Agricola und Germania

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Agricolas Leben bis zur Statthalterschaft

(4) Gnaeus Iulius Agricola, welcher der alten und vornehmen Kolonie Forum Iulia15 entstammt, hatte als Großväter zwei kaiserliche Prokuratoren16 und kam daher aus ritterlichem Adel. Sein Vater Iulius Graecinus17 gehörte dem Senatorenstand an, war benannt nach seinem Eifer in Rhetorik und Philosophie und zog sich durch ebendiese Tugenden den Zorn des Kaisers Gaius18 zu: Denn ihm wurde befohlen, Marcus Silanus19 anzuklagen, und weil er dies verweigerte, wurde er getötet.20 Seine Mutter, Julia Procilla, war von seltener Sittenreinheit. 2 Von ihr selbst21 und mit Sanftmut erzogen, in der Pflege aller ehrenvollen Wissenschaften, verbrachte er seine Jugend. Von den Versuchungen übler Kerle hielt ihn außer seinem guten und anständigen Wesen vor allem die Tatsache ab, dass er von frühester Kindheit an sofort Massilia22 als Wohnsitz und Studienort hatte, eine Stadt, in der sich griechische Freundlichkeit mit provinzialer Sparsamkeit mischt und günstig verbindet. 3 Ich habe in Erinnerung, dass er selbst zu erzählen pflegte, dass er in frühester Jugend vom Studium der Philosophie heftiger gepackt worden wäre, als man es einem Römer oder Senator zugesteht, wenn nicht die Klugheit der Mutter den entflammten und lodernden Geist gezügelt hätte. Natürlich strebte seine erhabene und aufrechte Begabung die Schönheit und den Anblick großen und hochragenden Ruhms eher ungestüm als vorsichtig an. Bald zähmten ihn Vernunft und Alter und er behielt für sich von der Philosophie, was das Schwerste ist: das Maßhalten.

(5) Seine ersten Jahre im Militärdienst leistete er23 in Britannien zur Zufriedenheit des Suetonius Paulinus,24 eines sorgfältigen und maßvollen Feldherrn, welcher ihn in den Kreis seines vertrauteren Umgangs wählte.25 Aber Agricola hat weder freizügig in der Weise der jungen Männer, die den Kriegsdienst in Ausschweifungen verwandeln, noch träge zu Vergnügungen und Geldgeschäften im Urlaub seinen Titel als Tribun oder [den Vorwand] seiner Unerfahrenheit ausgenutzt. Sondern das Kennenlernen der Provinz, das Bekanntwerden beim Heer, das Lernen von den Erfahrenen, den Besten nachzueifern, keinen Ehrgeiz bei der Prahlerei zu haben, nichts aus Furcht zurückzuweisen, gleichzeitig vorsichtig und aufmerksam zu handeln: diese Dinge waren ihm wichtig. 2 Freilich war Britannien kaum jemals mehr in Aufruhr und die römische Übermacht nie zweifelhafter: niedergemetzelte Veteranen, angezündete römische Siedlungen,26 vernichtete Heere.27 Damals wurde um das Überleben gekämpft, bald aber um den Sieg. 3 Dies alles bewirkte, auch wenn es durch die Beschlüsse und unter der Führung anderer vollbracht wurde und wenn freilich der höchste Ruhm dieser Vorgänge und der wiedergewonnenen Provinz auf den Feldherrn fällt, bei dem jungen Mann Fertigkeit, Übung und Ehrgeiz, und sein Herz wurde erfüllt von dem Wunsch nach Kriegsruhm, unwillkommen in Zeiten, in welchen eine ungünstige Auslegung gegen jede Handlung herausragender Persönlichkeiten nicht weniger Gefahr bei großen Taten bedeutete28 als bei schlechten.

