Deutsche Sprachgeschichte

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Einführungen in experimentelles Design und Datenanalyse gibt es enorm viele. Für die Linguistik bietet Meindl (2011) einen wertvollen Einstieg. Abdi et al. (2009) ist eine gut lesbare Einführung, die aus dem Bereich der experimentellen Psychologie stammt. Sehr anspruchsvoll ist dagegen Maxwell & Delaney (2004). Eine unterhaltsame, streckenweise etwas zu lang geratene Einführung in die Datenanalyse mit R bieten Field et al. (2012).

Aufgabe

1 Diskutieren Sie das oben zusammengefasste Experiment von Köpcke (1988). Erkennen Sie Störvariablen, die man bei eventuellen Folgestudien beseitigen sollte?

2 Informieren Sie sich über Lesezeitexperimente und überlegen Sie, ob man ein Experiment zur Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Pluralallomorphen (wie des Bärs vs. des Bären) auch damit durchführen könnte – und wenn ja, wie.

3. Vom Indoeuropäischen bis heute: Im Schnelldurchlauf durch die deutsche Sprachgeschichte

Die deutsche Sprachgeschichte wird klassischerweise in vier Perioden unterteilt: das Althochdeutsche, das Mittelhochdeutsche, das Frühneuhochdeutsche und das Neuhochdeutsche. Diese Periodisierung geht bereits auf Scherer (1878) zurück und hat sich als heuristisch wertvolle Untergliederung der deutschen Sprachgeschichte erwiesen. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass jede Periodisierung zwangsläufig willkürlich ist. Sprachwandel ist immer ein gradueller Prozess, und wenn wir das Jahr 1649 noch zum Frühneuhochdeutschen zählen, das Jahr 1651 hingegen zum Neuhochdeutschen, so bedeutet das selbstverständlich nicht, dass sich die deutsche Sprache im Jahr 1650 ganz plötzlich radikal verändert hat.

Gleichwohl gibt es natürlich Gründe, die Epochengrenzen so zu ziehen, wie Scherer es getan hat. Dabei lassen sich sprachinterne und sprachexterne Kriterien unterscheiden. Zu ersteren gehören beispielsweise „lautliche, morphologische und syntaktische Kriterien und Merkmale“ (Roelcke 2000: 370), zu letzteren unter anderem sozialgeschichtliche und kulturelle Faktoren. So fällt beispielsweise der Umbruch vom Alt- zum Mittelhochdeutschen mit der auch literaturgeschichtlich bedeutsamen Entwicklung der sogenannten höfischen Kultur zusammen. An der Schnittstelle von sprachinternen und sprachexternen Faktoren können die von Schmidt (2007: 17) zusätzlich angeführten soziolinguistischen Kriterien angesiedelt werden, zu denen beispielsweise das Verhältnis unterschiedlicher Varietäten zueinander gehört. Aufgrund der auch sprachlich höchst einflussreichen Entwicklungen, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, wird gelegentlich als weitere sprachgeschichtliche Epoche das Gegenwartsdeutsche angesetzt, dessen Beginn in der Regel in die Mitte des 20. Jahrhunderts datiert wird (vgl. Roelcke 1998b).

Alle genannten Bezeichnungen für die einzelnen Sprachepochen haben gemeinsam, dass sie aus drei Teilen bestehen – zum Beispiel: Alt, hoch und deutsch. Der erste Bestandteil bezieht sich auf die zeitliche Einordnung der jeweiligen Sprachstufe. Der zweite Bestandteil verortet sie geographisch. Mit dem Begriff hochdeutsch werden – im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch, der hierunter die normierte Standardsprache versteht – die deutschen Dialekte südlich der sogenannten Benrather Linie bezeichnet, die von der 2. Lautverschiebung erfasst wurden (s.u. 4.1.1). Die Sprachbezeichnung deutsch schließlich geht zurück auf ahd. thiutisk, diutisk ‚das eigene Volk betreffend, volkssprachlich‘ (vgl. Sonderegger 1979: 40).

