Von Anmerkung und Geisterhand

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

A5: In der Tankstelle Tunkel

Geisterhand Zurück zu unserem Straßenkehrer. Denn anstatt die Kreuzung zu überqueren, lenkte er nach links ein, wo sich die Tankstelle Tunkel befand. Ähem!

Anmerkung Hey, das ist doch mein Einwand.

Geisterhand Ähem!

Anmerkung Das mit dem Ähem, meine ich.

Geisterhand Was für ein Pläsir, nicht wahr?

Anmerkung Einfach nur plump!

Geisterhand Die Bühne! Jetzt frei für dich!

Anmerkung Mann!

Der Tankwart Tunkel war in dem Moment, als Berry in dessen Shop eintrat, mit dem Befüllen von Regalen hinter seiner Verkaufstheke beschäftigt. Tunkels großgewachsene Gestalt war in einem blauen Tankwartoverall gesteckt; er war ungefähr genauso alt wie unser Straßenkehrer.

Berry Weckerknecht Hätt ich dir gar nicht zugetraut.

Tankwart Tunkel Horcht, wer kommt von draußen rein?

Berry Weckerknecht So schöne Musik.

Tankwart Tunkel Ja, schön traurig.

Berry Weckerknecht Nur wer das noch mal singt?

Geisterhand Aus einem uralten Röhrenradio, welches auf einem der Regalfächer, und so gar nicht zu der modernen Einrichtung der Tanke passte. Die Musik knisterte; natürlich mono, frei nach dem Motto: “was sonst?”.

Berry Weckerknecht Meinst du, ich komm jetzt drauf?

Tankwart Tunkel Ah, daher der Hahn kräht!

Berry Weckerknecht Man wird schließlich auch nicht jünger.

Tankwart Tunkel Der Tankwart Tunkel dir mal ‘nen Tipp gibt: uralt.

Berry Weckerknecht Ja, das ist mir schon klar, das weiß ich denn auch noch. Nur wer das nochmal gesungen hat?

Tankwart Tunkel Dem auf die Sprünge geholfen werden kann.

Berry Weckerknecht Ach, Tunkel! Dann tu es doch einfach.

Tankwart Tunkel Also, bei der Gruppe handelt es sich um.

Berry Weckerknecht Ein mich auf die Folter spannen dies nennt.

Tankwart Tunkel Um Pussycat.

Berry Weckerknecht Ah!

Tankwart Tunkel Und das Lied heißt “Mississippi”!

Berry Weckerknecht Aber ja, natürlich!

Tankwart Tunkel Der Tankwart Tunkel einen Groschen hinabstürzen hört.

Berry Weckerknecht Kein Wunder! Wenn man auf dem Schlauch steht!

Tankwart Tunkel Bis in unendliche Tiefen.

Berry Weckerknecht Bis in unendliche? Findest du nicht, dass du ein wenig zu weit gehst?

Tankwart Tunkel Mitnichten! Schließlich war es ja auch nicht der Tankwart Tunkel, der auf dem Schlauch gestanden!

Berry Weckerknecht Oh je. Aber meinetwegen, von mir aus.

Geisterhand Aus dem alten Röhrenradio mittlerweile die “Elisabeth- Serenade” ertönte, während Berry sich der gläsernen Schiebetür zugewandt hatte.

Berry Weckerknecht Na denn, nix für ungut. Tankwart Tunkel Das war alles?

Berry Weckerknecht Wie das war alles?

Tankwart Tunkel Oh je! Nicht, dass du schon wieder auf dem Schlauch.

Berry Weckerknecht Ein Wunder, wenn du in Rätseln sprichst?

Tankwart Tunkel Was der Tankwart Tunkel nicht gemacht hat. Sondern lediglich gefragt, ob das alles war. Warum du den Tankwart Tunkel aufgesucht.

Berry Weckerknecht Aber ja natürlich, Tunkel. Schließlich habe ich noch jede Menge andere Dinge zu erledigen.

Tankwart Tunkel Und deswegen bist du in seinenShop gekommen? Um sich nach einem Lied zu fragen?

Berry Weckerknecht Reiner Zufall!

Tankwart Tunkel Seltsam!

Berry Weckerknecht Ja! Nein!

Tankwart Tunkel Was denn nun?

Berry Weckerknecht Wollte lediglich wissen, ob du auch diese neuartigen Kaugummis hast.