(6) Von hier in die Stadt Rom zurückgekehrt, um Ämter auszuüben, heiratete er Domitia Decidiana29 aus einer glänzenden Familie, und diese Ehe war die Zierde und der Rückhalt für ihn, da er nach Höherem strebte.30 Sie führten ihr Leben in wunderbarer Eintracht, gegenseitiger Liebe und indem jeder jeweils dem anderen das Bessere zukommen ließ, außer dass bei einer guten Ehefrau umso mehr Lob ist als bei einer schlechten an Schuld. 2 Das Los der Quästur31 teilte ihm die Provinz32 Asien zu, als [vorgesetzten] Prokonsul den Salvius Titianus,33 und durch keines von beiden wurde er verdorben, obwohl die Provinz reich und für Vergehen höchst verlockend war, der Prokonsul zu jeder Gier geneigt, nach jeder Möglichkeit bereit war, die gegenseitige Geheimhaltung des Übels [von Agricola] zu erkaufen. 3 Dort wurde seine Tochter geboren, gleichzeitig Halt und Trost, denn kurz zuvor hatte er einen anerkannten Sohn verloren.34 Bald verbrachte er, zwischen der Quästur und dem Tribunat35 und wieder im Tribunatsjahr selbst, [seine Zeit] in Ruhe und Muße, vertraut noch mit den Zeiten unter Nero, in welchen Nichtstun als Weisheit galt. 4 Ebenso verhielt er sich in seiner Prätur ruhig. Denn die Rechtsprechung war ihm nicht zugefallen.36 Die Spiele37 und nutzlose Ehrenpflichten führte er auf mittlere Weise aus zwischen Sparsamkeit und Verschwendung, dass er von Schwelgerei weit entfernt und näher am Ruhm blieb. 5 Dann bewirkte er, von Galba ausersehen, die Geschenke an die Tempel zu inventarisieren, mit sorgfältigster Prüfung, dass die res publica außer der Tempelschändung Neros38 keine weitere erleiden musste.

(7) Das folgende Jahr [69] fügte seinem Herzen und seinem Haus eine schwere Wunde zu. Denn während Othos Flottensoldaten wild durch Intimilium39 zogen, was ein Teil Liguriens ist, verwüsteten sie das Gebiet, als sei es Feindesland, und töteten Agricolas Mutter auf seinem Landgut und raubten einen großen Teil seines väterlichen Erbes, was der eigentliche Grund für den Mord war. 2 Daher zu den Trauerfeierlichkeiten aufgebrochen, trat Agricola, als ihn die Nachricht erreichte, dass Vespasian die Herrschaft beanspruche, sofort dessen Seite bei. Die Anfänge seiner Herrschaft und den Zustand der Stadt lenkte Mucianus,40 als Domitian noch ein junger Mann war und aus dem glücklichen Geschick seines Vaters nur die Erlaubnis der Willkür für sich ableitete. 3 Dieser stellte Agricola, der geschickt war, um Truppen auszuheben, und sich anständig und tatkräftig gezeigt hatte, der XX. Legion41 voran, als diese nur zögerlich zum Eid angetreten war; dort, so wurde berichtet, habe der Vorgänger42 einen Aufstand angezettelt. Daher war die Legion für konsularische Legaten43 zu stark und zu schreckerregend, und auch ein prätorischer Legat war nicht in der Lage sie zu zähmen, wobei ungewiss ist, ob es wegen seiner oder wegen der Veranlagung der Soldaten so war. Daher wollte der zum Nachfolger und Bestrafer Ausersehene lieber in seiner ungewöhnlichen Bescheidenheit erscheinen, als ob er gute Soldaten schon vorgefunden und nicht erst erzogen habe.

