Love Petit Fours

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»Ich will nicht, aber ich muss.«

»Du musst?«

»Mein Urlaub ist zu Ende. Ja, ich muss zurück.«

Sie gestikulierte mit ihren Händen.

»Sieh mich an, Aurelie.«

Sie verlor sich in seinem Blick.

»Du musst nicht, wenn du nicht willst.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Aurelie, du weißt alles, du wusstest es schon am ersten Tag, als ich dir sagte, dass du bleiben wirst.«

Aurelie sah in seine Augen und einige Minuten versanken sie ineinander. »Die Zeit war doch viel zu kurz. Ich weiß nicht was ich tun soll.«

Er nahm ihre Hände und sie spürte die Wärme und die Glut, die er in ihr entfachte. »Manchmal sind Worte nur Worte. Du weißt sehr genau, was du tun musst«, sagte er und sein Gesicht kam näher.

In Inneres und ihr Verstand kämpften. Verrückter Verstand. Lass mich in Ruhe. Sie schloss die Augen und fühlte noch mal diese unglaubliche Wärme und die Glut, die sich in ihrem Körper ausbreiteten und ihr ein Gefühl des Angekommenseins gab. Was sagte Olivier am ersten Tag –

»Ich weiß es und Sie wissen es auch …«

Sylvie C. Ange

Regen und Sturm

Short Vintage Romance

Lass zu, was du längst tief in deinem Innern willst.

Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, dachte Virginie.

Die Reise war anstrengend gewesen und nun stand sie mit Koffer und Tasche am Ufer und niemand war da. Angespannt blickte sie sich um. Ein alter Mann mit sonnenverbrannter Haut und weißem Vollbart hantierte auf seinem kleinen Fischerboot, das wie einige andere Boote im Wasser lag. Virginie hatte keine Lust mehr zu warten und beschloss, wie immer, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

»Excusez moi.« Virginie tippte dem Mann vorsichtig auf die Schulter. Der Alte unterbrach seine Arbeit.

»Kann ich Ihnen helfen?«

»Ist es möglich, dass Sie mich auf die Insel bringen?«

Der Alte blickte zum Himmel. »Dann müssen wir uns beeilen. Wenn der Sturm anfängt, wagt sich niemand mehr mit seinem Boot raus.«

Virginie schüttelte unmerklich den Kopf. Sah der Mann etwas, das sie nicht sehen konnte? Der Himmel war postkartenblau und keine Wolke war zu sehen. Der Alte hievte ihr Gepäck in das Boot und half ihr hineinzuklettern.

Das kleine Boot schaukelte wild und mit jeder Welle wurde Virginies Business-Kostüm, einschließlich ihr selbst immer nässer. Sie wischte über ihr Gesicht, mit dem Erfolg, dass ihre Hand nun schwarz von der herabfließenden Wimperntusche war. Sie nahm das Seidentuch, das sie um den Hals getragen hatte und wrang es aus.

Der Alte sah sie an und lachte. »Der Wellengang ist heute sehr hoch. Das ist immer so, wenn ein Sturm bevorsteht.«

Weshalb die Pfeife des Mannes von keinem Wasserstrahl getroffen wurde, war Virginie rätselhaft. Scheinbar hatte das Meer es nur auf sie abgesehen.

Al sie die Insel ereichten, half ihr der Alte eilig das Gepäck auszuladen, steckte die vereinbarte Summe in seine Hemdtasche und zeigte zum Himmel.

»Da ist die Wetterfont.«

Virginie konnte in der Ferne tatsächlich bedrohlich aussehende Wolken erkennen, aber sie würden sicher nicht so schnell hier sein.

»Wie komme ich zu dem Haus?« Der Alte befand sich bereits auf dem Rückweg und blieb ihr die Antwort schuldig. Zweifelnd stand sie da, sah sich um, ging ein paar Schritte und dann begann es zu regnen, denn die Wolken, die noch so weit weg gewesen waren, standen nun genau über der Insel.

Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Virginie zog ihren exklusiven Lederkoffer auf dem unebenen Weg hinter sich her und bald sah er so schmutzig und nass, wie sie selbst aus.

