Die Botschaft der Bhagavadgita

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Die Gita ist nicht damit zufrieden, innerhalb der Sankhya-Analyse von Prakriti stehen zu bleiben. Denn diese gibt nur dem Ego-Sinn Raum und nicht dem vielfachen Purusha, der ja kein Teil von Prakriti, sondern von ihr getrennt ist. Die Gita versichert hingegen, dass der Herr durch Seine Natur zum Jiva wird. Wie ist das möglich, da es nur die vierundzwanzig Prinzipien der kosmischen Energie und keine anderen gibt? Ja, sagt eigentlich der göttliche Lehrer, das ist eine völlig gültige Darstellung für die sichtbaren Operationen der kosmischen Prakriti mit ihren drei Gunas. Und die Beziehung, die hier dem Purusha und der Prakriti zugeschrieben wird, ist auch völlig gültig und für die praktischen Zwecke der Involution in sie und der Rückkehr aus ihr von großem Nutzen. Das ist aber nur die niedere Prakriti der drei Qualitäten des Nichtbewussten, das sichtbar Gewordene. Es gibt aber noch eine höhere, eine höchste, eine bewusste und göttliche Natur. Diese ist zur individuellen Seele, zum Jiva, geworden. In der niederen Natur erscheint jedes Wesen als das Ego. In der höheren ist der Mensch der individuelle Purusha. Mit anderen Worten: die Vielfalt ist ein Teil der spirituellen Natur des Einen. Diese individuelle Seele bin ich selbst. In der Schöpfung ist sie eine Teil-Manifestation von mir, mamaiva amśaḥ, und sie besitzt alle meine Mächte. Sie ist beobachtender Zeuge, erteilt die Sanktion, ist Erhalter, Wissender, Herr. Sie steigt in die niedere Natur hinab und denkt, sie sei durch das Handeln gebunden, um so das niedere Wesen zu genießen. Sie kann sich aber zurückziehen und als der passive Purusha erkennen, der frei ist von allem Handeln. Sie kann sich über die drei Gunas erheben und, befreit von der Gebundenheit durch Handeln, doch das Wirken beibehalten, wie ich selbst es tue. Sie kann durch die tiefe Verehrung des Purushottama und die Einung mit ihm sich völlig ihrer göttlichen Natur erfreuen.

Von dieser Art ist ihre Analyse. Sie beschränkt sich nicht auf den kosmischen Prozess der vordergründigen Erscheinung. Vielmehr dringt sie in die verborgenen Geheimnisse der überbewussten Natur ein, uttamaṁ rahasyam. Dadurch begründet die Gita ihre Synthese von Vedanta, Sankhya und Yoga, ihre Synthese von Wissen, Wirken und Hingabe. Durch reines Sankhya allein ist die enge Verbindung zwischen Wirken und Befreiung widersprüchlich und unmöglich. Durch reinen Monismus allein wird die dauernde Weiterführung des Wirkens als eines Teils des Yoga und die volle Hingabe der Verehrung, nachdem vollkommenes Wissen, Befreiung und Einung erreicht sind, unmöglich, zumindest widersinnig und zwecklos. Die Sankhya-Erkenntnis der Gita zerstreut alle diese Hindernisse, und das Yoga-System der Gita triumphiert über sie. (68-80)

2.39

Diese Einsicht (die vernunftgemäße Erkenntnis der Dinge und des Willens) wird dir durch Sankhya vermittelt. Vernimm nun dasselbe im Yoga! Denn wenn du durch diese Einsicht im Yoga gegründet bist, O Sohn Prithas, wirst du die Fesseln deiner Taten abschütteln.

Ich habe dir die Haltung einer das Selbst befreienden Intelligenz im Sankhya dargelegt, sagt der göttliche Lehrer zu Arjuna. Nun will ich dir eine andere Haltung im Yoga erklären. Du schreckst vor den Folgen deiner Handlungen zurück. Du begehrst andere Ergebnisse und wendest dich ab von deinem rechten Pfad im Leben, weil er dich nicht zu jenen führt. Aber deine Vorstellung von Handlungen und ihrem Resultat, wobei das Begehren nach dem Resultat der Beweggrund ist und die Handlung ein Mittel zur Befriedigung des Begehrens, entspricht der Gebundenheit der Unwissenden, die nicht wissen, was die Werke sind, nicht ihren wahren Ursprung, nicht ihren wirklichen Verlauf, nicht ihren hohen Nutzen kennen. Mein Yoga wird dich von aller Gebundenheit der Seele an ihre Werke befreien, karmabandhaṁ prahāsyasi. (94)

2.40

Auf diesem Pfad ist keine Mühe verloren, kein Hindernis hat Bestand. Selbst ein wenig von diesem Dharma befreit dich von der großen Furcht.

