Geschichten von Jar

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Prinzessin, ich habe mir nun mein Bild gemacht. Auch ich spreche daher nicht nur für mich, sondern für alle Wanderer, die in Euren Diensten stehen. Wir werden unsere ganze Kraft dazu verwenden, Eure Vorstellungen umzusetzen, denn Ihr habt mit Euren Worten bewiesen, dass Ihr mehr als in der Lage seid, dieses Reich zu führen. Ihr seid genau die Prinzessin, die sich das Volk von Jar seit langem erhofft hat.

Einar machte eine tiefe Verbeugung vor Johanna, die bei den Worten Einars einen roten Kopf bekam. Noch bevor sie seine Worte erwidern konnte redete Einar schon weiter.

„Prinzessin, auch wenn der Rat sich nun übergangen fühlt, so haben wir Wanderer doch diesen Schritt, den Ihr vorgeschlagen habt, getan. Wir haben durch einige Informanten und Beobachter Zugriff auf einige Führer der feindlichen Reiche. Zwar sind es keine festen Verbindungen, doch sollte es möglich sein über diese Verbindungen einen Kontakt herzustellen. Wenn es die Prinzessin wünscht, werde ich sobald es möglich ist Reiter aussenden, die unsere Verbindungen aktivieren.

Einar schaute zu Johanna und dann zu Manon, die ein betroffenes Gesicht machte. Sie war nicht in der Lage etwas zu sagen, daher nickte sie nur zustimmend zu Johanna. Auch Ricarda schaute erstaunt, als sie diese Worte über ihrer Tochter hörte. Sie schien ihr fremd zu sein. Wo ist das kleine Mädchen geblieben? Wo war ihre Unbekümmertheit?

Sie war auch früher öfter in Gedanken versunken, aber das hier war ihr vollkommen fremd an ihrer Tochter. Tom kam ihr in den Sinn. Klar, die beiden haben viel Zeit miteinander verbracht. Aber Ricarda war nie aufgefallen, dass er Johanna irgendetwas gelehrt hatte in die Richtung, was sie nun hörte.

Johanna hatte, wie auch Katja, Tom angehimmelt. Und selbst sie war ihm ja in gewisser Weise verfallen, aber das schien Jahre her. Wie also hatte er es geschafft aus dem kleinen Mädchen eine so überzeugende Dame zu machen? Als ob Johanna ihre Gedanken lesen konnte, sah sie zu Ricarda und fing an ihr etwas in ihr Ohr zu flüstern.

„Vieles davon habe ich von dir, Mama. Kel gab mir nur den letzten Schliff, wie er es nannte. Er meinte immer, kein Mensch hätte es mir besser beibringen können, als du. Ich habe nie so ganz verstanden, was er meinte. Jetzt aber verstehe ich, wie es gemeint war.

Danach blickte Johanna auf und sprach zu den anderen im Raum.

„Ich denke, der Worte sind nun genug gewechselt worden. Wir alle sollten wieder zur Tat schreiten und unsere Aufgaben übernehmen. Ich werde mich in meine Gemächer zurückziehen, um mich etwas frisch zu machen. Dann möchte ich die Truppen im Schloss inspizieren. Auch, wenn ich keine große Ahnung von Kriegsführung habe, haben sie es verdient, dass ich mich ihnen zeige und ihnen Anerkennung zolle. Danach möchte ich mit der Kutsche durch den Ort fahren. Ich möchte mir die Stadt einmal genauer ansehen. Auch das Volk hat ein Anrecht auf mich. Ich bitte Euch daher alles soweit vorzubereiten.

Manon, Einar und Willehad nickten zustimmend und erhoben sich. Lächelnd nahm sie ihre Mutter bei der Hand und winkte Loussana zu sich heran, damit diese die beiden begleitete.

Die Soldaten des Heers waren aufgeregt, weil sie nun endlich die Prinzessin zu sehen bekamen. Sie war der Grund, warum gerade so viele junge Frauen den Dienst in der Armee nicht scheuten. Johanna sprach fast eine dreiviertel Stunde zu ihnen und jedem kam es so vor, als würde sie nur für jeden persönlich sprechen. Auch Ricarda sprach zu ihnen. Sie bedankte sich für den Einsatz, den die Truppe bereit war zu erbringen.