(8) Damals war Vettius Bolanus44 Statthalter in Britannien, freundlicher als es für diese raue Provinz angemessen ist. Agricola mäßigte seine Kraft und bändigte sein Brennen, damit er nicht zu groß werde, erfahren im Gehorsam und gelehrt darin, das Ehrenvolle mit dem Nützlichen zu verbinden. 2 Kurz darauf erhielt Britannien Petilius Cerialis45 als Statthalter in konsularischem Rang. Die Tüchtigkeit [Agricolas] erhielt nun Raum für vorbildliche Taten, doch zunächst teilte Cerialis nur Mühen und Gefahren, bald aber auch den Ruhm. Oft stellte er ihn einem Teil des Heeres probeweise vor, manchmal größeren Truppenteilen, wenn er erfolgreich war. 3 Und niemals hat Agricola mit seinen Taten seinen Ruf zu steigern versucht. Dem Urheber und Anführer zollte er wie ein Diener Respekt. So stand er durch Tugend im Gehorsam und Scheu im Lob seiner selbst außerhalb des Neids, nicht aber außerhalb des Ruhms.

(9) Als er zurückkehrte vom Kommando der Legion,46 machte ihn der vergöttlichte Vespasian zum Patrizier.47 Und darauf setzte er ihn über die Provinz Aquitanien,48 eine glänzende Amtswürde im Hinblick auf die Verwaltungstätigkeit und auf die Aussicht auf das Konsulat, für das er ihn vorgesehen hatte.49 2 Die meisten glauben, den in Kriegsdingen Begabten fehle in anderen Angelegenheiten die nötige Feinheit, weil die militärische Rechtsprechung grob, ziemlich stumpf und mit Urteilen rasch bei der Hand ist und die Gewandtheit des Forums nicht übt.50 3 Im Übrigen aber waren die Zeiten der Tätigkeit und der Erholung streng getrennt. Sobald Versammlungen und Prozesse es forderten, war Agricola ernst und aufmerksam, streng und öfter auch mitfühlend. Sobald er der Pflicht Genüge getan hatte, trug er aber nicht mehr die Miene des Amtes, Traurigkeit und Anmaßung und Begierde hatte er aus seinem Wesen verbannt. 4 Und was höchst selten ist, seine Fähigkeit verminderte nicht sein Ansehen und die Strenge nicht die Beliebtheit bei den Soldaten. Redlichkeit und Selbstbeherrschung bei einem solchen Mann zu erwähnen, wäre ungerecht gegenüber den anderen Tugenden. Nicht einmal einen besonderen Ruf strebte er an durch Beweise seiner Tugend und durch Kunstfertigkeit, ein Ziel, dem sonst auch oft die Guten erliegen. Fern lagen ihm Rivalität gegen Amtsgenossen, fern der Wettstreit mit Vorgesetzten, denn er glaubte, dass darin zu siegen unrühmlich und darin aufgerieben zu werden schändlich ist. 5 Weniger als drei Jahre51 war er mit dieser Aufgabe befasst, da wurde er auch schon zurückgerufen in Erwartung des Konsulats, nicht indem davon die Rede gewesen wäre, sondern weil er dafür geeignet schien. 6 Nicht oft irren Gerüchte, und manchmal führen sie sogar die Entscheidung herbei. Als Konsul verlobte er, der damals schon zu den hervorragendsten Hoffnungen berechtigte, seine Tochter52 mir als jungem Mann, und danach legte er das Konsulat nieder53 und wurde sofort Statthalter von Britannien, nachdem ihm zuvor noch das Priesteramt eines Pontifex54 übertragen worden war.