Arjuna ist von jener großen Furcht gepackt, die die Menschheit bedrängt, ihre Furcht vor Sühne und Leiden, hier und danach; ihre Angst in einer Welt, von deren wahrer Natur sie nichts weiß; vor einem Gott, dessen wahres Wesen sie ebenfalls nicht gesehen hat und dessen Absicht mit dem Kosmos sie nicht versteht. Mein Yoga wird dich von der großen Angst befreien, sagt der göttliche Lehrer zu ihm, selbst ein wenig von ihm wird dir Erlösung bringen. Sobald du einmal die ersten Schritte auf diesem Pfad gegangen bist, wirst du finden, dass kein Schritt umsonst ist. Jeder noch so kleine Augenblick wird dir zum Gewinn werden. Du wirst entdecken, dass es kein Hindernis gibt, das dir dein Vorwärtsschreiten vereiteln könnte. Das ist ein kühnes und absolutes Versprechen. Einem solchen kann das angstvolle und zaudernde Gemüt, das auf all seinen Pfaden bedrängt ist und strauchelt, nicht leicht sicheres Vertrauen schenken. (94-95)

2.41

Die fest im Selbst gegründete und entschlossene Intelligenz ist zielgerichtet und homogen, O Freude der Kurus; aber vielverzweigt und mannigfaltig ist die Intelligenz des Unentschlossenen.

Intelligenz: Das hier verwendete Wort Buddhi bedeutet im eigentlichen Wortsinn die mentale Macht des Verstehens. Von der Gita wird es offensichtlich in einem umfassenden philosophischen Sinn für das ganze Wirken des unterscheidenden und entscheidenden Mentals gebraucht, das sowohl die Richtung wie die Verwendung unserer Gedanken bestimmt, und ebenso die Richtung und Verwendung unserer Handlungen. Denken, Intelligenz, Urteilsvermögen, scharfsichtige Auswahl und Zielsetzung sind allesamt in seine Arbeit eingeschlossen. Denn das Charakteristische der geeinten Intelligenz ist nicht nur die Konzentration des Mentals, das erkennt, sondern besonders die Konzentration des Mentals, das entscheidet und in der Entscheidung verharrt, vyavasāya. Im Gegensatz dazu ist das Kennzeichen der zerstreuten Intelligenz nicht so sehr ihr Abschweifen von ihren Vorstellungen und Wahrnehmungen, als vielmehr die Unstetigkeit der Ziele und Begehren, deshalb auch des Willens. So sind also Wille und Erkenntnis die beiden Funktionen von Buddhi. Der in sich geeinte intelligente Wille ist in der erleuchteten Seele fest gegründet. Er ist in einer inneren Erkenntnis des Selbstes konzentriert. Die nach vielen Seiten hin verzweigte und nach verschiedenen Zielen strebende Intelligenz, mit vielen Dingen beschäftigt, ohne Sorge um das Eine, das nottut, steht im Gegensatz dazu unter der Herrschaft der ruhelosen und unsteten Tätigkeit des Mentals. Sie ist in das äußere Leben, Wirken und dessen Ergebnisse zerstreut. (95-96)

2.42-43

Es sind blumige Worte, die jene verkünden, die keine klare Urteilskraft haben, der Lehre des Veda ergeben und davon überzeugt, dass es nichts darüber hinaus gibt, Seelen der Begehrlichkeit, nach dem Paradies Suchende –, sie bringt die Früchte der Werke der Geburt, ist vielgestaltig und verlangt besondere Riten und ist auf Genuss ausgerichtet und auf Macht als ihr Ziel.

