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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil

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Groß-Glienicke

 
In dunkler Gruft
Das Gebein;
In Licht und Luft
Der aufgerichtete Marmelstein.
Was ungemessen
Vielleicht gestrebt,
Es ist vergessen, —
Nur das Bild noch lebt.
 

Die Havelufer links und rechts des Flusses weisen strichweise einen guten Lehmboden (im Wendischen: Glin, der Lehm) auf, weshalb wir in allen hier in Betracht kommenden Landesteilen, also in Havelland, Zauche, Teltow, vielfach den Ortsbezeichnungen: Glien, Glindow, Glienicke begegnen. In unmittelbarer Nähe von Potsdam, zu Füßen von Babelsberg, liegt Klein-Glienicke mit seinen Schlössern und seiner Brücke; weiter nördlich, halben Wegs zwischen Potsdam und Spandau, treffen wir Groß-Glienicke, Rittergut, Filiale von Kladow, zweihundertneunundsiebzig Einwohner. Darunter, wie die Nachschlagebücher gewissenhaft bemerken, zwei Katholiken. Diese werden es schwer haben, sich paritätisch zu behaupten

Groß-Glienicke wird 1300 zuerst genannt. Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts finden wir die Bammes hier, eine alte, westhavelländische Familie. In Groß-Glienicke saßen sie nicht allzulange. Schon 1572 erscheinen die Ribbecks, zuerst Oberhofmeister Jürgen von Ribbeck; dann folgen zweihundert Jahre später die Winnings. Jetzt gehört das Gut der Familie Berger.

Es soll hier manches erlebt worden sein, namentlich unter den Winnings. Die Kirche aber erzählt nur von den Ribbecks.

Beim Eintreten in dieselbe überrascht die verhältnismäßig große Zahl von Bildwerken, namentlich in Stein.

An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht nebeneinander, die Epitaphien zweier Hans Georg von Ribbeck, Vater und Sohn. Der Vater, noch der Schwedenzeit angehörig, der Sohn aus der höfischen, französierten Zeit Friedrichs I. Eben diesen Unterschied zeigen auch die hautrelief-artigen Steinbilder. Der ältere Hans Georg, in Brustharnisch und Beinschienen, wie ein Derfflingerscher Reiterführer; der jüngere in einem Roquelaure mit mächtigen Aufschlägen und Seitentaschen, auf dem Haupt eine ziemlich seltsame Kappe, fast in Form einer Bischofsmütze. Das Ganze in einem bestimmten, künstlich gegebenen Farbenton: die Kappe rot gemalt. Dieser jüngere Hans Georg war ein brandenburgischer Domherr, vielleicht auch – wenn ich das Bild richtig interpretiere – ein Mann der Wissenschaft. Er tritt, einen Vorhang zurückschlagend, aus diesem hervor und legt seine Rechte auf einen Schädel. Das Ganze eine vortreffliche Arbeit, und in Auffassung wie technischer Durchführung an das berühmte Sparr-Denkmal in unsrer Berliner Marien-Kirche erinnernd.

Beide Hans Georg von Ribbeck finden wir auch in der Gruft der Kirche wieder. Wie sie im Schiff, in bildlicher Darstellung, nebeneinander stehen, so liegen sie hier nebeneinander. Wohlerhalten. Denn die Groß-Glienicker Gruft gehört zu den vielen in der Mark, in denen die beigesetzten Leichen zu Mumien werden. Wir steigen hinab. Der Sargdeckel des zuvorderst stehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ sich ohne Mühe aufheben. Da lag er, in Roquelaure und roter Samtkappe, in allem Äußerlichen von beinahe gespenstischer Ähnlichkeit mit dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche gesehen hatte. Ganz ersichtlich hat man, bei einer erst kürzlich stattgehabten Übermalung, die Gruft zu Rate gezogen und das Mumienbild, wenn dieser Ausdruck gestattet ist, bei Restaurierung des Steinbildes benutzt.

