Dantes Theologie: Beatrice

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

2.3 Aberrative Versuche der Problembewältigung





Nachdem der Jenseitspilger am Ende eines Tales einen Hügel erblickt und den Sternenhimmel darüber – was ihm Zuversicht verleiht

150

 – wird er durch den Anblick dreier Tiere jäh in die Dunkelheit des Waldes zurückgetrieben : Panther, Löwe und Wölfin versperren ihm den weiteren Weg, er weicht zurück. Während Panther und Löwe Dante nur bedingt ängstigen, gleichwohl unüberwindlich erscheinen, vernichtet der Anblick der Wölfin in ihm alle neu erstarkte Hoffnung.

151

 Es ist in erster Linie dieses Tier, welches ihn in den nunmehr als Sündenwald zu verstehenden Forst zurücktreibt. Die Interpreten sehen in der Wölfin eine Allegorie der Habgier (wobei entsprechend der Hauptlaster der drei Lebensalter der Panther die Sinnenlust, der Löwe den Hochmut verkörpert).

152

 Die Habgier (avaritia)

153

 in Gestalt der Wölfin

154

 versperrt ihm den Weg zum bereits erfassten Ziel, da sie für die Unstillbarkeit des Gewinnstrebens steht, das den zur Umkehr Bereiten somit blockiert, ihn in die Ausweglosigkeit hinein zu fesseln versucht. Wollust, Stolz und Habgier sind die von ihm selbst erkannten Schwächen seines Lebens. Sein Drang aber, zu viel erreichen zu wollen, die unstillbare Gier nach immer mehr, zwingt ihn letztlich (wenngleich auch schmerzhaft), sich angesichts der in Ewigkeit Gescheiterten in Selbstbescheidung zu üben.



Erkennen und Eingestehen eigener Schuld durch die Begegnung mit den drei Tieren sind Voraussetzung für Sühne und Läuterung, allerdings bedarf es zur Sühne auch der beratenden, begleitenden und fürsprechenden Mithilfe. Dante exkulpiert sich nicht selbst, er wird geleitet und schließlich mit Hilfe der Gnade Gottes entsühnt, die Absolution wird ihm geschenkt. Zunächst begegnet er daher Vergil, seinem Lehrer in Fragen der natürlichen Gotteserkenntnis, der ihn auf diesem Weg begleitet.








2.4 Die Hilfe von oben : Vergil und Beatrice





2.4.1 Die natürliche Gotteserkenntnis als Beginn der Bewegung zum Zielgrund des eigenen Lebens (Vergil)




155





Von Kleinmut übermannt, von den Tieren zurückgedrängt in die dunkle Wirrnis des Sündenwaldes, erblickt Dante einen Mann – nicht wissend, ob er Mensch (

uomo

) oder Schatten (

ombra

) ist – und ruft ihm in seiner Bedrängnis zu :

Miserere di me

156

. Nachdem Vergil sich zu erkennen gibt und den Verirrten nach seinem Säumen befragt, preist ihn Dante als seinen Meister und sein dichterisches Vorbild

157

, worauf der Dichter der Aeneis ihm kundtut, er müsse – um dem alles vernichtenden Tier (der niemals gesättigten und alles verschlingenden Habgier) zu entgehen – einen anderen Weg einschlagen. In die Ewigkeit eingegangen vermag er den Verirrten (durch die Hölle und den Läuterungsberg hinauf) bis auf die Höhe des irdischen Paradieses zu geleiten (Purg. XXVIII), wo Beatrice sich seiner als Geleit und Fürsprecherin annehmen wird :



»Dort wirst du die Verzweiflungsschreie hören



Und sehn die alten schmerzenvollen Geister,



Die alle ihren zweiten Tod beklagen.



Und sehen wirst du, die zufrieden wandeln



Im Feuer, weil sie noch die Hoffnung haben,



Wann immer, zu den Seligen zu kommen.



Wenn du zu diesen dann empor willst steigen,



Kommt eine Seele, die dich würdiger führet,



Sie laß ich zum Geleit dir, wenn ich scheide«.

158



Vergil führt Dante nur bis zur Spitze des Läuterungsberges, wo dieser nach erfolgter Reinigung (Absolution) Beatrice wiedersieht, deren Anblick er so lange vermisste und die ihm nun zur Führerin in die Seligkeit der Himmel wird. Der antike Dichter steht hierbei für die auf die Offenbarung hinführende natürliche Gotteserkenntnis.