Exkurs über Britannien: Land und Volk

(10) Britanniens Lage und die schon bei vielen Schriftstellern55 erwähnten Volksstämme will ich nicht deswegen darstellen, um mich im Vergleich von Sorgfalt und Begabung mit jenen zu messen, sondern weil das Land damals zum ersten Mal gezähmt worden ist. Was daher meine Vorgänger noch nicht mit sicherer Kunde, sondern nur mit gewandter Sprache vorstellten, wird jetzt mit Treue zu den Tatsachen überliefert werden. 2 Britannien ist von den Inseln, von denen die Römer Kenntnis besitzen, die größte und hat von der Ausdehnung und den Himmelsrichtungen her im Osten Germanien und im Westen Hispanien56 als Nachbarn, im Süden wird es von den Galliern betrachtet. Sein Norden dagegen wird von gar keinem Land berührt, sondern von einem rauen und offenen Meer bespült. 3 Die Form ganz Britanniens haben schon in alter Zeit Livius,57 in jüngster Zeit Fabius Rusticus58 als die sprachgewaltigsten Schriftsteller mit einer Raute oder einer Doppelaxt verglichen. Dies ist auch das Aussehen diesseits von Kaledonien,59 weshalb man nun glaubt, es sei überall so. In der Sicht derer aber, die die unermessliche, riesige Strecke an Landvorsprüngen durchschritten haben bis zur äußersten Spitze des Landes, verjüngt es sich wie ein Keil. 4 Die römische Flotte, die damals (83) zum ersten Mal die Küste im äußersten Meer umsegelte, bestätigte, dass Britannien eine Insel ist, und fand und bezähmte gleichzeitig bis dahin unbekannte Inseln, die sie Orkaden60 nannten. 5 Thule61 erblickte man nur, weil der Befehl lediglich bis hierhin reichte und der Winter sich nahte. Aber das Meer ist träge und schwierig für die Ruderer, wie man sagt, nicht einmal von Winden wird es aufgewühlt, weil, so glaube ich, die Länder und Berge, an denen die Unwetter entstehen, hier rar sind und weil die tiefe Wassermasse des zusammenhängenden Meeres langsamer in Bewegung gesetzt wird. 6 Die Natur des Ozeans und die Gezeiten zu untersuchen, ist nicht Aufgabe dieser Schrift, das haben auch schon viele berichtet.62 Nur das eine will ich hinzufügen, dass nirgendwo das Meer weiter herrscht, dass viele Strömungen es hierhin und dorthin tragen und dass es nicht nur bis zum Ufer anschwillt und dann abgeschwächt wird, sondern dass es weit ins Land hineinströmt und es umfließt und sogar auf Hügel und Berge vordringt, als ob diese sein eigener Platz wären.

 

(11) Im Übrigen ist die Frage, welche Menschen Britannien am Anfang bewohnten, Eingeborene oder Eingewanderte wie bei den Barbaren, nicht genau geklärt.63 Die Körperform ist sehr unterschiedlich, lässt aber Rückschlüsse zu. 2 Denn die roten Haare der Einwohner von Kaledonien und die langen Glieder legen einen germanischen Ursprung nahe, die farbigen Gesichter64 der Siluren,65 ihre meist gelockten Haare und die nach Hispanien hin liegenden Wohnorte machen glaubhaft, dass früher Iberer66 übergesetzt sind und diese Gegenden in Besitz genommen haben. Die der gallischen Küste am nächsten Wohnenden sind den Galliern ähnlich, sei es durch die anhaltende Wirkung ihrer Abstammung, sei es, dass das Klima den Menschen in den gegenüberliegenden Ländern die Körpergestalt verliehen hat. 3 Man kann sich jedenfalls, wenn man die Gesamtlage einschätzt, gut vorstellen, dass die Gallier die benachbarte Insel besetzt haben.67 Deren Heiligtümer und abergläubischen Überzeugungen findet man nämlich hier wieder.68 Die Sprache unterscheidet sich nicht sehr;69 und wenn es darum geht, sich auf Gefahren einzulassen, herrscht dieselbe Kühnheit, wenn jene aber näherkommen, dasselbe erschreckte Ausweichen. 4 Dennoch zeigen die Britannier mehr Wildheit, weil sie noch nicht von einem langen Frieden verweichlicht wurden. Denn dass die Gallier einst in den Kriegen sehr stark waren, haben wir vernommen. Bald aber schlich sich Trägheit mit der Muße ein, nachdem die Tapferkeit gemeinsam mit der Freiheit verloren gegangen war. Dies geschah einst auch den Besiegten unter den Britanniern, die Übrigen bleiben so, wie die Gallier einst waren.