Als Johanna und Ricarda ihre Rede beendet hatten, jubelten die Soldaten laut auf und schlugen ihre Schwerter an die Schilde und ließen beide hoch leben. Johanna war sehr erfreut und man sah es ihr auch an. Einar stand neben Ricarda und man sah seinen ganzen Stolz über diese Reaktion. Als der Jubel abebbte, benannte Einar zwanzig Soldaten, die Johanna und Ricarda bei ihrem Ausflug in die Stadt begleiten sollten. Man konnte ihren Stolz nicht übersehen. Sie fühlten sich geehrt die Prinzessin begleiten zu dürfen.

Der Tag verlief sehr angenehm für Johanna und Ricarda. Sie saßen in der offenen Kutsche und alle Leute jubelten, als sie durch die Stadt fuhren. Auch Loussana genoss es sehr an der Seite der Prinzessin zu sitzen. Johanna war sehr aufgeregt und sie bemerkte kaum, dass sie während der gesamten Fahrt Loussanas Hand ergriff und sie fest umschloss. So fühlte sie sich sicherer. Es verwirrte Johanna, dass sich so viele Menschen versammelt hatten um sie zu sehen. In Bremen hatte sie sich immer nach hinten gestellt, wenn in der Schule oder im Turnverein Fotos gemacht wurden. Sie hasste es in vorderster Reihe zu stehen und hier war sie sogar die Hauptperson. Ein unangenehmes Gefühl überkam sie, aber Loussana drückte sanft ihre Hand, so das Johanna wieder ruhiger wurde und so langsam konnte sie auch leicht lächeln.

Nach fast drei Stunden fuhr die Kutsche wieder zurück in das Schloss. Johanna spürte wie die Müdigkeit Besitz von ihr ergriff. Auch Einar bemerkte es, als sie wieder im Schloss eintrafen. Er und Willehad standen im Hof, als die Kutsche in dem Schlosshof fuhr. Beide registrierten Johannas Erschöpfung sofort. So auch Ricarda.

„Kleines, du siehst sehr geschafft aus. Auch, wenn du es gut mit allen meinst, solltest du etwas mehr Rücksicht auf dich nehmen. Du solltest dich schlafen legen, damit du morgen wieder genug Kraft hast. Und jetzt keine Widerrede. Du solltest trotz allem auf deine Mutter hören.

Ricarda meinte es ernst. Johanna nickte stumm. Sie war immer noch in Gedanken um ihre Person versunken, denn sie fühlte sich komisch. Auch wenn alles hier real war, so hoffte sie, das alles nur ein Traum wäre. Doch als sie ihrer Mutter in die Augen sah, wusste sie, dass es kein Traum war. Sie war hier auf Jar und sie war die Prinzessin. Sie musste sich innerlich schütteln, doch für mehr hatte sie keine Zeit, denn Einar und Willehad traten zu ihnen. Willehad merkte an, dass das Gemach der Prinzessin vorbereitet sei und auch Loussanas Sachen in die Gemächer der Prinzessin gebracht wurden.

Erst jetzt stellte Johanna fest, dass sie Loussanas Hand immer noch fest umschlossen hielt. Beide schauten sich an und so stiegen sie auch aus der Kutsche aus.

Als Johanna in ihren Gemächern war, entlud sich eine große Anspannung. Loussana bemerkte es und fragte, ob sie noch etwas für die Prinzessin tun könne. Doch Johanna schüttelte nur stumm mit dem Kopf. Sie wollte sich nur noch ausruhen, denn sie war immer noch gefangen von dem was passiert ist. Loussana sei für heute entlassen und könne tun und lassen, was sie möchte. Loussana fragte, ob sie das Schloss verlassen dürfe, um ihre Familie zu besuchen.

Johanna blickte ihre Zofe verwundert an.

„Du lebst nicht bei Deiner Familie?

Loussana verneinte und antwortete, dass sie seit ihrem siebten Lebensjahr nur daraufhin ausgebildet wurde, um Johannas Zofe zu werden. Man konnte Johanna ansehen, wie sie wütend wurde. Sie fragte Loussana, seit wann sie ihre Familie nicht mehr gesehen habe. Als sie erfuhr, dass es schon mehr als fünf Jahre her sei, nahm sie Loussana in den Arm.

„Du musst sie doch sehr vermissen, oder?

Loussana fing an zu weinen. Johanna drückte sie noch fester an sich. Sie wollte wissen, wie viele Geschwister sie denn habe. So erfuhr sie, das Loussana noch eine Schwester und einen kleinen Bruder hat, den sie aber noch nie sah. Ihre Schwester war jetzt elf und ihr Bruder wäre gerade erst fünf Jahre alt.