159

 Obgleich Vergil nicht einfach als Personifikation der Philosophie angesehen werden kann, übernimmt er dennoch deren Rolle als Zuarbeiterin theologischer Wahrheitskunde, da nach Dante die Dichtung der vornehmste Ausdruck der Gottsuche des Menschen ist (und Vergil ihm darin Vorbild und Meister ist). Die philosophischen, offenbarungsunabhängigen Betrachtungen Vergils in Infernum (in welchem theologische Fragen kaum eine Rolle spielen und auch nicht durch den Führer beantwortet werden können, vielmehr stehen die drastisch-plastische Darstellungskraft der ewigen Verdammungsstrafen und die entsprechenden Einzelschicksale im Vordergrund) und Purgatorium (wo Vergil immer mehr in den Hintergrund tritt und gerade in den zentralen Gesängen XVII und XVIII auf Beatrice verweist, die Dante vollends in das Wesensgeheimnis der Liebe einführen wird) sind vorläufig, insofern sie die Begegnung mit der theologisch-mystischen Gnadenerhellung, Beatrice, vorbereiten.

160








2.4.2 Die übernatürliche Gotteserkenntnis als Gnadenbeistand der eigenen Sehnsuchtsbewältigung (Beatrice




161



)





Im zweiten Gesang des Infernums

162

 hegt Dante Zweifel, ob er würdig zu geratner Reise, da er sich weder mit Aeneas

163

 noch Paulus

164

 vergleichen könne.

165

 Der Mutlosigkeit

166

 (Feigheit) Dantes entgegentretend berichtet Vergil ihm von der Intervention Beatricens :



» rief mich eine Frau so schön und selig :



›Mein Freund



Ist an dem öden Strande so behindert



Auf seinem Weg, daß er aus Furcht sich wendet



Nun geh und hilf



Ihm, daß ich selbst darob getröstet werde.



Ich bin Beatrice (

Io son Beatrice

), die dich zu ihm sendet.



Ich komm von dort, wohin ich gerne kehre.



Die Liebe trieb mich (

Amor mi mosse

), daß ich reden mußte.‹«

167



Auf Fürsprache und Weisung Mariens (die »dort oben bricht des Richterspruches Härte«

168

) und der hl. Lucia sucht Beatrice (die aufgrund ihrer Seligkeit daran keinen Schaden nehmen kann)

169

 Vergil im Limbus der Hölle auf :



»Nun wird dich dein Getreuer brauchen,



Und ich will deiner Hilfe ihn empfehlen.



Beatrice, wahre Gottesfreude,



Was hilfst du dem nicht, der dich so sehr liebte,



Daß er sich deinetwegen ausgezeichnet ?«

170



Auf die Fürsprache dieser drei Frauen macht sich Vergil auf, Dante ins Jenseits zu führen.



H. Gmelin (u. a.) ordnet sie gnadentheologisch als Personifikationen der

gratia praeveniens

 (Maria), der

gratia illuminans

 (Lucia) und der

gratia cooperans

 (Beatrice) zu.

171

 Diese aus der Gnadenlehre entnommene Unterscheidung gibt in ihrem interpretativen Gehalt Aufschluss bzgl. der theologischen Bestimmung des rechtfertigenden Geschehens ; unableitbar, ungeschuldet und geheimnisvoll gewährt der Schöpfer und Erlöser die Gnade, welche erst den Durchgang durch die Hölle, den Aufstieg auf die Spitze des Läuterungsberges und den Flug durch die Himmel ermöglicht.



Die Gnadenmittlerschaft der drei Frauen ist wiederum vor dem Hintergrund der eschatologischen Lehre vom fürbittenden Dienst der in der ewigen Anschauung Gottes stehenden Heiligen zu sehen. Da die eine Kirche aus der Gemeinschaft der Lebenden, der zu Läuternden (im Purgatorium) und der Heiligen (im Paradies) besteht, können diese als Glieder des Leibes Christi für andere Fürbitte leisten.

172

 Auch wenn die fürbittende Gnadenvermittlung Mariens von derjenigen anderer Heiliger hervorgehoben werden muss – unter Beachtung ihrer christologischen Zu- bzw. Untergeordnetheit (die einzige und eigentliche Gnadenmittlerschaft Christi bleibt bestehen) – ist das fürbittende Gebet aller Heiligen und die Bitte darum stets als von der Kirche nützlich und bedeutsam angesehen worden.

