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Tagebuch des Verführers

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Zuweilen lenkte ich das Gespräch auf das Gebiet des Wehmütigen, zuweilen liess ich der Ausgelassenheit Raum und dann wieder forderte ich zu einem dialektischen Kampf auf. Und welches Thema ist, wenn man ihm recht auf den Leib rückt, mannigfaltiger! Unaufhörlich liess ich ein Thema von einem anderen ablösen.

Ich erzählte von einem jungen Mädchen, das von der Grausamkeit ihrer Eltern zur Lösung der Verlobung gezwungen wurde. Dies unglückliche Ereignis brachte ihnen beinahe Thränen in die Augen. – Ich erzählte von einem Mann, der als Grund der Lösung seiner Verlobung angab, das Mädchen sei zu gross, und er hätte ihr seine Liebeserklärung nicht knieend gemacht. Als ich dagegen die Einwendung machte, dieses seien keine genügenden Gründe, so antwortete er: doch, sie genügen vollständig, um das zu erreichen, was ich wünsche, – denn kein Mensch kann ein vernünftiges Wort dagegen sagen. – Schliesslich gab ich noch einen sehr schwierigen Fall der Versammlung zur Prüfung. Ein junges Mädchen löste deshalb ihre Verlobung, weil sie nicht überzeugt war, dass sie und ihr Bräutigam zu einander »passten«. Dieser suchte sie durch Versicherungen seiner grossen Liebe zur Vernunft zu bringen. Aber sie antwortete: entweder passen wir für einander und es ist eine wirkliche Sympathie da, dann musst Du einsehen, dass wir nicht zu einander passen, oder wir passen nicht zu einander und dann siehst Du doch ein, dass wir nicht zu einander passen. Es war ein Genuss, zu sehen, wie die jungen Mädchen ihre Gehirne anstrengten, um diese rätselhafte Rede zu erfassen, und doch merkte ich ausgezeichnet, dass ein paar unter ihnen es deutlich verstanden. Denn wenn von Lösung einer Verlobung die Rede ist, so ist jedes junge Mädchen ein grosser Kasuist. – Ja, ich glaube wahrhaftig, dass es mir in solch einem Fall leichter wäre, mit dem Teufel selbst zu disputieren, als mit einem jungen Mädchen.

Ich war heute bei ihr und leitete sofort die Unterhaltung auf dasselbe Thema, das uns gestern fesselte, und ich versuchte, sie wieder in Ekstase zu bringen. »Gestern schon«, begann ich, – »wollte ich eine Bemerkung machen, es fiel mir aber erst ein, als ich schon gegangen war!« Das glückte. Bin ich bei ihr, so ist es ihr ein Genuss, mir zuzuhören; bin ich fort, dann erkennt sie wohl, dass sie betrogen ist, und dass ich verändert war. So zieht man seine Aktien zurück. Die Methode ist etwas hinterlistig, aber sehr zweckmässig, gleich allen indirekten Methoden. Sie versteht sehr gut, dass so etwas wie das, von dem ich spreche, mich beschäftigen kann, ja es kann sie selbst für einen Augenblick interessieren und trotzdem betrüge ich sie um das eigentlich Erotische.

Oderint, dum metuant, als ob nur Furcht und Hass zusammengehörten, und Furcht und Liebe nicht ebenso zusammen sein müssten, denn Furcht macht doch erst die Liebe interessant?

Ist in der Liebe, mit der wir die Natur umfassen, nicht ein geheimes Angstgefühl ? Ihre schöne Harmonie arbeitet sich erst aus wildem Chaos hervor, ihre Sicherheit aus Treulosigkeit.

Am meisten aber fesselt gerade diese Art Angst. Und mit der Liebe ist es ebenso, wenn sie interessant sein soll, es muss tiefe angstvolle Nacht hinter ihr stehen, und aus dieser wird die Liebesblume geboren. – – So ruht die weisse Wasserrose ihren Kelch auf der Oberfläche des Wassers aus, während der Gedanke sich in das Dunkel zu stürzen scheut, wo die Blume ihre Wurzeln hat.

Ich habe es schon öfters erwähnt: sie nennt mich in ihren Briefen immer: mein; aber den Mut, es mir auch zu sagen, den hat sie nicht. Ich bat sie heute darum, so insinuant und erotisch warm als möglich. Sie versuchte; aber ein ironischer Blick von mir, ganz kurz und schneller als man es ausdrücken kann, der genügte, um es ihr ganz unmöglich zu machen, obgleich ich in sie drang, es nochmals zu versuchen. Diese Stimmung ist die normale.