Sie lebten auf einem kleinen Hof außerhalb von Jarson. Ihr Vater hatte eine kleine Schmiede, auch etwas Land. Ihre Mutter arbeitete auf dem Hof mit. Sie besaßen sogar einige Tiere. Sie waren zwar nicht reich, aber sie hatten genug zu essen und ihre Geschwister brauchten auch nicht mitzuarbeiten. Johanna fragte Loussana, ob sie ihre Familie öfter sehen wolle und Loussana nickte mit Tränen in den Augen.

Unverdrossen ging Johanna zu ihrem Schreibtisch und begann auf einem Blatt Papier etwas zu schreiben. Als sie fertig war, nahm sie Wachs und ließ es auf das Papier tropfen. Dann drückte sie ihr Siegel hinein und ging wieder zu Loussana.

„So meine Liebe, dieses Schreiben nimmst Du und damit holst Du Deine Familie an unseren Hof. Ich werde Willehad veranlassen, dass sie im Schloss Räumlichkeiten beziehen können. Ich denke, Dein Vater kann ebenso hier am Hofe als Schmied arbeiten. Deine Mutter kann selbst entscheiden, ob sie hier arbeiten möchte oder nicht. Ich freue mich auf jeden Fall sie kennen zu lernen. Nimm eine Kutsche, wenn Du zu ihnen fährst.

Johanna ließ nach Willehad rufen. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie einen Schatten hinter sich. Loussana fiel Johanna um den Hals und sie spürte die Tränen auf ihrem Nacken, die aus Loussanas Augen kamen. Doch jetzt waren es wohl eher Tränen der Freude.

Die Zofe wollte etwas sagen, aber Johanna hob ihre Hand, führte einen Finger zum Mund und deutete so an, dass Loussana schweigen und jetzt lieber gehen solle. Ihre Familie würde sicher schon warten. Loussana nahm Johannas Hand und küsste sie ehrfürchtig. Johanna musste lächeln, denn die Freude, die Loussana ausstrahlte, war schöner als das, was sie bisher auf Jar erlebt hatte. Es waren die kleinen Dinge, die man am meisten genoss. Und Loussanas Freude war echt und ehrlich.

Willehad betrat den Raum und Johanna erklärte ihm, was sie mit Loussana abgemacht hatte. Willehad schüttelte den Kopf. Er war sehr erstaunt über die Entscheidung, aber er freute sich für Loussana sehr. Ihm fiel auf, wie sehr diese Prinzessin der ehemaligen Königin ähnlich war. Er versicherte, dass alles für die Ankunft der Familie vorbereitet werden würde. Als sich Johanna zu ihrem Bett begab, sah sie aus dem Fenster die Kutsche, die gerade mit Loussana los fuhr.

 

Johanna lag noch lange wach, denn sie musste den ganzen Tag noch verdauen.

Als sie am nächsten Morgen erwachte, stand ein herrliches Buffet in ihrem Raum. Es duftete nach frischem Brot und Braten. Verwirrt öffnete sie die Augen und musste sich erst einmal orientieren wo sie war. Das hier war nicht Bremen. Dann schoss ihr der gestrige Tag durch den Kopf und sie sah sich in Ruhe in ihrem Schlafgemach um. Teure Teppiche lagen auf dem Boden und edelste Vorhänge hingen vor den Fenstern. Kunstvoll geschnitzte Möbel standen im Raum. Obwohl ihr bewusst war, wo sie sich befand, so kam es ihr unwirklich vor. Langsam erhob sie sich und ging in ihren Waschbereich. Immer noch in Gedanken versunken fing sie an sich zu waschen. Immer wieder sah sie dabei in den Spiegel. Sie sah einen 18 jährigen Teenager, der die Verantwortung für ein ganzes Volk übernommen hatte.

Zweifel überkamen sie, doch dann schüttelte sie mit dem Kopf. So langsam drang alles Wissen zu ihr durch. Woher wusste sie das alles? Kel-Nor hatte ihr nie etwas von Jar erzählt und trotzdem sprach sie die Sprache, wusste von Protokollen am Hof, sie wusste um die Geschichte des Königshauses und was ihre Pflichten waren. Woher wusste sie das Alles? Doch zu ihren Gedanken drang der Hunger zu ihr durch und sie setzte sich an den Tisch und fing an zu essen. Sie merkte, wie ihr wieder die Kräfte durch den Körper strömten. Als sie nach dem Essen aus dem Fenster schaute sah sie ihre Kutsche im Hof stehen.