Tankwart Tunkel Für Neuartiges immer empfänglich! Schließlich muss ja auch ein Tankwart Tunkel sehen, wo er bleibt!

Berry Weckerknecht Ich fürchte, du hast mich nicht verstanden. Ich meine, ganz bestimmte. Gegenüber von dir ist doch ein Plakat von diesen Kaugummis.

Geisterhand Tunkel nur mit den Achseln zuckelte.

Berry Weckerknecht An der Kirche!

Geisterhand Tunkel herüberspähte.

Tankwart Tunkel Ach, die! Aber natürlich hat der Tankwart Tunkel die! Ganz frische Lieferung!

Berry Weckerknecht Na, denn mal nix für ungut, Tunkel!

Tankwart Tunkel Schließlich muss man auch als Tankwart Tunkel sehen.

Berry Weckerknecht Wo er bleibt, ja, ja!

Tankwart Tunkel Ach, dann willst du welche jetzt.

Berry Weckerknecht Wie?

Tankwart Tunkel Von den neuartigen Kaugummis.

Berry Weckerknecht Ich denke, ich kann mich gerade noch beherrschen.

Geisterhand Doch Tunkel hatte jedoch schon ein Päckchen aus einen seiner Regalfächer gezückt.

Berry Weckerknecht Weißt du, ich mach mir nämlich nichts aus Kaugummis! Ehrlich gesagt!

Geisterhand Tunkel das Päckchen auf die Verkaufstheke schleuderte, gleich neben der Kasse.

Berry Weckerknecht Nanu?

Tankwart Tunkel Kann der Tankwart Tunkel nur empfehlen!

Berry Weckerknecht Die sind anders!

Tankwart Tunkel Und gar nicht teuer!

Berry Weckerknecht Anders als die der Frech hat!

Tankwart Tunkel Was! Den alten Hallodri hast du auch schon wieder getroffen?

Berry Weckerknecht Beim Kalle! Beim Currywurst schlemmen!

Tankwart Tunkel Na klar, wo sonst auch? Also willst du jetzt welche?

Berry Weckerknecht Aber das Päckchen ist ja orange.

Tankwart Tunkel Passt doch zu dir!

Berry Weckerknecht Mit einer Heidelbeere drauf!

Tankwart Tunkel Hat wohl was mit dem Geschmack des Fruchtkaugummis zu tun.

Berry Weckerknecht Ja, aber Tunkel, das ist es doch. Bei denen vom Frech war es haargenau andersrum; da war das Päckchen blau.

Tankwart Tunkel Ach so, du möchtest die mit Orangengeschmack? Hab ich auch.

Geisterhand Der Straßenkehrer war wohl in die Lichtschranke der gläsernen Schiebetür getreten, so dass sie sich nun auftat.

Berry Weckerknecht Passt das blaue Päckchen eigentlich nicht eher zu deinem Outfit?

Tankwart Tunkel Wie darf ein Tankwart Tunkel denn das nun schon wieder verstehen?

Berry Weckerknecht Nix für ungut.

Tankwart Tunkel Ganz schön traurig alles irgendwie.

Berry Weckerknecht Nee, das ist “Mama Loo”.

Tankwart Tunkel Doch nicht etwa von den Les Humphries Singers?

Berry Weckerknecht Na klar! Kenn sogar ich!

Tankwart Tunkel Ah, bevor ich’ s vergesse.

Berry Weckerknecht Also, falls du noch einen deiner Kaugummis in der Hinterhand hast.

Tankwart Tunkel Wieso? Hast du‘ s dir doch anders überlegt?

Berry Weckerknecht Ich glaube, das ist wirklich nix für mich!

Tankwart Tunkel Käme es nicht auf eine Kostprobe an?

Berry Weckerknecht Tschau.

Tankwart Tunkel Nein, warte noch! Bevor ich‘ s vergesse!

Berry Weckerknecht Nix da! Ich bin in Eile!

Tankwart Tunkel Der Eimer vorm Eingang!

Geisterhand Tatsächlich stand vor dem Shop zwischen Kübeln mit Rosen, und anderen Blumen ein dunkelblaues Abfallbehältnis. Nicht dass bei Berry ein Licht aufging, als er das Ding in Visier genommen hatte. Oder vielleicht etwa doch?

Berry Weckerknecht Als ob ich erahne, auf welchen Dampfer du gerade dampfst.

Tankwart Tunkel Wie es den Tankwart Tunkel freut, dass er auch mal verstanden wird.