Kirche und Gruft enthalten übrigens der Epitaphien und Särge mehr, beispielsweise einer Frau von Ribbeck, geb. Brand von Lindau, einer Frau von Lattorff, geb. von Grävenitz, die alle dem vorigen Jahrhundert angehören, aber weder künstlerisch noch historisch eine besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Ein Interesse erweckt nur noch das Altarbild, richtiger die Predella desselben, die, wie so oft, ein Abendmahl darstellt. Christus in der Mitte, Johannes neben ihm; neben diesem aber, statt des Petrus, der Große Kurfürst. Er trägt Allongenperücke, dunkles, enganschließendes Samtkleid, Spitzenmanschetten und Feldbinde. Die wunderlichste Art von Huldigung, die mir der Art vorgekommen ist. Was wollen die anbetenden Donatoren auf den Madonnenbildern des Mittelalters daneben sagen! Sie knien doch immer zu Füßen der Madonna, oder verdrängen wenigstens niemand; hier aber wird Petrus, wie eine Schildwacht, einfach abgelöst, und der Große Kurfürst zieht statt seiner auf.

Fahrland

 
O, wie warst du so schön, wenn die Fliegen der Stub’ im September
Starben, und rot die Ebereschen am Hause des Jägers sich färbten;
Wenn die Reiher zur Flucht, im einsam schwirrenden See-Rohr,
Ahnend den Sturm, sich versammelten.
 
Aus Schmidt von Werneuchens: Fahrland

Von Potsdam bis Fahrland ist eine gute Meile. Der Weg läuft in gerader Linie nordwärts und wendet sich erst ganz zuletzt gegen Westen. Die erste halbe Meile, wenn man nicht das Glück hat, auf dem links hin sich dehnenden Exerzierfelde die Potsdamer Garden in Übung zu sehen, ist interesselos; in Höhe des Dorfes Nedlitz aber ändert sich die Szene und wir treten, auf eine ganze Strecke hin, in ein durch Landschaft und Geschichte gleich bemerkenswertes Terrain ein. Nur schade, daß die Geschichte an der Grenze sagenhafter Vorzeit liegt und nur Vermutungen gestattet.

Die Nedlitzer Fähre

In Höhe von Nedlitz geben sich an einer Schmalung drei Seen ein Rendezvous; die Krampnitz, der Fahrlandsche und der Jungfern-See treffen an einer Schmalung zusammen und ein viaduktartiger Bau, mit Brückentoren und Brückenhaus, führt von einem Ufer zum andern.

Ein so stattliches Bild präsentierte sich hier nicht immer. Dies war vordem die bescheidene Wirkungsstätte der Nedlitzer Fähre. Jahrhundertelang fuhr hier ein schlichter Kahn über die Schmalung, erst von Vater und Sohn, dann vom Enkel und zuletzt vom Ur-Urenkel geführt. Immer desselben Namens. Die Nedlitzer Fährstelle war eine Erbstelle geworden. Schon im vorigen Säkulo war die Familie so angesehen, daß sich ihre Töchter nach Sanssouci hin mit Hofgärtnern und Hofbauräten vermählten. Die Fähr-Müllers von Nedlitz waren reiche Leute; in Bornstädt hatten sie ein Erbbegräbnis, das größte was der Kirchhof bis diese Stunde noch aufzuweisen hat.

Die Fähre ist nicht mehr. An ihre Stelle ist die imposante Bogenbrücke getreten; aber noch im Ausscheiden aus ihrer alten dynastischen Herrlichkeit hielt das Glück bei den Müllers aus. Die Ablösungssumme entsprach nicht nur der Fähr-Einnahme, die sie aufgaben, sondern vielmehr noch der historischen Macht, die sie niederlegten. An das Haus Müller kamen liegende Gründe, Geld, zuletzt auch der Brückenpalast, der auf ihrem alten Territorium wie als Wahrzeichen ihrer früheren Herrlichkeit, ihnen errichtet worden ist. Selten wohl hat eine Fährstelle im Leben und Sterben so gute Tage gesehen.

Der Königswall

Von der Mitte der Brücke aus hat man ein ansprechendes Bild in die genannten drei Wasserflächen und die zwischenliegende Landschaft hinein.