In den ersten sechs Kapiteln legt die Gita die weite Grundlage für ihre Synthese von Wirken und Wissen, die Synthese von Sankhya, Yoga und Vedanta. Zunächst entdeckt sie aber, dass karma, das Wirken, in der Sprache der Vedantins einen besonderen Sinn hat. Es bedeutet die vedischen Opfer und Zeremonien, zumindest diese und die Ordnungen des Lebens im Einklang mit den Grihyasutras, in denen diese Riten der wichtigste Teil, der religiöse Kern des Lebens sind. Unter Handlungen verstanden die Vedantins diese religiösen Werke, das Opfersystem, yajña, eine Fülle sorgfältiger Anordnungen, vidhi, und genauer, komplizierter Riten, kriyā-viśeṣa-bahulām. Im Yoga haben die Werke aber eine viel weitere Bedeutung; und die Gita legt auf diese umfassendere Bedeutung besonderes Gewicht. Nach unserer Auffassung spiritueller Aktivität müssen alle Handlungen einbezogen werden, sarva-karmāṇi. Zugleich verwirft sie nicht, wie der Buddhismus, den Gedanken des Opfers; sie zieht vor, es im höheren Sinn zu verstehen und auszuweiten. Ja, sie sagt ausdrücklich, nicht nur ist Opfer, yajña, der wichtigste Teil des Lebens, sondern alles Leben, alle Handlungen, sollten als Opfer betrachtet werden. Sie sind yajña, auch wenn sie von den ganz Unwissenden ohne höhere Erkenntnis, und von den meisten Unwissenden nicht nach der wahren Ordnung ausgeführt werden, avidhi-pūrvakam. Opfer ist die eigentliche Grundbedingung des Lebens. Mit dem Opfer als ihrem Begleiter hat der Vater der Geschöpfe diese Völker erschaffen. Aber die Opfer der Vedavadins sind Darbringungen aus Begehren, auf materielle Belohnung gerichtet, ein Verlangen, das gierig ist auf das Ergebnis des Wirkens, ein Begehren, das nach viel größeren Freuden im Paradies aus ist, nach Unsterblichkeit und höchster Erlösung. So etwas kann das System der Gita nicht zulassen. Denn dieses beginnt schon an seinem eigentlichen Ausgangspunkt mit der Zurückweisung des Begehrens; es wird abgewiesen und zerstört, da es der Feind der Seele ist. Die Gita bestreitet nicht die Gültigkeit der vedischen Opferhandlungen. Sie lässt sie zu, sie räumt ein, dass man durch diese Mittel hier auf Erden und jenseits im Paradies Freuden gewinnen kann. „Ich selbst bin es“, sagt der göttliche Lehrer, „der diese Opfer annimmt; Mir werden sie dargebracht. Ich bin es, in Gestalt der Götter, der die Früchte der Opfer gewährt. Denn die Menschen ziehen es vor, sich Mir auf diese Weise zu nahen.“ Das ist aber nicht der wahre Weg, und auch die Freuden des Paradieses sind nicht die Befreiung und Erfüllung, die der Mensch suchen soll. Die Unwissenden sind es, die die Götter verehren, da sie nicht erkennen, wen sie unwissend in göttlicher Gestalt verehren. Denn sie beten, wenn auch unwissend, in diesen Formen zu dem Einen, dem Herrn, dem einzigen Deva, und es ist Er, der ihre Darbringung annimmt. Diesem Herrn muss das Opfer geweiht werden, das wahre Opfer aller Energien und Aktivitäten des Lebens, mit tiefer Ergebenheit, ohne Begehren, um Seinetwillen und für die Wohlfahrt der Menschen. Weil das Vedavada diese Wahrheit verdunkelt und mit seinem Wirrwarr von rituellen Bindungen der Menschen nach unten, an das Wirken der drei Gunas, fesselt, muss es so hart getadelt und schroff abgelehnt werden. Aber seine zentrale Idee wird dadurch nicht zerstört. Sie wird umgestaltet und emporgehoben. Sie wird in einen höchst wichtigen Teil der wahren spirituellen Erfahrung und Methode zur Befreiung verwandelt. (89-90)

 

2.44

Die Intelligenz derer, die durch diese blumige Rede fehlgeleitet werden und sich an Genuss und Macht klammern, ist nicht fest im Selbst gegründet, Samadhi (beständige Konzentration).

2.45

Das Wirken der drei Gunas ist Gegenstand des Veda; aber du werde frei von den drei Gunas, O Arjuna! Sei ohne Gegensätze, immer fest im wahren Wesen gegründet, frei von Erwerben- und Habenwollen, fest im Besitz des Selbstes!

