Elektra

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1. Stasimon (472–515)

CH. Wenn ich nicht eine Seherin bin, die von Sinnen490

und kluger Einsicht ermangelt:

Kommen wird sie, die die Zukunft sieht,475

Dike, in Händen tragend gerechte Gewalt!

Kommen zu rächen wird sie, o Kind, in nicht ferner Zeit.

In mir wohnt Mut,

da ich von den sanft wehenden480

eben gehört, den Träumen.

Denn nie vergisst,

[26]der dich gezeugt, der Hellenen Herr,

noch das alte, aus Erz geschmiedete,

doppelschneidige Beil,485

das ihn erschlug in schändlichster Schmach.

Kommen wird sie, die vielfüßige, vielhändige,490

die in schaurigen Schlupflöchern lauert,490

die mit den ehernen Füßen: Erinys!

Denn blutige Gier nach Vermählung ohne bräutliches Lager,

ohne Braut, ohne Bräutigam kam über jene, denen’s verwehrt war.

Dafür – so meine Zuversicht –495

wird niemals, niemals unsres Erachtens,

ohne ihnen Grund zur Klage zu geben, ein Schrecktraum sich nahen

den Tätern und ihren Gehilfen. Wahrhaftig, sonst

gibt es keine Weissagungen den Sterblichen,

weder in furchtbaren Träumen

noch in Sprüchen der Götter,500

wenn dieses Nachtgesicht nicht sicher an Land kommt.

O du des Pelops vorzeiten[Epode

leidreiche Rennfahrt,505

wie bist du gekommen schauerlich

diesem Lande!

Denn seit der ins Meer versenkte

Myrtilos seine Ruh fand,

aus allgoldenem Wagen510

in unseliger Schmach

vernichtend geschleudert,

[27]ist nie mehr

gewichen von diesem Haus

leidreiche Schmach.515

2. Epeisodion (516–822). Klytaimestra erscheint auf der Schwelle des Palastes mit einer Dienerin, die Opfergaben trägt.

KL.

Ungeniert, so scheint es, treibst du wieder dich herum;

Aigisthos nämlich ist nicht da, der stets dich hinderte,

dass vor den Türen du verweilst und deine Lieben schmähst.

Doch jetzt, da jener fort ist, kümmerst du dich nicht

um mich und hast doch oftmals schon vor vielen520

erklärt, dass dreist und abgelöst vom Recht

ich herrsche und Gewalt antue dir und dem, was dein.

Gewalt kenn ich zwar nicht, doch Schlimmes sag ich über dich,

da ständig Schlimmes ich von dir bekomm zu hören.

Der Vater nämlich, und nichts andres, dient allzeit als Vorwand dir:525

Er sei durch mich gestorben! Ja, durch mich! Schon recht!

Ich weiß es wohl und leugnen kann ich’s nicht,

und will es nicht, denn Dike hat ihn umgebracht, nicht ich allein.

An ihre Seite solltest du dich stellen, wärest du vernünftig!

Denn dieser Mann, dein Vater, den du stets bejammerst,530

hat es als einziger der Griechen übers Herz gebracht, den Göttern

[28]zu opfern deine Schwester, er, der nicht die gleichen Qualen litt

zu zeugen sie, wie ich, sie zu gebären.

So weit, so gut! Doch jetzt erklär mir: Wem zuliebe hat

er sie geopfert? Den Argeiern, meinst du wohl?535

Doch diese hatten nicht das Recht, mein Kind zu töten, grade meins!

Doch wenn er nun für Menelaos, seinen Bruder, das, was mein war, tötete,

sollt’ er mir dann dafür nicht Buße zahlen?

Wie? Hatte jener nicht zwei Kinder, die mit Fug und Recht

viel eher als das meine sterben mussten, da540

sie von dem Vater und der Mutter waren, der doch diese Seefahrt galt?

Oder erfasste Hades größre Lust nach meinen Kindern,

als nach den Kindern Helenas, sie zu verspeisen?

Oder war dem abgrundschlechten Vater zärtliches Empfinden

für meine Kinder abgestumpft, für die des Menelaos aber hegte er’s?545

Ist dies die Art nicht eines unbedachten, schlechtgesinnten Vaters?

Mir scheint es so, auch wenn mein Denken sich von deinem scheidet.

Und auch die Tote spräche gleich, wenn Stimme sie erlangte.

Ich für mein Teil empfind kein Unbehagen ob der Tat.

Doch scheint es dir, ich dächte schlecht,550

erwirb dir rechte Einsicht erst, eh du die andern schiltst!

EL.

Für dieses Mal kannst du nicht sagen: Weil ich dich zuerst

[29]gekränkt, hätt ich dann dies von dir gehört.