Nach rechts hin, wo die Krampnitz und der Jungfern-See ein Eck bilden, zieht sich dammartig ein Erdwerk zwischen Wald und Wasser. Dieses Erdwerk ist der Königswall, im Munde des Volks, wie all dergleichen primitive Festungswerke, die Römer- oder Räuber- oder Schweden-Schanze geheißen. Ausdrücke, die historisch gar keinen Anhalt geben. Die Bezeichnung „Königswall“ ist übrigens kaum besser. Drei Seiten der Umwallung, welche sich zwanzig Fuß vom Boden erheben, sind mit geräumigen Eingängen versehen, von denen zwei dem Wasser, der dritte dem Lande zugewandt liegen. Die vierte Seite des Walles – wahrscheinlich eine von der Natur gebildete Hügelwand – fällt aus einer Höhe von mindestens fünfzig Fuß steil zum Seeufer ab, und scheint auch darum keinen Zugang zu haben. Die ganze Umwallung, soweit sie künstlich ist, mißt siebenhundert Schritt, und muß viel Hände und viel Zeit erfordert haben. Es ist wohl unzweifelhaft ein alter Kamp, ein wendischer Lager- oder Verteidigungsplatz aus jenem Jahrhundert her, wo sich Christen- und Heidentum hier bekämpften. Die Deutschen hatten das Westhavelland inne; hier in dem Waldterrain des Osthavellandes, auf der „Insel Potsdam“, von allen Seiten her durch Fluß und See und Sumpf geschützt, saßen noch die Wenden. Hier hatten sie ihre letzten Stätten, ihre ausgedehntesten Begräbnisplätze; einzelne Striche sind mit Waffen und Totenurnen wie besäet.

Das Heinenholz und der Kirchberg

Eine kaum minder interessante Wegstrecke bildet das Gehölz, in das die Fahrlander Straße, unmittelbar nach Passierung der Brücke, einmündet. Dies Wäldchen führt den Namen des „Heinenholzes“ und aus seiner Mitte hervor steigt der höchste Berg dieser Gegenden, der „Kirchberg“. Es verlohnt sich durchaus, ihn zu besteigen. Seine Höhe ist zweihundertundsiebzig Fuß. Das landschaftliche Bild, das sich von seiner Kuppe aus dem Auge darstellt, ist sehr schön und würde noch schöner sein, wenn nicht die Bäume, die den oberen Abhang umstehen, mit ihren Kronen allmählich über die Kuppe des Berges hinausgewachsen und dadurch einem Umblick hinderlich geworden wären. Wo er sich indessen bietet, ist er von großem Reiz und dem Wald- und Wasser-Panorama nah verwandt, das ein Blick von den Müggelbergen gewährt.

Wie der „Königswall“ unten, so ist die „Kirchbergs-Kuppe“ hier oben ein ergiebiges Feld für die Konjektural-Historie; wie jener als ein Kamp der Wenden, so wird dieser als eine Opferstätte bezeichnet. Sehr leicht möglich, aber sehr schwer nachweisbar! Was man jetzt noch auf der Kuppe des Kirchberges findet, deutet auf viel spätere Zeiten hin. Man begegnet Feldstein-Fundamenten, dazu zerkrümelten Ziegel- und Mörtel-Resten, die, so gering sie sind, doch keinen Zweifel darüber lassen, daß hier ein Backstein-Bau gestanden habe. Auch ist es noch keine dreißig Jahre, daß hier, zehn Fuß hoch, ein Mauerwerk aufragte, das unverkennbar einem christlichen Gotteshause zugehörte. Es befand sich also hier, ganz wie auf dem Kapellenberge bei Blankensee, dessen Bautrümmer überhaupt sehr lehrreich sind, eine jener weit ins Land hinausschauenden, zugleich als Wegweiser dienenden kirchlichen Warten, die symbolisch von allem Umherliegenden Besitz nahmen und der Bevölkerung verkündeten: „So weit diese Kapelle blickt, ist alles dem Christengotte untertan.“ So war es unmittelbar nach der Christianisierung. Später wurden Pilgerstationen und Wallfahrtskapellen daraus, die, in der Spätgotik, die sie unverkennbar zeigen, einer verhältnismäßig neuen Zeit, oft erst, wie die Blankenseer Kapelle, dem Schluß des fünfzehnten Jahrhunderts angehören mögen. Denn die gotische Bauweise hielt sich in der Mark bis in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hinein.