Berry Weckerknecht Ich glaub, jetzt schlägt‘ s dreizehn! Kann doch nicht dein Ernst sein!

Tankwart Tunkel Und wie!

Berry Weckerknecht Falls es dich interessiert: ich bin ausschließlich für den öffentlichen Abfall zuständig. Und nicht für den privaten.

Tankwart Tunkel Oh, Straßenkehrer! Mein Abfalleimer ist ja auch öffentlich.

Berry Weckerknecht Da lachen ja die Hühner!

Tankwart Tunkel Für meine Kunden schon!

Geisterhand Weckerknecht zog die Augenbrauen hoch, dass es nur so knirschte. Als er den Abfallbehältnis vom Tunkel über die Lade seines Wagens auskippte, purzelte nichts weiter wie Orangenschalen raus.

Berry Weckerknecht Deine Kunden scheinen wohl eine außerordentliche Vorliebe für Orangen zu haben.

Tankwart Tunkel Kann gar nicht sein! Der Tankwart Tunkel nämlich überhaupt keine Früchte verkauft.

Berry Weckerknecht Das überrascht mich jetzt aber. Ich meine, wo du doch sonst immer so gut sortiert sein willst.

Geisterhand Die Ampel, vor der er doch eben schon einmal stand, und die er doch eigentlich längst schon überquert haben wollte, schaltete just in dem Moment auf Rot, als er sein kleines Auto von dem Gelände der Tankstelle gelenkt hatte. Wieder er der Einzige an der Kreuzung war- Pläsir hin, Pläsir her.

 

Er strich sich über die Augen, wieder Müdigkeit sich bemerkbar machte. Die Sonne stand tief und blendete, und es schien beinahe so, als ob das Plakat vor der Kirche rot geworden. Dabei war es doch vorhin noch orange? Oder nicht, dass die schon wieder ein neues hingehängt hatten. Auch war die heidelbeerblaue Heidelbeere nicht mehr heidelbeerblau, sondern grün. Am Ende gar eine andere Sorte? So etwas wie Waldmeister vielleicht?

Berry kniff die Augen zu, gleich mehrfach, die Ampel hatte auf Rotgelb umgeschaltet. Kaum, dass er die Haltestelle an der neuen Moschee erreicht hatte, schwang er sich aus seinem Wagen. Jetzt sollte es schnell gehen. Nein, keinen Zeitverlust mehr, sondern nur noch die Arbeit zu Ende bringen und dann Feierabend. Als unser Straßenkehrer um seinen Wagen herum war, zuckte er zusammen, denn an dem Abfallbehältnis war schon einer, der ausgiebig darin wühlte.

Anmerkung Ein dürrer Mann, dessen Erscheinung erbärmlich war, schlicht und ergreifend. Ja, den Eindruck, dass der nur aus Haut und Knochen bestand, konnte man sich nicht entziehen; auch einer wie der Weckerknecht nicht. Die Kleidung schmutzig und zerrissen, die grauen Haare zerzaust und mit Laub und Dreck versehen. Vertieft in seinem Tun, zückte er ein kleines, violettes Blechkästchen hervor, welches mit Beulen versehen war; die Lackierung hingegen mit Rost versetzt

Geisterhand Das alte Firmengebäude, wo das neue Islamische Zentrum Einzug gehalten hatte, befand sich aufgrund eines Hofs, welcher davor, etwas in Rücklage. Und über den Hof kam geradewegs ein Mann auf die Beiden an der Haltestelle zu. Dieser war jedoch niemand Geringerer wie Hasan Ibrahim Rahman, seines Zeichens der neue Imam der neuen Moschee.

Im mittleren Alter war er vielleicht ein paar Ideen zu klein gewachsen. Bekleidet war er mit einem schlichten grauen Anzug und einem karierten Hemd.

Und als er die Haltestelle, wo der Dürre und wo der Straßenkehrer verweilten, erreichte!

Geisterhand Halt!

Anmerkung Was ist denn jetzt schon wieder?

Geisterhand Zu dem, was sich an der Haltestelle zwischen den nun Dreien abgespielt hatte, kommen wir später zurück.

Anmerkung Nanu?

Geisterhand We have a Break, mein Lieber.

Anmerkung Wieso das denn jetzt?

Geisterhand Weil wir jetzt zunächst auf das eingehen sollten, was sich hinter den Mauern der neuen Moschee abgespielt hatte.

Anmerkung Was für ein Pläsir, nicht wahr?

Geisterhand Woher weißt du das?