Doch wenn du’s mir erlaubst, so spräch ich gerne für

den Toten, für die Schwester auch, wie’s wirklich war.555

KL.

Gut, ich erlaub’s! Begännst du deine Reden stets

in diesem Ton, so wäre es nicht kränkend, dich zu hören.

EL.

So red ich! Du gestehst, dass du den Vater

ermordet hast. Gibt’s denn ein schändlicheres Wort als dies,

ob deine Tat gerecht war oder nicht? Doch sag ich dir:560

Nicht um das Recht zu wahren hast du ihn ermordet, nein, es riss

des Schurken Schmeichelkunst dich hin, mit dem du jetzt zusammenlebst.

Frag Artemis, die Jägerin, wofür zur Strafe

in Aulis sie die vielen Winde hemmte! Oder ich

will’s sagen, denn von ihr darf man’s ja nicht erfahren.565

Mein Vater scheuchte einst, so höre ich, als er im Hain der Göttin

sich tummelte, mit seinem Fußtritt einen buntgefleckten,

gehörnten Hirsch auf, über dessen Tötung

ein lautes Prahlwort ihm entfuhr, als er getroffen hatte.

Aus diesem Grund erzürnt, hielt Letos Tochter570

die Achaier auf, so lange, bis der Vater als

Ersatz fürs wilde Tier die eigne Tochter opfere.

So kam’s zu ihrer Opferung; nicht anders konnte sonst

das Heer nach Hause kommen noch nach Ilion.574

Deshalb hat er sie unter Zwang, nach großem Widerstand

und innerm Kampf geopfert, nicht Menelaos zuliebe.

Doch hätt er’s nun – ich nenn auch deine Sicht –

getan, weil er dem Bruder helfen wollte, musst’ er drum

durch dich getötet werden? Welcher Satzung denn gemäß?

[30]Sieh zu, wenn diese Satzung du den Menschen gibst,580

dass du dir selbst nicht Leid und Reue schaffst!

Denn soll man einen für den andern töten,

du würdest wohl als erste sterben, würde dir dein Recht zuteil.

Darum sieh zu, dass du mir nicht mit leerem Vorwand kommst!

Denn, wenn du magst, erkläre mir, warum du jetzt585

die allerschamlosesten Dinge tust:

Die du zusammen mit dem Mörder schläfst, mit dem

du meinen Vater vormals umgebracht

und Kinder machst, die frühren, gottesfürchtig und

von Gottesfürchtigen entsprossten aber ausgestoßen hältst!590

Wie könnte ich dies loben? Oder willst du sagen, dass

sogar damit Vergeltung du für deine Tochter nimmst?

Schmach, wenn du’s sagst! Denn ehrlos ist’s,

den Feind zum Mann zu nehmen um der Tochter willen!

Allein, nicht einmal dich zurechtzuweisen ist erlaubt,595

sonst zeterst du mit ganz enthemmter Zunge,

dass ich die Mutter schmähe. In der Tat, ich seh in dir

weit mehr die gnadenlose Herrin als die Mutter gegen mich,

die ich ein mühereiches Leben immer mitten in

den vielen Qualen lebe, die dein Buhle schafft und du.600

Doch er, der andre, deiner Hand nur knapp entronnen,

Orestes, schleppt da draußen hin ein kummervolles Leben;

schon oft hast du mich angeklagt, ich zög ihn dir

als Rächer groß. Auch dies, hätt ich die Kraft,

tät ich, das wisse wohl! Darum verschrei605

mich nur bei allen, wenn du willst, als schlecht,

als mundschnell oder gänzlich ohne Scham!

[31]Denn bin ich solcher Eigenschaften kundig von Natur,

so mach ich ohne Zweifel keine Schande deiner Art.

§1.

Ich sehe: Sie schnaubt Zorn! Ob sie sich aber610

ans Recht hält, darum seh ich sie nicht mehr besorgt.

KL.

Und welche Sorge schulde ich der gegenüber,

die ihre Mutter derart dreist beleidigt hat,

und das in diesem Alter! Meinst du nicht,

sie schritte, ohne Scham, zu jeder Tat?615

EL.

So wisse wohl, dass ich darüber Scham empfinde,

auch wenn ich dir’s nicht scheine! Doch ich seh es ein:

Nicht passt zu meinem Alter, was ich tu, verträgt sich nicht mit meinem Wesen.

Doch deine Niedertracht und deine Machenschaften,

sie zwingen mich, dass ich so handle, mit Gewalt!620

Aus Schändlichkeiten lernt man nämlich, Schändliches zu tun.

KL.

Gezücht, schamloses! Also ich und meine Worte

und meine Taten wirken, dass du maßlos sprichst!

EL.

Du bist es, die so spricht, nicht ich! Du tust die Tat;

die Taten aber finden ihre Worte.625

KL.

