Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht

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2.5 Aspekte meines eigenen Verständnisses von Mehrsprachigkeit

Nachdem in den vorausgegangenen Kapiteln (vgl. Kapitel 2.1 bis 2.4) verschiedene Definitionen und Ansätze vor dem Hintergrund bildungspolitischer Texte und fremdsprachendidaktischer Diskurse exponiert und erklärt wurden, ist es nun an dieser Stelle angebracht, meine eigene Definition von Mehrsprachigkeit zu entwickeln.

Ich betrachte Mehrsprachigkeit nicht als starre Gegebenheit, sondern vielmehr als Kontinuum einer umfassenden, stets im Wechsel begriffenen Situation. Dabei ist es von essenzieller Bedeutung, verschiedene Faktoren wie Gesprächspartner und Kommunikationssituation bei der Beurteilung aktiver Nutzung der Mehrsprachigkeit zu berücksichtigen. Diese Faktoren spielen eine zentrale Rolle, wenn man bei einem einzelnen Individuum oder einer Gruppe die sprachliche Kompetenz bzw. Dominanz einer Sprache feststellen will.

Resultierend daraus liegt Mehrsprachigkeit (allgemein) dann vor, wenn ein Sprecher über linguistische Fähigkeiten sowie sprachbezogene kommunikative Kompetenzen verfügt, um mit einem Gesprächspartner der Zielsprache im Sinne seiner eigenen Redeabsichten kommunizieren zu können.

In Anlehnung an Oksaar (1980), Hufeisen (1994) oder noch Lüdi (1996) ist für mich eine Person mehrsprachig, wenn sie in den meisten Alltagssituationen, mühelos und ohne größeren Aufwand, von der einen Sprache in die andere Sprache umschalten kann – ob sich diese Person zweier oder mehrerer Sprachvarietäten bedient (vgl. z.B. Lüdi 1996) –, sofern dies die Umstände erfordern. Der Grad der Sprachbeherrschung sowie die Eloquenz des Gesprächsaktes können dabei je nach Situation oder angesprochenen Themen unterschiedlich sein und verschiedene Kompetenzniveaus aufweisen (vgl. Oksaar 1980: 43); die ist nicht entscheidend. Vielmehr ist es entscheidend – so Hufeisen (1994) –, dass eine funktionale sprachliche Kompetenz in den beiden verwendeten Sprachen besteht. Im Übrigen gilt für mein Verständnis jeglicher Art von Fremdsprachenkompetenzen die Interlanguage-Hypothese Selinkers.

Ich vertrete weiterhin die Ansicht, dass Mehrsprachigkeit nicht nur ungesteuert (ob simultan oder sukzessiv), im natürlichen, sozialen Umfeld erworben werden kann, sondern dass die Institution Schule durch ihren gesteuerten Fremdsprachenunterricht durchaus künftige mehrsprachige Sprecherinnen und Sprecher ausbilden kann, indem sie das Fundament für lebenslanges (Sprach-)Lernen aufbaut. Hier setzen das Forschungsinteresse und der angestrebte Erkenntnisgewinn der vorliegenden Studie an.