Also war Loussana wieder da.

Johanna freute sich sehr für Loussana und auch darüber, dass sie wieder am Hofe war. Ihre Zofe bedeutete Johanna schon wesentlich mehr als nur eine Freundin. Sie war bereits eine gute Vertraute.

Johanna zog sich an und verließ ihr Zimmer. Vor ihrer Tür standen zwei Wachen, die sofort salutierten, als sie den Flur betrat. Sie musste lächeln. Gerade wollte sie die Männer fragen, ob sie wüssten wo Loussana sei, als sie unten im Saal zwei Kinder herumtoben sah. Ein Mädchen in Katjas Alter, und einen kleinen Jungen, der lachend vor dem Mädchen fort lief. Johanna ging frohen Mutes die Treppe herab.

Das Mädchen versuchte den Jungen einzufangen und schien böse auf ihn zu sein, weil er hier nicht herumzulaufen sollte. Doch dieser kümmerte sich nicht um seine Schwester und lief lachend vor ihr weg. Direkt Johanna vor die Füße. Fast wäre er in sie hinein gerannt, doch er schien noch Johannas Schatten vor sich wahrzunehmen. Er versuchte zu bremsen, doch dabei verhedderten sich seine Füße und er fiel nach vorne.

Der Junge konnte sich zwar noch abfangen, aber er fiel hart auf seine Arme. Er schrie auf vor Schmerz. Das Mädchen sah Johanna. Sie wurde sofort bleich und fiel auf ihre Knie. Wütend sah sie auf ihren Bruder. Johanna bückte sich zu dem Jungen und nahm seine Hände, um ihn hochzuziehen. In diesem Moment hörte sie Loussanas Stimme.

„Herge, Sofia, wo seid ihr? Ihr sollt hier nicht herumlaufen. Ihr weckt noch die Prinzessin auf.

Der Junge kniete mittlerweile und Johanna wischte ihm seine Tränen aus den Augen. Loussana betrat den Saal. Sie erbleichte ebenfalls als sie erfasste, was passiert sein musste. Sie wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, doch Johanna hob ihre Hand und Loussana verstummte bevor sie dazu kam etwas zu sagen. Johanna nahm den Jungen auf dem Arm und ging zu seiner Schwester, die immer noch vor ihr kniete. Sie streckte ihre Hand aus und zog auch diese hoch.

„Ihr seid also Loussanas Geschwister? Herzlich willkommen am Hofe. Herge heißt du also und du Sofia? Nun, ich hoffe, dass du dir nicht allzu sehr weh getan hast, Herge. Komm hoch, Sofia. Du brauchst nicht vor mir zu knien. Du erinnerst mich sehr an meine Schwester. Sie ist genauso alt wie du. Kommt, ich möchte gerne eure Familie kennenlernen. Stellt ihr mir sie vor?

Sofia blickte Johanna verblüfft an. Sie sah hinüber zu ihrer großen Schwester, die in der Tür zum Saal stand. Diese schien immer noch etwas böse zu sein, aber man spürte auch ihre Erleichterung darüber, wie Johanna reagierte.

„Loussana, du hast echt süße Geschwister. Der Kleine hier scheint ja ein richtig niedlicher Fratz zu sein.

Johanna stellte Herge auf den Boden zurück und nahm ihn bei der Hand. Sie reichte auch Sofia ihre Hand. Das Mädchen ergriff sie und so gingen sie Hand in Hand zu Loussana.

„Wie ich sehe bist Du wieder da. Wurdet Ihr gut einquartiert?

Loussana nickte verlegen. Die Prinzessin überraschte sie immer wieder. Anstatt darüber zu schimpfen, weil ihre Geschwister im königlichen Saal herum tobten, kam Johanna mit beiden an der Hand zu ihr herüber. Es schien ihr sogar zu gefallen, dass die beiden hier im Saal spielten. Johanna umarmte Loussana heftig.

„Ich bin froh, dass Du wieder bei mir bist. Ich würde jetzt gerne Deine gesamte Familie kennenlernen.

Als sie die Umarmung lösten, fasste Johanna Loussana bei der Schulter und sah ihr ins Gesicht.