Denn was könnte die freie Seele noch bekommen oder haben? Sind wir einmal im Besitz des Selbstes, dann sind wir im Besitz aller Dinge. Und dennoch hört dieser Mensch nicht auf, zu wirken und zu handeln. Darin liegt die Originalität und die Macht der Gita: Nachdem sie diesen statischen Zustand der befreiten Seele versichert hat, diese Überlegenheit über die Natur, dies Leergewordensein auch von allem, aus dem gewöhnlich das Wirken der Natur besteht, kann sie immer noch den Anspruch stellen, ja dringend von ihr verlangen, nun erst recht mit dem Wirken fortzufahren. So kann sie den großen Mangel der rein quietistischen und asketischen Philosophien vermeiden –, jenen Irrweg, dem sie, wie wir heute sehen, zu entkommen suchen. (102)

2.46

So viel Nutzen, wie in einer Quelle liegt, um die herum das Wasser in Fluten strömt, so viel Nutzen liegt in allen Veden für den Brahmanen, der das Wissen besitzt.

2.47

Du hast ein Recht auf das Handeln, aber nur auf das Handeln an sich, niemals auf dessen Früchte. Lass weder die Früchte zum Beweggrund deines Handelns werden, noch sei der Untätigkeit verhaftet.

Der Gott-Schauende wohnt im Wissen, sagt der göttliche Lehrer, aber er soll die Menschen nicht durch ein gefährliches Vorbild verwirren, indem er in seiner vermeintlichen Überlegenheit das Wirken in der Welt zurückweist. Er soll den Faden des Wirkens nicht abschneiden, bevor er zu Ende gesponnen ist. Er soll die Stufen und Grade der Wege, die ich ausgehauen habe, nicht durcheinanderbringen und falsch markieren. Die ganze Reichweite menschlichen Wirkens ist von mir verordnet worden mit dem Blick auf den Fortschritt des Menschen von der niederen zur höheren Natur, vom anscheinend Ungöttlichen zum bewusst Göttlichen. Der ganze Bereich des menschlichen Wirkens muss jenes Feld sein, auf dem sich der Gott-Erkennende bewegen soll. (139)

Aber „lass nicht die Früchte deines Wirkens zu deinem Beweggrund werden. Lass aber auch in dir keinen Hang zur Untätigkeit aufkommen.“ Darum wird hier weder zu dem Wirken geraten, wie es von den Vedavadins mit Begehren praktiziert wird. Noch ist es der Anspruch des praktischen oder überaktiven Menschen, der sein ruheloses und energetisches Mental durch ständige Aktivität zufriedenstellen will. (102-103)

2.48

Fest gegründet im Yoga, vollbringe deine Taten als einer, der jegliche Bindung aufgegeben hat und gleichmütig geworden ist hinsichtlich Misslingen und Erfolg! Denn Gleichmut wird durch Yoga beabsichtigt.

Denn nur deshalb ist der Mensch durch seine Handlungen gebunden, oder scheint er es zu sein, weil er mit einer falsch arbeitenden Intelligenz unwissend handelt und deshalb mit einem falschen Willen in diesen Dingen. Andernfalls bewirken Werke keine Gebundenheit für die freie Seele. Wegen dieser falsch wirkenden Intelligenz hat er Hoffnung und Furcht, Zorn, Kummer und vergängliche Freuden. Andernfalls sind die Werke in völlig froher Gelassenheit und Freiheit möglich. Darum wird Arjuna zuerst der Yoga der Buddhi, der Intelligenz, nahegelegt. Seine Handlungen soll er mit der richtigen Einsicht leisten und, daraus folgend, mit dem richtigen Willen, fest gegründet in dem Einen, das eine Selbst in allem wahrnehmen und aus dessen Gelassenheit handeln. Er soll nicht in verschiedenen Richtungen unter den tausend Antrieben des oberflächlichen mentalen Selbsts umherrennen. Das ist der Yoga des intelligenten Willens. (95)

Das Wirken wird leidvoll durch die Wahl zwischen einem relativen Guten und relativen Bösen, durch die Furcht vor Sünde und das schwierige Ringen um die Tugend. Aber der befreite Mensch, der seine Intelligenz und seinen Willen mit dem Göttlichen geeint hat, wirft gerade hier in der Welt der Gegensätzlichkeiten sowohl das Gutes-Tun wie das Böses-Tun von sich. (103)

2.49

Taten sind von weit minderem Wert als der Yoga der Intelligenz, O Dhananjaya; suche lieber deine Zuflucht in der Intelligenz! Arme und erbärmliche Seelen sind jene, die die Frucht ihrer Werke zum Ziel ihrer Gedanken und Taten machen.