2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik
2.6.1 Begriffsklärung

In unserem Zeitalter der zunehmenden internationalen Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, des Zusammenwachsens Europas und der wachsenden Migrationsbewegungen der letzten Jahre haben sich die Anforderungen an die heutige Lernwelt grundlegend verändert (vgl. auch Kapitel 2.1). Nicht nur die sprachliche Heterogenität in der Gesellschaft allgemein, sondern vor allem auch die sprachliche und kulturelle Vielfalt in den Klassenzimmern ist aktueller denn je (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 9). Diese Vielfalt kann nicht gesondert voneinander betrachtet werden, sondern zusammen betrachtet bildet sie vielmehr die kommunikative Kompetenz des europäischen Bürgers, die gleichzeitig zum lebenslangen Lernprozess, der über die Institution Schule als Lernort hinausgeht, gewinnbringend ausgebaut werden kann (vgl. Wiater 2006: 57f.). Unter diesen Prämissen ändern sich die Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht entscheidend, denn die Sprachenvielfalt unserer modernen Gesellschaften und damit verbunden die latent vorhandene, lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Lernenden (mit Migrationshintergrund) repräsentiert ein Potenzial für das Sprachenlernen. Neue Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht meinen somit einerseits die Frage nach dem konkreten Umgang mit zwei- bzw. mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern, und andererseits wie einsprachige Lernende an Mehrsprachigkeit herangeführt werden können, damit sie sich in ihrem zukünftigen Lebensumfeld problemlos, angemessen und tolerant bewegen können. Die aktuellen Leistungsziele des Fremdsprachenunterrichts sollen sich konkret nicht mehr am herkömmlichen Muttersprachler-Ideal (vgl. Europarat 2001) als allein geltendes, globales Sprachvorbild orientieren. Der nach dieser Auffassung zu erteilende Fremdsprachenunterricht sollte vielmehr darauf bedacht sein, andere Fähigkeiten zu priorisieren, so wie es Werner Wiater (2006) im Folgenden veranschaulicht:

„[…] auf „language (learning) awareness“ sowie auf allgemeine Fähigkeiten zum Lernen von und zum Umgang mit fremden Sprachen wie z.B. Sprachreflexion, Metakommunikation, Metalernen und Aspekte der Sprachenpolitik [Wert zu legen].“ (Wiater 2006: 58; Hervorhebungen im Text)

Die Mehrsprachigkeitsdidaktik hat sich in den 1990er Jahren konstituiert (vgl. Beacco & Byram 2003; Candelier et al. 2007) und ihr Aufgabenspektrum wurde seitdem mehrmalig in Publikationen beschrieben1. Sie nimmt sich ausschließlich die neueren, international gesprochenen Sprachen zum Gegenstand; dagegen werden die alten Sprachen Latein und Griechisch nicht einbezogen (vgl. Wiater 2006: 58). Ihr obliegt es, die Zielsetzungen der Mehrsprachigkeit lehr-, lern- und erforschbar zu machen (vgl. Escudé & Janin 2010: 18). Sie steht in engem Zusammenhang mit der Hinwendung zur Erforschung und Entwicklung der Lernerperspektive, mit der sich seit nunmehr vier Jahrzehnten die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung auseinandersetzt2.

Mehrsprachigkeitsdidaktik, um den Begriff genauer konturieren zu können, charakterisiert eine Form der Fremdsprachenvermittlung, bei welcher die zu unterrichtende Sprache mit explizitem Einbezug der vorhandenen Mehrsprachigkeit der Schülerschaft – sowohl der lebensweltlichen als auch der schulischen Mehrsprachigkeit – gelehrt wird. Auch sollte das bei jedem Lerner inhärente sprachliche und kulturelle Vorwissen für die aktive und passive mentale Verarbeitung einer neuen Sprache nutzbar gemacht werden. Dies beinhaltet die Vorstellung, dass Sprachen nicht mehr nebeneinander, in isolierten mentalen Bereichen und Fächern unterrichtet und gelernt werden; vielmehr sollen jederzeit Verbindungen zwischen den Sprachen hergestellt werden. Alle Sprachkenntnisse und -erfahrungen sollen zu einer kommunikativen Kompetenz beitragen, in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren (vgl. u.a. Europarat 2001; Wiater 2006). Das Erlernen einer neuen Sprache baut auf vorhandenem sprachlichen Wissen, Weltwissen sowie sprachlernstrategischem Wissen auf. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik beruht auf dem Ansatz, überall dort systematisch interlingualen Transfer in den Fremdsprachenunterricht einzubeziehen, wo sich Möglichkeiten in lexikalischer, inhaltlicher, (grammatischer) struktureller, lernstrategischer Hinsicht ergeben (vgl. Martinez & Reinfried 2006). Hierbei geht es darum, Vernetzungen herzustellen und eine mehrsprachige Kompetenz bei dem Lernenden zu bewirken, die es ihm ermöglicht, aus der Gesamtheit seines sprachlichen Repertoires, seiner Sprachlernerfahrungen und -strategien, folglich seiner Kompetenzen in mehreren, verschiedenen Sprachen, zu schöpfen, seine Sprachlernfähigkeit zu unterstützen und dabei eine Sensibilität für Sprachen zu entwickeln (vgl. u.a. Trim et al. 2001: 17ff.; Lutjeharms 2009: 21; Leitzke-Ungerer 2008), ohne dass dabei die Erwerbssituation und der Perfektionsgrad berücksichtigt wird (vgl. Abendroth-Timmer & Breidbach 2000b: 13). Somit lernt die Schülerschaft gleichzeitig, über die jeweilige Sprache und Kultur zu reflektieren und Beziehungsstrukturen zu analysieren.