„Du siehst müde und erschöpft aus, Loussana. Du wirst Dich erst einmal ausruhen und schlafen gehen. Keine Widerrede. Aber vorher wirst Du mir jetzt Deine Familie vorstellen. Bitte. Also kommt!

Mit diesen Worten drehte sich Johanna wieder nach Herge und Sofia um. Sie hielt ihnen ihre Hände hin und die beiden fassten zu. Loussana ging neben ihnen und strahlte Johanna an.

„Eure Mutter ist schon dort. Sie hatte uns kommen sehen und sofort alles weitere organisiert. Sie meinte, dass die Räumlichkeiten, die für meine Familie ausgewählt wurden, nicht das Richtige wären.

Der arme Willehad wusste gar nicht, wo ihm der Kopf stand, so hat sie ihn und die anderen herum gescheucht. Sie meinte, dass es nicht gut ist eine Familie in nur einem Raum unterzubringen. So haben wir die alte Wache als Wohnhaus bekommen. Selbst meine Geschwister haben nun ihre eigenen Zimmer. Eure Mutter ist wirklich großartig.

Loussana kam ins Schwärmen und Johanna musste lachen.

„Ja, das ist Mama. Wenn sie etwas will, dann kann sie einen richtigen Dickkopf bekommen. Organisation, das ist etwas, was sie mit vollem Elan angeht.

Sie traten durch das Tor auf den Schlosshof. Sofort drehten sich alle, die sich auf dem Hof befanden, zu Johanna um und die Soldaten salutierten vor ihr. Einar, der mit der Ausbildung der Soldaten beschäftigt war, wollte zu ihr herüber kommen, doch Johanna gab ihm ein Zeichen, dass er bleiben solle, wo er ist.

Sie ging also mit den beiden Kindern an der Hand hinter Loussana auf ein Gebäude zu, das hinten an der Mauer des Palastes stand. Die Menschen auf dem Hof gingen wieder ihrer Arbeit nach, denn die Prinzessin hatte ihnen zu verstehen gegeben, dass sie nicht beachtet werden will.

Als sie nun zur alten Wache kamen, hörte Johanna eindeutig das Lachen ihrer Mutter, sowie das Lachen einer anderen Frau. Loussanas Mutter. Sie betraten die unteren Räume und Sofia und Herge ließen Johanna los, um zu ihrer Mutter zu rennen. Johanna und Loussana lächelten sich an.

Sie verbrachte einen schönen Vormittag im Kreis von Loussanas Familie. Sie fühlte sich wieder wie ein Kind. Auch Ricarda bemerkte, wie Johanna wieder aufblühte. Als es aber auf Mittag zuging, wollte Loussana dafür sorgen, dass der Tisch für die Prinzessin gedeckt wurde, doch Johanna befahl ihr bei ihrer Familie zu bleiben damit sie vor allem erst einmal in Ruhe ausschlafen sollte.

Also verabschiedeten sie und ihre Mutter sich und begaben sich wieder zum Schloss.

1 8. Alte Freunde

„He, Kleines, aufwachen.

Katja schreckte hoch. Sie war während des Reitens eingedöst und nun riss sie Kel-Nors Stimme aus ihrem Halbschlaf. Sie öffnete langsam die Augen und streckte sich. Sie schaute sich um und sah, dass sie vor einer großen Hütte mitten im Wald standen. Kel kam zu ihr herüber und hob seine Arme, um ihr aus dem Sattel zu helfen. Dankend ließ sie sich in seine Arme gleiten und legte noch müde ihren Kopf auf seine Schulter.

Er nahm sie und trug sie zu der Hütte hinüber. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür und eine sehr große Gestalt trat auf die vor der Tür liegende Veranda.

Katja hob nun doch neugierig ihren Kopf und schaute über Kels Schulter auf den Mann. Er war fast zwei Köpfe größer als Kel oder Whin, aber er war wesentlich hagerer als die beiden. Sein Gesicht konnte sie noch nicht erkennen, als Kel mit ihm sprach.

„Sei gegrüßt, Krung. Es ist uns eine Ehre wieder bei dir zu sein.

Auch Whin begrüßte Krung. Krung erwiderte den Gruß mit sonorer Stimme.

„Seid willkommen, Freunde. Wie ich sehe, habt Ihr noch jemanden mitgebracht? Auch dich junge Dame heiße ich herzlich willkommen.