A6: Im Islamischen Zentrum

Geisterhand Natürlich hätte es einen faustdicken Grund, warum Hasan Ibrahim Rahman, der neue Imam, die neue Moschee verließ: er war auf dem Weg zum Antiquitätenladen. Natürlich wollen wir auch, wie es überhaupt bis dahin gekommen war, nun schildern.

Erwähnt worden ist ja bereits, dass gerade das erste Freitagsgebet im neuen Domizil stattgefunden hatte.

Und eigentlich ist alles zur Zufriedenheit verlaufen, gerade aus der Sicht des neuen Imams. Erwähnt sollte in jenem Zusammenhang vielleicht noch einmal werden, dass alles noch sehr improvisatorisch war.

So hatte man kurzerhand die ehemalige Lagerhalle des ehemaligen Firmengebäudes zur neuen Moschee umfunktioniert.

Zwar wurde in den Wochen zuvor Wände und Decken gestrichen, auch ein frischer Boden verlegt; doch wirkte die Ausschmückung gerade an den geweißelten Wänden noch äußerst spärlich; um nicht zu sagen, spartanisch.

Wenigstens konnte man vor jenem Freitag noch eine Minbar herbeischaffen. Etwas, was sich bezüglich der ersten Veranstaltung jedoch auf jeden Fall gelohnt hatte, denn war die Moschee recht gut gefüllt. Hauptsächlich von Türken, welche vor allem die verwinkelten, engen Gassen bewohnten und einen nicht unwesentlichen Anteil unserer Vorstadt ausmachten. Nicht zuletzt für sie das neue Islamische Zentrum errichtet worden, was für sie erhebliche Erleichterungen bedeuteten. Denn waren sie bis hierher darauf angewiesen, eine Moschee aufzusuchen, die in einem anderen Stadtteil lag und mehrere Kilometer entfernt war, war dies alles nun quasi vor der eigenen Haustür.

Mit Hasan Ibrahim Rahman wurde dann auch der Imam für die neue Einrichtung einberufen. Will damit gesagt worden sein, erst wenige Wochen zuvor ist er mit seiner Familie in unsere Vorstadt eingezogen. Eine kurze Zeitspanne, die jedoch ausgereicht hatte, um einiges zu erleben; beziehungsweise mitzumachen.

Ursache hierfür sein Sohn Mustafa, welcher gerade mal fünf. Auf der anderen Seite sehr lebhaft, vielleicht manchmal etwas zu lebhaft. So hatte es den Kleinen bei einer Toberei einmal bis in einen von unserer Vorstadt nahegelegenen Wald verschlagen, wo er an einem Abhang, unter dem sich die reißende Stelle eines kleinen Flusses befand, geraten war. Zufälligerweise konnte durch die Aufmerksamkeit des Waisenmädchens Clairie noch rechtzeitig Hilfe geholt werden, so dass der Junge vor dem Allerschlimmsten bewahrt werden konnte- am Ende etwas unterkühlt, sonst nichts.

Doch nicht lange jedoch sollte es dauern, bis dem Jungen ein weiteres Unglück widerfuhr. Diesmal im Verkehrsgarten, welcher sich im Übrigen im Hinterhof des Polizeipostens von Olias Frech befand. Dort löste sich eine simulierte Tanksäule an einer simulierten Tankstelle aus ihrer Verankerung und stürzte auf Mustafa. Und wie es der Zufall so wollte, war auch in diesem Falle das Waisenmädchen Clairie in unmittelbarer Nähe, so dass auch diesmal zügig Hilfe geholt werden konnte. Und bei alldem hatte sich Mustafa bis auf ein paar blaue Flecke nichts weiter zugezogen.

Die Dankbarkeit von Hasan Ibrahim Rahman jedoch keine Grenzen kannte. Dies ging sogar soweit, dass er sich bereit erklärte, das Waisenmädchen, welches im Übrigen zehn Jahre, zu adoptieren. Zumindest gab es hierfür schon Mal Vorgespräche, sowohl mit Oberschwester Theresa, welche ihres Zeichens die Leiterin des Waisenhauses war, wie auch mit Großbürgermeister Klein, dessen Vorstadt- Rathaus im Übrigen gleich um die Ecke neben der Kirche; beziehungsweise von der Moschee nur ein paar Steinwürfe entfernt.