(12) In den Fußtruppen liegt ihre Kraft, einige Volksstämme kämpfen auch mit Wagen. Ziemlich angesehen ist der Wagenlenker,70 für ihn kämpfen die Gefolgsleute. Einst gehorchten sie Königen,71 nun werden sie von Häuptlingen zwischen Parteien und Interessen hin- und hergerissen. 2 Und nichts anderes ist gegen solche überaus starken Stämme für uns nützlicher, als dass sie sich nicht gemeinsam beraten. Nur selten kommt es zwischen zwei oder drei Stämmen zu einer gemeinsamen Abstimmung zur Abwehr einer Gefahr. So kämpfen sie alle einzeln und werden gemeinsam besiegt. 3 Das Klima ist durch häufige Regenfälle und Nebel scheußlich, eine extreme Kälte gibt es allerdings nicht. Die Phase der Helligkeit ist länger als die Tageslänge in unseren Breiten. Die Nacht ist hell und im äußersten Teil Britanniens kurz, sodass man Sonnenuntergang und Sonnenaufgang nur durch eine kurze Spanne unterscheiden kann.72 4 Weil man, wenn Wolken ihn nicht verdecken, nachts den Schein der Sonne erkennen kann, versichern sie, dass diese nicht unter- und auf-, sondern nur vorbeigeht. Selbstverständlich lassen diese flachen Länder am äußersten Rand der Erde mit ihrem niedrigen Schatten keine Finsternis aufkommen, und zwischen Himmel und Sternen sinkt die Nacht nieder. 5 Der Boden lässt außer Ölbäumen und Reben und den übrigen Früchten, die in wärmeren Gefilden zu gedeihen pflegen, Nutzpflanzen wachsen und ist fruchtbar. Langsam reifen sie, schnell schießen sie aus dem Boden. Beides ist auf denselben Grund zurückzuführen: Boden und Himmel bieten viel Feuchtigkeit. 6 Britannien bringt auch Gold, Silber und andere Metalle73 hervor als Belohnung des Sieges. Der Ozean enthält Perlen,74 diese sind aber matt und bläulich. Manche glauben, den Sammlern fehle die Kunstfertigkeit, denn im Roten Meer75 werden sie lebendig und noch atmend von den Felsen gerissen, in Britannien dagegen werden sie nur eingesammelt, wie sie gerade ans Ufer gespült werden. Ich allerdings glaube, dass es eher den Perlen an natürlicher Schönheit fehlt als uns an Habgier.

Die Eroberung

(13) Die Britannier selbst nehmen Aushebung, Tribute und die mit der Herrschaft verbunden Dienste76 unverdrossen auf sich, solange diese nicht ungerecht sind. Dies ertragen sie nur schwer, da sie soweit gezähmt sind, dass sie gehorchen, nicht aber dass sie [wie Sklaven] dienen. Daher betrat als Erster von allen Römern der vergöttlichte Iulius [Caesar] (55/54 v. Chr.) mit einem Heer Britannien, und obwohl er die Einwohner in einer erfolgreichen Schlacht erschreckte und sich der Küste bemächtigte, scheint er das Land den Nachkommen nur gezeigt, nicht übergeben zu haben. 2 Bald danach führten die Bürgerkriege77 und die gegen die res publica gewandten Waffen dazu, dass Britannien lange vergessen wurde, auch noch im nachfolgenden Frieden. Der vergöttlichte Augustus (reg. 27 v. Chr.–14 n. Chr.) nannte [die Tatsache, dass Britannien vergessen wurde,] einen klugen Ratschluss, Tiberius (reg. 14–37) nannte es einen Befehl. Dass Kaiser Gaius (40) eine Invasion in Britannien betrieben hätte, wenn er nicht schnell durch seinen unsteten Geist voll Reue und die enormen Anstrengungen gegen Germanien (39) vergeblich gewesen wäre, steht hinreichend fest. 3 Der vergöttlichte Claudius war dann der Urheber des erneut angegangenen Werkes, nachdem die Legionen und Hilfstruppen übergesetzt worden waren (43) und Vespasian für einen Teilbereich hinzugezogen worden war,78 was der Beginn des bald darauf einsetzenden Aufstiegs war.79 Völker wurden gezähmt, Könige gefangen und Vespasian vom Schicksal in den Mittelpunkt gerückt.

