I. Rechtsgüterschutz vs. Verhaltenssteuerung der Gesellschaft
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Ursprünglich wurde das Strafrecht als Annex der anderen Rechtsgebiete verstanden. Während Zivil- und öffentliches Recht versuchten, die gesellschaftliche Realität zu erfassen, zu ordnen und abzubilden, griff das Strafrecht als Sekundärmaterie erst dann ein, wenn es zum Schutz der individuellen Rechtsgüter der Bürger unbedingt notwendig war. Als solche wurden das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, die Ehre genauso wie die die materielle Existenz sichernden Rechtsgüter Eigentum und Vermögen geschützt. Die Entscheidung darüber, welche Werte dem strafrechtlichen Schutz unterfallen sollten, vollzog sich außerhalb des Strafrechts. Sie war Folge eines sozialen Wertekonsenses aufgrund von individuellen Erfahrungen der Rechtsgesellschaft.
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Im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung wurde eine Beschränkung des strafrechtlichen Schutzes auf die genannten Individualrechtsgüter nicht mehr für ausreichend erachtet. Die Industrialisierung, Technisierung und Virtualisierung einer immer komplexer werdenden globalen Welt schienen nach dem Schutz neuer überindividueller Rechtsgüter zu verlangen. Anerkannt werden heute die „Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs“, das „Funktionieren der Kreditwirtschaft als solcher“ oder die „Institution der Subvention als wichtiges Instrument staatlicher Lenkung und die mit ihr verfolgten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen als solche“. Diese setzen nicht mehr an der Individualität des Menschen an, sondern schützen kollektive Mechanismen, die dann ihrerseits wieder mehr oder weniger dem Wohle der Menschen zu dienen bestimmt sind.
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Angestoßen und forciert wird diese Entwicklung häufig durch das Auftreten gesellschaftlicher Missstände. Beispiele sind organisierte Kriminalität, Terrorismus, Korruption, Submissionsabsprachen oder auch die aktuellen Vorkommnisse im Zuge der Entstehung der weltweiten Finanzkrise. In solchen Krisensituationen ist der Gesetzgeber schnell mit der Kodifikation neuer Straftatbestände zum Schutz neuer Rechtsgüter zur Stelle. Dies schafft Zeit, signalisiert Stärke und Handlungswillen, bewirkt aber zusätzlich eine Wesensveränderung des Strafrechts.
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Strafrecht ist dann nicht mehr den gestaltenden Rechtsmaterien dienend zugeordnet, sondern soll selbstständig regeln, regulieren und Ordnung schaffen. Es befindet sich nicht mehr im ruhigen Fahrwasser der Ahndung unvertretbarer Verletzungen von Individualrechtsgütern, sondern wird von der schnellen Strömung der gesellschaftlichen Entwicklung mitgerissen, indem es sich ausbreitet und in alle gesellschaftlichen Räume hineinzwängt. Ob es dieser Strömung Herr wird und sich wirklich als das richtige Instrument zur Lenkung und Regulierung der Gesellschaft entpuppt oder ob es notwendig ist, möglichst schnell einen Anker zu werfen, gilt es abzuwarten.
Teil 1 Einleitung
›
A. Allgemeine Veränderungstendenzen im Strafrecht
› II. Rechtssicherheit vs. individuelle Gerechtigkeit
II. Rechtssicherheit vs. individuelle Gerechtigkeit
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Blendet man den Richtungsstreit zwischen Rechtsgüterschutz und Gesellschaftslenkung aus, soll das Strafrecht, wie das Recht insgesamt, zuvörderst gerecht sein. Jeder, der eine Straftat begangen hat, soll dafür eine dem Einzelfall konkret angepasste Strafe erhalten. Das ist gerecht i.S.e. individuellen Gerechtigkeit. Andererseits soll das Strafrecht vorhersehbar sein. Es ist notwendig, dass sich der Bürger vor der Begehung einer Straftat über die Strafbarkeit eines Verhaltens informieren kann. Auch das ist gerecht, hier i.S.d. Rechtssicherheit. Es stellt sich die Frage, ob sich beides realisieren lässt; ob man jedem für das konkrete Verhalten eine detailgenaue Bestrafung antragen kann, die gleichzeitig aber für jeden vorhersehbar ist.