Mit der Billionärs- Ur- Enkelin Tissie Andere hatte Hasan Ibrahim Rahman auch noch ein weiteres Mädel kennen und schätzen gelernt. Eine der ersten Begegnungen im Übrigen vor Tunkels Tankshop stattgefunden hatte. Tissie wohnte allerdings nicht in unserer Vorstadt, sondern fernab in einem Schloss.

Habe dies deswegen alles erwähnt, weil die Begegnungen zwischen dem Imam und Tissie für unsere Schilderungen auch noch von Bedeutung sein wird.

Zunächst jedoch zurück zum ersten Freitagsgebet in der neuen Moschee: natürlich dankte Hasan Ibrahim Rahman hierbei Allah, dem Allmächtigen, für seine Großzügigkeit, mit welchem er ihnen jene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hätte.

Weiterhin ging er auf die unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Islamischen Zentrum und der Vorstadtkirche ein. Denn war es am Ende nicht lediglich ein Zaun? Welcher das Gelände vor ihrem Gebäude von dem Garten, der die Kirche umzingelte, trennte?

Der Imam sprach weiterhin von einer öffentlichen Eröffnungsfeier ihres neuen Hauses, die mit einem Tag der offenen Tür begleitet werden sollte, so dass sich breite Bevölkerungsschichten unseres Viertels, also auch Nicht- Muslime, sich ein Bild von dem neuen Zentrum machen könnten. Was vielleicht auch dazu beitragen könnte, gegen eventuell aufgekeimte Vorurteile und oder Vorbehalte sowohl gegenüber dem Islam wie auch gegen ihre neue Einrichtung wirksam entgegenzutreten.

Auch erwähnte Hasan Ibrahim Rahman, dass es bereits mehrfach zu Begegnungen zwischen Pfarrer Kühnert und ihm gekommen wäre. Wobei der Pfarrer ihm von einem Kirchhoffest unterrichtet hätte, welches zufälligerweise für denselben Tag geplant wäre, an welchem sie ihre Eröffnungsfeier angesetzt hätten.

Daraufhin hätten sich der Pfarrer und er verständigt, den Zaun für diesen Tag abzubauen: beziehungsweise einzureißen, was zeitgleich ein Symbol für eine durchlässig Ökumene wäre.

Und dann erwähnte er auch noch, dass auf dem Kirchhof eine Erzählung stattfinden sollte, vorgetragen von einem gewissen Helm Hops. Wer das sein sollte, könnte er, der Imam zwar auch nicht sagen, doch würde ihm von Pfarrer Kühnert zugesichert, dass es sich um einen Bewohner aus dem nahegelegenen Wald handelte.

Insgesamt war Hasan mit dem Verlauf der ersten Veranstaltung zufrieden; mehr wie das. Seine Stimmung sollte jedoch etwas getrübt werden, als er den Gemeinschaftsraum, welcher gut gefüllt, betreten hatte. Trotz des Gedränges dort gelang es ihm, sich bis zum Kaffeeautomaten vorzuschieben. Welcher im Übrigen einer von Pfarrer Kühnert, und welcher seit Jahren in einem Schuppen stand, da man sich für den Gemeinschaftsraum des Pfarramts einen moderneren angeschafft hatte.

Anmerkung Am Automaten ein auch nicht gerade gänzlich Unbekannter, und einer der wenigen Türken hier, die nicht in unserer Vorstadt wohnten. Nein, sondern am Rand des nun auch schon mehrfach erwähnten Waldes, wo er einen Dönerladen betrieb. Keine Frage, dass es sich hierbei um Ali handelte. Äußerlich unterscheidet sich der vierzehnfache Vater kaum von seinen Landsleuten, welche überall im Raume verteilt. So trug der etwas Kleingewachsene, der darüber hinaus über einen kräftigen, schwarzen Schnauzer verfügte, ebenfalls ein schlichtes Sakko.

Ali Ich weiß natürlich nicht, ob es Ihnen schon aufgefallen ist?

Geisterhand Der Imam zuckelte mit den Achseln, frei nach dem Motto “keine Ahnung, was der jetzt gerade wohl meinte“.

Ali Die Becher.

Geisterhand Erneutes Zuckeln des Imams, während er einen Becher aus dem Automaten hervorzückte.

Ali Knallbunt.

Geisterhand Der Imam schaute sich um. Tatsächlich hatten die Kaffeebecher, die die Leute in den Händen hielten, unterschiedlichste Farben: so gab es weiße wie schwarze, orangene wie blaue, gelbe, violette und rote; der von Hasan hingegen grün.