 

Dorf Fahrland, sein Amtshaus, seine Kirche und Pfarre

 
Drüben Fahrlands Turm, aus dessen Luke
Hörbar kaum die Abendglocke singt!
Sieh die Hirtenfrau, die Napf und Kruke
Ihrem Mann nach jener Hutung bringt;
Sieh den Waldrand, wo trotz härnen Schleifen
Unbesorgt die Sommerdrosseln pfeifen, —
Rings Wachholdersträuche, bunt zerstreut,
Deren Frucht die Juli-Sonne bläut.
 
Schmidt von Werneuchen

Eine offene Stelle, wo nur Hagebutten und verzwergte wilde Kirschen stehen, gestattet uns auf der sonst in ihrer Aussicht beschränkten Kuppe einen vollen Blick nach Nordwesten zu. Der nächste Punkt ist Fahrland. Wir steigen, um uns den Weg zu kürzen, den steileren Abhang des Berges hinunter und nach zehn Minuten haben wir rechts und links, flach wie die Tenne, die Fahrlander Feldmark. Pappeln und Elsen fassen die zahlreichen Wege ein; Schlickmühlen stehen an den Gräben hin, bereit um die Regenzeit, wenn alle Felder zu Inseln geworden sind, ihre Tätigkeit zu beginnen. Im ganzen eine reizlose Landschaft, gleich arm an charakteristischen wie an Schönheits-Punkten.

Nicht viel günstiger wirkt Fahrland selbst. Von dem dichterischen Reiz, mit dem unser märkischer Poet par excellence dasselbe zu umkleiden wußte, ist wenig zu entdecken. Wir passieren es also, um jenseits desselben den „Sipunt“ kennen zu lernen, der, in einem gleichnamigen Gedichte „Der Sipunt bei Fahrland“, noch über die Dorfesherrlichkeit hinaus, eine poetische Glorifikation gefunden hat. Dieser Schilderung nach mußten wir eine Wolfsschlucht oder irgend eine Lieblingsstätte des wilden Jägers erwarten,25 aber eine mit Kropfweiden bepflanzte Niederung, die im Sommer den Charakter einer Wiese, im Herbst und Frühjahr den eines Luches hat, war alles, was sich unsrem Auge bot. Prosaische Tristheit an Stelle poetischer Gruslichkeit. Wir wählten deshalb von zwei Übeln das kleinere und kehrten in das Dorf zurück, das immerhin drei bemerkenswerte Stätten hat: das Amtshaus, die Kirche und die Pfarre.

[Das Amtshaus], ein relativ moderner Bau, auf dessen Entstehung wir zurückkommen, wirkt so nüchtern wie möglich. Die Stelle, auf der es steht, ist aber alter historischer Boden. Hier ging die Grenzscheide, hier stand das feste Schloß „Vorland“, ein Name, der sich erst um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts in Fahrland umwandelte.

Um eben diese Zeit, nachdem „Schloß Vorland“ bis dahin landesherrliche Vogtei gewesen war, saßen hier die Stechows, die damals in verschiedenen Zweigen blühten und im Havellande reich begütert waren. Sie besaßen zunächst Stechow selbst, dann Satzkorn, Dyrotz, Groß-Glienicke, Heinenholz und Fahrland. Hier in Fahrland hatten sie drei Rittergüter.

Im allgemeinen wird wenig von ihnen gemeldet, doch erfahren wir aus den Kirchenbüchern, daß um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts einer von der Familie lutherischer Prediger zu Fahrland war. Er hieß Hans von Stechow und starb 1558.26 Beinahe hundert Jahre später erfolgte dann ein Rückschlag und wir finden um das Jahr 1646 folgende Aufzeichnung: „Christoph von Stechow bekennt sich zur römisch-katholischen Lehre. Seine Mutter hält noch lutherisch aus. Gott kräftige sie.“ Es ist also ersichtlich, daß ein Zweig der Stechows ebenso wie der Rochows und anderer märkischer Familien, während des dreißigjährigen Krieges wieder katholisch wurde. Es wäre gewiß interessant, zu erforschen, was diese Wandlung herbeiführte. War es einfach ein religiöser Zug, der in der einen Kirche keine Befriedigung fand und sie bei der andern suchte, oder war es deutsch-nationales Gefühl, Hinneigung zum Kaiser und Haß gegen Schweden, dessen bloß ehrgeizige Absichten damals bereits klar zutage lagen?