2.50

Derjenige, dessen Intelligenz das Eins-Sein erlangt hat, weist schon hier in dieser Welt der Gegensätze beides, „gut“ oder „schlecht“ zu handeln, von sich; strebe also danach, im Yoga gegründet zu sein. Yoga ist wahre Fertigkeit im Wirken.

weist beides, „gut“ oder „schlecht“ zu handeln, von sich: Denn er hebt sich empor in ein höheres Gesetz jenseits von Gut und Böse, das gegründet ist in der Freiheit der Selbst-Erkenntnis. Kann solch ein Handeln ohne Begehren überhaupt Entschlossenheit, Wirkungskraft, ein wirkungsvolles Motiv, eine weithin oder effektive schöpferische Macht haben? Und ob! Im Yoga geleistetes Wirken ist nicht nur das höchste, sondern das weiseste, kraftvollste und wirkungsstärkste gerade für die Angelegenheiten der Welt. Denn es wird durch das Wissen und den Willen des Meisters der Werke geformt: „Yoga ist wahre Fertigkeit im Wirken.“ (103)

2.51

Die Weisen, die ihre Vernunft und ihren Willen mit dem Göttlichen geeint haben, verzichten auf die Frucht, die das Wirken ihnen einbringt. Befreit von den Fesseln der Geburt, erlangen sie den Zustand jenseits des Elends.

Lenkt aber nicht alles Wirken, das auf das Leben gerichtet ist, ab vom universalen Ziel des Yogin, das doch nach allgemeiner Übereinstimmung darin besteht, dass er der Gebundenheit an dies gequälte und leidvolle Geborenwerden als Mensch entkommt? Im Gegenteil, weder noch. Die Weisen, die ohne das Begehren nach den Früchten wirken, die im Yoga mit Gott geeint sind, werden befreit von der Gebundenheit an das Geborenwerden und erreichen jenen anderen vollkommenen Zustand (brāhmī sthiti), in dem es keine der Krankheiten gibt, die hier Mental und Leben einer leidenden Menschheit anfechten. (103)

2.52

Wenn deine Intelligenz hinübergeht, hinaus über den Wirbel der Verblendung, wirst du gegenüber der Schrift gleichgültig werden, sowohl gegen die bis jetzt gehörte wie auch gegen die, die du noch zu hören bekommst.

Die Veden und die Upanishaden werden für den, der die Erkenntnis gewonnen hat, als unnötig erklärt. „So viel Nutzen, wie in einer Quelle liegt, um die herum das Wasser in Fluten strömt, so viel Nutzen liegt in allen Veden für den Brahmanen, der das Wissen besitzt.“ Die Schriften werden sogar zum blockierenden Hindernis. Denn der Buchstabe des Wortes verwirrt – vielleicht weil es Streit über die Texte und ihre verschiedenen, voneinander abweichenden Auslegungen gibt –, das Verstehen, das seine Gewissheit und Konzentration nur durch das innere Licht finden kann. (87)

2.53

Wenn deine Intelligenz, die durch die Sruti (Veden und Upanishaden) verwirrt ist, unbeweglich und fest im Samadhi steht, wirst du den Yoga erlangen.

Sruti ist der allgemeine Begriff für die Veden und Upanishaden. So anstößig diese Kritik an den Srutis für das konventionelle religiöse Empfinden auch sein mag – natürlich wurden durch die übliche, unerlässliche Fähigkeit des Menschen, Texte zu verbiegen, Versuche gemacht, einigen dieser Verse einen anderen Sinn zu geben –, so ist doch der Sinn deutlich und von Anfang bis Ende zusammenhängend. Das wird durch eine darauffolgende Stelle bestätigt und besonders hervorgehoben, in der die Erkenntnis des Wissenden beschrieben wird als ein Anstieg zu den Höhen, die sich jenseits der Veden und Upanishaden erheben, śabdabrahmātivartate. Sehen wir indessen zu, was all dies bedeutet. Denn wir können sicher sein, dass ein synthetisches und allumfassendes System wie das der Gita solche wichtigen Teile der arischen Kultur nicht im Geist bloßer Verneinung und Zurückweisung behandelt. (88)

2.54

Arjuna sprach:

Was ist das Kennzeichen des Menschen in Samadhi, dessen Intelligenz fest in der Weisheit gegründet ist, O Keshava? Wie spricht, wie sitzt, wie handelt dieser Weise, dessen Verstehen sicheren Grund gefunden hat?