Mein ist sie! Ich vertraue es nicht, wie es oft Sitte ist, den Sternen an, da ich nicht recht verstehe, welches Interesse jene allzufernen Welten daran nehmen könnten. Viel weniger noch vertraue ich es den Menschen, und Cordelia auch nicht. Ich behalte dieses Geheimnis für mich, sage es ganz leise zu mir selbst und flüstere es nur, sogar in einsamsten Selbstgesprächen. Von ihrer Seite war der erwartete Widerstand nicht gross, dagegen bewundernswert die erotische Macht, die sie entfaltet. In dieser tiefen Leidenschaftlichkeit ist sie reizend interessant, gross, fast übernatürlich. Wie schnell versteht sie nicht sich zurückzuziehen und auszuweichen, wie geschmeidig weiss sie sich nicht hineinzuschleichen, überall, wo sie einen unsicheren Punkt entdeckt. Alles kommt in Bewegung, in diesem Rauschen und Sausen der Elemente fühle ich mich in meinem Element. Und doch sie selbst ist in dieser Erregung durchaus nicht unschön, nicht verwirrt in den Stimmungen, nicht zerstreut in den Momenten. Eine Anadyomene ist sie immer, nur steigt sie nicht in naivem Zauber oder in unbefangener Ruhe empor; sondern starke Wellen der Liebe bewegen sie, aber sie selbst bleibt dem grossen Oranier gleich, saevis tranquilla in undis. Voll erotisch ist sie zum Kampf ausgerüstet, sie kämpft mit den Pfeilen ihrer Augen, mit gebieterischem Befehl ihrer Brauen, mit geheimnisvollem Ernst der Stirn, der Beredsamkeit des Busens, mit dem verhängnisvollen Zauber der Arme, mit flehenden Bitten ihrer reizenden Lippen, mit dem Lächeln ihrer Wangen, und mit der süssen Sehnsucht ihrer Gestalt. Mit einer Kraft, einer Energie gleich einer Walküre, aber durch eine gewisse schmachtende Mattigkeit wird diese erotische Kraft in ihr wieder temperiert.

Sie darf auf dieser Höhe nicht lange balancieren, Angst nur und Unruhe halten sie dort, und verhindern, dass sie stürzt. Für solche Verhältnisse ist eine Verlobung, das wird sie bald spüren, zu beengend, zu genierend. Sie wird die Versucherin werden und versucht mich, über die Grenze des Gewöhnlichen hinauszugehen. So wird sie sich des über der Grenze liegenden bewusst, und darauf kommt es mir besonders an. Jetzt kommen von ihren Lippen nicht selten Andeutungen, dass ihr die Verlobung ein Dorn ist. Unbemerkt gehen an meinem Ohr solche Andeutungen nicht vorüber. Sie sind in ihrer Seele wie die Spione meiner Operation, die mir orientierende Nachricht senden, und durch die ich sie in mein Netz locke.

Meine Cordelia!

Klagst Du über die Verlobung und meinst, für unsere Liebe sei ein so äusserliches Band unnötig und störe uns nur. Ich kenne daran meine ausgezeichnete Cordelia! Wahrhaftig, ich bewundere Dich. Unsere so äusserliche Verbindung trennt uns nur. Sie ist eine Wand zwischen uns, die uns trennt wie Piramus und Thisbe. Im Genuss unserer Liebe stört uns noch, dass unser Geheimnis andern bekannt ist, also kein Geheimnis mehr ist. Wenn erst kein Fremder unsere Liebe ahnt, dann bekommt sie den richtigen Wert, dann wird sie glücklich.