Hasan Ibrahim Rahman Na und.

Ali Passt doch nicht so recht zu uns. So Knallbuntes.

Geisterhand Daraufhin Ali ein weiteres Zuckeln vom Imam anheim wurde, doch, doch, ganz sicher dem so war.

Geisterhand Mithin machte ihm beim Umschauen durch die Reihen etwas anderes zu schaffen; nämlich dass der Raum überhaupt noch nicht über Tische und Stühle verfügte; so dass die Leute notgedrungen stehen mussten, wohl oder übel!

Unterm Strich betrachtet ein Indiz, wie sehr hier noch vieles improvisorisch war. Auf der anderen Seite kam dem Imam eine der Begegnungen mit Pfarrer Kühnert in den Sinn. Hierbei erwähnte der Pfarrer unter anderem auch mal den Antiquitätenladen vom alten Abraham, und dass man bei dem nahezu alles bekäme, auch Möbelstücke.

Wenig später machte Hasan Ibrahim sich auf dem Weg. Kaum, dass er das Gebäude verlassen, fiel ihm an der Haltestelle der Dürre und der Straßenkehrer auf.

A7: An der Haltestelle

Geisterhand Der Dürre, der das violette Kästchen aus dem Abfallbehältnis zum Vorschein gebracht hatte, starrte in die Luft.

Dürrer Nanu! Da ist doch wer?

Geisterhand Natürlich war da einer, was war mit dem denn los? Oder konnte der etwa nicht?

Dürrer Ich kann zwar nicht mehr sehen.

Geisterhand Der Dürre mit krächzender, gebrochener Stimme sprach. Jetzt erst fiel Weckerknecht ein langer Stab, der an dem Zaun des Kirchgartens gelehnt war, ins Auge. Und auch die Starrheit seines Blicks.

Blinder Aber da ist doch wer.

Berry Weckerknecht Ähem!

Geisterhand Hatte sich unser Straßenkehrer zu räuspern? Frei nach dem Motto: “was war denn nun wirklich alles ein Pläsir? Und was nicht?”.

Berry Weckerknecht Hoch wer kommt von draußen rein?

Blinder Nicht, dass Sie mich am Ende verhöhnen wollen. Oder etwa doch?

Berry Weckerknecht Kann ja nur der Straßenkehrer sein.

 

Blinder Und was wollen Sie hier?

Berry Weckerknecht Ein Verrichten meiner Tätigkeit ich es nennen würde. Wenn man mich nur einfach mal lassen würde.

Geisterhand Nicht, dass der Dürre darauf verschnupft reagierte- oder etwa doch?

Blinder Wollen Sie etwa andeuten?

Berry Weckerknecht Tja, an die Behälter müsste ich natürlich schon rankommen.

Blinder Bitte, bitte! An mir es nicht unbedingt scheitern soll.

Geisterhand In der Tat wich der Dürre ein, zwei Schritte von dem Abfallbehältnis zurück.

Berry Weckerknecht Na bitte, geht doch!Blinder Außerdem gibt der Behälter sowieso nichts her.

Geisterhand Außer.

Blinder Außer das Ding hier.

Geisterhand Bei welchem er das violette Kästchen hochhielt.

Berry Weckerknecht Na ja. Bei allem Respekt! Aber das muss ja nun wirklich nicht sein!

Blinder Sie haben vielleicht ‘ne Ahnung. Wenn einem der Magen bis zur Kniekehle hängt.

Geisterhand Doch schon hatte Berry dem Dürren das Kästchen, welches er mit einem Arm an den Bauch gedrückt, entrissen und es kurzerhand auf seinen Wagen geschleudert.

Blinder Hey, was soll das!

Berry Weckerknecht Da gibt es doch ganz andere Möglichkeiten für Sie.

Blinder Wozu? Mir hätte das Kästchen vollauf genügt.

Geisterhand Just in diesem Moment sich den Beiden Hasan Ibrahim Rahman genähert hatte.

Dürrer Da ist doch noch jemand?

Berry Weckerknecht Äh, ja! Der neue Imam!

Hasan Ibrahim Rahman Was ist denn hier los?

Berry Weckerknecht Nichts weiter. Nur, dass der Fremdling hier Hunger hat.

Dürrer Kein Wunder, wenn man mir das Ding entrissen hat! Welches ich gerade gefunden!

Geisterhand Nicht, dass Hasan nun nachdenklich wirkte. Oder vielleicht doch?