173

 Die exponierte Stellung Beatricens als Dantes persönlicher Fürsprecherin um Befreiung von Schuld und die Gnade der Gottesschau wird in den folgenden Ausführungen thematisiert.

174

 Sie ist stets in ihrer Transparenz bzgl. der in ihren Augen durchschimmernden Liebesfülle Gottes Weggeleit der Sinnsuche menschlichen Fragens, sie ist Tor zur Ewigkeit, nicht diese selbst. Das Unbedingte scheint in ihr auf, insofern sie von ihm erfüllt ist und auf es hin verweist.



An dieser Stelle ist es bedeutsam, in der Person der Beatrice nicht nur eine Personenallegorie der Theologie, sondern auch der Gnade zu sehen. Theologie selbst wird somit als gnadenverwiesen und bekehrungsermöglichend ausgewiesen

175

, insofern die Personifikation theologischer Wahrheitssuche in Beatrice der Läuterung und personalen Umkehr Dantes dient und sich daran auch messen lassen will. Theologie als Hilfe zu Sündenabkehr und Gottzuwendung versteht sich selbst vom Gnadenmoment der erlösenden Vergebung Gottes her, wie Dante es im Anblick der Augen seiner nun zur Fürsprecherin bei Gott erhobenen Jugendliebe erfahren und erfassen kann :



»Du hast mit Sehnsucht so mein Herz beweget



Durch deine Worte, daß ich gerne komme



Und meinem alten Vorsatz wieder folge.«

176



Das Geleit Beatricens verdeutlicht somit die Gnadenverwiesenheit aller Gottesbegegnung, da hierfür offenbarungsunabhängige Versuche (Vergil) letztlich ungenügend sind. Sie personifiziert diesen Grundzug theologischer Reflexion gegenüber der Offenbarung Gottes : Letztlich liegt die rechte Begegnung (Schau) mit der ewigen Liebesfülle des in Jesus Christus fleischgewordenen Gottes nicht in der Erklärung (Durchschaubarkeit), vielmehr in Lob, Dank und demütiger Anbetung. Die Übernahme der Begleiterrolle Vergils durch Beatrice im Vorraum des Paradieses (im irdischen Paradies ; Purg. XXX) entspricht diesem Charakterzug der Theologie gegenüber rein philosophisch-rationalen Überlegungen. Mit der Erweiterung der reflektierenden Selbstvergewisserung des Menschen in den Bereich der Eschatologie hinein wird die Superiorität und denkerische Uneinholbarkeit des sich selbst offenbarenden (oder verbergenden) Gottes anerkannt und somit die Insuffizienz menschlicher Erkenntnisprozesse gegenüber diesem Absoluten-Unbedingten (womit das Wesen der Gnade angesprochen ist).

177

 Das Theologieverständnis der

DC

 geht von dieser Ambivalenz aus ; ihre Überlegenheit stützt sich auf die Einwilligung in das ihr stets vorgegebene (nicht von ihr erstellbare, sie mensurierende) Geheimnis der Offenbarung Gottes, womit zugleich ein kategorisches Unvermögen des über sie Reflektierenden angesprochen ist. Diese Selbstbescheidung der Theologie nimmt den Theologen selbst in den Blick, in seiner Gnadenverwiesenheit und Bekehrungsbereitschaft.

 






Exkurs :

Die prinzipielle Zuordnung von natürlicher und übernatürlicher Gotteserkenntnis in der

 Divina Commedia

178



Nach Thomas von Aquin

179

 besteht eine prinzipielle Zuordnung von natürlicher und offenbarungsabhängiger Erkenntnis Gottes.