Die Geschichte der deutschen Sprache im engeren Sinne setzt in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ein (vgl. Schmidt 2007: 23). Aber natürlich entsteht die Volkssprache nicht über Nacht: Ihre Wurzeln lassen sich dank der komparativen Methode bis ins Indoeuropäische zurückverfolgen. Dieser Vorgeschichte der deutschen Sprache wenden wir uns nun zu, ehe wir genauer auf die einzelnen Sprachstufen des Deutschen eingehen. Dabei geben die einzelnen Unterkapitel einen Abriss über die wichtigsten Entwicklungen bezüglich Phonologie, Morphologie und Syntax in der jeweiligen Periode, ohne dass dieser Überblick auch nur annähernd vollständig sein könnte. Einen ausführlicheren Überblick bieten Werke, die sich dezidiert der systematischen und chronologischen Beschreibung der deutschen Sprachgeschichte widmen, z.B. Schweikle (2002) oder Schmidt (2007).

Einen schlagwortartigen Überblick über die genannten Sprachstufen sowie über die Sprachwandelprozesse, die in den nächsten Kapiteln vorgestellt werden, bietet Tab. 7.


Sprachstufe Wandelprozesse im Überblick
Indoeuropäisch (bis ca. 1. Jt. v. Chr.)
Phonologie Lautverschiebung (4.1.1) Wandel von Akzenttyp und Akzentposition (3.1.2) Primärberührungseffekt (3.1.2) Morphologie Entstehung schwacher Verben (3.1.2)
Germanisch (bis ca. 200 n. Chr.)
Phonologie Hebung e > i vor Nasal + Konsonant (3.1.3, 4.1.2) wg. Hebung (i-Umlaut) und Senkung (a-Umlaut) (3.1.3, 4.1.2) Nasalschwund vor h und Ersatzdehnung des Vokals (3.1.3) wg. Konsonantengemination (3.1.3) wg. Rhotazismus (3.1.3)
Westgermanisch (ca. 200–500)
Phonologie 2. Lautverschiebung (4.1.1) Primärumlaut (4.1.2) Sekundärumlaut (noch nicht verschriftet) (4.1.2) Monophthongierung, Diphthongierung, Diphthongwandel (3.4.1) Morphologie einsetzende Phonologisierung des Umlauts: Umlaut als morphologischer Marker (4.1.2) Syntax Kasussynkretismus: Wegfall des Instrumentalis (3.2.3) einsetzende Obligatorisierung des Subjektpronomens (3.2.3) einsetzende Fixierung der Wortstellung (3.2.3)
Althochdeutsch (ca. 500–1050)
Phonologie Sekundärumlaut (4.1.2) Auslautverhärtung (3.3.1) ahd. /sk/ > mhd. /ʃ/ (3.3.1) fortschreitende Reduktion der vollen Nebensilbenvokale (3.3.1) Aufkommen des Glottisverschlusslauts (3.3.1) Morphologie Phonologisierung des Umlauts: Umlaut als morphologischer Marker (4.1.2) Formenzusammenfall durch Nebensilbenabschwächung (3.3.2) Erweiterung des Bestands an Wortbildungssuffixen (3.3.2) Syntax Entstehung neuer periphrastischer Verbformen (Perfekt, Passiv) (3.3.3) (weitere) Obligatorisierung des Artikels und des Subjektpronomens (3.2.3)
Mittelhochdeutsch (ca. 1050–1350)
Phonologie Monophthongierung, Diphthongierung, Diphthongwandel (3.4.1) Vokaldehnung und -kürzung (3.4.1) Palatalisierung /s/ > /ʃ/ im Anlaut (3.4.1) Degemination langer Konsonanten (3.4.1) Morphologie Präteritaler Numerusausgleich im System der starken Verben (3.4.2, 5.1.1) Morphologisierung des Umlauts / analogischer Umlaut (4.1.2) Neue Lehnwortbildungsmuster (3.4.2) Syntax (Weiterer) Ausbau des klammernden Verfahrens (6.1.2) Stellungswechsel des adnominalen Genitivs (des Vaters Haus > das Haus des Vaters) (6.1.1) Herausbildung des werden-Futurs (8.1.3) Abbau der doppelten Negation (3.3.3)
Frühneuhochdeutsch (ca. 1350–1650), Neuhochdeutsch (ab 1650)

Tab. 7: Überblick über einige der wichtigsten Wandelprozesse, die in den folgenden Kapiteln vorgestellt werden. Die Angaben in Klammern verweisen auf das jeweilige Kapitel.