Zweifellos war die Insel faszinierend, trotz des schlechten Wetters. Es duftete nach wilden Kräutern und der Strand, den sie hinter sich gelassen hatte, war an einem Sonnentag sicherlich einladend. Im Moment hasste Virginie den weißen Sand, der nun in ihren Designerschuhen aus Paris knirschte. Virginie sah an sich hinab. Das Kostüm war mit Wasser vollgesogen und glich einem triefenden Etwas, aber sie musste weiter.

Endlich fand sie einen Pfad, der sichtlich oft benutzt wurde. Weshalb es hier keinen normalen befestigten Weg gab, war ihr unverständlich.

»Bleiben Sie stehen.« Eine befehlende, energische Stimme hielt sie an. »Das ist Privatbesitz. Was tun Sie hier?«

Der Mann vor ihr war beachtlich groß und mit gefährlich blitzenden Augen wartete er auf Antwort.

»Ich bin Virginie Mercier, die Landschaftsarchitektin. Antonin Gillaut erwartet mich. Zu meinem Ärger hat man vergessen mich abzuholen und ich musste einen Fischer bitten, mich auf die Insel zu bringen.«

Der Fremde musterte sie und grinste. Sein tiefgründiger Blick streifte die nasse Seidenbluse, die nun mehr zeigte als verbarg.

»Ja, ich bin ziemlich sicher, dass Antonin Sie erwartet, Madame, aber hier ist nicht die Insel von Gillaut. Der Fischer hat Sie auf die falsche Insel gebracht.«

Virginie blickte dem lachenden Mann nach. Dieser ungehobelte Mensch bot ihr keine Hilfe an, er ließ sie tatsächlich im Regen stehen.

»Bitte, warten Sie«, rief sie. »Ich brauche Ihre Hilfe, ich sitze nun auf dieser Insel fest. Könnten Sie mich vielleicht mit ihrem Boot zur richtigen Insel bringen? Sie besitzen doch ein Boot, oder?«

Er drehte sich um und kam wieder ein Stück näher.

»Meinen Sie im ernst, dass ich bei diesem Wetter mit dem Boot fahre? Ich bin doch nicht lebensmüde.«

»Wo ist dieser Sturm? Es regnet doch nur.«

»Davon haben Sie natürlich wenig Ahnung. Von Zeichen der Natur verstehen Sie sicher gar nichts. Gehen Sie mir einfach nach.«

Virginie blieb die Luft weg. Was bildete sich dieser unrasierte Unhold nur ein? Doch sie hatte keine Wahl, sie musste ihm folgen.

o

Virginie war drauf und dran nicht mehr weiterzugehen, aber dann tauchte auf einer Lichtung ein großes Holzhaus auf, das zwischen hohen Bäumen stand und mit der Natur eins zu sein schien. Die Landschaftsarchitektin in Virginie war angenehm überrascht.

Auch das Innere des Hauses strahlte Wärme aus und dann war noch etwas, das Virginie nicht definieren konnte. Waren es der Frieden und die Harmonie, die hier herrschten? Was hatte sie erwartet? Eine Höhle?

»Wie jedes Jahr, wird der Sturm bestenfalls ein paar Tage dauern, also machen Sie es sich gemütlich. Das Bad ist ein Stockwerk höher und suchen sie sich eines der Zimmer aus.«

Virginie fuhr herum.

»Wie meinen Sie das? Der Sturm kann doch nicht so lange andauern? Ich kann nicht hierbleiben und außerdem habe nicht das Gefühl, dass wir uns verstehen … also nicht das wir dies müssten, aber ich werde erwartet. Wie ist übrigens ihr Name?«

»Ich besaß einmal einen sprechenden Vogel, doch er schwatzte nur halb so viel wie Sie. Allerdings sehen Sie hübscher aus.« Er kam näher. »Wir haben bestimmt amüsante Tage.«

Virginie verstummte abrupt. Hatte sie eben richtig gehört?

»Sie sind unglaublich direkt und Ihr Benehmen lässt zu wünschen übrig. Ich werde weder lange hierbleiben, noch werden Sie mit mir angenehme und schon gar nicht amüsante Tage haben. Würden Sie mir nun endlich Antwort auf meine Frage geben.«

Er lachte und seine dunklen Augen blitzen schelmisch.