Hasan Ibrahim Rahman Natürlich könnten Sie bei uns eine warme Mahlzeit einnehmen. In naher Zukunft wird es wohl auch möglich sein, dass sich auch bei uns gerade Leute wie Sie stärken können. Nur im Moment leider noch nicht.

Dürrer Das nützt mir ja wohl was.

Hasan Ibrahim Rahman Tut mir ja auch schrecklich leid. Aber bei uns ist momentan noch vieles im Aufbau begriffen.

Berry Weckerknecht Und warum versuchen Sie es nicht einfach im Pfarramt nebenan? Die haben für Leute wie Sie ganz bestimmt noch immer eine Suppe übrig.

Hasan Ibrahim Rahman Keine schlechte Idee. Oder im Rathaus. Bei Großbürgermeister Klein.

Berry Weckerknecht Was wiederum ich nicht empfehlen würde.

Hasan Ibrahim Rahman Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?

Berry Weckerknecht Der befindet sich nämlich im Wahlkampf.

Hasan Ibrahim Rahman Aber im Wahlkampf sind Politiker doch meist besonders in Geberlaune- oder etwa nicht?

Geisterhand Hatte Berry sich am Kopf zu kratzen?

Berry Weckerknecht Na, wenn Sie meinen?

Hasan Ibrahim Rahman Hand aufs Herz! Oder haben Sie die schon mal anders erlebt?

Berry Weckerknecht Ach, wenn Sie wüssten.

Geisterhand Beide, der Straßenkehrer und der Imam, schauten sich um, doch der Dürre war verschwunden; gleichsam wie ein vom Erdboden Verschluckter. Daraufhin hastete Berry bis zur Kreuzung, und schaute um die Ecke, wo sich Pfarrhaus und das Rathaus unserer Vorstadt befanden. Doch von dem Dürren nichts mehr zu sehen, weit und breit nicht.

Zurückgetrabt hatte der Imam inzwischen die Straßenseite gewechselt hatte, wo Leonid Zimmermann gerade seinem Taxi entstiegen.

Hasan Ibrahim Rahman Hallo, könnten Sie mich für ein kleines Stückchen mitnehmen?

Anmerkung Leonid, ein sogenannter Russlanddeutscher, war ein großer schlaksiger Typ in bestem Mannesalter. Eines der Hauptmerkmale des dreifachen Familienvaters sein schwarz-weiß kariertes Jackett, welches schon ein klein wenig an die Rock ‚n‘ Roll- Ära der 1950er Jahre erinnerte.

Hasan Ibrahim Rahman Hey, was mit Ihnen ist?

Geisterhand Zimmermann reckte und streckte sich, dass es gerade nur so ein Pläsir ist.

Hasan Ibrahim Rahman Ob Sie mich ein Stückchen mitnehmen könnten.

Leonid Zimmermann Nein.

Hasan Ibrahim Rahman Nein?

Leonid Zimmermann Habe ich doch gerade gesagt!

Hasan Ibrahim Rahman Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?

Leonid Zimmermann Ich mache Feierabend!

Hasan Ibrahim Rahman Aber wo es doch wirklich nur ein kleines Stückchen ist.

Leonid Zimmermann Nein, tut mir leid. Nichts mehr zu machen.

Hasan Ibrahim Rahman Nur bis zum Antiquitätenladen.

Geisterhand Leonid Zimmermann entfernte sich ein, zwei Schritte von seinem Wagen.

Hasan Ibrahim Rahman Jetzt geben Sie sich doch nochmal einen kleinen Ruck! Soll auch nicht zu Ihrem Schaden sein. Ganz im Gegenteil, Sie kriegen auch ein extra großes Trinkgeld. Na, was sagen Sie jetzt?

Leonid Zimmermann Beim nächsten Mal vielleicht.

Geisterhand Daraufhin der Taxifahrer sich endgültig entfernte. Während der Imam die Achseln zuckelte.

Hasan Ibrahim Rahman Na, dann eben nicht!

Berry Weckerknecht Auf, kommen Sie!

Hasan Ibrahim Rahman Wie?

Berry Weckerknecht Ich fahre Sie.

Hasan Ibrahim Rahman Bei allem Respekt, ihr Gefährt erscheint mir etwas eng.

Berry Weckerknecht Dafür ist es bist zum Abraham nicht allzu weit.