Die Fahrlander Stechows waren sehr wahrscheinlich noch 1699 katholisch, wenigstens einige von ihnen, wie aus folgendem Schreiben hervorgeht, das 1788 in Fahrland eintraf und den Kirchenakten einverleibt wurde. Das Schreiben lautete: „Herr Christoph von Stechow besaß mit seinem Bruder Johann Wolfgang von Stechow, Domherrn und nachherigem Domdechant zu Halberstadt, das Lehngut Fahrland in der Mittelmark, und verkaufte solches für fünfzigtausend Taler an den damaligen Kurfürsten zu Brandenburg, nachherigen König von Preußen Friedrich I. Anno 1699. Herr Christoph von Stechow zog darauf nach Schlesien, kaufte daselbst Güter und ward vom Kaiser Leopold nebst seiner männlichen und weiblichen Deszendenz in den alten Freiherrnstand des Königreichs Böhmen erhoben. Seine Gemahlin war Thekla Margaretha von Mönster, mit welcher er in Fahrland zwei Kinder erzeugt hat: Maria Josepha von Stechow, welche 1690 und Franz Wolfgang von Stechow, welcher 1694 geboren wurde. Da diese Kinder in Fahrland das Licht der Welt erblickten und vermutlich in der dortigen Kirche getauft wurden, so wird um deren Taufschein ergebenst gebeten.“ (Diesem Wunsche konnte willfahrt werden. Man fand beide Kinder im alten Kirchenbuch verzeichnet und ihre Taufscheine wurden ausgestellt.)

Von 1699 ab war Fahrland kurfürstlich bez. königlich. Kurfürst Friedrich III. ließ das alte Schloß abtragen und dafür „ein neues Schloß oder Lusthaus von zwei Etagen mit sieben Logamenten“, welches zugleich als Amtshaus dienen sollte, erbauen. Bei Herstellung desselben wurde die alte Kirche auf dem Kirchberg als Steinbruch benutzt und die schönen Gewölbe und Spitzbogen fielen, um als „Amtshaus im Kasernenstil“ wieder aufzustehen.

[Die Kirche] in Fahrland wirkt nicht besser. Sie präsentiert sich als schmuckloser Bau, in dem direkte Überreste alter Gotik so geschickt bekalkt und bemörtelt sind, daß nichts übrig geblieben ist als Wand und Fenster und der Unterbau eines Turms. Auch das Innere wirkt nüchtern. Aber der Kirchhof ist nicht ohne Interesse, besonders an der schattigen Stelle, wo er seinen Rasen in einen durch Kirche und Sakristei gebildeten Winkel einschiebt. Hier wurden die Geistlichen bestattet; die Grabsteine erzählen davon. In Dörfern, in denen die adeligen Geschlechter wegsterben, treten die Pfarrherren in gewissem Sinne an die Stelle derselben; sie werden die Herren, jedenfalls die Repräsentanten des Dorfs, alle entsprechenden Ehren fallen ihnen zu und ihre Grabsteine fangen an die bevorzugten Stellen innerhalb und außerhalb der Kirche einzunehmen. So auch hier.

[Das Pfarrhaus.] Einer der Grabsteine, hochaufgemauert, gönnt, wie ein kleines Kastell, einen Überblick und zwischen schrägstehenden, dickstämmigen Maulbeerbäumen hindurch, über die alte Kirchhofsmauer hinweg, trifft unser Auge auf das still und abgelegen daliegende Predigerhaus. Ein märkisches Haus, so einfach wie möglich, einstöckig, zwei mächtige Linden vor der Tür, die Front des Hauses von wildem Wein umrankt; die Fensterpfeiler so schmal, daß das Ganze wie ein Glashaus aussieht, oder wie die Predigerhäuser auf alten holländischen Bildern. Über der Tür ein kurzes: Friede sei mit euch.

