Israel

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WIE GEFÄHRLICH IST EINE REISE NACH ISRAEL?


EINE LEHRERIN rief mich zwei, drei Jahre vor ihrer Pensionierung immer wieder an und fragte: „Wann fahren Sie das nächste Mal nach Israel?“ Ich nannte ihr Termine, aber einmal waren es berufliche, dann wiederum private Gründe, deretwegen sie verhindert war. Als sie dann in Pension war, meldete sie sich tatsächlich zu einer Reise an. In den Wochen davor telefonierten wir mehrfach, sprachen über alles Mögliche, aber von Sicherheitsbedenken war dabei nie die Rede. Drei Wochen vor Reiseantritt leuchtete ihre Nummer erneut auf meinem Handy auf. Aufgeregt erklärte sie mir, dass sie sich abmelden wolle, denn ihre Frisörin habe ihr erklärt, dass es zu gefährlich sei, nach Israel zu fahren. Auf meine Frage, ob die Frisörin Nahosterfahrung habe, verneinte sie. Nein, das zwar nicht, aber das sage ihr ihr Bauchgefühl.

Die Angst vor Israel treibt manchmal seltsame Blüten, wie Markus Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in der Altstadt von Jerusalem, erfahren musste. Bei einer Sicherheitskontrolle am Flughafen Wien-Schwechat wandte sich ein Passagier, dessen Flug gleich nebenan abgefertigt wurde, an ihn und meinte: „Sie fliegen nach Tel Aviv? Sie fliegen in die Hölle!“ Bugnyar erwiderte beiläufig: „Aber die ist sehr gut besucht.“

Tatsächlich schreibt Israel immer neue Besucherrekorde. Schon 2017 war mit 3,6 Millionen Besuchern aus aller Welt ein Rekordjahr, das 2018 noch einmal deutlich übertroffen wurde. Man überschritt erstmals die Zahl von vier Millionen Touristen. Die Beruhigung im Nahost-Konflikt motivierte in den ersten acht Monaten des Jahres 2018 rund 161.000 Deutsche und 23.500 Österreicher, das Land zu besuchen. Das sind Zuwachsraten gegenüber dem Rekordjahr 2017 von 24 beziehungsweise 25 Prozent.

Wie gefährlich ein Land ist, ist keine Frage der subjektiven Befindlichkeit, sondern kann objektiviert werden. Leicht kann man im Internet recherchieren, wie viele Touristen in Israel verletzt oder gar getötet worden sind. Gibt man die dementsprechenden Suchbegriffe bei einer Internet-Suchmaschine ein, findet man heraus, dass 2016 eine Britin und 2017 ein US-Bürger ums Leben kamen. Statistisch gesehen ist jede Stadt in Israel für Touristen also sicherer als London, Köln, Berlin, Madrid, New York, Tokio, Istanbul oder Moskau. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Dennoch erlebe ich immer wieder, dass sich Reiseteilnehmer als besonders mutig empfinden, wenn sie nach Israel fliegen. Sie erklären mir oft schon während der Busfahrt zum Flughafen, wer ihnen nicht aller von der Reise abgeraten habe: beste Freunde, der Schwager, Arbeitskollegen, sogar die Schwiegermutter. Ein Ehepaar berichtete mir, es habe vor Reiseantritt vorsorglich seinen Nachlass geregelt. Man wisse schließlich nicht, ob man im Heiligen Land nicht von einer Rakete getroffen würde.

Ob stille Helden oder Ehepaare, die bereit sind mit dem Leben abzuschließen – sie alle erwarten von ihrem Reisebegleiter eine Bekräftigung ihres Entschlusses, Zuspruch und Ermutigung. Ich sage dann: „Sie werden nicht die Einzigen sein, die das Land besuchen. Ganz im Gegenteil.“ Beim Anblick der Menschenmassen, die sich vor den heiligen Stätten drängen, relativiert sich dann der Heldenmut. Die Angst ist verflogen, sobald die Leute im Land sind. Sie geben an, sich „sicher, wie in Abrahams Schoß“ zu fühlen.

