Die Nacht wird hell wie der Tag

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Fastenzeit

Die Asche hat nicht gehalten.

Am Aschermittwoch

bekamen wir damit ein

Kreuz gezeichnet.

Auf die Stirn.

Unsichtbar ist es geblieben.

Ein altes Zeichen.

Kein sympathisches. Dazu der Satz:

„Gedenke, Mensch,

dass du Staub bist“,

oder:

„Kehr um und glaub an das Evangelium.“

Das ist wie eine Überschrift

für die nächsten Wochen.

Für die Fastenzeit,

bis Ostern.

„Kehr um und glaub an das Evangelium.“

Tun wir doch,

sagen wir leichtfertig.

Ja, mit den Lippen schon.

Aber mit dem Herzen,

mit unseren Taten …?

Wir sind Menschen,

versuchen, immer mehr solche zu sein.

Versuchen, der Würde gerecht zu werden,

die uns die Taufe verlieh.

Versuchen, den Namen Christ zu tragen

und zu leben.

Wer kann schon sagen,

er hätte das erreicht?

Die wenigsten von uns sind Heilige.

Gott weiß das.

Ihm wieder Platz machen.

Gott Raum geben

im Alltag.

Nicht nur in den reservierten Zeiten

am Sonntagvormittag.

Ich denke an ein Wort von

Franz Rosenzweig,

dem jüdischen Schriftsteller:

„Gott schuf nicht die Religion,

er schuf die Welt!“

Und wir sind mittendrin.

Mit einer Botschaft.

Sie klingt einfach,

zu einfach für die gestylte Gesellschaft:

Es gibt mehr, als ihr seht,

es gibt mehr, als ihr hört,

es gibt mehr, als ihr begreift.

Für uns hat diese Botschaft

ein Gesicht:

Jesus von Nazareth,

der Erstgeborene der Maria,

Christus, der Sohn Gottes.

Den Blick auf ihn freiräumen,

seinem Wort zuhören,

dem täglichen Wortmüll

etwas zu entfliehen.

Leiser werden und wacher.

Frömmer im unpathetischen Sinn.

Daran denken

und sich ändern

heißt fasten.

„Kehr um und glaub an das Evangelium.“

Download Gottes

Fastenzeit:

eine gute Gelegenheit,

sich alten Schätzen zuzuwenden.

Zum Beispiel den sieben Gaben

des Heiligen Geistes.

Sehr alte Begriffe,

die vielleicht etwas angestaubt wirken,

aber es in sich haben.

In Taufe und Firmung

wurden sie uns gesandt.

Aber auch dann,

wenn der Geist,

der weht, wo er will,

mit ihnen überrascht.

Ein „Download Gottes“.

Ob wir dieses „Programm“ speichern,

anklicken, nutzen, liegt an uns

und unserer Freiheit.

Die sieben Gaben:

Weisheit, Einsicht,

Rat, Erkenntnis, Stärke,

Frömmigkeit und Gottesfurcht.

Weisheit meint,

nicht klagen „früher war alles besser“,

aber auch nicht blind allem Neuem zustimmen.

Die Dinge gründlich prüfen, unterscheiden,

nicht vorschnell urteilen,

sondern alle Seiten abwägen.

Weisheit und dazu die Gabe der Erkenntnis

fordern auf, nüchtern zu bleiben, sich nicht

allein von Emotionen bestimmen zu lassen.

„Man kann sich an das Denken auch gewöhnen“,

erwiderte einer unserer Professoren

auf eine nicht sonderlich

kluge Frage eines Kommilitonen.

Nur mit dem Herzen sieht man gut,

weiß der kleine Prinz

bei Saint-Exupéry.

Stimmt, aber mit dem Verstand sieht man genau.

Beides ist notwendig.

Einsicht meint, zugeben,

dass auch andere Recht haben,

meint die Größe, Fehler zugeben zu können

und sich zu überwinden, das auch zu sagen.

Man verliert nicht an Autorität,

man gewinnt sie.

Einsicht meint auch:

nicht für alles sofort eine Antwort zu haben.