Kel-Nor setze Katja ab, die sich sofort an ihn drängte, aber immerhin noch einen schüchternen Knicks vor Krung machte. Ein Lächeln fuhr über sein Gesicht und er beugte sich zu ihr herunter.

„Ich habe schon von Dir vernommen, junge Dame. Kommt herein. Ich denke, dass Ihr hungrig seid?

Er drehte sich um und ging voran in die Hütte. Katja schaute Kel und Whin an und Kel nahm sie wieder auf dem Arm und so traten sie ins Haus. Katja war überrascht, wie bequem es in der Hütte war. Sie war von innen sehr geräumig. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch mit sechs Stühlen.

Ganz hinten befand sich eine recht große Kochstelle, auf der mehrere Töpfe und Pfannen standen und wo Krung wohl offensichtlich noch mit dem Kochen beschäftigt war.

Der Raum war sehr hell, weil die Hütte zur Seite recht große Fenster besaß. Unter diesen standen überall gemütliche Sessel, die zum Verweilen einluden. In der rechten Ecke des Raumes führte eine Treppe in die obere Etage. Was dort war, konnte Katja nicht sehen. Wollte sie gerade auch nicht. Vielmehr hatte es ihr im Moment der Geruch des Essens angetan und sie hörte ihren Magen knurren. Krung ging direkt zur Kochstelle und wies die drei an doch am Tisch Platz zu nehmen.

Kel und Whin setzten sich an die rechte Seite des Tisches und Katja kletterte bei Kel auf den Schoß, da sie für die Stühle doch zu klein war. Krung bemerkte es. Er ging in ein Nebenzimmer neben der Kochstelle, Als er zurück kam, hatte er einige Kissen im Arm und legte sie auf den Stuhl neben Tom.

Katja kletterte von Kels Schoß und machte es sich auf dem Nachbarstuhl bequem. Sie bedankte sich bei Krung, was dieser mit einem Lächeln registrierte.

Auf dem Tisch standen vier Teller und Krüge. Außerdem war er mit Blumen dekoriert. Es sah sehr ansprechend aus. Als Krung sah, wie Katja den gedeckten Tisch bestaunte, schlich wieder ein Lächeln über sein Gesicht.

„Nur weil man alleine und weit ab von allen lebt, braucht man sich ja nicht wie ein Wilder zu benehmen. Ich gebe zu, dass es mir Spaß bereitet etwas Schönheit in meinem Haus zu verbreiten. Ich sehe, Katja, dass es Dir auch gefällt.

„Oh ja. Sehr sogar. Mama hat es auch immer gerne gemacht, aber das hier ist viel schöner. Die Blumen duften herrlich. Sind das Schwarzdorntulpen?

Krung schaute Kel erstaunt an.

„Du scheinst ihr ja schon einiges beigebracht zu haben?

Doch Kel schüttelte nur mit dem Kopf.

„Ich habe ihr nur über unsere Geschichte erzählt. Es ist erstaunlich, wie viel sie schon selbst weiß und auch kann. Ich habe ja gehofft, dass Du ihr und auch mir weiterhelfen kannst, denn ich überblicke im Moment noch nicht, wie weit sie ist und wie sie noch wird?

Krung blickte Katja tief in die Augen und sie glaubte vollkommen darin zu versinken. Dann löste er wieder seinen Blick und wandte sich an Kel.

„Nun ja, sie ist etwas Besonderes. Ich sehe aber auch, dass die junge Dame einen recht großen Hunger hat. Lasst uns erst einmal in Ruhe essen und trinken....

 

Er ging wieder zum Herd und bat Whin doch etwas Tee und Wein aus der Kammer zu holen. Fünf Minuten später saßen alle am Tisch und genossen das köstliche Mahl, welches Krung für sie zubereitet hatte. Es war Fleisch von einem Tier, welches Katja nicht kannte. Trotzdem war es einfach nur köstlich. Die Früchte und das Gemüse waren recht würzig. Es schmeckte ihr so gut, so dass es ihr beinahe so vorkam, als habe Krung das Essen nur für sie zubereitet.

Sie wusste gar nicht, dass sie so viel essen konnte. Jedenfalls konnte sie sich nicht erinnern jemals so viel und so gut gegessen zu haben. Als sie nach fast einer Stunde das Mahl beendet hatten, räumten alle vier das Geschirr ab und begaben sich auf die Terrasse, wo sie sich um einen Tisch setzten. Katja hatte sich die Kissen mitgenommen und schaute die drei Männer fragend an.