Wir treten ein. Es ist ein historisches Haus. An eben dieser Stelle, wenn auch nicht unter diesem Dach, wurde Schmidt von Werneuchen geboren. Es entspricht in nichts dem reizenden Bilde, das unser viel und gern-zitierter Freund in seinem besten Gedichte („Fahrland“) von dem zu seiner Zeit hier stehenden Predigerhause entworfen hat:

 
Ha! ich kenne Dich noch, als hätt’ ich Dich gestern verlassen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,
Kenne die Balken des Giebels, wo längst der Regen den Kalk schon
Losgewaschen, die Tür mit großen Nägeln beschlagen.
Kenne das Gärtchen vorn mit dem spitzen Stacket, und die Laube
Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken
Ulme des Nachbars umstreut, den gierig die Hühner sich pickten.
 

Von all dem ist nichts mehr wahrzunehmen, das Haus ist hinüber wie die Menschen, die damals ihre Stätte in ihm hatten. Selbst die vorerwähnten Grabsteine, drüben zwischen Kirche und Sakristei, gehören einer anderen Epoche an, und nur einer ist da, der an jene Schmidtschen Tage mahnt. Er ist in die Kirchenwand eingelassen und seine Inschrift lautet: „Vor diesem Stein ruht Mutter und Kind. Jene war die wohlgeborene und tugendbegabte Frau, Frau Sophie Schmidtin, älteste Tochter des Königlich Preußischen Stallmeisters in Potsdam Herrn Ludwig Samson. Sie war geboren den 25. Februar 1724, ward verheiratet an Herrn Bernhard Daniel Schmidt, Prediger in dieser Gemeinde, den 13. Juli 1751 und starb den 7. Juli 1752, nachdem sie drei Tage vorher von einem toten Söhnlein entbunden worden, das ihr zur linken Seite liegt.“

Der Grabstein Bernhard Daniel Schmidts selbst fehlt, ebenso der seiner zweiten Frau, der Mutter unseres „Schmidt von Werneuchen“.

Aber während sie an dieser Stelle vergessen scheinen, leben sie doch recht eigentlich hier, und zwar mit Hilfe eines jeweilig geführten „Tagebuches,“ das seit etwa hundert Jahren einen Schatz der Fahrlander Pfarre bildet. Wie zerstreute Blätter eines Romans einen Lebenslauf vor uns auftun, vielfach lückenhaft zwar, aber doch auch wieder vollständig genug, um die Personen in aller Anschaulichkeit vor uns schreiten zu sehen, so auch die Blätter dieses Tagebuches, das den Namen führt: „die Fahrlander Chronik“.

 

Von diesem Tagebuch, das uns vielfach auch von der Familie Schmidt unterhält, in dem folgenden Kapitel.

Die Fahrlander Chronik

 
Und eintrug er, was geschah,
In sein „Buch der Chronika“.
 

In der Pfarre zu Fahrland befindet sich ein Schatz: die Fahrlander Chronik. Auf unsern vielen Hin- und Herzügen in der Mark sind wir keinen handschriftlichen Aufzeichnungen begegnet, selbst die Kirchenbuch-Notizen aus der Schwedenzeit nicht ausgenommen, die an Interesse dieser „Fahrlander Chronik“ gleichkämen. Sie bildet einen starken Quartband, hat festes Papier und einen blaugemaserten Deckel, und führt die Aufschrift: „Die Pfarre Fahrland; Nachrichten und Tagebuch seit 1774.“ Diese Aufschrift ist aber halb verwischt und man findet in dicken Buchstaben darüber geschrieben: „Fahrland; Chronik des Pastor Moritz.“ Man nennt es gemeinhin: Die Fahrlander Chronik. Vor kurzem hat man dem Buche einen neuen Rücken gegeben und diese Rückseite mit drei Streifen Goldpapier ornamentiert, was sehr sonderbar aussieht.