180

 Die in seiner theologischen Summe aufgeworfene und thematisierte Frage nach dem Seelenheil des Menschen geht von einer grundsätzlichen Relationalität von Natur und Übernatur aus ; des Menschen Hinordnung auf das Erreichen der Seligkeit in der Anschauung Gottes ist in seiner Natur (auch bleibend in seiner gefallenen) grundgelegt, durch sie allein aber nicht zu erreichen. Diese Verwiesenheit

181

 als Zu- und Anspruch gilt für den ganzen Menschen in seinem Denken und Fühlen, Wollen und Handeln. Die ihm eingegossenen theologischen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe dienen zur Vervollkommnung der Seele im christlichen Sinn, wobei ›übernatürliche‹ wie ›natürliche‹ Tugenden (die vier Haupt- bzw. Kardinaltugenden

182

, die wie Erstere nicht loszulösen sind von der Allursächlichkeit Gottes

183

) gemäß dem Axiom »gratia non tollit, sed perficit naturam«

184

 aufeinander bezogen sind. Die Übernatur nimmt also die Gegebenheit der Natur in ihre Dienste, nicht zerstörend, sondern vielmehr darauf aufbauend, sie vollendend. Entsprechend verweisen auch philosophische und theologische Erkenntnissuche aufeinander, da es »keinen Grund für das Bestehen irgendeines Konkurrenzkampfes zwischen Glauben und Vernunft«

185

 gibt. Ferner gilt nach der Enzyklika

fides et ratio

 : Die Wahrheit, »die uns Gott in Jesus Christus offenbart, steht nicht im Widerspruch zu den Wahrheiten, zu denen man durch das Philosophieren gelangt.«

186

 Von daher ist es notwendig, die Wechselwirkung von Philosophie und Theologie unter der Perspektive des genuin theologischen Beitrags philosophischer Wahrheitssuche zu beleuchten : »Die aus der göttlichen Offenbarung kommenden Beiträge zur Wahrheit abzulehnen, bedeutet nämlich, sich zum Schaden der Philosophie den Zugang zu einer tieferen Wahrheitserkenntnis zu versperren.«

187

 Dabei will Theologie die philosophische Erkenntnis nicht begrenzen bzw. vereinnahmen, vielmehr einen Beitrag zu ihrer Entgrenzung liefern, ein Angebot, welches sich als Antwortmöglichkeit philosophischer Fragestellungen aus der christlichen Offenbarung heraus versteht.



Der Einzelne sieht sich in diese prinzipielle Zuordnung von natürlicher und übernatürlicher Gotteserkenntnis hineingestellt. Für Karl Rahner sind deswegen existentialphilosophische Überlegungen Ausgangspunkt seiner Thematisierung der Offenheit für Transzendenz als Konstitutivum des Menschen. Das entsprechende Verhältnis von Natur und Übernatur skizziert er in seinem ›Grundkurs des Glaubens‹. Nach Rahner interpretieren sich Natur und Übernatur gegenseitig, Natur und Gnade lassen sich adäquat jeweils nur vom anderen her bestimmen.

188

 Die Erfahrung von Transzendenz wird von Rahner wie folgt definiert : »Das subjekthafte, unthematische und in jedwedem geistigen Erkenntnisakt mitgegebene, notwendige und unaufgebbare Mitbewußtsein des erkennenden Subjekts und seine Entschränktheit auf die unbegrenzte Weite aller möglichen Wirklichkeit nennen wir die

transzendentale Erfahrung

189

 Der Mensch ist demnach grundsätzlich offen für die Erfahrung einer Offenbarung Gottes

190

, welche ihm seine eigene Existenz erst in rechter Weise deutet. Ausgehend von seiner sinnlich-begrenzten Erfahrungswelt gehört es zur apriorischen Struktur des Selbstbesitzes des Einzelnen, dass er in einem Vorgriff auf das Unbedingte seine raumzeitlich gesetzten Grenzen überschreitet. Auch wenn dies zunächst ein unthematisches Wissen von Gott ist, eine Ahnung und ein Verweis auf Gott als den Bezugspunkt aller transzendenten Erfahrung, so beschreitet Rahner im Grunde den Weg des Aquinaten in dem Bewusstsein der Verwiesenheit des Menschen auf einen ihn unendlich übersteigenden Sinnhorizont, von dem aber jegliche Orientierung und Sinnverortung abhängt. Im Vorgriff auf die Unendlichkeit Gottes ist diese selbst schon präsent als ein Geschenk von Ihm her »in dem Sinn der Seinsempfängnis, letztlich der Gnade.«

191

 Diese Vorahnung des Menschen auf die ihm von Gott her geschenkte Erfahrung der Seinsfülle charakterisiert auch seine Sehnsucht nach Erlösung. In der vorgrifflichen Erfassung des unbedingten Seins drückt sich die Hoffnung auf eigene Vollendung, auf die persönliche Hineinnahme in diese Unbedingtheit aus, die in der raumzeitlichen Bedingtheit des irdisch-endlichen Lebens nicht eingeholt werden kann. Daher nennt Rahner das in der transzendentalen Erfahrung zum Ausdruck gebrachte Wesensmoment des Menschen ein

über

natürliches Existential

192

.