„Also, Kel hat Dir schon erzählt, wer Du bist und wie seine Geschichte hier auf Jar verlief. Nun, da auch ich ein Teil dieser Geschichte bin, sollte ich versuchen Dir alle Fragen zu beantworten. Ich weiß nicht, was die beiden Dir über mich erzählt haben und vor allem, was mein Wissen betrifft.

Du kannst mir aber glauben, Kels Wissen ist nicht weniger als meines. Da er sich nicht so zurückzieht, wie ich es tue, ist er auf jeden Fall mehr an der Geschichte der heutigen Zeit dran, als ich.

Meine Fähigkeiten die Energie dieses Planeten zu kontrollieren sind natürlichen Ursprungs. Auch habe ich ein paar Jahrhunderte mehr auf dem Buckel als die beiden, dennoch bin ich nicht allwissend, solltest Du wissen.“

Die drei Männer nahmen sich Pfeifen und stopften den von Krung angebotenen Tabak hinein. Nachdem sie die Pfeifen entzündeten, zogen sie ein paar Mal genüsslich daran. Krung schaute wieder auf Katja und fuhr mit seiner Geschichte fort.

„Also, nachdem die drei durch diese Welt gegangen sind, wie bei Euch wahrscheinlich die apokalyptischen Reiter, gab es kaum noch zusammenhängende Gemeinschaften. Du musst wissen, dass nicht nur Menschen gestorben sind, sondern, dass sie ganze Völker entzweit hatten.

Vorher gab es blühende Dörfer und Städte, die einen regen Handel untereinander führten. Zwar gab es auch mal Zwist, aber so etwas wie Kriege waren hier fast unbekannt. Streitigkeiten unter Dörfern wurden gerecht und sportlich geklärt. Auch gab es Waffen und kleine Milizen, aber die dienten nur zum Schutz vor Banditen oder streuenden Banden, die durch das Land zogen.

Wir Alten, wie wir genannt wurden, halfen gerne den Menschen. Doch wir setzten niemals die Energie leichtfertig ein. Wir haben auch lernen müssen mit den Kräften umzugehen. Wenn wir sie einsetzten, brauchten wir auch eine dementsprechende Erholungszeit.

In dieser Zeit der Regeneration waren wir hilflos wie kleine Babys. Das liegt einfach daran, dass unsere Knoten nicht so optimiert wie bei den Dreien sind. Oder auch, wie bei Dir.

Die Drei brauchten wesentlich kürzere regenerative Pausen als wir Alten. Daher waren wir auch ein leichtes Opfer für sie. Nach der Apokalypse gab es auf Jar kaum noch zusammenhängende Gemeinschaften und es gab einen erheblichen kulturellen und auch wirtschaftlichen Rückschritt. Waren vorher noch die Gemeinschaften für die Rechtsprechung und Ordnung zuständig, zählte nun immer mehr das Gesetz des Stärkeren.

Heeresführer, die viele Männer um sich sammelten, waren die treibende Kraft im Land. Ihr Ziel war es aber nicht die Ordnung wieder herzustellen, sondern lediglich sich selbst zu bereichern.

Hunger, Not und Elend waren an der Tagesordnung und wir Alten waren nicht in der Lage dagegen an zu kämpfen. So zogen sie sich immer mehr zurück und ließen die Menschen in ihrem Schicksal alleine zurück.

Dann traf ich die Drei. Ich denke, das hat Dir Kel schon alles erzählt? Ich vermute jedoch, dass er nicht erwähnte, wie die beiden Überlebenden das Reich wieder aufbauten. Denn ohne sie gäbe es Jar nicht, so wie es jetzt ist. Sie haben eine Organisation aufgebaut, die im Hintergrund für die Menschen arbeitete. Sie vermittelten Wissen ohne als Lehrer aufzutreten. Sie schafften Strukturen ohne als Führer zu wirken. Sie kämpften gegen Banditen und zerschlugen die marodierenden Heere und schafften es sie wieder in die neu entstandenen Gemeinschaften zu integrieren.

Sicherlich, das ging nicht von heute auf morgen, aber es ging stetig und behutsam voran. Sie machten nicht die Fehler alles zu überstürzen.

