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2. Das Theologieverständnis Hans Urs von Balthasars im Umriss



Der scheinbar so eindeutige Begriff

Theologie

 im Sinne des Sprechens von Gott ist nach Hans Urs von Balthasar erst unter Berücksichtigung zweier Bedeutungsdimensionen adäquat erfasst: Gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet Theologie menschliches Sprechen von und über Gott. Dieses menschliche Sprechen aber, so Balthasar, ist nur möglich, weil und insofern ihm ein Wort Gottes ermöglichend vorausgeht. Erst indem Gott den Menschen an-spricht, sich dem Menschen zu-spricht, wird dieser überhaupt befähigt, seinerseits von Gott zu sprechen.

Sprechen von Gott her

 ist Bedingung der Möglichkeit jedes

Sprechens über Gott

. Theologie ist demnach ihrem Wesen nach „Logos über Gott aus dem Logos des sich selber im … Wort aussprechenden Gott.“

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In gleichem Maße aber gilt, „daß ‚Verstehen‘ ein Akt des Menschen als solchen ist.“

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 Das Wort Gottes überwältigt den Menschen keinesfalls, sondern es wendet sich an seine natürlichen Erkenntnisfähigkeiten, die es ebenso respektiert wie in den Dienst nimmt. Theologisieren ist im wahrsten Sinne des Wortes menschliche Leistung, „denn keinesfalls kann die Möglichkeit, daß Gottes Wort vom Menschen verstanden und ausgedrückt werden kann, als ein bloßes Gnadenwunder von oben verstanden werden.“

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Im Folgenden gilt es nun zunächst, diese fundamentale Einsicht des Ineinanders von göttlicher und kreatürlicher Sphäre in jedem Akt theologischen Bemühens zu explizieren, um so die Grundstruktur des originär balthasarschen Denkens zu erschließen. Eine solche einleitende, allgemeine Darstellung der theologischen Form, die „in ihrem Formalobjekt von der Gottesherrlichkeit, deren Ausdruck sie wird, beherrscht ist“

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, ist notwendig, um die Denkwege abzustecken, auf denen dann auch der Frage der Hölle nachzugehen sein wird. Die Fruchtbarkeit der balthasarschen Approximationen erwächst nämlich aus der konsequenten Entwicklung auch dieser, auf den ersten Blick eher abseitigen Einzelfrage aus dem Gesamt des theologischen Entwurfes heraus.








2.1 Ineinander von Theologie und Philosophie





„Theo-logie – Rede Gottes und in dieser Rede auch Rede des Menschen in Gott über Gott – kommt immer aus der obersten Höhe“

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, so haben wir gesehen. Das theologische „Formalobjekt würde daher nach B. in jedem Sprechen über Gott verfehlt, das ‚von unten her‘ von Natur- oder Geisteswissenschaft, von Anthropologie und Philosophie her sich an das Offenbarungsgeschehen anzunähern versuchte“

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. Um das von Gott her Zugesagte angemessen zur Sprache zu bringen

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, muss vielmehr immer wieder die Sphäre des Kreatürlichen überstiegen werden. Theologisieren erfordert ein „Umdenken von den Menschengedanken auf Gottes eigene souveräne Gedanken“

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. Dies ist aber nach Balthasar nur dann möglich, wenn der Mensch seinem Wesen nach auf einen solchen Akt der Selbsttranszendenz hin angelegt ist. Nur wenn der endliche Mensch als grundsätzlich offen auf das Unendliche hin ausgewiesen werden kann, ist seine prinzipielle Ansprechbarkeit durch Gott überhaupt zu denken. „Um die Selbstoffenbarung Gottes hören und verstehen zu können, muß der Mensch selbst ein Forschen nach Gott, eine ihm gestellte Frage sein. Also gibt es keine biblische Theologie ohne religiöse Philosophie.“

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An dieser Stelle gilt es, nun tiefer in die Gedankenwelt Balthasars einzudringen, denn „ein entscheidender Schlüssel zum rechten Verständnis des gesamten Denkens liegt in seiner Sicht und Begründung des Verhältnisses von Philosophie und Theologie.“