Dein Johannes

Das Band der Verlobung wird bald gebrochen. Sie wird es selbst lösen, um mich noch stärker zu binden, wie die offenen Locken mehr fesseln als die gebundenen. Würde die Verlobung von mir gelöst, so würde ich den verführerischen Saltomortale ihrer Liebe nicht gemessen, das wäre traurig, da ich dann auch nicht das sichere Zeichen ihrer Seelenkühnheit hätte. Es kommt mir darauf an, dies zu besitzen. Und hätte ich den Schritt gethan, so würden mich die Leute, wenn auch unbegründet, doch verabscheuen und hassen. Denn manchen wäre das sehr vorteilhaft. Manch liebes kleines unverlobtes Mädchen wäre wohl sehr zufrieden, könnte sie dem ersehnten Ziel so nahe kommen. Wenn auch wenig, so ist es immerhin etwas. Hat man auf der Erwartungsliste so einen Platz eingenommen, dann ist man ja gerade ganz ohne Erwartung, und je höher man aufrückt, um so geringer wird die Erwartung. Im Reich der Liebe befördert man einen nicht nach dem Anciennetätsprinzip, man avanciert aus anderen Gründen. Es kommt noch dazu, dass es so einem kleinen Fräulein blühen kann, in einem ungetrübten Heim zu sitzen, so dass sie sich sehnt, von irgend einem Ereignis ihr Leben bewegt zu fühlen. Aber was kann sich mit einer unglücklichen Liebesgeschichte vergleichen, – besonders wenn sich die Sache so leicht nehmen lässt. Man bildet sich und seinem Nächsten ein, dass man unter die Zahl der Betrogenen zu zählen ist, und da man die nötigen Eigenschaften dazu aufweisen kann, um im Magdalenenheim aufgenommen zu werden, so logiert man sich bei den Klageweibern ein. Man hasst mich also pflichtschuldigst. Es giebt noch eine zweite Abteilung, solche, die ein anderer halb oder zu zwei Drittel betrogen hat. Es giebt viele Grade von der Sorte, die sich auf einen Ring berufen können, bis zu solchen herab, die als Beweis nur einen Händedruck in einem Contre-Tanz aufweisen können. Ihre Wunden werden durch den Schmerz einer neuen aufgerissen und deren Hass nehme ich als Zuwage. Aber alle diese Hassenden sind natürlich ebenso viele Krippenhüter für mein armes Herz. Ein König ohne Land ist gewöhnlich eine lächerliche Figur; aber ein Successionskrieg um ein Königreich ohne Land, das überbietet sogar das Lächerlichste. Eigentlich sollte ich vom schönen Geschlecht geliebt und gepflegt werden, denn ich bin ihr Asyl. Ein wirklich Verlobter kann ja nur für eine Einzige sorgen, aber so ein weitläufiges Asyl kann versorgen, das heisst, beinahe mehr als nötig versorgen, so wie es wirklich notwendig ist. Aber jetzt brauche ich das alles nicht, und habe doch den Vorteil, später in einer ganz neuen Rolle auftreten zu können. Die jungen Mädchen werden mich nämlich beklagen, mit mir Mitleid haben und mit mir seufzen, und ich selbst beeile mich, in denselben Ton einzufallen, so kann dann der Fang gemacht werden.

Wie seltsam! Mit Schmerz bemerke ich, dass ich nahe daran bin, das Kennzeichen, das Horaz allen treulosen Mädchen wünschte, zu erhalten, einen schwarzen Zahn, sogar einen Vorderzahn! Wie man doch abergläubisch sein kann! Dieser Zahn beunruhigt mich wirklich, ich vertrage darüber nicht die kleinste Andeutung, er ist mein empfindlicher Punkt geworden. Während ich sonst überall gerüstet bin, kann mir hier der grösste Dummkopf einen Stoss geben. Einen Stoss, der tiefer geht als er glaubt, er braucht nur an den Zahn zu rühren. Ich thue alles, um ihn weiss zu bekommen, aber umsonst; ich sage mit Palnatoke bei Oehlenschlägen:

 
 
»Ich reibe ihn wohl Tag und Nacht,
und doch weicht nicht der schwarze Schatten.«
 

Das Leben ist doch unerhört voll von Rätseln. So ein kleiner Umstand kann mich mehr irretieren, als der gefährlichste Anfall, als die peinlichste Situation. Ich werde den Zahn ziehen lassen, trotzdem das auf meine Sprache störend wirken und die Kraft meiner Stimme vermindern wird.

Es ist ganz vortrefflich, dass die Verlobung anfängt Cordelia zu missfallen. Die Ehe bleibt doch eine ehrwürdige Einrichtung, wenn sie auch die Langeweile mit sich bringt, so dass sogar dadurch die Jugend etwas von Ehrfurcht geniesst, die sie sich erst mit dem Alter verschaffen dürfte. Eine Verlobung dagegen ist eine menschliche Erfindung und als solche so bedeutungsvoll und lächerlich, dass es einerseits ganz in der Ordnung ist, wenn ein junges, von Leidenschaft aufgeregtes Mädchen dafür Verachtung empfindet, und doch anderseits die Bedeutung davon fühlt, und fühlt, wie die Energie ihrer Seele sie wie ein geistiges Adernetz durchdringt. Jetzt gilt es, sie ist zu lenken, dass sie in ihrem kühnen Flug die Ehe und das Festland der Wirklichkeit aus dem Auge verliert, dass ihre Seele ebensoviel aus Stolz wie aus Angst sich zu verlieren, eine unvollkommene menschliche Form vernichtet, um zu etwas zu eilen, das höher als das Menschliche ist. Aber in dieser Hinsicht brauche ich keine Angst zu haben, denn ihr Gang durch das Leben ist schon so schwebend und leicht, dass die Wirklichkeit zum grossen Teil schon ausser Sicht ist. Ausserdem bin ich ja selbst die ganze Zeit an Bord und werde die Segel so stellen, dass es schnell vorwärts geht.