 

3.1 Vorgeschichte der deutschen Sprache: Vom Indoeuropäischen zum Westgermanischen
3.1.1 Das Indoeuropäische

Auch wenn die ältesten Zeugnisse der frühesten Sprachstufe, die wir als „deutsch“ bezeichnen, erst ins 8. Jahrhundert datieren, können wir mit Hilfe der komparativen Methode (s.o. 2.1) gleichsam die Sprachfamilienbande des Deutschen nachzeichnen und damit auch einen „Stammbaum“ der unterschiedlichen indoeuropäischen Sprachen rekonstruieren. Als Indoeuropäisch (Ie.) oder Indogermanisch bezeichnet man die Vorstufe des Deutschen, die wohl um etwa 4000/3000 v. Chr., historisch also im Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit, gesprochen wurde (vgl. Schmid 2013: 3; Anthony & Ringe 2015) – allerdings variiert die Datierung sehr stark, je nachdem, ob man als „UrheimatUrheimat“ des Indoeuropäischen die sibirische Steppe oder Anatolien annimmt (vgl. z.B. Bouckaert et al. 2012).

Da uns aus dem Ie. keine Quellen überliefert sind, sind wir auf die Rekonstruktion mittels der komparativen Methode angewiesen. Die ältesten Quellen in einer ie. Einzelsprache, nämlich dem Hethitischen, stammen aus dem 18. Jh. v. Chr. (vgl. Ernst 2012: 43). Selbstverständlich können wir daher nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie das Ie. ausgesehen hat, aber manche Eigenschaften dieser Vorstufe der heutigen ie. Sprachen können wir doch mit einiger Sicherheit rekonstruieren. So ist relativ unumstritten, dass das Ie. mehr Kasusformen hatte – neben den im heutigen Deutschen noch vorhandenen Kasus Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ nämlich auch Vokativ (Anrede), Instrumental (u.a. zum Ausdruck des Mittels, mit dem eine Handlung ausgeführt wird: ich fege den Boden mit einem Besen), Ablativ (Ausgangsort: ich komme aus der Bibliothek / aus dem Haus Targayen) und Lokativ (räumliche, aber auch zeitliche Einordnung; vgl. Meier-Brügger 2010: 400–412). Auch das Numerussystem war wohl komplexer als das des heutigen Deutschen und umfasste neben Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl) auch einen Dual, also die Zweizahl. Sehr anders, als wir es aus dem heutigen Deutschen gewohnt sind, war auch der Akzent, also die Art und Weise der Betonung. Zum einen geschah die Betonung nicht (nur) über die Lautstärke, sondern über die Tonhöhe; zum anderen konnte die Position des Akzents variieren. Im nächsten Abschnitt (Kapitel 3.1.2) werden wir darauf noch näher eingehen.

Äußerst umstritten ist die Frage nach der sog. UrheimatUrheimat derjenigen, die diese Sprache gesprochen haben. Um sich der Frage anzunähern, wo das Ie. gesprochen wurde, kann die sog. linguistisch-kulturhistorische Methode, auch „linguistische Paläontologie“ genannt, herangezogen werden. Dabei schließt man anhand der Wörter, die sich bis ins Ie. zurückverfolgen lassen, auf die Kultur und Umgebung der Sprecherinnen und Sprecher (vgl. Seebold 1998: 966). Die Idee dahinter ist ganz einfach, dass wir das benennen, was in unserem Leben und unserer Kultur eine Rolle spielt. So haben wir ein Wort für ‚domestiziertes vierbeiniges Tier der Gattung Felidae, das sich in jede Schachtel zwängt‘ (Katze), aber benötigen kein Lexem für ein ‚in freier Wildbahn lebendes fünfeinhalbbeiniges Tier mit drei Augen, vier Ohren und einem Mund‘, auch wenn ein solches Tier vielleicht auf einem anderen Planeten existiert, von dem wir nichts wissen. Folgerichtig versucht man, aus dem Wortschatz, der sich aus dem Ie. rekonstruieren lässt, auf die Lebensumstände seiner Sprecherinnen und Sprecher zu schließen.