»Wie Sie schon sagten, Sie sitzen auf der Insel fest …«, er streckte ihr die Hand entgegen, »ich bin Luc Landier, Innenarchitekt. Hoffe, ich habe Ihre Fragen korrekt beantwortet.«

Virginie starrte ihn an. Das konnte doch nicht wahr sein.

»Sind Sie, der Luc Landier?«

Landier war einer der bekanntesten Innenarchitekten und er galt als exzentrischer Sonderling.

»Wie es scheint, kennen Sie mich bereits.«

»Einschlägige Journale verraten viele Geheimnisse. Sp sehen Sie also in Wirklichkeit aus, ganz anders als in den Zeitungen. Nun, da wir die üblichen Begrüßungsformalitäten absolviert haben, würde ich jetzt gerne meine nasse Kleidung ausziehen.«

Er zeigte zur Treppe.

»Bitte Madame, wenn Sie mich brauchen, ein Hilferuf genügt.«

Sein Grinsen war unverschämt, aber gleichzeitig magnetisch und während Virginie sich in dem Zimmer ihrer Kleidung entledigte, hatte sie den sinnlichen Mund und die blitzenden Augen dieses unhöflichen Wilden in ihre Gedanken.

o

Der angekündete Sturm heulte nun tatsächlich um das Haus und der Himmel schien alle Schleusen geöffnet zu haben, denn es regnete nicht mehr, es schüttete. Virginie warf ihr Handy auf den Tisch. Es machte keinen Sinn mehr unermüdlich die Tasten zu drücken, es kam einfach keine Verbindung zustande, sie war hier auf der Insel gefangen. Langsam kleidete sie sich an und ging wieder hinunter, um nach etwas Essbarem zu fragen.

»Sind Sie immer so?« Luc musterte sie wieder, während er Gläser aus einem Schrank nahm.

»Was meinen Sie?«

»Sie sehen aus, als ob sie für eine Fotosession zurechtgemacht sind. Auch in ihrem durchnässtem Outfit wirkten Sie verkrampft und angespannt. Nur Ihre Bluse ließ reizende Einblicke zu.«

»Jetzt habe ich aber genug. Seit ich unglücklicherweise hier gelandet bin, haben Sie ständig etwas auszusetzen. Geschäftskleidung ist gediegen und nicht vulgär und außerdem geht Sie das gar nichts an.«

Er hörte zu hantieren auf, kam näher und sah sie an.

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie versuchen weniger geschäftsmäßig zu sein, werden etwas legerer, damit wir die paar gemeinsamen Tage durchhalten. Erste Aufgabe, wir begeben uns zu Sturm und Regen, damit Sie zurück zu ihren Wurzeln finden.«

 

»Sind Sie verrückt? Ich gehe bestimmt nicht dort hinaus. Ich brauche nicht zu irgendwelchen Wurzeln zurück, was immer das bedeuten soll.«

Er nahm sie an der Hand. »Keine Widerrede, Madame.

Lucs Hemd lag einfach am Boden und der Regen rann an dem muskulösen, gebräunten Körper hinab. Er legte seinen Kopf zurück und schloss die Augen, stand einfach da, wie eine Skulptur.

Virginie wusste nicht mehr, warum sie nun tat, was sie eben gar nicht tun wollte. Vorsichtig trat sie ins Freie, dann knöpfte sie die Bluse auf und ließ sie nach Sekunden ebenfalls einfach auf den Boden fallen. Der Regen war warm und die wilden Sturmböen, die ihre zarte Gestalt erfassten, fühlten sich fremd und sinnlich an. Unmengen Bilder zogen durch ihre Gedanken. Wann war sie das letzte Mal im Regen gestanden? Als Kind? Sie erinnerte sich nicht. Vielleicht war sie tatsächlich zu angespannt und verkrampft. War sie zu viel mit ihrer Karriere beschäftigt? Weshalb kam diese Erkenntnis gerade jetzt. Was passierte ihr nur an diesem seltsamen Ort?

Plötzlich spürte sie Hände, die sie sanft zurück ins Haus schoben. »Wie war es?« Luc nahm ein Handtuch und tupfte zart ihr Gesicht ab.