Israel ist also keine Risiko-Destination. Das bestätigen zahlreiche Touristen, die das Land besucht haben, und das lässt sich auch an Statistiken ablesen. Dass viele Menschen dennoch Bedenken haben, dorthin zu fahren, ist aufgrund der Medienberichterstattung verständlich. Ich rate Menschen, die Ängste haben, sich bei Experten zu informieren. Eines ist klar: Absolute Sicherheit gibt es in Israel nicht. Aber die gibt es auch sonst nirgends auf der Welt. Mit einem Wort: Besuchen Sie Israel, das Land wird Sie in so vielfältiger Weise bereichern, faszinieren und Ihren Blick weiten.


WER IST DAS ÜBERHAUPT: EIN JUDE?



Die Antwort finden Sie auf Seite 40.

WELCHE ORTE SOLLTE MAN UNBEDINGT BESUCHEN?


DAS IST eine Frage des Anspruchs: Sind Sie ein lebensfroher Tourist, dann ist Tel Aviv mit seinen Restaurants, Bars und Clubs die erste Adresse. Als Pilger werden Sie möglichst viele heilige Stätten besuchen, als Kulturreisender Museen, Ausgrabungen oder auch die Oper in Tel Aviv. Als politisch Interessierter werden Sie möglicherweise Kibbuzim, den Golan oder das Westjordanland besuchen. Dann werden Sie die Mauer zwischen Israel und Palästina entlangwandern und in Betlehem Hunderte Graffiti sehen, die auf die Situation der Araber in den besetzten Gebieten aufmerksam machen. Darunter finden sich auch einige Arbeiten des britischen Streetart-Künstlers Banksy, dessen Identität noch immer ungeklärt ist. Wenn Sie Orte wie Nablus oder Ramallah besuchen, werden Sie dort hören, wie schwierig das Leben hinter der 2002 errichteten Mauer geworden ist. Aber kaum jemand wird Ihnen erzählen, dass sich durch den Mauerbau die Zahl der arabischen Selbstmordattentate in Israel erheblich reduziert hat.

Als jemand, der das Land seit 1977 mehrfach im Jahr als Journalist, Buchautor und Reiseleiter bereist, rate ich Ihnen: Versuchen Sie nicht, nur Ihre eigene politische oder religiöse Kultur wiederzufinden. Das ist ohnedies nur schwer möglich, denn die einzelnen historischen Stätten, deren Geschichte und die dazugehörigen Religionen sind eng miteinander verwoben. Einige Beispiele: Man kann den Felsendom, der an die Nachtreise des Propheten Mohammed erinnert (Sure 17), nur verstehen, wenn man weiß, dass sich im siebten Jahrhundert mit dem Judentum und dem Christentum bereits zwei monotheistische Religionen in der Stadt etabliert hatten, die der junge Islam überwinden wollte. Oder: Man kann in der Paternoster-Kirche am Ölberg die Anrede Gottes als „Vater unser“ nur dann in ihrer ganzen Dimension wertschätzen, wenn man weiß, dass Juden aus Ehrfurcht den Namen Gottes nicht einmal aussprachen. Auch Betlehem ist nicht nur der Geburtsort Jesu, sondern auch jener von König David. Die direkte Abstammung Jesu aus dem Geschlecht Davids war wiederum die Voraussetzung dafür, dass er überhaupt der Messias sein konnte.

Es gilt, immer und überall überraschende Entdeckungen zu machen. Die Kuppel der in den 1960er-Jahren fertiggestellten katholischen Verkündigungskirche in Nazareth wurde beispielsweise nach jüdisch-kabbalistischen Grundsätzen errichtet. Das Land der Bibel ist also weder kulturell noch religiös eindimensional.

Zu den Orten, die man unbedingt gesehen haben muss, gehören die heiligsten Stätten der drei monotheistischen Religionen: die Westmauer (auch: Klagemauer), die Geburtskirche, die Grabeskirche und der Felsendom samt Al-Aqsa-Moschee. Die Westmauer ist Tag und Nacht zugänglich. Dort kann man auch – ausgenommen am Schabbat – immer fotografieren. Am besten besucht man diese westliche Begrenzungsmauer des herodianischen Tempels am Montag- oder Donnerstagvormittag, wenn 13-jährige Juden im Rahmen einer Bar Mitzwa ihre religiöse Großjährigkeit feiern. Sie können dort tolle Fotos machen.