Ein wichtiges Argument für die räumliche Einordnung des Ie. ist das sogenannte Buchen-Argument: Da sich das Wort für ‚Buche‘ im Ie. rekonstruieren lässt, ging man davon aus, dass die ie. „Urheimat“ in einem Gebiet liegen müsse, in dem Buchen verbreitet sind – also westlich der „Buchen-Grenze“, die ungefähr von Königsberg bis Odessa verläuft (vgl. Seebold 1998: 966f.). Ganz ähnlich funktioniert das Lachs-Argument, das sich darauf stützt, dass „die Bezeichnung für diesen Fisch nicht nur im Germanischen, Slawischen und Baltischen vorkommt, sondern in der Bedeutung ‚Fisch‘ auch im Tocharischen“ (Ernst 2012: 45) – das Tocharische ist ein ausgestorbener Sprachzweig, der erst Ende des 19. Jh. entdeckt wurde (vgl. Bußmann 2008: 285). Man ging daher davon aus, dass das Ie. aus einem Gebiet stammt, in dem der Lachs heimisch ist. Ernst (2012: 45) gibt jedoch zu bedenken, dass die tocharische Bedeutung ‚Fisch‘ die ursprüngliche gewesen sein könnte und dass man auch für das Buchen-Argument nicht ausschließen kann, dass möglicherweise Bedeutungswandel involviert war – das Wort für ‚Buche‘ könnte sich ursprünglich auf einen anderen Baum bezogen haben. Aus den Ergebnissen der linguistisch-kulturhistorischen Methode kann man mit Schmitt-Brandt (1998: 289) sehr vorsichtig schließen, dass die Sprecherinnen und Sprecher des Ie. von der Jagd (Rotwild, Wildschweine, Bären, Wölfe) und von Viehzucht lebten (Schafe, Schweine, Rinder), Pferde züchteten und Steinäxte besaßen, dass sie Kupfer kannten, es wohl aber nicht schmolzen, und dass sie in Sippengemeinschaften und Kriegerverbänden lebten. Einige Forscherinnen und Forscher weisen außerdem auf ein ausgeprägtes Vokabular rund um Wägen hin, was darauf hindeutet, dass man bereits Fahrzeuge mit Rädern benutzte (vgl. Trask 2015: 345); in Verbindung mit der archäologischen Evidenz sehen z.B. Anthony & Ringe (2015) dies als Hinweis darauf, dass die Steppe als „Urheimat“ des Ie. gelten muss. Allerdings weist Trask (2015: 345) darauf hin, dass auch in diesem Bereich Bedeutungswandel stattgefunden haben könnte, und Vertreterinnen und Vertreter der Hypothese, dass der anatolische Raum als „Urheimat“ angenommen werden müsse (z.B. Atkinson & Gray 2005, 2006; Bouckaert et al. 2012), geben zu bedenken, dass es sich dabei auch um sehr frühe LehnwörterLehnwort handeln könnte, die nicht mehr als solche zu erkennen sind.

Zum Weiterlesen

Seebold (1998) bietet einen ausführlichen und lesenswerten Einstieg in die genealogisch-typologische Einordnung des Deutschen. Eine gut lesbare Einführung ins Ie. bietet Fortson (2010). Einschlägige deutschsprachige Einführungen ins Ie. sind Schmitt-Brandt (1998) und Meier-Brügger (2010).

3.1.2 Vom Indoeuropäischen zum Germanischen

Der Sprachwandelprozess, der das Germ. von anderen ie. Sprachen trennt, ist die 1. LautverschiebungLautverschiebung, erste, auf die wir in Kap. 4.1.1 näher eingehen und die daher hier nur schlagwortartig dargestellt wird. Im Zuge der 1. Lautverschiebung wandeln sich – mit systematischen Ausnahmen –

p, t, k zu f, θ, x/h;

b, d, g zu p, t, k,

bh, dh, gh zu β, ð, ɣ (was die phonetischen Zeichen bedeuten, wird in Kap. 4.1.1 erklärt).

Eine wichtige systematische Ausnahme zur 1. Lautverschiebung ist das Vernersche GesetzVernersches Gesetz: In bestimmten lautlichen Umgebungen wandeln sich p, t, k nicht zu f, θ, x/h, sondern vielmehr zu β, ð, ɣ. In den gleichen Kontexten wandelt sich stimmloses s, das nicht von der 1. Lautverschiebung betroffen ist, zu stimmhaftem z (wie in engl. magazine).