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 Wenn er einerseits betont, Philosophie habe von sich aus keinen Zugang zur Offenbarungswahrheit, andererseits aber Theologie unter Ausschluss philosophischen Denkens für schlechterdings unmöglich erachtet, entsteht zunächst unweigerlich der Anschein eines Circulus vitiosus. Wie also stehen Philosophie und Theologie zueinander? Die Antwort auf diese Frage kann nur ausgehend von der Tatsache erfolgen, „dass Balthasar seine Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie am Modell der Natur-Gnade-Beziehung ausrichtet.“

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2.1.1 Theologisches Apriori natürlicher Erkenntnis





Die noetische Frage der Gotteserkenntnis ist nach Balthasar auf das Engste verbunden mit der ontologischen Frage nach dem kreatürlichen Sein, denn, so seine Grundeinsicht, der Mensch ist „

wesenhaft

 ein ‚Suchender‘“

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: In der Erfahrung der eigenen Endlichkeit stellt sich dem Menschen unweigerlich die Frage nach dem Grund seines Dasein. Der Begriff ‚Grund‘ ist dabei durchaus in seinem Doppelsinn von Fundament und Sinn zu verstehen. In der Reflexion auf sein eigenes Dasein erkennt der Mensch: „Ich bin, ich könnte aber auch nicht sein. Vieles, was existiert, könnte nicht sein.“

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 „Es gibt ihn, aber was ist das Es, das ihn gibt?“

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 Indem die Geschöpfe sich als kontingent erfahren, begreifen sie sich demnach zugleich als „bezogen auf ein sie bedingendes Absolutes (eben diese

Es

; S. H.), das als solches analytisch im kreatürlichen Sein mitgesetzt und folglich auch mitgedacht ist.“

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 Mit der Einsicht des Menschen in sein eigenes Wesen geht die Erkenntnis einher, dass es ein sein Dasein als Ursprung und Ziel begründendes Absolutes geben muss. Der Mensch weiß, dass er weder über die reine Faktizität seines Daseins noch über Sinn und Ziel selber verfügt. Die Vernunft muss notwendig einsehen, dass eine letzte Antwort auf dieses Fraglichsein des Seienden innerhalb der Endlichkeit schlechterdings unmöglich ist; sie kann nur von Gott her ergehen.



Sich selbst als natürliches Wesen kann der Mensch also nach Balthasar nur angemessen verstehen, indem er die Existenz eines Gottes denkt, dem er als Kreatur sich verdankt und der seinem Dasein Sinn und Ziel gibt. Im logischen Umkehrschluss muss die menschliche Vernunft nun sagen, dass Gott Subjekt der schöpferischen und sinngebenden Handlungen ist. Damit ist aber noch nichts über das Wesen dieses Subjekts ausgesagt. Aus dem mitmenschlichen Bereich wissen wir, dass jedes Subjekt „ein nur ihm gehöriges Innen hat, das anderen zu offenbaren bei ihm steht.“

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 Jedes Subjekt ist frei, anderen Einblick in sein eigenes Inneres zu gewähren oder aber zu verweigern. Diese Einsicht ist nach Balthasar nun auf die Frage der Gotteserkenntnis übertragbar. „Aus der Selbsterfahrung kann der Mensch erkennen, daß wenn er Gott innerlich erkennen können soll, dieses nur durch eine freie Selbsterschließung Gottes geschehen kann.“

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Einher mit der natürlichen Selbsterkenntnis des Menschen geht demnach also ein elementares Wissen um die Existenz Gottes und um die gleichzeitige Notwendigkeit wie Unverfügbarkeit seiner Selbsterschließung. Dieses Wissen liegt nun nach Balthasar jeder gnadenhaften göttlichen Selbstaussage notwendig voraus. „Auch der Gott der Bibel … erklärt den Menschen nicht erst, was ‚ein Gott‘ ist, denn das wissen sie von jeher.“

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 Wüssten sie es nicht, so wären sie gar nicht in der Lage, ein von Gott her ergehendes Wort als ein solches zu erkennen und zu verstehen. Das natürliche Wissen um Gott ist aber geeignet, einen gedanklichen Rahmen zu bilden, in den hinein die Offenbarung Gottes erfolgen und durch den sie sich verständlich machen kann.

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 „Menschliches Denken (ist) unausweichlich Voraussetzung für Gottes … Reden und Verstandenwerden“

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, das dann seinerseits die bereits gewonnenen Sinnfragmente in sich einbirgt und darin zu ihrer Erfüllung bringt.