De Florio-Hansen (2003, 2006) sieht in der Institution Schule die Aufgabe, den lebensweltlich zwei- oder mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen "[…] bei der Entwicklung eines multilingualen Selbstkonzepts zu helfen" (De Florio 2003b: 17), sogar eines „Gesamtsprachencurriculums“, wofür Rück und De Florio-Hansen (2005), Hufeisen und Lutjeharms (2005) oder noch Krumm (2004, 2006) plädieren, denn dieses berücksichtigt das spracherwerbstheoretische Prinzip, welches besagt, dass Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und folglich nicht getrennt voneinander unterrichtet werden sollten (vgl. Hufeisen 2006: 115). Daher sei es in diesem Zusammenhang essenziell, durch das Lernen mehrerer Sprachen den nötigen Grundstein für eine derartige Kompetenz überhaupt erst zu legen.

Die Mehrsprachigkeitsdidaktik kompensiert allerdings nicht die bevorstehenden einzelsprachlichen Didaktiken (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch etc.), sondern sie komplettiert sie und ihr Methodenrepertoire vielmehr, da sie bestimmte Blickpunkte weitgehend außer Betracht lässt, wie beispielsweise die „epistemische Vorgeschichte der Lerner“ (vgl. Meißner 2000b: 65; Doyé 2008).

Der Begriff Mehrsprachigkeit wird inhaltlich weitgehend offen und weit verwendet (vgl. Christ 1990), weil er weder an ein festgelegtes Kompetenzniveau, noch an konkrete Fertigkeiten gebunden ist. Meißner schreibt dazu, dass dieser Begriff

„[…] alle Stufen des Fremdsprachenlernens einschließlich der auf Rezeption beschränkten Sprachkompetenz [erfasst].“ (Meißner 1995: 174)

Nach Franz-Joseph Meißner und Marcus Reinfried stellt eine Mehrsprachigkeitsdidaktik, welche sich an verwandten Sprachen innerhalb einer Sprachengruppe orientiert, den großen Vorteil der Lernökonomie, hauptsächlich im rezeptiven Bereich (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 21) dar, da es für den jungen Lerner darauf ankommen soll, neben dem Erwerb zweier Fremdsprachen während seiner Schulzeit darüber hinaus zahlreiche weitere Sprachen zu verstehen, ohne dass er sich selbst dieser zu bedienen vermag (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 14).