Ein weiterer wichtiger Wandelprozess vom Ie. zum Germ. ist die Festlegung des ursprünglich freien Wortakzents auf die StammsilbeAkzentwandel, ie.. Wenn wir von einem „freien“ oder „frei beweglichen“ Akzent sprechen, heißt das allerdings nicht, dass Sprecherinnen ihn nach Belieben setzen konnten, sondern lediglich, dass seine Position von Wort zu Wort und auch von einer Flexionsform eines Wortes zur anderen, also zwischen verschiedenen WortformenWortformen, variieren konnte (vgl. Laker 1997: 10). Schmid (2013: 57) illustriert den freien Wortakzent am Beispiel des altgriechischen paideúo ‚erziehen‘, bei dem die Position des Akzents – graphisch markiert durch <´> – je nach Flexionsform variiert:


(8) a. παιδεύω paido ‚ ich erziehe‘
b. παίδευ-ε pdeue! ‚ Erziehe!‘
c. πε-παιδευ-κέναι pepaideukénai ‚ erzogen haben‘

Im Deutschen wie auch in den anderen germanischen Sprachen hingegen sind mehrsilbige native Wörter grundsätzlich erstsilbenbetont, vgl. Mútter, Wáre, Aúge und viele mehr. Eine Ausnahme bilden lediglich präfigierte Wörter, vgl. beréit, Gedéck etc. König (2011: 110) bezeichnet die Festlegung des Akzents als „umwälzende[s] Ereignis, das die Geschichte aller german[ischen] Sprachen zeichnet“.

Neben der 1. Lautverschiebung gibt es im Germ. weitere Veränderungen im Konsonantismus. Eine davon ist der sog. PrimärberührungseffektPrimärberührungseffekt, der mit der 1. Lautverschiebung zusammenhängt: Schon im Ie. wandeln sich /b/ und /g/ vor /t/ zu /p/ und /k/. Über die 1. Lautverschiebung entsteht aus den daraus resultierenden Konsonantenverbindungen /pt/ und /kt/ dann /ft/ bzw. /ht/. Unabhängig von der 1. Lautverschiebung werden darüber hinaus die Konsonantenverbindungen /dt/ und /tt/ zu /ss/ verschoben:


*/bt/, */pt/ > */pt/ > /ft/, vgl. lat. captus dt. Haft
*/gt/, */kt/ > */kt/ > /ht/, vgl. lat. noctem dt. Nacht
*/dt/, */tt/ > */tt/ > /ss/, vgl. germ. mōt-ta > ahd. muossa ‚musste‘

Die Bezeichnung „PrimärberührungseffektPrimärberührungseffekt“ bezieht sich darauf, dass die Laute bereits im Ie., also „primär“, zusammengestoßen sein müssen und nicht erst infolge späterer Entwicklungen vor /t/ stehen (vgl. Paul 2007: 125). In manchen Wortformen wie neigte z.B. berühren sich die beiden Laute zwar in späteren Sprachstufen, im Germ. war zwischen ihnen jedoch ein Bindevokal vorhanden, sodass der Primärberührungseffekt unterblieb (*neichte). Bei anderen Verben jedoch führt der PrimärberührungseffektPrimärberührungseffekt zu Alternanzen im Flexionsparadigma, z.B. denken – dachte.

Während die bisher genannten Sprachwandelprozesse allesamt dem Bereich der Phonologie angehören, führt die Entstehung der schwachen Verbenschwache Verben, Entstehung zu einer Veränderung des flexionsmorphologischen Systems. Anders als starke Verben, die über den sog. AblautAblaut durch Veränderung des Stammvokals flektiert werden (reiten – ritt), erfolgt bei den schwachen Verben die Bildung des Präteritums über ein Suffix, das sog. Dentalsuffix: lachen – lach-te. Zur Entstehung der schwachen Verben gibt es mehrere Theorien; die wohl verbreitetste geht davon aus, dass das Dentalsuffix aus einer Form von tun hervorgegangen ist (vgl. Szczepaniak 2011: 111–117).