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Wenn nun Balthasar weiter sagt: „Wissen ist das, wofür der Mensch die Kriterien der Verifizierung bei sich selbst, in seiner Vernunft besitzt. … Das Unternehmen, das den Radius des Ausgriffs dieser Vernunft erforschend absteckt, hat seit Platon den Namen Philosophie erhalten“

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, dann ist in diesem Sinne Gotteserkenntnis Gegenstand der Philosophie. Ihr kommt insofern inchoativer Charakter zu, womit nun aber keineswegs „die geheime Forderungen enthaltende, drängende platonische Sehnsucht nach der Gnade und der Gottesschau“

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 gemeint ist, sondern vielmehr eine Dienstbarkeit und Verfügbarkeit für göttliche Offenbarung

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 im Sinne des bereits erwähnten leeren Rahmens. Die Überschneidung des jeweiligen Materialobjekts von Theologie und Philosophie ist damit evident.



Es wäre nun aber ein Kurzschluss, wollte man alle Aussagen über Gott, die der Mensch qua reiner Vernunft mit Blick auf seine eigene natürliche Verfasstheit erschließen kann, dem Zuständigkeitsbereich der Philosophie, alle darüber hinausgehenden Erkenntnisse, die sich aus der Offenbarung Gottes ergeben, dagegen der Theologie zuordnen. Folgt man Balthasar, so geht die Verflechtung von Theologie und Philosophie wesentlich tiefer. Er ist der Überzeugung, „daß der Mensch zur ‚Anschauung‘, zum ‚Besitzen‘ Gottes geschaffen ist, daß er somit kein anderes Endziel hat als ein übernatürliches“.

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 Das aber bedeutet, schon vor jeder gnadenhaften Offenbarung ist der konkret existierende Mensch auf eine übernatürliche Bestimmung hin ausgerichtet. „Natur ist als Ganze innerlich auf Übernatur finalisiert, ob sie will oder nicht, weiß oder nicht.“

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 In der Welt, wie sie konkret existiert, gibt es demnach keine ‚reine Natur‘. „Gottes tatsächliche Weltordnung ist die

faktische

 Einheit von zwei

sachlich

 unterscheidbaren und auch in ihrer faktischen Einigung

unter

schiedenen, aber nicht

ge

schiedenen, nicht trennbaren Ordnungen“,

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 einerseits nämlich der Schöpfungsordnung und anderseits der Gnadenordnung.

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 Dabei aber ist die der Natur gleichsam innewohnende Gnade unbedingt zu unterscheiden von der Gnade der freien Selbstoffenbarung Gottes. Balthasar betont ausdrücklich die Notwendigkeit der analytischen Unterscheidung von Natur und Gnade und damit eines elaborierten theologischen Naturbegriffs, zum einen „zur Kenntlichmachung des Geschöpfes in seinem von Gott unterschiedenen Sein, seiner Gott ‚gegenüber‘-stehenden, eigenen Subjekthaftigkeit“,

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 und zum anderen zur Unterscheidung der Ungeschuldetheit der Gnade

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 von der allgemeinen Ungeschuldetheit der Schöpfung. „Vom Standpunkt einer kreatürlichen Theologie bleibt der formale Begriff der

natura pura

 notwendig, vom Standpunkt Gottes aus gewinnt er keine Bedeutung mehr. Doch da der Mensch keine rein göttliche Theologie treiben kann, bleibt für Balthasar … die Hypothese der

natura pura

 … legitim“.

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Die Herleitung eines Begriffs der reinen Natur obliegt dabei nach Balthasar ausschließlich der Theologie, insofern er nur durch Abstraktion von der gnadenhaften Ausrichtung der faktischen Natur zu gewinnen ist. ‚Reine Natur‘ ist gleichsam der Rest, der übrig bleibt, wenn von der gnadenhaften Erhöhung der faktischen Natur abgesehen wird, „das, woran schließlich Gottes Offenbarung ergeht“,

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 „das

Geschöpf

 als solches“.

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 Die Bestimmung des Naturbegriffs setzt demnach ein Verständnis von Gnade voraus, zu dem die menschliche Vernunft aber von sich aus nicht zu gelangen vermag.