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Begibt man sich auf die Suche nach einer Lösung, gelangt man schnell zu der Erkenntnis, dass sich beide Gerechtigkeitsvorstellungen in ihrer Extremform ausschließen. Schüfe man weite unbestimmte Straftatbestände, als Extremum einen Tatbestand, der die Verletzung von Treu und Glauben oder des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden unter Strafe stellt, könnte zwar subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen durch große Flexibilität bei der Strafzuweisung Genüge getan werden, doch würde man dem Bedürfnis der Bürger nach Vorhersehbarkeit der Strafe und damit der Rechtssicherheit nicht gerecht. Würden dagegen detailgenaue Tatbestandsformulierungen gewählt, könnte der „Vielgestaltigkeit des Lebens“ und damit der Einzelfallgerechtigkeit nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Zudem könnten sich Strafrichter im Fall individuell abweichender Gerechtigkeitsempfindungen dazu veranlasst sehen, es mit dem Wortlaut der Normen nicht so genau zu nehmen, und dem Normierten ähnliche Verhaltensweisen unter die Norm zu subsumieren. Eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit wäre die Folge. Notwendig ist mithin eine klare Grenzziehung zwischen individueller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, die beiden Erfordernissen größtmögliche Wirkung verleiht.
Anmerkungen
Als Schöpfer des Begriffs „Rechtsgut“ gilt gemeinhin
Birnbaum
vgl.
ders
. Archiv des Criminalrechts 1834, 149 ff.
Binding
hat den Rechtsgutsbegriff dann zum Grundbegriff des Strafrechtssystems erhoben und dem Dogma vom Rechtsgüterschutz zum Durchbruch verholfen. Vgl. dazu
Sina
Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs Rechtsgut, 41 ff.
Vgl.
Dierlamm
StraFo 2005, 397, 398.
Auch bei Individualrechtsgütern ist die Sicht der Öffentlichkeit und Allgemeinheit maßgebend. Dies resultiert aus dem erforderlichen Gemeinschafts- und Sozialbezug, da Individualrechtsgüter dem Einzelnen erst die Möglichkeit verleihen, sich innerhalb der Gemeinschaft zu entfalten und erst durch ihre Beziehung zum Menschen Rechtsgüter werden, vgl.
Vogel
StV 1996, 110, 111. Dies wird z.B. anhand des Eigentums deutlich, da nicht die abstrakte Sache an sich, sondern erst ihre Bezogenheit auf einen Inhaber, den Eigentümer, das Eigentum ausmacht. Vgl. dazu
Marx
Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“, 64.
BGH
NStZ 1993, 283.
LK/
Tiedemann
12. Aufl., § 265b, Rn. 10 ff.; Schönke/Schröder/
Perron
29. Aufl., § 265b, Rn. 3, jew. m.w.N.
Schönke/Schröder/
Perron
29. Aufl., § 264, Rn. 4.
Beispielhaft fordert
Kasiske
die Einführung neuer Straftatbestände im Zuge der Finanzkrise, vgl.
ders
. Aufarbeitung der Finanzkrise durch das Strafrecht? Zur Untreuestrafbarkeit durch Portfolioinvestments in Collateralized Debt Obligations via Zweckgesellschaften, in: Schünemann, (Hrsg.), Die sogenannte Finanzkrise – Systemversagen oder global organisierte Kriminalität?, 13, 40 f.
So insbesondere Vertreter der sog. Frankfurter Schule, die eine Rückbesinnung des Strafrechts auf seinen ureigenen Kriminalitätsbereich verlangen, da sie ihm die Eignung zur Systemregulierung absprechen. Vgl. anstatt vieler
Schilling
Fragmentarisch oder umfassend?, 237 ff., 251.
In diese Richtung interpretiert
Hamm
NJW 2005, 1993 den Untreuetatbestand in seiner Handhabung durch die Rechtsprechung.
BVerfGE
4, 352, 358; 11, 234, 237; 28, 175, 183; 45, 363, 371; 47, 109, 120; 48, 48, 56.
Teil 1 Einleitung
› B. Das Wirtschaftsstrafrecht als Feld einer Richtungsentscheidung
B. Das Wirtschaftsstrafrecht als Feld einer Richtungsentscheidung
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Die verschiedenen Vorstellungen von Strafrecht und Gerechtigkeit stoßen insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht aufeinander. Das Wirtschaftsstrafrecht enthält eine Vielzahl weiter unbestimmter Tatbestandsformulierungen, die zur Inkorporierung individueller moralischer und politischer Zielvorstellungen einladen. Auch die Forderung nach Regulierung mit Hilfe des Strafrechts ist hier besonders ausgeprägt.