Der Kabarettist Dieter Nuhr sagt es so:

Man darf zu allem eine Meinung haben,

aber man muss nicht …

Wenn sich das mal durchsetzen würde:

wenn man keine Ahnung hat,

einfach mal den Mund zu halten …

Rat, ein guter Rat sei allen gewünscht,

und zwar von Menschen, die uns nicht nach

dem Mund reden,

die nicht nur sagen, was man gerne hören will,

sondern uns den Kopf waschen

und ans Bein treten, wenn es nötig ist.

Und deren Freundschaft umgekehrt

das Gleiche schätzt.

Stärke meint nicht Fäuste und Potenzgehabe,

meint nicht, cool sein,

meint eher die innere Kraft,

die auch aushalten lässt in schwierigen Momenten.

„Sei erschütterbar und widersteh“,

schreibt der Dichter Peter Rühmkorff.

Mit dieser Stärke bleibe ich wach

für das, was neben mir geschieht,

schaue nicht weg

und mache den Mund auf,

wenn es darauf ankommt.

Zuletzt noch Gottesfurcht und Frömmigkeit.

Die Zeiten sind vorbei, hoffentlich,

in denen Gott zu Erziehungszwecken

missbraucht wurde.

Der liebe Gott sieht alles, hört alles … usw.

Wir brauchen keine Angst vor Gott zu haben,

keine Furcht im Sinne von fürchten,

aber eines sollten wir nicht vergessen:

die Ehrfurcht.

Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge.

Gott allein ist der Herr der Welt,

und wenn wir in der Kirche niederknien,

dann nur aus einem Grund:

dass wir vor niemand in der Welt in die Knie

gehen, außer vor Gott,

der uns geschaffen und gewollt hat

und dem wir unser Leben verdanken.

Sich daran erinnern

heißt, im besten Sinne

des Wortes fromm zu werden,

und zwar auf je eigene Weise.

In Gemeinschaft und mit der

eigenen, unverwechselbaren Sprache,

die Gott schon versteht.

Mit ihm reden, ohne Scheu.

Ihm schlicht erzählen, was einen umtreibt,

ohne Sorge, missverstanden zu werden.

Dass er hört, ist sicher.

Die sieben Gaben des Heiligen Geistes.

Es liegt an uns, ob sie sich entfalten.

Ob wir es zulassen, dass sie sich entfalten.

Nicht selten

Jesus,

Bruder und Herr,

mein See Genezareth

liegt in der Eifel.

Vielleicht auch in den Straßen

irgendeiner Stadt.

Es sind keine Fischerboote,

von denen du mich wegrufst,

und meinen Vater verlasse ich auch nicht.

Ich bin ein Jünger mit E-Mail-Anschluss,

mit Handy und Hip-Hop im Ohr,

ich weiß nicht, ob ich tauge

für deinen Auftrag,

für deine „Mission impossible“.

Ich weiß nur,

dass du mir in der Seele brennst,

wenn ich dein Wort lese.

Ich weiß nur,

dass ich deine Schulter spüre

bei meiner Wut über

Ausbeutung und Unrecht.

Ich weiß nur,

dass ich still werde

in deinen Räumen,

und zwar ganz freiwillig.

Nicht selten

ahne ich dann,

dass du mich,

warum auch immer,

gemeint hast

und sendest.

… nicht kleiner machen

Streiten ist nicht so leicht,

vor allem mit offenem Visier.

Ehrlich und direkt.

Kinder können das.

Zum Beispiel Kristin.

Ihr gefiel es gar nicht, als ich vor

vielen Jahren ihre Pfarrei verließ.

Damals war sie acht Jahre alt.

Und eine meiner tüchtigsten

Messdienerinnen.

Meinen Abschied in eine neue Aufgabe

hätte sie gern verhindert.

Immer wieder bekam ich danach Post von ihr.

An einen Brief erinnere ich mich noch genau.

Er enthielt eine Hiobsbotschaft:

Ihr Pferd war plötzlich gestorben.

Eine Welt ging unter.