Man kann ein Weib doch immer wieder und wieder betrachten und an ihr Studien machen. Mag das einer nicht, und hat daran keine Freude, der kann alles sein, nur kein wirklicher Ästhetiker. Das Herrliche, das Göttliche in der Ästhetik ist gerade, dass sie in einem Verhältnis zum Schönen steht. Ich denke mit wahrer Freude, wie sich doch die Sonne der Weiblichkeit in unendlich vielen Strahlen bricht. Ein verwirrender Reichtum von Weiblichkeit, von dem jedes einzelne Weib einen kleinen Teil hat, doch so, dass ihr übriges sich harmonisch um diesen Teil schliesst. In dieser Hinsicht ist die weibliche Schönheit bis in das Unendliche teilbar. Doch jeder einzelne Teil der Schönheit muss harmonisch beherrscht sein, sonst wird der Eindruck verwirrt und man kommt auf den Gedanken, als habe die Natur mit diesem Mädchen etwas vorgehabt, was aber nur Vorsatz geblieben ist. Mein Auge wird nie müde, die vielen zerstreuten Emanationen weiblicher Schönheit zu betrachten. Jedes junge Mädchen ist eine solche, und trotzdem sie nur ein Teil davon ist, doch in sich selbst vollendet glücklich, fröhlich, schön. Jeder einzelne Strahl ist von besonderer Schönheit, jeder hat das Seine; munteres Lächeln, schelmischer Blick, fragende Augen, ausgelassener leichter Sinn, hängender Kopf, stille Wehmut, tiefes Ahnen, irdisches Heimweh, drohende Brauen, fragende Lippen, geheimnisvolle Stirn, verführerische Locken, himmlischer Stolz, irdische Schüchternheit, Engelreinheit, leises Erröten, leichter Gang, reizendes Schweben, schmachtende Haltung, träumerisches Sehnen, unerklärliches Seufzen, schlanker Wuchs, weiche Formen, wogender Busen, kleiner Fuss, reizende Hand. – Das Seine hat jeder Schönheitsstrahl. Habe ich angeschaut, und immer wieder angeschaut, habe ich gelächelt, geseufzt, geschmeichelt und gedroht, begehrt und versucht, gelacht und geweint, habe ich gehofft und gefürchtet, gewonnen und verloren, – dann schliesst sich das einzelne zu einem harmonischen Ganzen und meine Seele freut sich, mein Herz pocht, und die Leidenschaft durchglüht meine Brust. Und dieses Mädchen, dieses eine, die einzige in der ganzen «Welt, sie muss mein sein, mein werden. Gott behalte deinen Himmel, wie sie nur mir gehört.

Wohl weiss ich, dass das, was ich wähle, so gross ist, dass es selbst dem Himmel nichts nützt, wenn geteilt wird; denn bliebe im Himmel noch etwas zurück, wenn ich sie erhalte? Die gläubigen Mohammedaner würden in ihrer Hoffnung getäuscht, müssten sie in ihrem Paradiese bleiche, kraftlose Schatten umarmen. Sie könnten keine Wärme des Herzens mehr dort finden, denn alle Herzenswärme hat sich in der Brust meines Mädchens gesammelt. Sie würden trostlos verzweifeln, denn sie fänden nur bleiche Lippen, matte Augen, kalte Brüste und einen armen Händedruck. Denn alles Lippenrot, alles Feuer der Augen, die Unruhe der Brust, der vielverheissende Druck einer Hand und die Besiegelung des Kusses, die zitternde Leidenschaft einer Umarmung – alles, alles wäre in ihr vereinigt, in ihr, die alles das an mich verschwenden würde, alles, was diese und jene Welt an Reichtum besitzt.

Oft habe ich so geträumt, und es wurde mir immer heiss um das Herz, denn ich träume ja dann von ihr. Im allgemeinen sieht man Wärme für ein gutes Zeichen an, doch daraus folgt noch nicht, dass man mich deshalb für solide halten wird. Einmal will ich versuchen, das Weib kategorisch aufzufassen. Unter welche Kategorie soll man es rechnen? Unter ein Sein für andere Sein. Das könnte in schlechtem Sinn verstanden werden, als wenn die, die für mich ist, zugleich für einen andern ist. Hier wie bei allem abstrakten Denken muss man sich aller Rücksicht auf die Erfahrung enthalten. Gegenwärtigen Falles würde die Erfahrung z. B. in ganz besonderer Weise für mich wie wider mich sein. Hier wie überall ist die Erfahrung eine Person, denn ihr Wesen ist immer pro et contra.