Die islamischen Heiligtümer sind von Sonntag bis Donnerstag (meist zwischen 7 und 11 Uhr und 12.30 bis 13.30 Uhr) geöffnet. Das Betreten der Moscheen ist nach einer muslimischen Verordnung aus „Sicherheitsgründen“ verboten. Der Felsendom mit seiner achteckigen Architektur, seiner vergoldeten Kuppel und seinen wunderbaren Fayence-Fliesen ist es aber wert, aus der Nähe betrachtet zu werden. Um überhaupt auf den Tempelplatz zu gelangen, muss man Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen, bei denen den Besuchern Bibeln oder Kreuze ebenso abgenommen werden wie Alkohol oder Computer-Tablets. Muslimische Wächter achten streng darauf, dass Frauen „züchtig“ gekleidet sind.

Ein Tipp: Sollten Sie den Tempelplatz aus irgendwelchen Gründen nicht besuchen können, dann gehen Sie in das „Jewish Quarter Café“ in der Tiferet Israel Straße im jüdischen Viertel, der Eingang befindet sich beim „Burnt House“. Dort gehen Sie am besten in den ersten Stock des Selbstbedienungsrestaurants (ausgezeichnete Küche!). Von dort haben Sie einen wunderbaren Blick auf die Westmauer, die Moscheen und den Ölberg im Hintergrund.

Ein Tipp zur Grabeskirche: Suchen Sie diese in den späten Nachmittagsstunden auf. Dann sind bereits viele Touristen auf dem Weg zurück in ihre Hotels und Sie können auch die besondere Zeremonie verfolgen, wenn Wajeeh Nusseibeh, ein Moslem, die Tür der Grabeskirche nach einem vorgeschriebenen Ritual versperrt. Wenn Sie ein Frühaufsteher sind, dann lohnt sich der Besuch des Gotteshauses, in dem sechs Konfessionen beheimatet sind, an Sonntagen zwischen 5.30 und 8 Uhr. Dann erleben Sie die Kirche beinahe ohne Touristen und liturgisch belebt. Zeitgleich feiern die Griechen, die Franziskaner, auch die Armenier, die Kopten und die Syrer ihre heiligen Messen. Nur die orthodoxen Äthiopier leben und feiern abgesondert am Dach der Kirche. Auf jeden Fall erleben Sie am Heiligen Grab eine kirchliche Vielfalt, die ihre Einheit in Christus sucht. Kritiker sagen freilich, nirgends sei die Zerrissenheit der Christenheit so augenscheinlich wie gerade an diesem Ort.

 

Ins Programm jedes Israel-Reisenden gehört die Holocaust-Memorialstätte Yad Vashem. Gerade als Österreicher oder Deutscher ist es wichtig, diesen Ort der Erinnerung zu besuchen, um das heutige Israel mit seinen Sicherheitsbedürfnissen besser verstehen zu können. Es geht aber auch darum, anzuerkennen, dass die Shoa nicht nur ein Teil der jüdischen Geschichte, sondern sehr wohl auch einer der mitteleuropäischen ist. In Yad Vashem erfährt man, was in den Schulen hierzulande lange Zeit verschwiegen wurde: die Dimension und die Brutalität der Judenverfolgung. Man sollte das Museum, die „Allee der Gerechten“, das Kindermemorial und die Halle mit der ewigen Flamme sehen. Auch ein Blick in die modern gestaltete Synagoge lohnt sich. Für Kinder unter 15 Jahren ist der Besuch allerdings nicht empfehlenswert.

Sehenswert ist das Israel-Museum in Jerusalem. Im Freigelände befindet sich ein Modell der Stadt zur Zeit Jesu im Maßstab 1:50. In der Nähe ist der „Schrein des Buches“, in dem die Rollen von Qumran gezeigt werden. Dort bekommen Sie einen guten Einblick in das Leben der Essener-Gemeinde. Vorbei am Skulpturengarten – dort stehen Werke von Auguste Rodin – sollte man sich auch Zeit für das Hauptgebäude des Museums nehmen. Dort ist vor allem die archäologische Abteilung (Unterabteilung Zeitenwende) sehenswert. Schon die Präsentation der Exponate – ganz ohne Schutzglas – fällt positiv auf. Dort sind der Sarkophag von Herodes dem Großen, Zöpfe und Sandalen eines Mädchens aus Masada und ein Ossuarium, das die Knochen von Joseph bar Kajaphas beinhaltet hat, ausgestellt. Kajaphas war der Hohepriester und jüdische Ankläger im Prozess gegen Jesus. Damit werden biblische Ereignisse unmittelbar erlebbar. Neben dem Ossuarium liegt ein 11,8 Zentimeter langer Nagel aus der Zeit Jesu. Er ist der einzige archäologische Beweis für Kreuzigung durch Annagelung. Wenn man vor diesem Exponat steht, kann man ermessen, welche Schmerzen Gekreuzigte bis zum Eintritt ihres Todes erlitten haben.