Arjuna, die Stimme des durchschnittlichen menschlichen Mentals, fragt nach einem äußeren, physischen, praktisch unterscheidbaren Kennzeichen dieses hohen Samadhi. „Wie spricht, wie sitzt, wie handelt dieser Weise?“ Solche Kennzeichen können nicht gegeben werden, und der Lehrer versucht auch nicht, sie zu liefern. Denn der einzig mögliche Beweis dafür ist innerlich, dass jemand eben Samadhi besitzt und dass sich viele feindliche psychische Kräfte dagegen wenden. Gelassenheit ist das große Siegel der befreiten Seele und von dieser Ausgeglichenheit sind gerade die am meisten erkennbaren Zeichen nur subjektiv. (102)

Kennzeichnend für einen Menschen in Samadhi ist nicht, dass er das Bewusstsein der Gegenstände und seiner Umgebung, seines mentalen und physischen Selbstes verliert und zu diesem Bewusstsein auch dann nicht zurückgerufen werden kann, wenn der Körper gebrannt oder gequält wird –, das ist die übliche Auffassung von Samadhi. Trance ist eine besondere Intensität, nicht das wesentliche Kennzeichen. (101)

2.55

Der Erhabene sprach: Wenn ein Mensch, O Partha, aus seinem mentalen Wesen alles Begehren ausmerzt und im Selbst durch das Selbst sein volles Genüge gefunden hat, dann sagt man von ihm, er ist in seiner Intelligenz fest gegründet.

Das Kriterium des Samadhi besteht darin, dass alles Begehren ausgetrieben ist. Das Begehren kann nicht mehr an das mentale Wesen herankommen. Der innere Zustand ist es, aus dem unsere Freiheit entsteht und die Seligkeit der Seele, die in sich gesammelt ist mit ausgeglichenem Mental, das still, in hoher Gelassenheit oberhalb dessen verbleibt, was anzieht und abstößt, über dem dauernden Wechsel von Sonnenschein, Sturm und Spannung des äußeren Lebens. Ein solches mentales Wesen wird selbst dann nach innen gezogen, wenn es nach außen hin handelt. Es ist im Selbst konzentriert, auch wenn es auf die Dinge draußen schaut. Es wird völlig zum Göttlichen hingezogen, auch wenn es dem äußeren Betrachter als geschäftig und mit den Angelegenheiten der Welt befasst erscheint. (102)

2.56

Er, dessen Mental unerschütterlich bleibt inmitten von Leiden und Freuden, ist frei geworden vom Begehren, aus dem Vorliebe, Furcht und Zorn verschwunden sind, der ist der Weise, fest gegründet in seinem Verstehen.

Die Selbst-Erziehung der Stoiker nimmt Begehren und Leidenschaft in ihre Arme wie ein Ringer und zermalmt sie zwischen diesen, wie einst Dhritarashtra im Epos das eiserne Bild des Bhima. Sie erträgt den Schock der schmerzhaften und freudvollen Dinge, die Ursachen der physischen und mentalen Erregungen der Natur und bricht deren Wirkungen in Stücke. Sie ist abgeschlossen, wenn die Seele alle Einwirkungen ertragen kann, ohne an ihnen zu leiden, von ihnen angezogen, freudig erregt oder verwirrt zu werden. Sie sucht den Menschen zum Eroberer und König über seine Natur zu machen.

Indem die Gita ihren Anruf an die Krieger-Natur des Arjuna richtet, beginnt sie mit dieser heroischen Bewegung. Sie fordert ihn auf, sich gegen den großen Feind, das Begehren, zu wenden und ihn zu erschlagen. Ihre erste Beschreibung der Gelassenheit ist die eines Philosophen der Stoa. (195-96)

Aber die Gita akzeptiert die Erziehung der Stoiker, diese heroische Philosophie, unter derselben Bedingung, unter der sie das tamasische Zurückschrecken akzeptiert: Sie muss über sich die sattwische Schau der Erkenntnis, an ihrer Wurzel das Ziel, das Selbst zu verwirklichen, und in ihren Schritten den Aufstieg zur göttlichen Natur haben. Eine stoische Erziehung, die nur die gewöhnlichen Neigungen unserer menschlichen Natur zertrümmert – auch wenn sie weniger gefährlich ist als tamasische Lebensmüdigkeit, unfruchtbarer Pessimismus und sterile Trägheit, da sie wenigstens die Macht und die Meisterschaft der Seele aus dem Selbst vermehrt –, wäre doch kein unvermischtes Gut, da das zur Unempfindlichkeit und einer unmenschlichen Isolierung führen könnte, ohne die spirituelle Befreiung zu bewirken. Die Gelassenheit der Stoa wird als ein Element in der Erziehung der Gita zugelassen, da sie mit der Verwirklichung des freien, unwandelbaren Selbstes im wandelbaren menschlichen Wesen vereint werden, zu dieser helfen, paraṃ dṛṣṭvā, und zum sicheren Stand in jenem neuen Selbstbewusstsein führen kann, eṣā brāhmi sthitiḥ. (197)

 

2.57

Wer in jeder Lage ohne Gemütsbewegung ist, auch wenn er von diesem Guten oder jenem Bösen heimgesucht wird, und weder hasst noch frohlockt –, dessen Intelligenz ruht auf starkem Fundament in der Weisheit.