Virginie nickte langsam. »Ungewöhnlich, verrückt, aber es hat etwas Mystisches, etwas Wildes.«

»Bravo, sie haben eine Erkenntnis gewonnen. Wollen Sie jetzt essen?«

»Ja bitte, aber ich möchte dies auf dem Zimmer tun, ich bin sehr müde.«

»Wie Sie wollen, Madame.«

o

Virginie öffnete die Augen und warf die Bettdecke beiseite. Weshalb träumte sie in der ersten Nacht von diesem Mann, den sie nicht kannte und nicht ausstehen konnte? Das Erlebnis im Regen hatte sie wohl verwirrt. Virginie, nimm dich zusammen, ermannte sie sich. Ihre Lippen fühlten sich an, als wäre sie auf einer Wanderung durch die Wüste.

Sie stand auf und schlich leise die Treppe hinab. In der Küche brannte Licht und schon wollte sie kehrt machen, da hielt sie Lucs Stimme zurück.

»Schlecht geträumt?«

»Nein, aber ich habe großen Durst.«

Plötzlich grollte es ohrenbetäubend und die so distinguierte Virginie Mercier fand sich in den Armen des ungehobelten Fremden wieder.

»Sie haben doch nicht etwa Angst? Ich bin sicher, Sie können Blitz und Donner wissenschaftlich erklären?«

Er hob ihr Kinn.

»Jeder kann das.«

»Natürlich kann das jeder, aber weshalb sind Sie in meine Arme geflüchtet?«

Seine Finger strichen sanft über ihre Wangen, fuhren ihre geschwungenen Augenbrauen nach, wanderten über ihre Lippen und suchten sich bereits einen Weg über ihren Hals.«

»Würden Sie mich wieder loslassen.«

Virginie atmete schneller.

»Wollen Sie wirklich, dass ich Sie loslasse?«

»Ja, was denken Sie denn?«

Virginies Verstand sagte, dass sie sich sofort aus Luc Landiers Armen lösen musste. Sie kannten sich kaum ein paar Stunden und hatten noch keine richtige Konversation geführt. Das war kein Verhalten für Virginie Mercier. Schließlich war sie kein Backfisch, der sich von diesem Mann beeindrucken ließ. So faszinierend war er doch gar nicht. Du lügst, Virginie und suchst nach Ausreden. Ihre innere Stimme lachte sie aus.

»Du denkst zu viel, Virginie Mercier.« Er beugte sich herab und seine Lippen umschlossen die ihren, sanft und doch nach mehr suchend.

Virginie kam Götterspeise in den Sinn, zuckersüß und nicht von dieser Welt.

»Was möchtest du, Virginie?«

Virginie verlor sich in seinen Augen, nur mit Mühe entzog sie sich ihm.

»So etwas passiert nicht wirklich. Du verunsicherst mich. Ich bin altmodisch, konservativ … ich weiß gar nicht was mit mir geschieht. Ich muss jetzt schlafen«, stammelte sie völlig zusammenhanglos.

Luc lächelte. »Hin und wieder passiert etwas Unwirkliches und sich der Magie zu entziehen, ist nicht sinnvoll, denn wer weiß, wie lange sie anhält.

o

Es war 2:33 Uhr morgens, als der Sturm das Fenster aufriss und durch das Zimmer raste. Virginie sprang halb schlafend aus dem Bett und versuchte es zu schließen, aber sie versagte kläglich.

»Verflixt …«

Ihre Beine machten sich selbstständig und gingen zu Lucs Zimmertür, wo sie krampfhaft überlegte, ob sie klopfen sollte oder nicht. Ich bin wohl nicht ganz bei Sinnen. Was tue ich da nur? Sie drehte sich um.

»Virginie? Du willst doch nicht etwa zu mir?«

Luc kam, nur mit Shorts bekleidet, die Treppe hoch und lehnte nun abwartend am Geländer.

»In meinem Zimmer ist das Fenster kaputt.«

Er ging weiter auf Virginie zu, schob sie sanft zurück.

»Das dummer Fenster.«

»Luc , ich habe an deine Tür geklopft, weil ich das Fenster nicht mehr schließen kann.«

Er öffnete seine Tür und schob sie weiter.