Also das Weib ist ein Sein für anderes. Ebenso will man sich nach anderer Seite hin nicht durch die Erfahrung beirren lassen. Denn könnte man nicht einwenden, dass man selten ein Weib küsst, das ein Sein für anderes ist, da sehr viele Frauen weder für sich noch für andere etwas sind. Mit der ganzen Natur haben sie das gemein. Mit allem, was feminin um ist. Für anderes ist auch die ganze Natur da, nicht wie die Theologie es meint, wie z. B. in der Natur ein einzelnes Glied für ein anderes einzelnes Glied da ist, nein, für anderes ist die ganze Natur da, für den Geist ist sie da. Mit dem Einzelnen ist es wieder so. Zum Beispiel entfaltet das Pflanzenleben seine geheimen Reize ganz naiv und existiert nur für anderes. Mit dem Rätsel ist es ebenso, ebenso mit einer Scharade, einem Geheimnis, einem Vokal u. s. w. Es lässt sich so auch erklären, weshalb Gott den Adam in tiefen Schlaf fallen liess, als er Eva erschuf; denn des Mannes Traum ist das Weib. Das Weib ist auch nicht aus dem Haupt des Mannes geschaffen, sondern aus den Rippen und ist Fleisch und Blut geworden. Sie erwacht erst durch die Berührung der Liebe und ist vorher ein Traum. Doch unterscheidet man in diesem Traumdasein zwei Stadien; erstens: die Liebe träumt von ihr, – zweitens: sie träumt von der Liebe. Das Weib ist durch ihre reine Jungfräulichkeit wie ein Geschöpf, dessen Ziel ausserhalb sich selbst liegt. Jungfräulichkeit ist nämlich etwas, das, so weit es in sich selbst existiert, eigentlich eine Abstraktion ist und sich nur als Relation zeigt. Dieses gilt auch bei der weiblichen Unschuld. Man kann darum sagen, dass das Weib in diesem Zustand unsichtbar ist. Bekanntlich gab es von der Vesta auch kein Bild, von der Göttin, welche die eigentliche Jungfräulichkeit im engsten Sinn darstellt. Diese Existenz ist nämlich ästhetisch auf sich selbst eifersüchtig – wie Jehovah es ethisch ist – und nicht will, dass es von ihm ein Bild oder nur eine Vorstellung geben soll. Dieser Widerspruch, dass einer, der nur für den andern da ist, an sich nicht ist, und durch den andern erst sichtbar wird, ist logisch ganz richtig, und wer logisch denkt, lässt sich nicht davon stören, sondern wird sich dessen freuen. Aber wer unlogisch denkt, kann sich gut einbilden, dass der, der für einen andern da ist, auch irdisch existiert, was man auch von einem einzelnen wahrnehmbaren Gegenstand sagen kann.

Des Weibes Sein – zuviel würde das Wort Existenz sagen, da sie ihr Leben nicht aus sich selbst hat – wird richtig mit dem Wort Anmut bezeichnet, der Ausdruck erinnert an das vegetative Leben; die Dichter sagen gern, dass sie wie eine Blume ist, und auch ist das Geistige in ihr gewissermassen vegetiv. Ganz innerhalb der Grenzen des Natürlichen ist sie zu suchen, und deshalb ist sie nur ästhetisch frei. Sie wird erst durch den Mann im tieferen Sinn frei, daher kommt das Wort: freien, und deshalb ist es der Mann, der freit. Freit er richtig, so kann keine Rede von einer Wahl sein. Wohl wählt das Weib, aber ist langes überlegen das Resultat dieses Wählens, so ist das dann unweiblich. Eine Schande ist es deshalb, bekommt man einen Korb. Der Mann hat dann, da er sich zu hoch einschätzte, eine andere frei machen wollen, und konnte es nicht – Eine tiefe Ironie liegt in diesem Verhältnis. Der Mann freit. Das Weib wählt. Nach ihrem Begriff ist das Weib die Überwundene, nach seinem Begriff ist der Mann der Sieger, und der Sieger beugt sich doch vor der Besiegten. Dieses ist ganz natürlich, nicht Mangel an erotischer Auffassung oder nur Dummheit, wenn man die naturgemässen Verhältnisse zu verändern sucht. Ein tieferer Grund liegt dahinter. Denn das Weib ist Substanz, der Mann Reflexion. Deshalb wählt sie auch nicht ohne weiteres, sondern der Mann ist der Freiende und dann ist das Weib die Wählende.

Das Freien des Mannes ist gleich einer Frage, das Wählen des Weibes ist auf die Frage die Antwort. Der Mann ist in gewissem Sinn mehr als das Weib, und unendlich weniger im entgegengesetzten Sinn. Das Sein des Weibes mit dem Zweck, bei einem andern verborgen zu sein, das ist die reine Jungfräulichkeit. Wenn sie eine selbständige Existenz dem Mann gegenüber sucht, für den sie da ist, dann wird sie abstossend und zum Gespött, und das zeigt, dass es das eigentliche Ziel des Weibes ist, für einen anderen zu existieren.