 

Fremdsprachendidaktische Konzepte zur Mehrsprachigkeit und demzufolge neurolinguistische Forschungsergebnisse seien hierbei besonders relevant, denn sie bringen die politischen Entscheidungsträger dazu, Erkenntnisse der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 19; Wiater 2006). Auf der Basis existierender Konzepte entwickelte Franz-Joseph Meißner 1995 das Konzept einer Mehrsprachigkeitsdidaktik, die die einzelsprachlichen Didaktiken lateral begleitet und ergänzt, von der Muttersprache bis zu den Tertiärsprachen (Meißner & Reinfried 1998: 20). Demzufolge beinhaltet das mehrsprachigkeitsdidaktische Konzept nach Meißner und Reinfried (1998) zentrale didaktisch-methodische Betrachtungen: es gründet auf einem kognitivistisch-konstruktiven Lernbegriff, in dessen Fokus die Inferenz steht und der auch als inferentieller Lernbegriff bezeichnet wird. Dabei wird Inferenz als die selbsttätige Fähigkeit des Lerners aufgefasst, sein vorhandenes und abrufbares sprachliches und kulturelles Vorwissen aus der L1 (Erstsprache) bis zu Ln für den passiven und aktiven mentalen Transfer in eine neue Sprache erfolgreich zu nutzen. Somit vernetzt die Mehrsprachigkeitsdidaktik das mehrsprachliche, prozedurale und enzyklopädische Wissen des Lerners durch Anpassung und gezielte Vernetzung respektive Reorganisation der Wissens- und Könnensbestände einer oder mehrerer vor- und nachgelernten Sprache(n). Somit entstehen Synergieeffekte, durch die die fremdsprachliche Kompetenz der Lernenden entwickelt wird. Weiterhin essenzieller Bestandteil der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist die Öffnung des Fremdsprachenunterrichts für unterschiedliche Sprachen und Kulturen (Stichwort: Mehrkulturalität; vgl. u.a. Meißner 2000b), die gleichermaßen jene der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund berücksichtigt, verknüpft und inkludiert (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 20). Somit könne der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, die Gogolin 1994 vehement beanstandet hatte, abgewendet und überwunden werden. Hierauf wird noch einzugehen sein.

(Fremd-)Sprachenlernen nach Annahme der Mehrsprachigkeitsdidaktik vollzieht sich stets auf der Basis von Vorerfahrungen und Vorkenntnissen (vgl. Jakisch 2015: 45). Sie kennzeichnet eine

„[…] Transversaldidaktik, die das die Sprachen und Kulturen Verbindende zusammendenkt und das Zwischen-Sprachen-Lernen fördert.“ (Meißner 2000a: 45)

Das Bestreben der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist es demnach, ein integratives, curriculares Sprachlernangebot mit dem Ziel sprachlicher Handlungsfähigkeit weiterzuentwickeln, die den Lernenden, so Hans-Jürgen Krumm (2003),

„[…] unterschiedliche Optionen für die Entfaltung individueller Mehrsprachigkeitsprofile bietet.“ (Krumm 2003: 46)

In der Mehrsprachigkeitsdidaktik wird das Konzept der Interkomprehension seit geraumer Zeit diskutiert. Im Nachfolgenden wird explizit Bezug auf den EuroComRom-Ansatz genommen und illustriert.

2.6.2 Integrierte Sprachdidaktik

In der wissenschaftlichen Literatur der letzten fünfzehn Jahre hat das Konzept der integrierten Sprachdidaktik immer mehr an Bedeutung hinzugewonnen, wird in der Tertiär- und Mehrsprachenerwerbsforschung aufgegriffen und mit Mehrsprachigkeitsdidaktik in Verbindung gesetzt (vgl. dazu Hufeisen & Lutjeharms 2005; Neuner 2005; Meissner 2005 sowie Martinez 2006). Neuner (2009) betont, dass die integrierte Didaktik nicht als neue Fremdsprachenlehrmethode zu verstanden sei, sondern dass sie als Hyperonym sowohl die muttersprachliche Didaktik (L1) als auch die Fremdsprachendidaktik mit dem Unterrichten mehrerer (Fremd-)Sprachen (L2, L3, Ln) inkludiert und koordiniert. Erkenntnisse und Resultate aus der Spracherwerbsforschung haben gezeigt, dass das Erlernen mehrerer Sprachen für die Lernenden nicht isoliert stattfindet, oder wie es Gerhard Neuner (2009) zum Ausdruck bringt:

„[…] sich […] in separaten ‚Schubläden’ unseres Kopfes vollzieht, sondern in der Entfaltung der einen grundlegenden Sprachfähigkeit besteht.“ (Neuner 2009: 14)

Vielmehr wird ein synergiestiftendes Netzwerk zwischen allen vorhandenen erworbenen Sprachelementen hergestellt, das sich beim Erlernen weiterer einzelner Sprachen kontinuierlich erweitert (vgl. Le Pape Racine 2007: 156; Neuner 2009).

Die integrative Sprachdidaktik steht somit in engem Zusammenhang mit dem Begriff der mehrsprachigen Kompetenz, so wie sie im „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Trim; North & Coste 2001) definiert wird:

„Der Begriff ‚mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz’ bezeichnet die Fähigkeit, Sprachen zum Zweck der Kommunikation zu benutzen und sich an interkultureller Interaktion zu beteiligen, wobei ein Mensch als gesellschaftlich Handelnder verstanden wird, der über – graduell unterschiedliche – Kompetenzen in mehreren Sprachen und über Erfahrungen mit mehreren Kulturen verfügt. Dies wird allerdings nicht als Schichtung oder als ein Nebeneinander von getrennten Kompetenzen verstanden, sondern vielmehr als eine komplexe oder sogar gemischte Kompetenz, auf die der Benutzer zurückgreifen kann.“ (Trim; North & Coste 2001: 163; Hervorhebungen im Text)

Der Begriff „integrierte Sprachdidaktik“ ist in seiner Geschichte einigen Veränderungen unterworfen gewesen. Christine Le Pape Racine und Britta Hufeisen (2005) beispielsweise sprechen von integrierter Sprachendidaktik, die – so die beiden Forscherinnen – selten genau und nicht trennscharf definiert, sondern nebeneinander verwendet wird (vgl. Le Pape Racine & Hufeisen 2005). Mit der Bezeichnung ‚integriert’ wurde die Integration und die damit verbundene Intensivierung der Gemeinsamkeiten in den sich parallel existierenden Sprachdidaktiken sowie in den curricularen Vorgaben mit dem Ziel, Synergieeffekte zu erzielen, angestrebt. Es besteht Einigkeit darüber, dass unter das Konzept der integrierten Sprachdidaktik die Bezüge zwischen den unterschiedlichen Sprachen und der jeweiligen Didaktik gemeint sind, und nicht allein die Thematisierung der Sprache im Allgemein. In jedem Fall soll der Terminus als ein übergeordneter Begriff verstanden werden, so Le Pape Racine (2005), der oberhalb des Konzepts der Immersion angesiedelt ist.

Meissner (2005) beschreibt den Begriff der integrativen Sprachdidaktik in Zusammenhang mit Mehrsprachigkeitsdidaktik. Die Erweiterung von Sprachdidaktik zu Sprachendidaktik betont, dass mehrere Sprachen gemeint sind und nicht nur eine oder die Sprache im Allgemeinen (vgl. Hufeisen & Lutjeharms 2005; Sauer 2004). Es zeigt sich aber, dass die Begriffe noch nebeneinander verwendet werden und nicht trennscharf sind. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass jeder Unterricht Sprachunterricht ist.

Laut Meissner, Klein und Stegmann (2004) sollen Fremdsprachen in einem sprachen- und fächerübergreifenden Ansatz nicht mehr isoliert unterrichtet und gelernt werden, sondern es sollten variierende Verbindungen in allen Bereichen durch Vergleiche hergestellt werden können. Hier ist vor allem die sprachliche Diversität der Schülerinnen und Schüler zu nutzen (Stichwort: Anerkennung der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit der Schüler), welche – auf einer Metaebene – die Sensibilisierung und Reflexion über Sprachen und Kulturen, interkulturelles Lernen fördert, gemäß dem Konzept der language and cultural awareness, welches die bewusste Auseinandersetzung mit der sprachlichen Vielfalt einer Schulklasse involviert und demzufolge die Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität der Lernenden ernst nimmt. Zielvorstellungen sind die Befähigung zu Empathie sowie Eigen- und Fremdverstehen im pluralen Kontext. Le Pape Racine (2007) verdeutlicht dies folgendermaßen:

"[…] indem Lernende andere Sprachen hören, untersuchen und zueinander in Beziehung setzen, entwickeln sie Basiskompetenzen für das Sprachenlernen überhaupt, wie zum Beispiel das Diskriminieren von Lauten, das Erkennen von Mustern und Funktionsweisen von Sprache. Language awareness (Sprachenbewusstheit) bedeutet in der affektiven und kognitiven Dimension: Entdecken, Fragen stellen, Zuhören, Vergleichen, Staunen." (Le Pape Racine 2007: 158)

Sprachliche Vielfalt soll bewusst wahrgenommen und sprachliche und kulturelle Vorurteile sollen abgebaut werden mit dem Ziel, eine weniger ethnozentrische Haltung zur Sprache zu entwickeln und somit eine wertschätzende Haltung allen Sprachen gegenüber einzunehmen. Der Sprachunterricht würde dann eine positive Einstellung zu Sprachen im Allgemeinen fördern, wenn er Lernstrategien bewusst macht und zu Transferleistungen anregt. Dabei ist die Selbstständigkeit im sprachlichen Handeln ein zentrales Anliegen. Der Sprachunterricht, der auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sprachen eingeht, stellt Verbindungen auf kognitiver Ebene her, was das Erlernen der Sprachen untermauert und zugleich rationalisiert.

Des Weiteren wird die integrative Sprachendidaktik von Le Pape Racine (2007) allgemein als eine Grundidee definiert, bei der Erkenntnisse über den Erst-, Zweit- oder Fremdsprachenerwerb zusammengeführt werden. Im Zuge dessen kann es sich sowohl um die Integration von Fremdsprachen und Inhalten nichtsprachlicher Fächer handeln als auch um die Integration verschiedener Sprachen und Kulturen. Das Erlernen und Anerkennen anderer Sprachen repräsentiert eine Bereicherung, eine Erweiterung des kulturellen Horizonts und befähigt dazu, in einer mehrsprachigen und multikulturellen Welt zu leben. Die verschiedenen Sprachen festigen sich gegenseitig auf sprachlicher, textueller und kultureller Ebene (vgl. Gelmi 2005). Auf kognitiver Ebene lernen die Schülerinnen und Schüler Sprachen kennen, sie angemessen und möglichst korrekt rezeptiv und produktiv zu applizieren. Über sprachliche Strukturen und Erscheinungsformen lernen sie zu reflektieren sowie den geschichtlichen, sozialen und kulturellen Werdegang der Sprachen in Betracht zu ziehen. Auf textueller Ebene werden vielfältige Textsorten erkannt und verfasst und in ihren historischen, sozialen und kulturellen Kontext gesetzt. Mit Hilfe von Lektüren erleben Lernende bedeutsame Werke der Literatur der jeweiligen Sprache, Texte werden autonom gelesen und individuell gedeutet. Verschiedene Hilfsmittel wie beispielsweise Wörterbücher leisten hierbei einen wertvollen Beitrag. Auf kultureller Ebene sind Schülerinnen und Schüler in der Lage, Verbindungen zwischen den kulturellen Werken in den verschiedenen Sprachen herzustellen sowie thematische, formale und methodische Vergleiche zwischen den verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen anzustellen. Somit beweisen sie die eigene kulturelle und kommunikative Kompetenz und erweitern sie durch selbständiges Lernen. Sprachen und ihre jeweilige Literatur gewinnen für sie einen erzieherischen Wert und öffnen den Blick für andere kulturelle Welten.