»Ich weiß, du bist Landschaftsarchitektin und kein Fensterexperte.«

»Hör mit dem Unsinn auf. Was willst du nun tun?«

Er strich über ihre Locken und streifte wie zufällig den Träger ihres Nachtkleides von der Schulter.

»Deine Augen sind so blau, wie der Himmel und das Meer.«

»Luc, das Fenster, es regnet in das Zimmer.«

»Du duftest wundervoll, Virginie.«

»Luc … ich habe gefragt, was du tun wirst.«

»Ich werde dich küssen.«

»Aber das Fenster …«

»Ganz ruhig Virginie. Lass zu, was du längst tief in deinem Innern willst.«

»Ich … ich …«

Virginie fand keine Worte mehr. Alle Widerstände verblassten, verschwanden, als sie Lucs tiefgründigen Blick fand. Dann wusste sie, dass diese stürmische Nacht, der Beginn von vielen süßen, duftenden, sinnlichen Nächten war.

Sylvie C. Ange

Ein zauberhafter Irrtum

Short Vintage Romance

Es war die letzte Chance, um deine Gefühle zu befreien.

So plötzlich? Bist du dir wirklich sicher?«

Marielle starrte Sam an, als ob er etwas Ungehöriges gesagt hatte. Sam setzte sein kennzeichnend verwegenes Gesicht auf.

»Diese Frage habe ich nicht erwartet. Ich dachte eher an - Herzlichen Glückwunsch - oder so etwas Ähnliches. Hast du etwas dagegen?«

Marielle merkte, dass ihre Stimme ungewöhnlich hoch klang. »Ich habe nichts dagegen, weshalb sollte ich auch. Dies steht mir gar nicht zu.«

Sams Grinsen verschwand.

»Du hast also nichts dagegen?«

»Nein, willst du mich aufziehen? Ich möchte nur, dass du unsagbar glücklich bist.

Sam hob die Augenbrauen.

»Das möchtest du? Dann wäre ich sehr glücklich, wenn du mit mir zurück nach Wellington reist und meine Trauzeugin bist.«

»Trauzeugin?« Nur mit Mühe kam ihr das Wort über die Lippen.

»Alles in Ordnung, Marielle?«

Sie versuchte sich zu fassen.

»Alles bestens. Selbstverständlich werde ich deine Trauzeugin sein. Das ist doch fast meine Pflicht.«

Sam umarmte sie und küsste sie auf die Wangen.

»Also dann ist es abgemacht. Wir reisen in sieben Tagen. Es gibt noch viel zu tun.«

o

Marielle fühlte sich, als ob alles Leben aus ihr gewichen war. Sie konnte nicht erklären, was sie plötzlich empfand.

Sam und sie waren miteinander aufgewachsen und befreundet, seit sie denken konnte. Niemals hatte eine Entscheidung ohne den anderen stattgefunden. Sie hatten miteinander gelacht und geweint. Nahezu alles hatten sie gemeinsam gemacht. Nur wenn Sam ihr zu nah gekommen war, war sie zurückgewichen, weil … weshalb eigentlich? Wovor hatte sie Angst? Vor der Liebe? Vor der zuckerrosa, himmelhoch jauchzenden zu Tode betrübenden Liebe? Meine Güte, die Liebe war doch nur ein chemischer Prozess, nichts weiter. Meinst du, flüsterte eine Stimme in ihr.

Marielle versuchte sich zu bewegen, doch der Schmerz in ihr gewann Oberhand. Sie spürte einen imaginären glühenden Dolch, der ihr Herz zu durchbohren versuchte. Es schien sich auf einmal alles in Zeitlupe zu bewegen und dann kam die Erkenntnis. Nun war es ihr mit aller Klarheit bewusst.

Sie liebte Sam, hatte ihn immer schon geliebt. Hätte sie diese Tatsache nie verdrängt, dann wäre er nicht jener Frau begegnet, die er nun heiraten wollte. Sie hatten so viele Träume miteinander gehabt, die zu verwirklichen wundervoll gewesen wären.