2.58

Wer die Sinne von den Gegenständen der Sinne zurückzieht, so wie die Schildkröte ihre Glieder in ihren Panzer einzieht –, dessen Intelligenz ruht auf starkem Fundament in der Weisheit.

Die erste Bewegung muss offensichtlich die sein, dass wir vom Begehren frei werden, das die tiefste Wurzel des Bösen und des Leidens ist. Um vom Begehren frei zu werden, müssen wir der Ursache des Begehrens, dem Hinausstürmen der Sinne, die ihre Gegenstände erfassen und genießen wollen, ein Ende setzen. Wir müssen sie zurückziehen, wenn sie die Neigung haben, sich so nach außen zu stürzen. Wir müssen sie von ihren Gegenständen zurückziehen –, wie die Schildkröte ihre Glieder in ihr Gehäuse zurückzieht, so diese Sinne zurück in ihren Ursprung, beruhigt im Mental, das Mental in der Intelligenz zur Ruhe gebracht, die Intelligenz in der Seele und ihrer Erkenntnis des Selbstes zur Ruhe gebracht. So müssen wir das Wirken der Natur beobachten, ihr aber nicht unterworfen und nicht durch unser Begehren an etwas gebunden sein, das das objektive Leben geben kann.

Um ein Missverständnis zu vermeiden, das sich leicht ergeben kann, wendet aber Krishna sofort ein: Was ich lehre, ist nicht äußeres Asketentum, nicht den Gegenständen der Sinne körperlich zu entsagen. Die Entsagung der Sankhyas oder die Kasteiungen der strengen Asketen mit ihrem Fasten, der Auszehrung ihres Körpers und dem Versuch, sich überhaupt der Nahrung zu enthalten, sind nicht jene Selbst-Disziplin oder Enthaltung, die ich meine. Ich spreche von einer inneren Zurückgezogenheit, einer Zurückweisung des Begehrens. (99)

2.59

Wenn sich jemand der Nahrung enthält, hören wohl die Gegenstände seiner Sinne auf zu wirken, doch die Neigung in den Sinnen selbst, rasa, bleibt bestehen; wenn der Höchste geschaut wird, hört auch rasa auf.

Da die verkörperte Seele einen Leib besitzt, muss sie ihn normal für seine normale physische Betätigung mit Nahrung versorgen. Wenn sie sich der Nahrung enthält, legt sie einfach den physischen Kontakt zum Objekt der Sinne von sich ab. Sie wird aber die innere Beziehung nicht los, die den Kontakt zu etwas Schädlichem macht. Sie behält die Freude der Sinne am Objekt, rasa, zurück, die Zuneigung und Abneigung –, denn rasa hat zwei Seiten. Die Seele muss, im Gegenteil, dazu fähig sein, den physischen Kontakt auszuhalten, ohne innerlich diese Sinnen-Reaktionen zu erleiden. (99-100)

2.60

Selbst bei dem Weisen, der nach Vollkommenheit trachtet, wird das mentale Wesen durch das heftige Drängen der Sinne fortgerissen, O Sohn der Kunti.

Gewiss sind Selbst-Disziplin und Selbst-Kontrolle niemals leicht. Alle intelligenten Menschen wissen, dass sie eine gewisse Selbst-Beherrschung ausüben müssen. Nichts ist allgemeiner bekannt als der Rat, die Sinne zu beherrschen. Gewöhnlich wird dieser Rat aber nur unvollkommen gegeben und sehr unvollkommen, in eingeschränkter und ungenügender Form befolgt. Indes findet sich sogar der weise Mensch von klarer, kluger und urteilsfähiger Seele, der sich wirklich darum bemüht, völlige Meisterschaft über sich zu erwerben, von den Sinnen bestürmt und fortgerissen. (100)

2.61

Nachdem er alle seine Sinne unter seine Herrschaft gebracht hat, muss er fest im Yoga gegründet und ganz an Mich hingegeben sein; denn wer seine Sinne gemeistert hat, dessen Intelligenz ist fest (an ihrem richtigen Ort) gegründet.