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Ursache dafür ist die besondere Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese bringt immer neue Arten potentieller wie tatsächlicher Kriminalität hervor, die vermeintlich eine Reaktion durch das Strafrecht verlangen. Infolge der Entwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs schossen z.B. in der Finanzwirtschaft schier unzählige verschiedene Finanzprodukte sowie die verschiedensten Strategien zur Geldvermehrung mit neuartigen, vermeintlich unkalkulierbaren Risiken aus dem Boden. Zusätzlich sehen sich die Unternehmen in der Realwirtschaft durch die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung einem weltweiten Konkurrenz- und Innovationsdruck ausgesetzt, der die Ursache teils unseriöser oder zumindest unmoralischer Geschäftspraktiken bildet. Dadurch wird das Strafrecht auf den Plan gerufen. Es wird zur Wirtschaftslenkung eingesetzt, indem durch weite, generalklauselartig formulierte Tatbestände versucht wird, den nicht zu überblickenden Kriminalitätsbereich abzudecken.
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Ausdruck dieser Tendenz sind u.a. die durch das erste und zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von 1976 und 1986 (1. und 2. WiKG) in das StGB integrierten (z.B. §§ 264, 264a, 265b, 266a, 266b, 298 StGB) oder in Sondergesetzen geregelten (z.B. BörsG, UWG) wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbestände, die neben einer Häufung von Blanketttatbeständen, Sonderdelikten, gesetzlichen Vermutungen sowie Auffang- und Aufgreiftatbeständen eine Vielzahl von abstrakten Gefährdungsdelikten enthalten. Diese zeichnen sich durch die Kriminalisierung einer als sozialschädlich empfundenen Handlung unabhängig vom Eintritt irgendeines Erfolges aus und verlagern die Strafbarkeit folglich in ein Stadium im Vorfeld der eigentlichen Rechtsgutsverletzung.
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Legitimiert wird diese Vorverlagerung durch den Verweis auf den Schutz überindividueller, vermeintlich dem Schutz der Allgemeinheit dienender Rechtsgüter wie die Rechtspflege, den Beweisverkehr, den Preisbildungsmechanismus bei Ausschreibungen, das Kreditwesen oder andere Institutionen. Weiteres Argument ist gerade im Wirtschaftsstrafrecht häufig die Notwendigkeit der Prävention, da es dort häufig um Summen in Millionenhöhe geht, welche durch Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft verschoben, erschlichen oder „veruntreut“ würden. Der Staat könne dann das Abwarten eines Erfolgseintritts nicht hinnehmen, sondern müsse bereits präventiv mit Hilfe des Strafrechts vorgehen. Zusätzlich wird dadurch der Ruf der Bevölkerung nach Bestrafung, insbesondere in den medienwirksamen Fällen der Wirtschaftskriminalität befriedet.
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Auch in der Rechtsprechung ist eine Tendenz zur Vorverlagerung der Strafbarkeit durch ausufernde Gesetzesanwendung festzustellen. Straftatbestände werden weit über ihren Anwendungsbereich hinaus ausgelegt, um möglichst im Vorfeld der eigentlichen Deliktsverwirklichung Bestrafungen zu ermöglichen. Dabei werden nicht selten eigentlich als Erfolgsdelikte ausgestaltete Delikte stillschweigend in reine Tätigkeitsdelikte verformt.
Teil 1 Einleitung
›
B. Das Wirtschaftsstrafrecht als Feld einer Richtungsentscheidung
› I. Die Untreue als das klassische Wirtschaftsdelikt unserer Zeit
I. Die Untreue als das klassische Wirtschaftsdelikt unserer Zeit
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Besonders deutlich werden Zustand und Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts im Tatbestand der Untreue als dem „typischen Wirtschaftsverbrechen unserer Zeit“. Ihr wird infolge der sehr weiten Tatbestandsformulierung die Rolle einer immer passenden„Allzweckwaffe“ bei der Ahndung von Unregelmäßigkeiten in der Wirtschaft angetragen. Hinzu kommt eine ebenfalls sehr weite Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Daher werden Zweifel an ihrer Verfassungsgemäßheit laut und in fast jeder Veröffentlichung zur Untreue die von
Hellmuth Mayer
1954 getätigte Äußerung zitiert, dass „sofern nicht einer der klassischen alten Fälle der Untreue vorliegt kein Gericht und keine Anklagebehörde , ob § 266 vorliegt oder nicht.“
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Durch ihre Flexibilität und Offenheit wird die Untreue zum Regulierungsinstrument in der Wirtschaft. Durch sie werden stetig neue Strafbarkeitsbereiche erschlossen, neue Fallgruppen gebildet. Beispiele sind die Parteienuntreue, die Haushaltsuntreue, die Untreue durch unordentliche Buchführung, durch Kick-Back-Zahlungen, durch das Bilden von sog. schwarzen Kassen, um nur einige Bereiche zu nennen. Gerade in den Fällen, in denen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Verdacht stehen, gegen vermögensrelevante Regeln verstoßen zu haben, ist man schnell mit der Untreue bei der Hand, um Handlungsbereitschaft zu demonstrieren und dem alten Vorwurf zuvor zu kommen, die Kleinen zu hängen, die Großen aber laufen zu lassen. Die öffentliche Meinung wird dabei zusätzlich durch die fälschliche Bezeichnung als „Veruntreuung“ beeinflusst, die suggeriert, es ginge um persönliche Bereicherung. Dies ist aber nur selten der Fall. In der Regel handelt es sich um Fälle, in denen angestellte Wirtschaftsakteure versuchen, für ihre Arbeitgeber Gewinne zu erwirtschaften. Gelingt dies nicht und sind Verluste die Folge, wird schnell von Untreue gesprochen; veruntreut, d.h. in die eigene Tasche gewirtschaftet, wurde aber nicht.