Hätte … wäre … es war sinnlos darüber nachzudenken. Nun war es zu spät. Sie hatte ihre Chance gehabt.

o

»Was sagst du? Bin ich in diesem Anzug ein standesgemäß angezogener Bräutigam?«

Marielle blickte auf Sams Gestalt. Der dunkle Anzug und das weiße Hemd passten ihm ausgezeichnet und er wirkte noch anziehender. Wieder wurde ihr vor Augen geführt, wie dumm sie doch gewesen war.

»Passt wie für dich gemacht.«

Marielle zupfte an ihren Haaren, was sie immer tat, wenn sie nervös war. Niemals hätte sie für ihn den Anzug ausgesucht, aber Sam hatte darauf bestanden und sie konnte ihm den Wunsch einfach nicht abschlagen.

So gerne hätte sie ihm, wie sie es oft getan hatte, seine vorwitzige Haarsträhne, die ihm meist in die Stirn fiel, zur Seite gestrichen, aber der Kampf mit den Tränen, die unaufhörlich aufsteigen wollten, war anstrengend. Ihre Augen brannten und sie hatte das Gefühl, dass man ihr ansah, wie betrübt sie war.

»Hallo, Marielle, Marielle … weilst du noch auf Erden?«

Sam war näher gekommen und nahm ihre Hände. Ihr wurde heiß und kalt.

»Verzeih Sam, ich habe heute dummerweise furchtbare Kopfschmerzen.« Sie hatte gar nicht gelogen. Ihr Kopf fühlte sich an, als ob er gleich zerspringen würde.

Sam strich ihr über die Wange, über ihren Hals und blickte sie auf sonderbare Weise an.

»Geht es dir gut?«

Seine Stimme klang besorgt.

»Ja. Zum Glück habe ich schon mein Kleid gefunden.«

»Danke Marielle, danke, dass du mit mir die Einkäufe erledigt hast.

Sie tranken noch gemeinsam Tee und Marielle versuchte sich ihren Zustand nicht anmerken zu lassen.

»Ich muss los, Marielle. Wir treffen uns, wie ausgemacht, morgen.«

Marielle nickte und als Sam sie zum Abschied küsste, drehte sie sich schnell um und ging davon, damit er die dummen Tränen nicht sah, die nicht versiegen wollten.

o

Marielle starrte mit müden Augen in die Dunkelheit. Sie fror, trotz der Decke, die sie sich bis über den Kopf gezogen hatte.

Morgen ging die Reise nach Wellington los. Konnte sie vielleicht doch absagen? Nein, es gab keinen Ausweg, sie musste ihr Versprechen halten. Sie ging ins Bad und blickte in den Spiegel.

Ihr Gesicht war blass und die sonst so hübschen großen Augen sahen nun müde aus und waren rot umrandet. Sie hatte in den paar Tagen kaum gegessen und wirkte noch schmaler, als üblich. Verdammt, Marielle, nun nimm dich zusammen, dachte sie laut und erschrak über ihre eigene Stimme. Du hast alles selbst verursacht. Dachtest du tatsächlich, dass ein Mann wie Sam, immer bei einer dummen Pute bleibt, die Angst vor Nähe und vor dem Schmerz der Liebe hat?

Werde erwachsen, insistierte das Spiegelbild. Wenn du immer Furcht vor der Liebe hast, wirst du niemals wissen, wie sie sich anfühlt. Du hast dich beschützen wollen, hast darauf geachtet Sam nicht zu nah zu kommen und trotzdem verzweifelst du nun an den Schmerzen, denen du entkommen wolltest.

Marielle strich über ihre Augen.

Dumme, alberne, Marielle, bist du nun fertig mit deinem Selbstmitleid? Genug jetzt. Sie würde Sam eine fabelhafte Trauzeugin sein, das war das Einzige das sie noch tun konnte, und sie würde einen herrlichen Urlaub in Wellington haben. Sie würde Sams neues Zuhause sehen … mit seiner Braut sprechen … die sie noch gar nicht gesehen hatte. Doch das war typisch Sam. Seine Entscheidungen waren schnell gemacht und wenn er sich zu etwas entschlossen hatte, dann war dies auch so, endgültig.

o

»Augen auf. Also. Wie gefällt es dir?«

Sam strahlte über das ganze Gesicht. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich.