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 „Die positive Definition der Gnade kann nur durch die Gnade selber gegeben werden: was Gott innerlich ist, das muß er selbst offenbaren. Die Kreatur kann sich diesem ihr Unbekannten gegenüber nicht selbst abgrenzen und darum auch nicht wissen, worin sie sich von ihm unterscheidet.“

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 Der Gnadenbegriff kann also nur aus theologischer Reflexion auf ergangene Offenbarung erwachsen. Das aber bedeutet, so Balthasars Schlussfolgerung, dass auch der ‚Rest‘ ausschließlich theologisch in den Blick kommt. „

Indem

 Offenbarung ergeht, hebt sich Natur von ihr als der Vorraum ab“

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. Damit soll nun nicht gesagt sein, dass der Begriff der Natur aus dem Begriff der Gnade ableitbar wäre. Vielmehr ist Schöpfung die logische Voraussetzung für das Ergehen von Gnade; Gnade ergeht an Schöpfung. In diesem Sinne ist „die Priorität der Natur vor der Gnade … die notwendige Bedingung der Möglichkeit für die Priorität der Gnade vor der Natur.“

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Das Problem ist jedoch, dass nach Balthasar der Raum der der Gnade logisch vorausgesetzten ‚reinen Natur‘ inhaltlich nicht zu füllen ist, eben weil er nur einen Hilfsbegriff zu Bezeichnung eines in der konkreten Welt nicht existierenden Abstraktums darstellt. Deshalb ist etwa die Frage, inwieweit das Hingeordnetsein des Menschen auf Gott (im augustinisch-thomanischen Sinn des

desiderium naturale

) zu seiner ‚reinen Natur‘ oder aber zu seiner je schon gnadenhaft erhöhten faktischen Natur gehört, letztlich nicht zu beantworten. „Wir stehen hier offenbar an einer Grenze menschlichen Denkens, (…) wo es wirklich zu einer Ermessenfrage wird, wieviel von dem ‚Vermögen zu Gott‘ in der einen konkreten menschlichen Natur man der ‚Natur‘, wieviel der ‚Gnade‘ zuschreiben will.“

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 Der Hinweis auf diesen Ermessensspielraum mag auch ein möglicher Erklärungsansatz (sicherlich nicht der einzige, weil „die Kontroverse von Motiven unterschiedlicher Natur bestimmt ist“

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) für die „Sprunghaftigkeit der Balthasarschen Beurteilungen“

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 der Theologie

Karl Rahners

, insbesondere seines Konzepts eines ‚übernatürliches Existentials‘ sein. An dieser Stelle kann und soll die Auseinandersetzung zwischen Balthasar und Rahner nicht im Einzelnen nachvollzogen werden.

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 Es sei aber darauf hingewiesen, dass Balthasar den Begriff des ‚übernatürlichen Existentials‘ durchaus positiv aufgreifen kann, solange er im Sinne einer gnadenhaften, über die natürliche Hinordnung des Menschen auf Gott hinausgehenden Einladung verstanden wird.

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 Ein solches Angerufensein begreift er mit Rahner als „ein ‚ontologisches Konstitutiv seines (des Menschen; S. H.) konkreten Wesens‘, aber doch nicht zu seiner Natur gehörig .“

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 Übernatürliches Existential trifft demnach die Natur des Menschen zwar in ihrem Innersten, ist aber selbst nicht „naturhaft-konstitutive Bestimmung.“

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 Diese Bedeutungszuschreibung sieht Balthasar aber bei Rahner nicht immer eingehalten. Harsche Kritik übt er dann, wenn die Hinordnung auf Gott als aktive menschliche Potenz erscheint.

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 Von der baltharsarschen Logik her gedacht, erscheint die Uneindeutigkeit des Begriffs jedoch unvermeidlich. Rahner theologisiert, anders als Balthasar, nicht von oben. Vielmehr „baut er der Theologie eine ‚theologische‘ Anthropologie als

rein philosophische

 Disziplin vor, die als solche ‚die Bedingung der Möglichkeit von Theologie ist‘“.