Der diametrale Gegensatz zu der absoluten Eingebung ist der absolute Spott, der umgekehrt unsichtbar ist, wie die Abstraktion, gegen welche sich alles bricht, ohne dass die Abstraktion dadurch lebendig wird. Die Weiblichkeit nimmt dann den Charakter der abstrakten Grausamkeit an, welche die karikierende Spitze der eigentlichen jungfräulichen Weichheit ist. Ein Mann kann nie so grausam sein, wie eine Frau. Wenn man alle Mythologien, Erzählungen und Volkssagen befragt, wird man dies bekräftigt finden. Wenn man eine Naturmacht schildern will, die in ihrer Grausamkeit keine Grenzen kennt, so ist das ein jungfräuliches Wesen. Man erschrickt, wenn man von einem jungen Mädchen liest, das seinen Freiern das Leben nehmen liess, und nicht davon berührt schien. Wohl tötet der Ritter Blaubart in der Hochzeitsnacht all die jungen Mädchen, die er geliebt hat, aber Vergnügen empfindet er nicht dabei, das Vergnügen ging voraus. Darin liegt die Konkretion, es ist keine Grausamkeit der Grausamkeit zu liebe. Ein Don Juan verführt Mädchen und verlässt sie, aber es ist ihm kein Vergnügen, sie zu verlassen, wohl aber sie zu verführen, dieses ist also auch keine absolute Grausamkeit.

Also sehe ich, je mehr ich die Sache erwäge, meine Praxis steht in vollkommener Harmonie mit meiner Theorie. Denn diese hat in der Überzeugung ihren tiefsten Grund, dass das Weib wesentlich ein Sein für anderes ist. Der Augenblick ist deshalb dabei von unendlicher Wichtigkeit, denn das Sein für anderes ist immer eine Sache des Augenblicks. Früher oder später kann dieser Augenblick kommen, aber kommt er, so muss dadurch das Sein für anderes ein relatives Sein werden, und hört auf zu sein.

Ich weiss wohl, Ehemänner meinen, dass das Weib auch im anderen Sinn das Sein für anderes ist, sie sei ihnen alles für ihr ganzes Leben. Dafür müssen die Ehemänner selbst einstehen, ich glaube, das ist etwas, was sie sich selber einander einbilden. Seine konventionellen Sitten hat ja jeder Stand und gewisse konventionelle Lügen auch. Dieses Jägerlatein der Ehemänner gehört auch dorthin. Der Augenblick ist alles, und im Augenblick ist das «Weib alles; ich verstehe die Konsequenzen nicht. Die Konsequenz, dass einem Kinder geboren werden, gehört auch dazu. Ich bilde mir ein, ich bin sonst ein ziemlich konsequenter Denker, aber dächte ich bis zum Verrücktwerden nach, ich könnte nicht für die Konsequenz einstehen, ich verstehe sie nicht, nur ein Ehemann kann das.

Cordelia und ich besuchten gestern eine Familie in ihrer Sommerwohnung. Meistens hielt sich die Gesellschaft im Garten auf und vertrieb sich die Zeit mit verschiedenen körperlichen Übungen. Es wurde unter anderem auch Ringwerfen gespielt. Ein Herr, der mit Cordelia gespielt hatte, ging fort, und ich benutzte die Gelegenheit, für ihn weiter zu spielen. Sie entfaltete grosse Anmut, die Anstrengungen des Spieles machten sie noch verführerischer und erhöhten ihre Schönheit. Es war in dem Selbstwiderspruch der Bewegungen eine reizende Harmonie! Sie war so leicht, sie schwebte über die Erde, ihre ganze Erscheinung war dithyrambisch, und ihr Blick fast herausfordernd! Für mich hatte das Spiel natürlich ein besonderes Interesse. Grosse Aufmerksamkeit schien Cordelia nicht für das Spiel zu haben, aber als ich einer anderen den Ring zuwarf, das schlug in ihre Seele wie ein Blitz. Die ganze Situation war von diesem Augenblick an eine andere geworden.

 

Cordelia war von einer gesteigerten Energie erfüllt. Beide Ringe hielt ich an meinem Stock, einen Augenblick wartete ich und tauschte ein paar Worte mit den Umstehenden. Diese Pause verstand sie, und nun warf ich die beiden Ringe zu. Sie hatte diese schnell auf ihrem Stock und warf sie hoch in die Luft, wie aus Versehen, so dass ich keinen fangen konnte. Sie begleitete diesen Wurf mit einem Blick von unendlicher Verwegenheit. Von einem französischen Soldaten erzählt-man, dem im Krieg gegen Russland ein Bein abgenommen werden sollte, weil der Brand daran kam. Nachdem eben die schmerzhafte Operation beendet war, fasst er das Bein, wirft es in die Höhe und ruft: »Vive Pempereur!« Cordelia warf mit demselben Blick, und dabei war sie schöner denn je, die beiden Ringe in die Luft und sagte zu sich selbst: Es lebe die Liebe! Es schien mir nicht geraten, dass ich diese Stimmung bei ihr noch steigerte, denn es wäre bald eine gewisse Mattigkeit darnach eingetreten, die immer solch kräftigen Ausbrüchen nachfolgt, ich hielt mich deshalb ganz ruhig, ja ich stellte mich, als hätte ich nichts bemerkt, und sie war gezwungen, weiter zu spielen.