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Neben einem empirisch feststellbaren Anstieg der Anzahl der Untreueverfahren ist auch die Bedeutung der Untreue in der wissenschaftlichen Diskussion um ein Vielfaches gestiegen. Auch dort hat die Untreue seit Jahren „Hochkonjunktur“ bzw. ist eine „Untreuemode“ entstanden.
Teil 1 Einleitung
›
B. Das Wirtschaftsstrafrecht als Feld einer Richtungsentscheidung
› II. Das Verhältnis von Vermögensnachteil und Vermögensschaden als Ansatzpunkt einer Rekonturierung des Wirtschaftsstrafrechts
II. Das Verhältnis von Vermögensnachteil und Vermögensschaden als Ansatzpunkt einer Rekonturierung des Wirtschaftsstrafrechts
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Die vorliegende Untersuchung reiht sich in die Bandbreite der Publikationen zur Untreue ein. Sie versteht sich allerdings nicht als abstrakte Darstellung der Unbestimmtheit und Weite des Tatbestandes, sondern greift einen wesentlichen Teilaspekt der Problematik heraus und versucht diesen umfassend zu beleuchten; das Verhältnis des Vermögensnachteils als tatbestandlichem Erfolg des Untreuetatbestandes (§ 266 StGB) zum Merkmal des Vermögensschadens, dem tatbestandlichen Erfolg des Betruges (§ 263 StGB) bzw. umgekehrt das Verhältnis des Begriffs des Vermögensschadens zum Begriff des Vermögensnachteils.
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Dieses Thema bietet sich gleich aus mehreren Gründen an. Zum einen können gleich beide Kerntatbestände des im StGB geregelten Wirtschaftsstrafrechts hinsichtlich ihrer tatbestandlichen Erfolge untersucht und, im Falle der identischen Handhabung der Begriffe, eine Systematisierung der Verletzungsdelikte des Wirtschaftsstrafrechts insgesamt erreicht werden. Zum anderen haben gerade die Begriffe Vermögensnachteil und Vermögensschaden im Laufe des vergangenen Jahrhunderts eine immense Ausweitung erfahren, so dass diese einerseits stellvertretend für die Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts insgesamt stehen und andererseits vermeintliche Restriktionsansätze hier den größten Erfolg versprechen. Zuletzt erfreut sich gerade der Bereich der angesprochenen Ausweitung beim Deliktserfolg, die mit dem Begriff der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ in Verbindung steht, in der wissenschaftlichen Diskussion mehr denn je großer Aktualität und Beliebtheit.
Anmerkungen
Zu den verschiedenen Standpunkten zur Begrifflichkeit des Wirtschaftsstrafrechts vgl.
Tiedemann
Wirtschaftsstrafrecht, Einführung und AT, 27 ff. (§ 1, Rn. 59 ff.).
Schünemann
Organuntreue, 7;
ders
. NStZ 2006, 196.
Vgl. zur Diskussion um die Einordnung der Untreue als Wirtschaftsdelikt
Rönnau
ZStW 119 (2007), 887, 890 ff.
Ransiek
ZStW 116 (2004), 634;
Hermann
Die Begrenzung der Untreuestrafbarkeit in der Wirtschaft am Beispiel der Bankenuntreue, 7.