Auch Dante setzt für seine

Divina Commedia

 diese gegenseitige Bedingtheit von Theologie und Philosophie, von Glaube und Vernunft, von Transzendenz und Immanenz voraus. So verleiht er etwa im 29. Gesang des

Purgatorio

 den erworbenen (Natur) und eingegossenen Tugenden (Übernatur) einen bildhaften Ausdruck : Am rechten Rad des Triumphwagens der

ecclesia

 (gezogen von Christus in der Darstellung eines Greifes als Bild seiner gottmenschlichen Natur) gehen in der Gestalt von drei Frauen die drei theologischen Tugenden, auf der anderen Seite sind es deren vier als Allegorien der vier Kardinaltugenden.

193

 Diese dichterische Verbildlichung der Tugendlehre des Aquinaten geht von einer kategorischen Zusammenschau der beiden Gruppen aus, unter eindeutigem Primat der Liebe : » cum charitate simul infunduntur omnes virtutes morales.«

194



Dem Tugendverständnis der

Commedia

 geht demnach eine oben skizzierte Auffassung des Ineinanders von Offenbarung/Glaube und natürlicher Gotteserkenntnis/Vernunft voraus, was allerdings primär in der Frage nach dem individuellen Heilsweg des Einzelnen anschaulichen Niederschlag findet. Glaube und Wissen sind in ihrem Bedingungsverhältnis derart aufeinander verwiesen, dass der Offenbarungsglaube nach seinem reflexiven Verständnis drängt, ohne damit von der Vernunft allein ableitbar zu sein (was gerade dem Wesen der Offenbarung als unableitbar-übernatürlicher Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes in der Bedingtheit raumzeitlicher Weltwirklichkeit widersprechen würde).



Für den Jenseitsweg Dantes bleibt festzuhalten, dass von der Gnade her Natur als auf diese hingeordnet gesehen werden muss (was entsprechend für das Verhältnis von Theologie und Philosophie auszusagen ist) vor dem Hintergrund der Mysterialität des erlösenden Offenbarungsgeschehens. Der eigentliche Zielpunkt des eschatologischen Erkenntnisweges besteht jedoch im

soteriologischen

 Moment, in der persönlichen Vollendung, die als denkerisch uneinholbar das Gebet und nicht die Abhandlung erheischt : »Der letzte Sinn der Philosophie liegt in der Theologie, der letzte Sinn der Theologie aber in der Heiligkeit.«

195



Hinsichtlich der Zuordnung Beatricens zur Theologie und Vergils zur Philosophie ist in diesem Zusammenhang auf das angekündigte Ende der Begleitung Vergils in Inf. I, 122–126 (da Vergil dem Kreis des

limbus patrum

 zugehörig selbst der ewigen Anschauung Gottes verlustig ist) und v. a. auf Par. XIX, XX und XXIV

196

 hinzuweisen, wo Dante sein persönliches Glaubensbekenntnis ablegt

197

. Stets gibt die übernatürliche, offenbarungsabhängige und gnadengebundene Gotteserkenntnis den Maßstab für die natürliche, vernunftgeleitete ; die Glaubensannahme (und die damit verbundene Umkehrbereitschaft) wird dadurch keineswegs zum

sacrificium intellectus

, vielmehr wird das unvoreingenommene Erkenntnisstreben des Menschen selbst erhoben, sodass er zu sich selbst (gemäß dem Verständnis des

desiderium naturale

 bzw. der

potentia oboedientialis

)

198

 kommt. Dante wiederum weist stets auf die Unableitbarkeit des Geheimnisses der personalen Rechtfertigungsgnade hin ; es geht ihm schließlich weniger um theoretische Spekulation als um die ermahnende und aufrüttelnde Darstellung des Einzelschicksals und seiner Bestimmung zur

visio beatifica

. Was demnach in der wissenschaftlichen Abhandlung theologischer Erkenntnissuche scheinbar klar und unzweideutig din