»Sam, es ist großartig … genau wie …« Marielle hielt inne.

»Genau wie?« Sams Frage klang, als ob er nicht vergessen hatte, wovon sie einmal geträumt hatten.

»Es ist genau richtig für dich und deine zukünftige Familie.«

Inmitten der grandiosen Natur, stand ein weißes Haus und die riesigen Bäume ringsum waren ein faszinierender Anblick. Es dämmerte bereits und nun war das Haus mit elektrischem Licht beleuchtet, doch war erkennbar, dass es bei Tageslicht hell und licht durchflutet sein musste. Auf der Veranda rankten farbenfrohe Blumen, deren Namen sie nicht kannte und selbst die Schaukel stand dort, wo sie selbst sie hingestellt hätte. Ob sie auch quietschte, wie jene, die sie in ihren Träumen gesehen hatten?

 

Marielle betrachtete die beleuchteten Stufen, die zur Veranda und zum Eingang führten. Ihr stockte der Atem, als sich die Tür öffnete. Was sollte sie nur tun? Sie wollte die Frau nicht sehen. Sie kniff die Augen zusammen.

»Hast du Angst vor Hunden, Marielle?«

Sam lachte laut, während er dem schwarz- weißen Hund den Kopf streichelte.

»Das ist Luna. Weißt du noch, du wolltest immer einen Hund namens Luna.«

Marielle hielt den Atem an. Weshalb quälte sie Sam so? Das war doch gar nicht seine Art. Was hatte sie nur für absurde Ideen. War die Sonne, die sie auf der Herfahrt noch genießen durfte, zuviel für sie gewesen?

Luna kam wedelnd zu ihrer Hand und stupste sie.

»Sie kann dich gut leiden.«

Marielle strich über das schwarz-weiße Fell, blickte wieder auf und atmete die herrliche Luft ein. Was war es nur, dass alles hier ihr so vertraut vorkam, so als ob sie schon immer hier gewesen war und nicht erst vor einigen Stunden gelandet war.

Erneut öffnete sich die Tür. Der Kloß in ihrem Hals fühlte sich an, als ob sie zu ersticken drohte. Du musst dich zusammennehmen, sagte sie sich immer wieder. Die Frau, die auf der Veranda erschienen war und freundlich lächelnd winkte, war der genaue Gegensatz zu ihr. Sie hatte brünette kurze Haare, war klein, trug ein verwaschenes legeres Hemd und weite Bermudas. Sie war nett anzusehen und sehr sympathisch, sicher der vielgerühmte Freund mit dem man Pferde stellen konnte. So sah sie also aus, jene Frau, die Sams Herz erobert hatte.

Sam winkte ihr zu. »Wir sind hier, Lou.«

Lou kam näher und streckte Marielle lachend die Hand entgegen.

»Du bist Marielle. Sams Beschreibungen waren nicht übertrieben.«

Marielle fasste die Hand und musste sich eingestehen, dass sie Lou sehr herzlich fand. Vielleicht würde ihr dann alles leichter fallen.

o

Marielle streckte sich auf dem großen Bett aus. Der lange Flug war anstrengend und ermüdend gewesen, trotzdem gelang es ihr nicht einzuschlafen. Was hatte Sam über sie erzählt? Wie hatte Sam sie beschrieben? Marielles Gedanken flogen von einer quälenden Frage zur anderen. Was sollte sie bloß tun, dass diese Gedanken aufhörten?

Marielle schlug die Augen auf. Nun hatte sie doch ein wenig geschlafen. Sie stand auf, schaltete das Licht an und blickte aus dem Fenster. Der Mond zeigte sich als riesige leuchtende Kugel. Sie öffnete die Terrassentür, ging ins Freie und atmete tief durch. Erneut hatte Marielle die Befürchtung, dass sie das alles hier nicht durchstehen konnte. Vielleicht sollte sie doch davonlaufen.

»Bist du mondsüchtig, Marielle?«

»Sam, du … du hast mich erschreckt.«

Als Sam näher kam und sie in seine Augen blickte, begann sie zu zittern. Nein, sie schaffte es nicht. Sie musste weg. Auch wenn sie gerade um die halbe Welt gereist war. Sie musste Sam sagen, dass sie ihr Versprechen nicht einhalten konnte.