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 Innerhalb dieser Anthropologie begreift nun Rahner die Hinordnung des Geschöpfes auf Gott als „Ontologie der potentia oboedientalis für Offenbarung“

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. Um von dort aus nun zu einem theologischen Begriff zu gelangen, so Balthasars Argument weiter, muss die Perspektive gewechselt werden. Statt von ‚unten‘ i. e. vom Geschöpf her, zum Absoluten aufzublicken, muss der Blick nun von ‚oben‘, von der Offenbarung her auf das Geschöpf fallen. „Was wir jetzt als seine ‚Natur‘ entdecken, deckt sich nur

analog

 mit dem, was Philosophie als solche betrachtet.“

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 Entsprechend ist auch nur eine analoge Bestimmung dessen, was unter einer natürlichen Hinordnung auf Gott zu verstehen ist, möglich. Der philosophische Begriff der potentia oboedentialis ist nicht deckungsgleich mit dem theologischen.

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 Das genau scheint mir nun das Problem zu sein: Der Begriff ‚übernatürliches Existential‘ changiert zwischen philosophischer und theologischer Bedeutungsebene. „In der Entwicklung Rahners verschieben sich die Akzente immer wieder, und die bei ihm verwendeten Begriffe machen einen Bedeutungswandel durch.“

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 Je nachdem, welche Blickrichtung Rahner in einem Kontext stärker betont, respektive Balthasar stärker fokussiert, bewegt sich das Konzept noch innerhalb des balthasarschen Ermessensspielraumes, oder aber es sprengt ihn eindeutig.



Indem Balthasar die Einheit und Interdependenz zwischen Natur und Gnade analytisch löst und eben dadurch erhellt, stellt er zugleich auch die Weichen für die nähere Bestimmung des Verhältnisses von Theologie und Philosophie. Weil „Übernatur und Gnade die letzte ontologische Form der gesamten Welt (sind), so ist es notwendig, daß all ihr Tun und Denken, ihr Leben und ihr Philosophieren je schon eingebettet ist in diese höchste Seinsform.“

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 Die Natur als Gegenstand der Philosophie, ist immer schon eine gnadenhaft erhöhte. „Darum (ist) auch alle Philosophie von einem – bewussten oder unbewussten – theologischen Apriori umgriffen.“

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 Zwar haben nach Balthasar Philosophie und Theologie je eigene, gegenläufige Formalobjekte – Philosophie betrachtet danach primär weltlich Seiendes, um von dort zum absoluten Sein vorzustoßen

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, während Theologie vom Geheimnis Gottes, wie es in der Offenbarung sich zeigt, aus auf die Welt zudenkt

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 – aber die Materialobjekte sind unlösbar verflochten. Die konkrete Welt, wie Philosophie sie vor sich hat, steht immer schon in (positiver oder negativer) Beziehung zum Gott der Gnade. ‚Reine Natur‘ ist eine in der faktischen Welt nicht existente Abstraktion.



Analoges gilt für die Erkenntnisfähigkeit. Auch hier erweist sich wieder das Ineinander von ontischer und noetischer Dimension als zwei Aspekte der einen Wirklichkeit. Nach Balthasar verfügt die Philosophie über kein eigenes Werkzeug, weil eben „auch das konkrete Auge der Vernunft immer schon entweder ein durch das Licht von Glaube und Liebe gereinigtes und geschärftes, oder aber ein durch Erbsünde oder persönliche Schuld verdunkeltes“

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 ist.



Vor diesem Hintergrund erwartet Balthasar als angemessene Haltung der Philosophie die Anerkennung ihrer Grenze als weltliche Wissenschaft, die „auf einen anderen, mehr als nur weltlichen Abschluss angewiesen und auf diesen hingeordnet“

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, d. h. von der Theologie zu vollenden ist. Den Grundfehler aller rein philosophischen Entwürfe erkennt er in dem Versuch, die Antwort auf die Seinsfrage vom Endlichen her zu entwerfen. Damit wird seiner Überzeugung nach das Verdankt-Sein, dessen Erkenntnis, wie eingangs dargestellt, die philosophische Frage allererst auslöst, systematisch geleugnet.

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 Philosophie muss sich so im Sinne Balthasars unweigerlich selbst verfehlen, indem sie „jeder Transzendenz entratend, in absolutistische Immanentismen oder logizistische Formalismen“

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 verfällt.



Für ebenso gefährlich erachtet er es aber, „wenn man den Menschen an seiner natürlichen Vernunftbewegung vorbei und im Gegensatz zu ihr zu Gott führen will; denn ein solcher (theologischer; S. H.) Positivismus verdächtigt und verketzert den der Natur eingezeichneten Weg und zwin