Reisen hat für viele Menschen auch mit Lebensfreude und Genuss zu tun. Deshalb empfehle ich Ihnen den Markt Mahane Yehuda in der jüdischen Neustadt (leicht mit der Straßenbahn erreichbar). Bei orientalischen Snacks und einem süffigen „Alexander“-Bier bekommen Sie den Kopf frei, sollten Ihnen die archäologischen, politischen und religiösen Informationen zu viel geworden sein. Mahane Yehuda ist ein Ort, an dem man in das Alltagsleben der Israelis eintauchen kann.

Fahren Sie auch ans Tote Meer, das Gefühl der Schwerelosigkeit im Wasser ist einzigartig. Bedenken Sie: „Wildes“ Baden ist zwar nicht verboten, sie werden es aber bitter bereuen, wenn Sie sich nach dem Bad im Salzwasser (ca. 32 Prozent Salzgehalt) nicht mit Süßwasser duschen können. Zudem sei vor Spaziergängen in „closed areas“ gewarnt. Es könnte sich unter Ihren Füßen ein „sink hole“ auftun, eine mehrere Meter tiefe Erdhöhle, die nur oberflächlich von Erde bedeckt ist. Völlig ungefährlich und wunderschön ist hingegen der Besuch des Nationalparks von Ein Gedi. Dort können Sie auf gesicherten Pfaden durch die Judäische Wüste wandern. Dabei werden Sie überrascht sein, wenn Sie inmitten der kahlen Landschaft Wasserfälle sehen, in deren Nähe sich fast immer Klippdachse – ähnlich unseren Murmeltieren – tummeln. Mit ein wenig Glück sieht man auch Steinböcke.

Wer religiös interessiert ist, sollte am See Gennesaret die christlichen heiligen Stätten besuchen: die aus byzantinischer Zeit stammenden Mosaike von Tabgha, die an die Speisung der 4000 beziehungsweise 5000 Menschen erinnern, Kapernaum, das Zentrum jesuanischen Wirkens, und die Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen, die inmitten einer wunderbar gepflegten Gartenanlage liegt. Neben den historischen Stätten sollte man sich auch noch für die Landschaft und die Natur Zeit nehmen. Es empfiehlt sich ein leichter 20-minütiger Spaziergang von den Seligpreisungen hinunter zum See. Dabei kann man ein Gespür dafür entwickeln, wie die Menschen vor 2000 Jahren gelebt haben. Um sich in die Zeit Jesu zurückzuversetzen, ist es zudem hilfreich, Texte aus dem Neuen Testament zu lesen. Gleichnisse wie jenes vom Senfkorn, das in die Erde fällt und tausendfache Frucht bringt, oder jenes vom Schaf, das verloren geht, oder jenes vom Sturm am See ermöglichen es Ihnen, sich der faszinierenden Person Jesus von Nazareth anzunähern.

Ein Ort, der besonders für Österreicher von Bedeutung ist, ist die Küstenstadt Akko, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Der Legende nach sollen hier während des Dritten Kreuzzugs die Nationalfarben Rot-Weiß-Rot entstanden sein. Auch wenn das historisch nicht belegt ist, so ist Akko als die schönste und besterhaltene Kreuzfahrerstadt des gesamten Orients doch einen Besuch wert.

Wenn Sie an Bauhaus-Architektur interessiert sind, dann sind Sie in Tel Aviv richtig. Tel Aviv, „Hügel des Frühlings“, ist eine pulsierende Großstadt, die an London oder Frankfurt erinnert. Es gibt nicht viel zu besichtigen, dafür umso mehr zu erleben, bevorzugt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Sie können am frühen Abend bei einem Bummel durch das pittoreske Jaffa am Hafen einen Aperitif zu sich nehmen, dann in einem der ausgezeichneten, aber auch hochpreisigen Restaurants ein Abendessen genießen und sich schließlich bis in den Morgen in diversen Bars und Clubs vergnügen. Vorausgesetzt, man kann sich das leisten.