Geisterhand Nichtsdestotrotz zwängten sich beide in das orangefarbene Elektroauto. An der Kreuzung konnten sie im Übrigen beobachten, wie Leonid Zimmermann gerade in die Kneipe verschwand.

Die weitere, zugegebenermaßen ziemliche kurze Fahrt verlief ohne weitere Verkommnisse. Hinter der Absperrung von Gunnar Günsch offenem Gully, welcher bekanntermaßen inzwischen verwaist, wendete Berry, so dass er letztlich vor Kalles Imbiss halten konnte.

Berry Weckerknecht Voila!

Hasan Ibrahim Rahman Danke schön.

Berry Weckerknecht Kein Thema.

Hasan Ibrahim Rahman Auch wenn die Fahrt etwas unbequem.

Berry Weckerknecht Kein Thema.

Geisterhand Und kaum, dass sich die beiden aus dem niedrigen Auto gezwängt haben.

Kalle Mitzwitz Ah, da kommen doch noch zwei.

Geisterhand Denn eigentlich.

Kalle Mitzwitz Denn eigentlich wollte ich jetzt Feierabend machen.

Geisterhand Nochmal ein Denn?

Kalle Mitzwitz Denn es tut sich nicht mehr viel.

Geisterhand Doch.

Kalle Mitzwitz Doch für euch mach ich eine Ausnahme: also, was darf` s sein?

Hasan Ibrahim Rahman Also für mich nichts. Habe nämlich noch was zu erledigen.

Kalle Mitzwitz Schade. Na, denn vielleicht beim nächsten Mal.

Hasan Ibrahim Rahman Ja, vielleicht.

Geisterhand Um sich dann an Berry Weckerknecht zu wenden.

Kalle Mitzwitz Und für dich?

Geisterhand Berry sah dem Imam nach, der in dem Antiquitätenladen verschwand.

Berry Weckerknecht Für mich das Gleiche.

Kalle Mitzwitz Hä? Wie darf ich das denn verstehen?

Berry Weckerknecht Ganz einfach: dass ich auch noch was zu erledigen habe.

Geisterhand Schließlich hatte er immer noch das Entladen seines Wagens auf der Erddeponie vor sich. Seine Augen hatten sich auf die Lade seines Autos verloren, irgendwie; frei nach dem Motto: “als ob da was wäre”.

Kalle Mitzwitz Ich hab noch ‘ne Bratwurst auf ’m Rost. Muss sowieso weg.

Berry Weckerknecht Nanu!

Kalle Mitzwitz Zum halben Preis. Dazu ‘ne Cola. Na, was sagst du?

Berry Weckerknecht Vielleicht beim nächsten Mal.

Kalle Mitzwitz Sage mal! Was ist denn heute eigentlich mit euch allen los?

Berry Weckerknecht Nein, Danke.

Kalle Mitzwitz Bis zum nächsten Mal ist die Bratwurst vielleicht schon verdorben.

Geisterhand Nichtsdestotrotz entfernte sich Berry von seinem Wagen und von Kalles Imbiss. Zuvor hatte er noch das violette Kästchen von der Lade genommen. Gleich neben Abrahams Laden, wo er an den Schulhof grenzte, befand sich am Zaun eine Tür, die allerdings wohl noch nie verschlossen gewesen war. Logischerweise war der Schulhof zur vorgerückten Spätnachmittagsstunde menschenleer- nein, keine Kinder, kein Lehrer, kein nichts. In der Mitte des Hofes stand ein prachtvoller Lindenbaum, unter welcher sich eine rotlackierte Bank befand.

Trotz allem Rosts, was es angesetzt hatte, ließ sich das verbeulte, violette Kästchen leichter öffnen wie vielleicht gedacht. Doch dann wurde der Straßenkehrer geblendet.

Berry Weckerknecht Oh!

Geisterhand Beziehungsweise.

Berry Weckerknecht Das gibt es doch gar nicht!

Geisterhand Denn das verbeulte Kästchen war bis zum Rand mit Goldmünzen gefüllt.

Berry Weckerknecht Ach, du meine Güte!

Geisterhand So, verehrte Besucherin!

Anmerkung Beziehungsweise Besucher!

Geisterhand Woher weißt du das?

Anmerkung We have a Break again! Nicht wahr?

Geisterhand Woher weißt du das jetzt?

Anmerkung Weil wir jetzt wohl erstmal in den Antiquitätenladen schauen. So wie ich dich kenne.

Geisterhand Manches ist halt doch einfach nur ein Pläsir!

Anmerkung Na ja!