Sam berührte ihren Arm und Marielle zuckte zusammen.

»Was hast du, Marielle? Willst du mir etwas sagen?«

»Nein, nein … doch … ich …«

Verzweifelt wandte sich Marielle ab und lief in das Zimmer, doch Sam holte sie ein und hielt sie fest. Er drehte sie sanft zu sich. Sein Blick war fragend und irgendwie lauernd.

»Ich kenne dich mein ganzes bisheriges Leben, Marielle und ich sehe genau, dass dich etwas bedrückt.«

Marielle kämpfte mit sich einen aussichtslosen Kampf und senkte den Kopf.

»Sam, ich kann … ich kann nicht …«

Ihre Stimme versagte.

»Was kannst du nicht?«

Sam hielt sie fester und hob ihr Kinn.

»Sieh mir in die Augen, Marielle.«

Marielle versuchte sich seinem Blick nicht zu entziehen.

»Nun, ich warte auf Antwort, Marielle.«

»Ich kann es dir nicht sagen, weil es sinnlos wäre.«

»Was ist sinnlos?

Sams Stimme klang anders als sonst.

»Ich kann nicht hierbleiben.« Jetzt war es heraus.

»Weshalb?«

»Weil …«

»Sag es, Marielle.«

Marielle wand sich.

»Sag es endlich, Marielle.«

Marielle spürte seine Hände und seinen Körper. Sie schloss die Augen und plötzlich fühlte sie seine Lippen auf den ihren. Ohne Nachzudenken schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und klammerte sich an ihm fest. Was tat sie da nur? War sie verrückt geworden und was tat Sam?

»Sam, Sam, nicht. Um Himmels willen, nicht.«

Sam zog sie fester sie an sich und legte einen Finger an ihre Lippen.

»Sag endlich was dich so unglücklich macht, Marielle.«

Was wusste Sam von ihren Gefühlen?

»Marielle?«

»Ich bin so dumm gewesen, Sam. Ich hatte Angst vor dem Schmerz, den ich eventuell hätte erleiden müssen, wenn ich zulasse, dass ich liebe und geliebt werde. Deshalb hab ich deine Nähe immer gefürchtet. Aber jetzt ist plötzlich alles anders … dieser furchtbare quälende Schmerz ist trotzdem da, weil ich erkannt habe, dass es zwecklos ist, gegen solche tiefen Gefühle zu kämpfen. Bitte Sam, lass mich nicht weitersprechen. Ich habe diese Einsicht zu spät gewonnen und damit muss ich nun zurechtkommen.«

»Sprich weiter.«

Sie musste es ihm sagen, er würde keine Ruhe geben, das wusste sie.

»Ich liebe dich, Sam. Das tat ich schon immer, war nie anders und wird auch nie anders sein. Doch was hast du nun davon, wenn du dies weißt?«

Sam zog sie an sich.

»Hör auf, Sam.«

»Es war ein langer Weg und ich dachte fast, du würdest es niemals über die Lippen bringen.«

Ungläubig sah Marielle, dass Sam lachte. Wie sie dieses Lachen liebte.

»Ich liebe dich, Marielle, das tat ich schon immer, war nie anders und wird auch nie anders sein.«

»Was? Sam, ich verstehe nicht.«

»Verzeih mir, mein blonder Engel, aber ich musste diese Täuschung anwenden, um dich hierher und aus der Reserve zu locken. Lou war so freundlich, mir bei meinem Vorhaben zu helfen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern am Nebengrundstück. Es war die letzte Möglichkeit, um deine Gefühle zu befreien, aber mein Plan war doch gut, oder?«

Marielle fühlte ein überirdisch süßes Gefühl, das sich in ihr ausbreitete.

»Lou ist nicht deine Freundin? Es findet gar keine Hochzeit statt?«

Sam küsste sie, bis sie atemlos um Luft bat.

»Doch. Lou ist meine Freundin und ihr Mann ist mein Freund und es findet ganz sicher eine Hochzeit statt.

Unsere.«

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