Brächte man in unserer Zeit gewissen Untersuchungen Sympathie entgegen, so würde ich eine Preisfrage stellen: Wer von beiden, ein junges Mädchen oder eine junge Frau ist, ästhetisch gedacht, schamhafter? Die Unwissende oder die Wissende? Und welcher von den beiden kann man die grösste Freiheit einräumen? Aber unsere ernste Zeit beschäftigt sich mit solchen Fragen nicht. Eine solche Untersuchung würde in Griechenland die allgemeine Aufmerksamkeit erweckt haben, es hätte den jungen Staat in Bewegung gebracht, vor allem die jungen Mädchen und die jungen Frauen. In unserer Zeit will man das nicht glauben; aber in unserer Zeit will man's auch nicht glauben, wenn man den bekannten Streit erzählte, den zwei griechische Jungfrauen führten, und dass eine zu gründliche Untersuchung die Veranlassung zu demselben gab; denn man behandelt in Griechenland solche Probleme nicht so flüchtig und leichthin; und jeder weiss doch, Venus erhielt nach dem Streit einen Beinamen, und das Bild der Venus, das sie verewigt, bewundert auch ein jeder. In dem Leben einer verheirateten Frau existieren zwei Abschnitte, darin sie als interessant auftritt, die erste Jugend und später nochmals eine Zeit, wenn sie viel älter ist. Aber man kann nicht leugnen, sie hat zugleich einen Augenblick, in welchem sie ein junges Mädchen an Beiz überbietet, und in welchem man noch ehrfurchtsvoller zu ihr aufschaut, dieser Augenblick kommt im Leben nur selten, es ist ein Phantasiebild, man braucht es im Leben nie zu sehen, und es wird vielleicht auch niemals gesehen. Blühend gesund stelle ich sie mir dabei vor, auf ihren Armen ein Kind, dem schenkt sie ihre volle Aufmerksamkeit, und schaut es wieder und wieder in seliger Freude an. Ein solches Bild ist das Lieblichste und zauberhaft Schönste, was das menschliche Leben bieten kann, ein Naturmythus ist das, und darf daher nur künstlerisch und nicht in natura angeschaut werden. Auch dürfen auf dem Bild nicht mehrere Personen sein, jede Umgebung würde stören. Wenn man zum Beispiel unsere Kirchen besucht, so hat man oft Gelegenheit, eine Mutter mit ihrem Kind auf dem Arm zu sehen. Wenn man auch von dem irritierenden Geschrei des Kindes absieht, und von dem beunruhigenden Gedanken an die begründeten Erwartungen der Eltern betreffs der Zukunft des Kleinen, so ist doch schon die Umgebung so störend, dass, wenn auch alles andere vollkommen wäre, die Wirkung doch verloren gehen würde. Man sieht den Vater, was ein grosser Fehler ist. Denn dann verschwindet das Mystische, das Bezaubernde, man sieht – die ernste Masse der Gevattern, man sieht – gar nichts; Aber als Phantasievorstellung ist das Bild entzückend. Mir fehlt die genügende Menge Raschheit und Dummdreistigkeit, um einen Angriff auf die Wirklichkeit zu machen, – doch würde ich das Bild in Wirklichkeit sehen, so wäre ich entwaffnet.

Cordelia beschäftigt mich immer noch sehr. Doch bald ist die Zeit vorüber, meine Seele muss sich immer wieder verjüngen. Ich höre gleichsam von fern schon den Hahn krähen. Vielleicht hört sie ihn auch, aber sie glaubt, dass er den Morgen ankündigt. Warum müssen junge Mädchen so schön sein, und Rosen so bald welken? Ich könnte bei dem Gedanken melancholisch werden, doch eigentlich geht es mich nichts an. Das Leben gemessen, und Rosen, ehe sie verblühen, pflücken. Solche Gedanken schaden übrigens nicht, die männliche Schönheit wird durch Wehmut nur gehoben. Eine Wehmut, die wie ein Nebelschleier betrüglich über die männliche Stärke gebreitet ist, gehört mit zu dem männlich Erotischen. Bei der Frau entspricht dem die Schwermut.