Sie schrieb deutliche Worte:

„Ich bin ganz schön sauer auf

den lieben Gott.

Er hat mir schon vieles genommen,

was ich besonders lieb hatte.

Meinen Hasen, dann sind Sie weg,

und jetzt noch das Pferd.“

Das klingt vielleicht lustig,

so wie vieles aus Kindermund.

Aber Kristin war wirklich sauer,

stinksauer auf den lieben Gott.

Das passte nicht in das Bild,

das man ihr beigebracht hatte.

Wieso soll ein Gott lieb sein,

der ihr Pferd und den Hasen sterben lässt

und dann auch noch den Pfarrer versetzt?

Diese Beziehung zu Gott ist lebendig.

Mit Gott hadert man nicht,

man zweifelt nicht,

was Gott tut, das ist wohlgetan,

so wurden die Älteren erzogen.

Aber mit Gott streiten,

das fällt doch schwerer.

Und trotzdem:

Gerade damit nehme ich Gott ernster,

als wenn ich immer nur Ja und Amen sage.

Gott ist zu kantig,

zu rätselhaft,

zu undurchdringlich,

als dass ich mit allem

einverstanden sein könnte.

 

Mit Gott sprechen, streiten

heißt glauben, dass er existiert.

Mit Schatten kämpfe ich nicht.

Und je heftiger der Streit,

umso wichtiger ist er mir.

Es ist wie mit Menschen,

die mir ans Herz gewachsen sind,

mit denen ringe ich ja auch.

Weil sie mir wichtig sind

und mir nicht völlig egal ist,

was sie machen.

Die Fastenzeit leben heißt:

sich erinnern,

dass wir Gottes Ebenbilder sind.

Vor ihm mit Würde stehen.

Sich nicht kleiner machen,

als er es je wollte.

Vater unser

Wenn kaum noch was geht,

eins funktioniert fast immer:

das Vater unser.

Auch wenn man nur noch selten

zur Kirche geht:

gelernt ist gelernt,

und das Langzeitgedächtnis bringt

manchmal erstaunliche Resultate zustande.

Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen,

bei solchen Anlässen findet man sich

dann doch mal wieder

in einer Kirche ein.

Man ist eingeladen,

man weiß gerade noch so,

wie man sich verhält in der Kirche.

Bei den Katholiken macht man eine Kniebeuge,

wenn man die Kirche betritt,

bei den Evangelischen geht es

etwas salopper zu.

Das ist aber dann fast schon alles.

Den Kirchenliedern hört man zu,

mitsingen wäre doch etwas überfordernd,

außerdem ...

eigentlich hat man damit ja gar nichts mehr

am Hut.

Eigentlich.

Man sitzt da und schaut sich das Ganze an.

Es hat was Folkloristisches,

wenn es gut gemacht ist,

auch etwas Unterhaltsames

und manchmal, ja manchmal sogar

etwas Nachdenkliches.

Wenn der Pfarrer seine Chance nutzt,

normal spricht oder

Texte auswählt,

die nicht zu dick Christentum auftragen,

das ist doch auch mal nicht schlecht.

Gut gemacht halt,

wie im Theater.

Bis zu der Stelle,

an der das Vater unser kommt.

Alle werden aufgefordert mitzubeten,

und: man macht es.

Fast automatisch

geht das alte Gebet über die Lippen.

Als wäre ein Kontakt ausgelöst,

ein Schalter gedrückt.

Manche beten es wirklich laut,

manche bewegen unmerklich die Lippen,

andere sprechen es in Gedanken.

Es ist noch da auf der Festplatte.

Gespeichert.

Bei solchen Gelegenheiten

meldet es sich wieder.

Vater unser

im Himmel,

geheiligt werde dein Name …

Worte, die uns

unsere Mütter und Väter lehrten,

unsere Lehrer.

Unser tägliches Brot gib uns heute

und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …

Noch melden diese Worte sich

aus der Erinnerung an die Kinderzeit,

in der es leichter fiel zu glauben.

Gut so.

Kann so bleiben.

Kann noch mehr werden.

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