Der Verfasser dieser Chronik, wie die vorstehenden Zeilen bereits andeuteten, ist Pastor Moritz. Er begann seine Arbeit 1787 und führte sie fort bis 1794. Gleich auf dem ersten Blatte begegnen wir, nach Art einer Vorrede, Folgendem:

Es ist kläglich, wenn man eine Pfarre bezieht und findet nicht einen geschriebenen Bogen von Nachricht. So ging es mir in Geltow. In Fahrland fand ich einige Blätter, aber von dem Orte und der Pfarre enthalten sie nichts. Überdies gehen einige Bogen leicht verloren, sonderlich im Vakanz-Jahr und beim Abzug. Die geistlichen Frauen verstehens nicht. Der Bogen wird als Makulatur verbraucht.

So ließ ich denn dies Buch binden und heute den 1. August 1787 schreibe ich dieses. Ich bezeuge hiermit vor dem Allwissenden, daß ich nur Wahrheit schreiben will, es betreffe meine Zeit, oder es betreffe die alten einzelnen Papiere.

Moritz.

Nun beginnt er.

Sich in seinen Aufzeichnungen zurecht zu finden, ist nicht leicht, da er Zurückliegendes und Gegenwärtiges, Biographisches und Kritisch-Betrachtendes, Allgemeines und Persönliches, Kirchliches und Wissenschaftliches, Fahrlander Vorkommnisse und Vorkommnisse in den Filialen, oft ohne Scheidung und Übergänge, hintereinander fort folgen läßt. Liest man aber liebevoll und wiederholentlich, so klärt sich zuletzt das Bild, die ganze Gegend: Fahrland und Satzkorn, Sakrow und Marquardt, Ütz und Döberitz, die Gutsherrschaften und Amtmänner, die Pastoren und Küster, die Beziehungen zu Potsdam und Sanssouci, – alles tritt einem entgegen, und es wird einem zu einer eigentümlichen Freude, die Zeit, die doch beinahe hundert Jahre zurückliegt, so bis in die kleinsten Züge hinein, aus dem Grabe steigen zu sehen. Neben dem Inhaltlichen ist die „Chronik“ auch sprachlich interessant. Es kommen Wendungen darin vor, die man für ganz modern halten möchte, beispielsweise wie „legère“ oder „fidèle“ oder „Schmu machen“. Dann wieder heißt es: „Der Graf hatte viel nach mich gefragt“ und gleich darauf: „nach mich hatte er nicht gefragt“. Dies ist aber nicht als ein Zeichen mangelnder Bildung zu nehmen; Pastor Moritz war sehr gescheit, ein Gelehrter, ohne Pedant zu sein.

Über den Gang seines Lebens wird seine Autobiographie, die wir ebenfalls der „Chronik“ entnehmen, Auskunft geben. Hier nur einige Vorbemerkungen.

1774 erhielt er die Pfarre. Das Jahr vorher war Pastor Schmidt, sein Amtsvorgänger, gestorben. Er traf die Witwe (die Mutter Schmidts von Werneuchen) noch im Pfarrhause an. Es war eine hübsche Frau, in der Mitte der dreißiger, mit viel Familienanhang und Freundschaft. Diese ganze „Schmidtsche Koterie“ hatte Pastor Moritz, den man einfach als einen „armen Teufel“ und zugleich als einen bloßen Eindringling ansah, von Anfang an gegen sich. Die Koterie hoffte ihn stürzen zu können. Man hatte sich aber sehr in ihm verrechnet. Er war sittenstreng, tapfer, gescheit, voll moralischer Kraft und Energie; so focht er denn seine Kämpfe siegreich durch, behauptete sie gegen immer neue Kabalen, die von Amtmanns- und Pastorenfrauen (alles war versippt und verschwägert) gegen ihn ins Werk gesetzt wurden, aber er mußte seinen Sieg mit dem Frieden seines Lebens bezahlen. Er kam aus der Mißstimmung nicht heraus.

Ein Teil der Schuld lag bei ihm. Er war eine herbe Natur; sein Auftreten konnte nicht versöhnen. Er hatte nichts Verbindliches, er machte keine Konzessionen, er akkomodierte sich in nichts. Er focht gegen den Teufels- und Gespenster-Glauben, den sich die Fahrlander nicht nehmen lassen wollten, mit Heftigkeit, er drang ihnen das neue Gesangbuch auf im Gefühl seines auf die Matrikel gestützten Rechts einerseits und seiner geistigen und sittlichen Überlegenheit andrerseits, ja, ließ es sie wohl gelegentlich auch fühlen, daß er sie für „dumme Kerle“ halte. Er mochte Recht haben. Ein eigentlich geistiger Hochmut tritt einem nirgends entgegen.