Hat ein junges Mädchen sich dem Mann erst hingegeben, so ist es bald vorbei. Ich nähere mich einer Jungfrau immer noch mit einer gewissen Angst, mit klopfendem Herzen, weil ich die ewige Macht, die in ihrem Wesen liegt, fühle. Nie fällt mir das einer verheirateten Frau gegenüber ein. Das bischen Widerstand, das man mit Hilfe der Kunst zu machen versucht, ist nicht viel wert. Als ob die Kopfbedeckung der verheirateten Frau mehr imponieren sollte, als der unbedeckte Kopf des jungen Mädchens. Diana ist darum immer mein Ideal gewesen. Immer hat mich reine Jungfräulichkeit, absolute Sprödigkeit sehr beschäftigt. Aber ich habe sie trotzdem mit scheelen Augen angesehen. Ich bin nicht sicher, verdient sie es wirklich, so gepriesen zu werden. Dass ihre Jungfräulichkeit ihre einzige Macht war, wusste sie nämlich. Ausserdem habe ich einmal gehört, von ihrer Mutter hatte sie von den schrecklichen Geburtswehen erfahren. Dass sie das abschreckte, verdenke ich ihr. Denn ich muss sagen: Ich will lieber dreimal Kinder gebären, als einmal in den Krieg gehen. Ich würde mich nie in Diana verlieben können, aber allerdings für eine rechtschaffene Unterhaltung mit ihr würde ich viel geben. Sie muss wie kein anderer zu höhnen und zu necken verstehen. Meine gute Diana hat sich scheinbar irgendwie Einsichten verschafft, die sie weit weniger naiv machen, als Venus selbst. Es läge mir nichts daran, ihr im Bade aufzulauern, gar nichts, aber mit Fragen möchte ich sie einfangen. Sollte ich mich zu einem Rendezvous mit ihr begeben, und wäre meines Sieges nicht ganz sicher, so würde ich mich vorbereiten, bewaffnen, und durch Gespräche mit ihr alle Geister der Erotik in Bewegung setzen.

Oft habe ich darüber nachgedacht, welchen Augenblick muss man wohl für den am meisten verführenden ansehen. Die Antwort hängt natürlich davon ab, was man ersehnt, wie stark man sehnt, und wie man entwickelt ist. Von allen Augenblicken halte ich den Hochzeitstag als den geeignetsten. Wenn das junge Mädchen als Braut geschmückt dasteht, und ihre Pracht vor ihrer eigenen Schönheit verblasst, und sie selbst erblasst, wenn das Blut stockt, wenn der Busen ruht, der Blick unsicher wird, der Fuss schwankt, die Jungfrau zittert, die Frucht reif wird; wenn der Himmel sie hebt, der Ernst sie stärkt, das Versprechen sie trägt, das Gebet sie segnet, die Myrthe sie bekränzt, wenn das Herz bebt, das Auge sich zur Erde senkt, sie sich in sich selbst versteckt; wenn der Busen schwillt, der Körper seufzt, die Stimme versagt, die Thräne zittert, ehe das Rätsel gelöst ist, die Fackel gezündet wird, wenn der Bräutigam wartet, dann ist der Augenblick da. Bald ist es zu spät. Es ist nur noch ein Schritt zu machen, aber das kann ein Fehlschritt werden. Dieser Augenblick macht ein unbedeutendes Mädchen bedeutend. Alles muss zusammen da sein. Im Augenblick, wo das Entgegengesetzte sich vereint, vermisst man etwas, besonders etwas von den Hauptgegensätzen, dadurch verliert die Situation gleich etwas Verführerisches. Es giebt einen Kupferstich, der stellt ein Beichtkind vor. Es sieht so jung und unschuldig aus, dass man für sie und den Beichtvater in Verlegenheit kommt, man überlegt, was sie wohl zu beichten haben mag. Sie hat den Schleier gehoben und schaut in die Welt, als ob sie etwas sucht, wovon sie möglicherweise für die nächste Beichte Gebrauch machen könnte und – natürlich, – es ist dies auch ihre Pflicht gegen den Beichtvater. Die Situation ist verführerisch, und da sie auf dem Kupferstich die einzige Person ist, so kann man sich ohne Hindernis die Kirche, wo das Ganze vor sich geht, so räumlich denken, dass mehrere und ganz verschiedene Priester zu gleicher Zeit predigen. Die Situation ist wirklich verführerisch und ich habe nichts dagegen, mich selbst in dem Hintergrund anzubringen, wenn das Mädchen nichts dagegen hat. Es wird aber eine sehr untergeordnete Situation werden, da das Mädchen ganz und gar noch Kind zu sein scheint, und einige Zeit muss noch vergehen, bis der richtige Augenblick kommen kann.