangen mit Ungestüm vorwärts, bis sie in Unordnung und außer Athem unter einem mörderischen Feuer und einem fast ebenso mörderischen Hagel von Fels- und Mauerstücken, vor einem Abgrunde ankamen. Sie verloren den Muth und wichen in Verwirrung zurück, bis es Cutts, dessen Wunde inzwischen verbunden worden war, gelang, sie wieder zu sammeln. Er führte sie nun nicht dahin von wo sie zurückgetrieben worden waren, sondern auf einen andren Punkt, wo ein furchtbarer Kampf wüthete. Die Bayern hatten tapfer, aber erfolglos ihren Sturmangriff gemacht; ihr General war gefallen und sie begannen schon zu wanken, als die Ankunft des Salamanders und seiner Leute das Schicksal des Tages änderte. Zweihundert englische Freiwillige, welche die Unehre ihres vorherigen Zurückweichens um jeden Preis wieder gut machen wollten, waren die Ersten, die sich mit dem Säbel in der Faust einen Weg durch die Palissaden bahnten, eine Batterie erstürmten, die unter den Bayern arg aufgeräumt hatte, und die Kanonen gegen die Besatzung richteten. Unterdessen hatten die vortrefflich disciplinirten und vortrefflich commandirten Brandenburger ohne großen Verlust die ihnen zuertheilte Aufgabe gelöst. Die Holländer waren ebenso glücklich gewesen. Als der Abend hereinbrach, hatten die Verbündeten die Außenwerke des Kastells auf eine Meile im Umfang im Besitz. Dieser Vortheil War mit dem Verluste von zweitausend Mann erkauft worden.56

44Eine treffliche Characteristik Villeroy’s befindet sich in Saint-Simon’s Memoiren.
45Einige interessante Züge von Trumball’s Character findet man in Pepys’ Tangerschen Tagebuche.
46Postboy, Juni 13., Juli 9. 11. 1695; Intelligence Domestic and Foreign, Juni 14; Pacquet Boat from Holland and Flanders, Juli 9.
47Vaudemont’s Depesche und Wilhelm’s Antwort stehen im Monthly Mercury für Juli 1695.
48Siehe Saint-Simon’s Memoiren und seine Note zu Dangeau.
49London Gazette vom 22. Juli 1695; Monthly Mercury vom August 1695. Swift schrieb zehn Jahre später eine so abgeschmackte und widerlich gemeine Schmähschrift auf Cutts, daß Ward oder Gildon sich ihrer geschämt haben würden. Sie war betitelt: The Description of a Salamander.
50London Gazette vom 29. Juli 1695; Monthly Mercury für August 1695; Stepney an Lord Lexington, 15. (25.) Aug. Robert Flemming’s Character of King William, 1702. Bei dem Angriffe vom 17. (27.) Juli erhielt Hauptmann Shandy die denkwürdige Wunde in die Weiche.
51London Gazette vom 1. und 5. August 1695; Monthly Mercury vom August 1695, enthaltend die Briefe Wilhelm’s und Dykvelt’s an die Generalstaaten.
52Monthly Mercury vom August 1695; Stepney an Lord Lexington, 16. (26.) August.
53Monthly Mercury, August 1695; Brief aus Paris vom 26. Aug. (5. Sept.) 1695 unter den Lexington Papers.
54L’Hermitage, 13. (23.) Aug. 1695.
55London Gazette vom 26. Aug. 1695; Monthly Mercury; Stepney an Lexington, 20. (30.) August.
56Boyer’s History of King William III., 1703; London Gazette vom 29. Aug. 1695; Stepney an Lexington, 20. (30.) Aug.; Blathwayt an Lexington, 2. Sept.