Man war ihm nie zu Willen, man gab dem Küster reichlich und entzog ihm ebensoviel als man jenem bewilligte; man besserte nichts aus; er mußte schwitzen und frieren; schließlich entdeckte er auch, wie mächtig die Hintertreppen-Einflüsse waren, bis hoch hinauf.

Sein besonderes Unglück war, daß er einen splendiden, gut situierten, die Dinge leichtnehmenden Vorgänger gehabt hatte, der fünf gerade sein ließ und auf den nun beständig hingewiesen wurde. Dies tat vor allem der Küster, der – als ein Überbleibsel aus der „Schmidtschen goldenen Zeit“ – von der Gemeinde bevorzugt wurde, der eitel, hochmütig war, sich emanzipierte, über Land reiste, wenn er wollte, und Schule hielt, wenn er wollte, der sich impertinent gegen den Pastor stellte, und sich so stellen durfte, weil die Bauern, denen er immer zu Diensten war, ihm den Rücken deckten. Die Tagebuchblätter geben ein „Dorfidyll“, das alles andere eher war als idyllisch.

Eines gewissen sprachlichen Interesses dieser Chronik haben wir schon erwähnt; auch noch ein Wort über die Schreibweise. Sie ist kurz, kernig, von großer Klarheit und Durchsichtigkeit. Wo der Verfasser sich ausführlicher gibt, ist alles in einem brillanten Stil geschrieben, oft fortreißend. Man erkennt leicht die geistig nicht gewöhnlich und nach der Charakterseite hin bedeutend angelegte Natur. Ein Mann überall.

Wir beginnen nun einzelnes aus der Chronik auszuziehen und zu einem Ganzen zusammenzustellen.

25Es heißt in dem genannten Gedichte, das allerdings mehr den Charakter einer Romanze als eines Idylls hat, wörtlich: Wir sind da! Faßt Dich ein süßer SchreckenZwischen diesen Bergen hier von Kalk,Wo der Blutfink baut in Kreuzdornhecken,In der Eiche Kranz der Lerchenfalk?Witterst Du der wilden Erdbeer WürzeUnd des wilden Wermuts bittren Duft?Mahnt Dich an des Herbstes RegenstürzeDes zerriss’nen Berghangs tiefe Schlucht? So geht es weiter im Stile von „Spinneweb mit Blut betaut“, ohne daß von Blutfink und Lerchenfalk das geringste zu bemerken wäre. Überhaupt ist es charakteristisch für die ganze Dichtungsweise Schmidts von Werneuchen, daß er sich in allen Gattungen der beschreibenden Poesie der höchsten Korrektheit, die dann sein Stolz war, befleißigt, sofort aber in Unnatur verfällt, wenn er den Boden des äußerlich Gegebenen verläßt und aus sich selbst zu schöpfen beginnt.
26Eine spätere Notiz des Kirchenbuchs ist nicht gut auf diesen Hans von Stechow, der der erste lutherische Prediger in Fahrland war, zu sprechen. Es wird darin gleichsam Protest gegen die Ernennung von Junkern zu Pfarrherren eingelegt, wenn die betreffende Pfarre auf dem Grund und Boden derselben adligen Familie, der der Junker angehört, gelegen ist. Die Notiz lautet kurz und barsch: „War Hans von Stechow des Gutsherrn Vetter oder Sohn? etwa Cadet des Hauses? warum ward die Einrichtung des Dorfes und der Pfarre damals nicht besser gemacht? etwa darum, weil der Junker seinen Auszug aus dem Gute bekam und also doch leben konnte. Das wäre nichts, wenn nur die gnädigen Junker gnädigst geruhen würden, Landprediger zu werden! Kurz, wir freuen uns unseres Ahnherrn nicht, da er die zukünftigen Zeiten nicht besser beherziget hat. Aus der Hölle ist keine Erlösung. Und der Schlendrian herrscht nirgends ärger als im heiligen statu ecclesiastico.“