SPRECHEN SIE JIDDISCH, HEBRÄISCH ODER ARABISCH?


NEIN? DOCH! Sie werden sich wundern, wie viele Ausdrücke und Redewendungen Ihnen vertraut sind. Wie gut Ihr Hebräisch beziehungsweise Jiddisch ist, zeigt Ihnen folgender Text:

In einem Beisl treffen sich zwei ausgekochte Typen. Über dem einen schwebt der Pleitegeier und er ist schon ziemlich geschlaucht, weil seine Mischpoche (Verwandtschaft) den Kies (Geld), den sie ihm vorgestreckt hat, wiederhaben will. Deswegen macht diese auch einen ziemlichen Pahöll (Aufregung):

Der Onkel habe mit ihm sogar schon Tacheles geredet – es sei alles ein einziges Tohuwabohu. Und das mit dem Malochen (Arbeiten) sei nicht so seins, er überlege vielmehr, mit seiner Schickse abzuhauen. Worauf sein Freund sagt: „Red net so einen Kohl. Ich habe ein paar Ezzes (Ratschläge) für dich: Da gibt es in einem Kaff, gar nicht weit von hier, einen sehr betuchten Haberer. Man muss aufpassen, denn er ist ein bisserl meschugge (verrückt) – aber bei dem machst einen Bruch (Einbruch) und ich stehe dir Schmiere. Mit einem bisserl einem Massel (Glück) kannst du einen richtig guten Reibach (Gewinn, Beute) machen. Dann ist deine Saure-Gurken-Zeit vorbei. Halleluja, ich wünsch Dir Hals- und Beinbruch. Pass aber auf, sonst geht’s für uns beide in den Knast. Und das wäre nicht so dufte.

Zunächst waren es die Beschäftigung mit den Texten der Bibel, die zahlreiche Termini aus dem Hebräischen über das Lateinische ins Deutsche einfließen ließ. Dazu gehören Ausdrücke wie Amen, Halleluja, Hosanna, Jubel, aber auch Messias. Durch die Juden, die im Mittelalter in ihrer Alltäglichkeit nicht mehr das „heilige Hebräisch“, sondern Jiddisch sprachen, kam es schließlich zu einer deutlichen Beeinflussung des Deutschen. Die jiddische Mischsprache aus dem Mittelhochdeutschen, dem Hebräischen und dem Slawischen entwickelte sich nach 1350 in Osteuropa. Dorthin waren viele Juden geflohen, nachdem sie in Westeuropa beschuldigt worden waren, mit der Pest die christliche Bevölkerung ausrotten zu wollen. Die einzige Gruppe in Israel, die bis heute kein Neuhebräisch spricht, sondern immer noch „jiddelt“, sind die aschkenasischen Juden aus Osteuropa. Sie halten an dem Jiddischen ihrer Vorväter, das sie allerdings in hebräischen Buchstaben schreiben, fest.

Den meisten Reisenden sind einige Ausdrücke aus dem Jiddischen vertraut. Dass auch viele Lehnwörter aus dem Arabischen stammen, erstaunt sie aber sehr. Diese sind vor allem durch die Kreuzfahrer ins Deutsche übernommen worden. Aber schon früher hatte es durch die Eroberung Spaniens (711) und Siziliens (827) eine Beeinflussung der europäischen Sprachen durch das Arabische gegeben. Am folgenden Textbeispiel wird ersichtlich, wie viele Wörter aus dem Arabischen entlehnt wurden.

Ahmed war ein einfacher Seemann, aber er legte Wert darauf, immer gut gekleidet zu sein. Seine blaue Jacke war leicht mit Watte gefüttert, seine Mütze saß perfekt. So, wie er sich präsentierte, hätte man meinen können, er sei ein Admiral. Tatsächlich aber war er ein armer Schlucker, der sich in den Häfen mit den Touristen ein Zubrot verdiente, wenn sie ihn baten, sich vor einem Kamel zu präsentieren. Dann zückten sie ihre Kameras. Zwischen Ahmet und den Touristen stimmte einfach die Chemie. In ihm sahen sie den typischen Vertreter der arabischen Rasse. Er mochte die Fremden auch, auch wenn er als frommer Muslim nicht verstehen konnte, dass sie immer Alkohol tranken. Für das Trinkgeld kaufte er sich dann einen Kaffee, den er mit viel Zucker süßte. Dazu kaute er Weißbrot mit Sesam und wenn er besonders gut gelaunt war, verzauberte er die Welt – „Simsalabim“ – mit seiner Gitarre. Abends ging er zurück an Bord und holte sich sein Essen. Nicht selten gab es Spinat. Danach legte sich Ahmed müde auf seine Matraze und träumte davon, ein Admiral zu sein.