Meine Brüder überwachten sie dabei mit Argusaugen. Obwohl wir nie ihre Gräueltaten vergaßen, sind doch viele von uns nicht darum herum gekommen ihre Arbeit zu bewundern. Viele von uns, die vorher sogar einen offenen Kampf gegen sie forderten, halfen nun mit, ihre Arbeit zu unterstützen. Zwar mischten wir uns nun nicht mehr in die Belange der Menschen ein, aber wir übernahmen einen großen Teil bei der Ausbildung der Wanderer.

Ihre handwerklichen Künste, ihr Wissen um die Geschichte, ihre Bildung. Hier haben wir einen erheblichen Anteil daran. Es war eine gute und vor allem eine konstruktive Zusammenarbeit.

Nur einmal gab es einen heftigen Krach. Die beiden wollten verhindern, dass eine Monarchie eingeführt wird. Nach langen und intensiven Gesprächen, die im Übrigen teilweise sehr laut waren, akzeptierten sie, dass die Menschen sich danach sehnten und es ihre Entscheidung war.

Sie verlangten allerdings, dass eben diese Könige gemeinsam von ihnen und von uns ausgebildet werden sollten, damit kein Despot an die Macht käme und Jar mit Krieg überzieht. So entstand ein relativ kleines Königreich um die Region Jarson, dem sich im Laufe der Zeit immer mehr Provinzen anschlossen. Das Reich wurde so immer größer und mächtiger. Aus diesem Grund beschlossen die Menschen dem ein Gegengewicht zu setzen.

Sie erhoben den Rat in seine Position.

Er überwachte die Könige bei ihren Entscheidungen und er beriet sie, wenn es darum ging große Dinge anzupacken. Aber der König war letztendlich derjenige, der die Macht und die Rechtsprechung inne hatte. Nun, diese Räte wurden zum Teil auch von uns begleitet und ausgebildet. Malos war einer von ihnen. Er hatte ein enormes Charisma und konnte die Menschen überzeugen. Und ich gebe zu, auch uns hatte er überzeugt. Wir gaben ihm mehr Macht, als ihm eigentlich zugestanden hätte.

Einige von uns waren sogar der Meinung, wir sollten ihm einen Knoten initiieren. Die Wanderer waren strikt dagegen, denn eine Abmachung war, diese Ziele so weit wie möglich ohne diese Energie zu erreichen. Daher waren die Gemeinschaften der Menschen auch so gut strukturiert. Es kam von ihnen selbst und hatte Jahrhunderte Zeit sich zu festigen. Ein Gegengewicht zu dem zu schaffen würde das Gebilde gefährden. Doch nun haben wir Alten den Fehler gemacht nicht auf die Wanderer zu hören.

Wobei Fehler noch stark untertrieben ist. Niemand von uns, selbst ich nicht, hat je geglaubt, dass Malos so reagieren würde. Da viele von uns an der Entstehung seines Knotens mitgewirkt haben, ist er mächtiger als wir Alten. Ob er allerdings mächtiger als Kel und Dein Vater ist, kann niemand sagen, da sich die beiden schon immer aus den Konflikten der Menschen herausgehalten haben.

Bis auf einer Situation, der Schlacht am Killener Grün.

Dort haben die Wanderer Partei ergriffen. Aber, um wieder auf Malos zurück zu kommen, er war nicht immer schlecht und ich bezweifle auch, dass er es zu dem Zeitpunkt überhaupt schon war. Er ist ein Mensch und niemand kann ermessen, welchen Schaden der zu häufige Gebrauch der Energie bei ihm anrichten würde.

Wir wurden mit dem Knoten geboren, unsere Körper und auch unser Geist sind für den Gebrauch der Energie ausgerichtet. Die Menschen leben zwar mit der Energie und sie werden auch von ihr durchströmt, aber, sie einzusetzen ist etwas anderes.

Die Wanderer ahnten es schon, doch wir waren zu geblendet. Einige wünschten sich auch ein Gleichgewicht zu den beiden Großen. Auf jeden Fall hat Malos am Anfang viel für die Menschen getan. Zu viel, wie viele meinten, denn er schuf den Menschen eine zu perfekte Welt. Sie war für viele zu steril. Sie konnten sich nicht selber entwickeln und so stagnierten sie. Anstatt Dank zu bekommen, wurde er von vielen nur verachtet und beschimpft. Je mehr die Leute sich von ihm abwendeten, je mehr versuchte er es ihnen Recht zu machen.