Römische Statthalter vor Agricola

(14) Als erster Prokonsul wurde Aulus Plautius80 dem Land vorangestellt (43–47) und bald darauf Ostorius Scapula81 (47–52), beide herausragend im Krieg. So wurde allmählich der dem Festland nächstgelegene Teil Britanniens in den Status einer Provinz gebracht82 und darüber hinaus eine Veteranenkolonie gegründet. Einige Bürgerschaften wurden König Cogidumnus83 übertragen, der in unserer Erinnerung bis heute der Treueste war, nach einer alten und schon längst vom römischen Volk gepflogenen Gewohnheit, wonach es auch Könige als Mittel der Unterdrückung nutzte.84 2 Bald setzte Didius Gallus85 (52–58) das von seinen Vorgängern Begonnene fort, indem nur wenige Kastelle in das gegnerische Gebiet gelegt wurden, durch welche er den Ruf gewinnen wollte, seine Provinz erweitert zu haben. Dem Didius folgte Veranius86 (58/59), und dieser starb bereits binnen eines Jahres. 3 Von da an hatte Suetonius Paulinus87 zwei Jahre lang (59–61) guten Erfolg, indem er Stämme unterwarf und die Stützpunkte stärkte. Durch das Vertrauen in diese griff er die Insel Mona88 an (60), weil diese den aufständischen Britanniern Streitkräfte stellte, und eröffnete damit die Gelegenheit für einen Angriff in seinem Rücken.

(15) Denn als durch die Abwesenheit des Legaten die Furcht von den Britanniern genommen war, verhandelten diese miteinander über die Übel der Sklaverei, berichteten einander ihr erlittenes Unrecht und erhöhten dasselbe noch durch ihre Deutung. Die Geduld nutze nichts, außer dass ihnen noch Schwereres auferlegt würde, weil sie es so leicht zu ertragen schienen.89 2 Einzelne Könige hätten sie früher gehabt, nun würden ihnen jeweils zwei auferlegt, von welchen der Legat gegen ihr Blut, der Prokurator gegen ihren Besitz wüte. Gleichermaßen sei die Zwietracht wie die Eintracht der Vorgesetzten den Untergebenen verderblich. Die Zenturionen als Handlanger des einen, die Sklaven90 als die des anderen brächten Gewalt und Demütigungen hervor. Nichts sei von ihrer Gier, nichts von ihrem Verlangen ausgenommen. 3 Im Kampf gelte der als der Tapferere, der raubt. Nun würden ihnen meistens von Feiglingen und Kriegsunerfahrenen ihre Häuser entrissen, die Kinder abgenommen, Aushebungen zugemutet, von Leuten, die selbst nicht einmal wüssten, für das Vaterland zu sterben. Wie wenig nämlich an Soldaten seien herübergekommen, wenn sich die Britannier einmal selbst zählen [und vergleichen] würden? So habe Germanien das Joch abgeschüttelt, wo es doch nur von einem Fluss,91 nicht einmal von einem Meer beschützt werde. 4 Für sie selbst seien das Vaterland, die Ehefrauen und Eltern der Grund zum Krieg, für die Römer aber Begierde und Schwelgerei. Sie würden zurückweichen, wie der vergöttlichte Caesar zurückgewichen sei, wenn sie (die Britannier) nur die Tapferkeit ihrer Vorfahren nachahmen würden. Und sie sollten nicht in Angst geraten durch den Ausgang der einen oder anderen Schlacht, mehr Angriffslust finde man bei den Glücklichen, mehr Geduld bei den Elenden. 5 Auch würden sich die Götter der Britannier erbarmen, die den römischen Anführer fern und das Heer auf einer entlegenen Insel zurückhielten. Auch sie selbst würden, was das Schwerste sei, gemeinsam überlegen. Ferner sei es bei dieser Art der Beratung gefährlicher, entdeckt zu werden, als etwas zu wagen.