Kulturaustausch ist selten eine Einbahnstraße und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich über 300 deutsche Termini im Hebräischen finden. Dafür gibt es zwei Gründe: Viele Wörter drangen in den letzten Jahrhunderten vom Deutschen über das Jiddische ins Hebräische ein. Technische Vokabeln wie Kupplung oder Kugellager kamen durch die deutschen Juden am Beginn des 20. Jahrhunderts dazu. Deutsch war zu dieser Zeit als Wissenschaftssprache so dominant, dass die Gründungsväter der ersten Hochschule für Juden in Palästina, dem „Technion“ in Haifa, 1913 beschlossen, es als Unterrichtssprache zu verwenden. Der Konflikt zwischen den germanophilen Professoren auf der einen Seite und den zionistischen Studenten und ihren Geldgebern auf der anderen Seite war vorprogrammiert. Er konnte nur mithilfe der osmanischen Polizei geschlichtet werden.

Zu diesem Zeitpunkt war Neuhebräisch oder Ivrit, wie man das vom weißrussischen Zionisten Eliezar Ben-Jehuda (1858–1922) reaktivierte biblische Hebräisch nannte, noch nicht so weit entwickelt, dass es für Spezialgebiete, wie jenes der Technik, Ausdrücke hätte anbieten können. So setzten sich die bautechnischen Begriffe Spachtel oder der Spritz im Neuhebräischen bis heute durch.

Ben-Jehudas Verdienst war es, das seit der Zeit um 200 nach Christus nur mehr als Sakralsprache verwendete Hebräisch wieder zu einer lebendigen Alltagssprache zu machen. Diese sollte die Kommunikationsbasis für das Zusammenleben aller Juden aus aller Welt im Land werden. Und das wurde sie auch. Und wer es nicht lernte, lebte höchst gefährlich. Bis heute erzählt man die Geschichte, dass ein Neueinwanderer, der nicht Ivrit konnte, im Unabhängigkeitskrieg Israels 1948 den Befehl seines Vorgesetzten nicht verstand und, statt in den Schützengraben zu springen, aufrecht stehen blieb. Er wurde vom Feind erschossen.

 

Um die Leistung Ben-Jehudas zu würdigen, stelle man sich vor, das Latein eines Cäsar, Sallust oder Ovid würde heute wiederbelebt und wir müssten „ein Wienerschnitzel mit Erdäpfelsalat und dazu einen leichten Sommerspritzer“ in lateinischer Sprache bestellen.

Ganz leicht war es freilich auch für Ben-Jehuda nicht. Man erzählt sich, dass er seine Kinder in seiner Jerusalemer Wohnung eingesperrt habe, wo sie alles hatten: Spielzeug, einen Hund, eine Katze und auch sonst alles, was sich Kinder wünschen. Zwei Dinge hat er ihnen strengstens verboten: das Haus zu verlassen und mit anderen Kindern in einer anderen Sprache als Neuhebräisch zu sprechen. Im Haus Ben-Jehudas wurde nämlich nur Ivrit gesprochen. Als seine Frau Hemda sich in der neuen Sprache nicht ausdrücken konnte und sich darüber auf Russisch beschwerte, soll Ben-Jehuda gesagt haben: „Wenn Du schon nicht Ivrit sprechen kannst, dann schweig wenigstens in Ivrit!“

Neben der Reaktivierung der Sprache ist es Ben-Jehudas Verdienst, dass er kurz vor seinem Tod Sir Herbert Samuel, den britischen Hochkommissar über Palästina, überzeugen konnte, Ivrit neben dem Arabischen und Englischen als dritte Amtssprache im Land einzuführen. Dies war ein wichtiger Meilenstein für die noch kleine jüdische Gemeinde in Palästina. Die Sprache bildet die Klammer in einer heterogenen Nation von Einwanderern. Wie viel Deutsch im Hebräischen steckt, zeigt Ihnen das folgende Textbeispiel.