Seier
Die Untreue (§ 266 StGB) als „Allzweckwaffe“, in: Kohlmann/Nestler/Seier/Walter/Walther/Weigend (Hrsg), Entwicklungen und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, 105;
Zerbes
Untreue im Rechtsvergleich: Überlegenheit des Missbrauchskonzepts?, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, 158, 163;
Hamm
NJW 2005, 1993, 1994;
Mitsch
JuS 2011, 97;
Perron
GA 2009, 219, 222.
Vgl. MüKo/
Dierlamm
StGB, § 266, Rn. 3 ff.;
Lesch
DRIZ 2004, 135;
Seier
Die Untreue (§ 266 StGB) in der Rechtspraxis, in: Bernsmann/Ulsenheimer (Hrsg.), Bochumer Beiträge zu aktuellen Strafrechtsthemen, 145, 153;
ders.
Die Untreue (§ 266 StGB) als „Allzweckwaffe“, in: Kohlmann/Nestler/Seier/Walter/Walther/Weigend (Hrsg), Entwicklungen und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, 105, 112;
Labsch
Untreue (§ 266 StGB), 196;
Letzgus
NJW-Editorial, Heft 35/2010;
Otto
Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, 311;
Kargl
ZStW 113 (2001), 565, 576, 589;
Hamm
NJW 2001, 1694, 1696;
Kiethe
WM 2003, 861, 867 („bedenklich unbestimmt“);
Perron
GA 2009, 219, 232 („nicht tolerierbar“); wohl auch
Arzt
FS Bruns, 365, 367 („rechtstaatlich gefährlich vage Formulierung“).
Vgl.
Bräunig
Untreue in der Wirtschaft, 22;
Dierlamm
NStZ 1997, 534, 536;
Saliger
ZStW 112 (2000), 563;
Selle/Wietz
ZIS 2008, 471;
Tsambikakis
StRR 2008, 404;
Schünemann
NStZ 2006, 196, 197;
Hohn
wistra 2006, 161, 162;
Ignor/Sättele
FS Hamm, 211, 212;
Günther
FS Weber, 311, 312;
Perron
GA 2009, 219;
Schramm
Untreue und Konsens, 245;
Faust
Zur möglichen Untreuestrafbarkeit im Zusammenhang mit Parteispenden, 3;
Hermann
Die Begrenzung der Untreuestrafbarkeit in der Wirtschaft am Beispiel der Bankenuntreue, 30;
Beulke
FS Eisenberg, 245, 246 f.;
Werner
Der Gefährdungsschaden als Nachteil im Sinne des Untreuetatbestandes, 163;
Rojas
Grundprobleme der Haushaltsuntreue, 85 f.;
Anders
Untreue zum Nachteil der GmbH, 7.
Mayer
Die Untreue, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 1. Bd., 333, 337.
BGHSt
51, 100 ff.
BGHSt
40, 287 ff.; 43, 293 ff.
BGHSt
20, 304 ff.; 35, 333 ff.; 47, 8 ff.
BGHSt
49, 317 ff.;
BGH
NStZ 2006, 210 ff.;
BGH
NJW 2006, 2864 ff.
BGHSt
51, 100 ff.; 52, 323 ff.
Vgl.
Dahs
NJW 2002, 272.
Vgl. Achenbach/Ransiek/
Seier
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 595 (Untreue, Rn. 4 ff.) In der Polizeilichen Kriminalstatistik ist von 1994 (6.338) bis 2011 (10.697) ein deutlicher Anstieg der Untreuefälle erkennbar. 2009 belief sich der Wert sogar auf 12.577 Fälle, vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 2010, 45, abrufbar unter:
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2011/PKS2010.pdf?__blob=publicationFile
(zuletzt abgerufen am 21.6.2013). Hinzu kommt ein mutmaßlich extrem hohes Dunkelfeld, vgl. Achenbach/Ransiek/
Seier
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 596 (Untreue, Rn. 9); LK/
Schünemann
12. Aufl., § 266, Rn. 5;
Rönnau
ZStW 119 (2007), 887, 889;
Loeck
Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue, 4.
Schilling
verneint dagegen unter Verkennung der vorliegenden Zahlen einen Anstieg der Verfahren wegen Untreue. Seiner Meinung nach folge aus der qualitativen Expansion gerade keine quantitative, vgl.
ders
. Fragmentarisch oder Umfassend?, 188 f.
Vgl.
Saliger
HRRS 2006, 10, 14 f.
Seier
Die Untreue (§ 266 StGB) in der Rechtspraxis, in: Bernsmann/Ulse