Durch einen Akt der Intelligenz selbst, durch reine mentale Selbst-Disziplin, kann das nicht vollkommen geleistet werden. Es kann nur geschehen durch einen Yoga der Einung mit etwas, das höher ist als jene, mit etwas, dem Ruhe und Selbst-Herrschaft innewohnt. Und dieser Yoga kann nur dadurch zu seinem Erfolg gelangen, dass das ganze Selbst an das Göttliche hingegeben, ihm geweiht und dargebracht wird. Krishna sagt: „an Mich“. Denn der Befreier ist in unserem Inneren. Aber er ist nicht in unserem Mental, auch nicht in unserer Intelligenz und nicht in unserem persönlichen Willen –, sie sind nur Instrumente. Es ist der Herr, wie uns am Ende der Gita gesagt wird, zu dem wir unbedingt unsere Zuflucht nehmen sollen. Zu diesem Zweck müssen wir ihn zuerst zum Ziel und Inhalt unseres ganzen Wesens machen und Seelen-Verbindung mit ihm halten. Das ist der Sinn des Satzes: „Er muss fest im Yoga gegründet und ganz an Mich hingegeben sein.“ So deutet die Gita gemäß ihrer Art nur im Vorübergehen mit drei Worten das an, was im Kern alles Wesentliche des höchsten Geheimnisses enthält, das noch zu entfalten ist. Yukta āsīta matparaḥ. (101)

2.62

In demjenigen, dessen Mental mit gefesseltem Interesse an den Gegenständen seiner Sinne hängt, bildet sich Bindung an diese. Aus der Bindung kommt das Begehren und aus Begehren Zorn.

2.63

Zorn führt zu Verwirrung, auf Verwirrung folgt der Verlust der Erinnerung. Hierdurch wird die Intelligenz zerstört. Durch die Zerstörung der Intelligenz geht er zugrunde.

Durch Leidenschaft und Zorn wird die Seele verdunkelt, Intelligenz und Wille vergessen die stille beobachtende Seele zu schauen und in ihrem Reich daheim zu sein. So kommt es zum Absturz aus der Erinnerung an das eigene wahre Selbst. Durch diesen Fall wird auch der intelligente Wille verfinstert, sogar zerstört. Denn in diesem Augenblick existiert die Seele in unserer Selbst-Erinnerung überhaupt nicht mehr; sie verschwindet in einer Wolke von Leidenschaft. Wir selbst werden Leidenschaft, Zorn, Kummer und hören auf, unser Selbst, unsere Intelligenz, unser Wille zu sein. (100)

2.64-65

Wer mit den Sinnen über die Gegenstände nur hinwegstreift, mit Sinnen, die dem Selbst untertan sind, befreit von Vorliebe und Abneigung, gelangt in eine weite und heitere Klarheit von Seele und Temperament, in der Leidenschaft und Kummer keinen Raum mehr haben. Die Intelligenz eines solchen Menschen wird rasch und fest (an ihrem eigentlichen Ort) gegründet.

Wie ist aber dieser begierdelose Kontakt zu den Objekten, diese nicht-sinnliche Verwendung der Sinne, möglich? Sie ist möglich, parām dṛṣṭvā, durch die Schau des Höchstenparām, der Seele, des Purusha –, und dadurch, dass wir im Yoga leben, in der Einung oder im Einssein des ganzen subjektiven Wesens mit jenem, durch den Yoga der Intelligenz... (100)

Dann werden die Sinne, von Reaktionen frei, von Gebundenheit an Vorlieben und Abneigungen erlöst, der Gegensätzlichkeit von positivem und negativem Begehren entgehen. Dann werden Stille, Friede, Klarheit, heitere Gelassenheit, ātmaprasāda, den Menschen ganz einnehmen. Diese klare Heiterkeit ist die Ursache für das Glück der Seele. Aller Kummer verliert allmählich seine Macht, die heitere Seele anzurühren. Die Intelligenz wird rasch im Frieden des Selbstes beheimatet. Leiden wird zerstört. Dieser ruhigen, von Begehren und Kummer freien Beständigkeit von Buddhi in Selbst-Ausgeglichenheit und Selbst-Erkenntnis gibt die Gita den Namen Samadhi. (101)