(16) Mit solchen und ähnlichen Reden begeisterten sie sich, und unter der Führung Boudiccas, einer Frau aus königlichem Geschlecht (bei der Herrschaft machen sie nämlich keinen Unterschied des Geschlechts)92 nahmen sie alle zusammen den Krieg auf. Und die in die Lager zerstreuten Soldaten verfolgten sie und drangen, nachdem sie die Stützpunkte zerstört hatten, in die Kolonie selbst ein, gleichsam als den Sitz der Sklaverei, und der Zorn und der Sieg ließen keine bei barbarischen Geistern übliche Art der Grausamkeit aus. 2 Und wenn nicht Paulinus, der vom Aufstand in der Provinz erfahren hatte, schnell zu Hilfe gekommen wäre, wäre Britannien verloren gegangen. Es wurde aber durch das Glück eines einzigen Kampfes wieder in den Zustand der einstigen Duldsamkeit zurückversetzt, wobei die meisten die Waffen weiter bereithielten, die das Bewusstsein des Abfalls und die persönliche Furcht vor dem Legaten antrieb, dass er, obgleich sonst hervorragend, anmaßend gegenüber den Unterworfenen und gleichsam als Rächer des Unrechts, als habe sich jedes einzelne gegen ihn selbst gerichtet, umso härter vorging. 3 Daher wurde Petronius Turpilianus93 (61–63) geschickt, als sei er versöhnlicher, mit den Verbrechen der Feinde nicht vertraut und folglich ihrer Reue zugänglicher, und nachdem er die vorigen Probleme beigelegt, aber nichts darüber hinaus gewagt hatte, übergab er die Provinz an Trebellius Maximus94 (63–69). Trebellius, nachlässiger und ohne Erfahrung in Kriegsdingen, führte die Provinz durch eine gutmütige Verwaltung. Schon lernten die Barbaren, den verlockenden Lastern nachzugeben, und der Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs95 bot eine Rechtfertigung für die Nachlässigkeit. Aber eine Meuterei bereitete Probleme, weil der Soldat, an Unternehmungen gewöhnt, in der Phase der Ruhe leichtsinnig wird. 4 Trebellius, der durch Flucht96 und Verstecken dem Zorn des Heeres aus dem Wege ging, stand bald ehrlos und schändlich in Abhängigkeit vom Heer der Provinz vor, und nachdem er gegen die Freizügigkeit des Heeres nachsichtig war und dem Anführer das Leben zugestanden wurde, legte er den Aufruhr ohne Blutvergießen bei. 5 Auch Vettius Bolanus97 (69–71) brachte bei anhaltenden Bürgerkriegen Britannien nicht durch strenge Zucht in Ordnung. Dieselbe Trägheit herrschte gegen die Feinde, die gleiche Ungehörigkeit im Feldlager, außer dass der unschuldige Bolanus, der noch durch keine Verbrechen verhasst war, sich Zuneigung anstelle von Autorität verschaffte.

 

(17) Sobald aber mit dem übrigen Erdkreis Vespasian auch Britannien gewonnen hatte, gab es große Heerführer und herausragende Heere, und die Hoffnung der Feinde wurde minimiert. Und dann verbreitete sofort Petilius Cerialis98 (71–74) Schrecken, indem er den Stamm der Briganten,99 welcher der größte der ganzen Provinz war, angriff. Es gab viele Gefechte, einige davon keineswegs unblutig, den größten Teil der Briganten überzog er entweder durch Sieg oder durch Krieg. 2 Und Cerialis hätte freilich die Sorgfalt und den Ruf eines anderen Nachfolgers übertroffen. Die schwere Aufgabe aber nahm Iulius Frontinus100 (74–77) auf sich und hielt ihr stand, ein großer Mann, soweit solches damals möglich war, den starken und kämpferischen Stamm der Siluren unterwarf er durch Waffengewalt, indem er nicht nur die Tapferkeit der Feinde, sondern auch die Schwierigkeiten des Ortes überwand.

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