Bei Artemis, der Herrin, du entrinnst

den Folgen dieser Frechheit nicht, sobald Aigisthos kommt!

EL.

Siehst du? Im Zorn reißt es dich hin, und hast mir doch erlaubt,

zu sagen, was ich will, und weißt nicht einmal zuzuhören.

§1.

So willst du nicht einmal mich opfern lassen630

in andachtsvoller Stille, nun, nachdem ich dir ein freies Wort erlaubt?

 

EL.

Ich lass dich, bitt dich, opfre! Klage nur

nicht meinen Mund an! Denn ich werde nichts mehr sagen.

[32]KL. (tritt zum Altar; zur Dienerin). So hebe du denn, die du bei mir stehst, empor die Opfer

aus Früchten aller Art, dass ich zu diesem Herrn hinauf635

Gebete schicke um Erlösung von den Ängsten, die ich jetzt empfind.

Nun, Phoibos, Schirmer, höre mein

verhülltes Reden! Denn nicht unter Freunden

erfolgt die Rede, und es ziemt sich nicht, im Licht hier alles

zu entfalten, da ja diese nahe bei mir steht,640

damit sie nicht aus bösem Willen und mit viel Geschrei

ein nichtiges Gerücht ausstreue in der ganzen Stadt.

Drum höre so mich an, denn so will ich auch reden!

Die ich in dieser Nacht gesehen habe, die Gesichte

zweideut’ger Träume, diese lass, Lykeios, Herr,645

wenn günstig sie erschienen sind, sich mir erfüllen,

wenn aber feindlich, schick sie umgekehrt den Feinden zu!

Und trachten manche, aus dem Reichtum, der vorhanden,

mich tückisch zu verjagen, duld’ es nicht, nein, gib,

dass immer ich so leb in einem heilen Leben650

und der Atriden Haus und dieses Szepter führe,

verbunden mit den Lieben, die mir jetzt verbunden sind,

die Tage gut verlebend und mit Kindern,

von denen keine Feindschaft oder bittres Leid mich trifft!

Dies, Lykischer Apollon, höre gnädig an655

und gib uns allen, wie wir innig es erflehn!

Doch alles andre, wenn ich’s auch mit Schweigen decke,

das weißt du, denk ich, als ein Daimon ganz genau;

denn die von Zeus abstammen, sehen fraglos alles.

(Klytaimestra verharrt stumm am Altar; da kommt von der Seite der alte Erzieher.)

[33]ERZ. Ihr fremden Fraun, wie könnt ich klar erfahren,660

ob dies Aigisthos’ Haus ist, eures Herrschers?

CH.

Dies ist es, Fremder! Selbst hast du es recht vermutet.

ERZ.

Vermute ich auch recht in dieser Frau des Herrn

Gemahlin? Einer Fürstin gleich sieht sie ja augenfällig aus!

§1.

Gewiss! Sie ist es, die hier vor dir steht.665

ERZ.

O Herrin, sei gegrüßt! Ich bringe frohe Kunde

von einem Freunde, dir und Aigisthos.

KL.

Ich nehm dein Wort als gutes Omen an. Doch erst

wünsch ich zu wissen, wer dich hergesandt.669

ERZ.

Phanoteus, der Phoker, Wichtiges dir mitzuteilen.

KL.

Das wäre, Fremder? Sprich! Denn da von einem Freund du kommst,

weiß ich genau: Das Wort, das du uns bringst, wird freundlich sein.

ERZ.

Tot ist Orestes, sag ich, kurz mich fassend!

EL.

Oi, ich Arme! Aus ist es mit mir mit diesem Tag!

§1.

Was sagst, was sagst du, Fremder? Höre nicht auf die!675

ERZ.

Dass tot Orestes ist, das sag ich jetzt wie schon zuvor!

EL.

Ich Unglücksel’ge bin vernichtet, bin nichts mehr!

KL.

(zu Elektra). Befass du dich mit deinem Zeug! (Zum Erzieher.) Mir aber, Fremder,

erzähl die Wahrheit! Wie kam er zu Tode?

§1.

Das eben ist mein Auftrag: Alles will ich dir denn schildern.680

Orestes war gekommen zum berühmten Wettkampf, Hellas’ Zierde,

um Delphis Siegespreise zu gewinnen,

und als er nun den Mann vernommen hatte, der

[34]mit lautem Heroldsruf zum Wettlauf rief, der sich zuerst entscheidet,684

da trat er strahlend in die Bahn, für alle dort ein Wunder.

So, wie er strahlend aussah, war das Ende seines Laufs:

Den allgeehrten Siegespreis in Händen schritt er aus der Bahn.

Und um dir viel in wenig Worten mitzuteilen,

nie sah ich eines solchen Mannes Taten und Triumphe.

Nur eins: In jedem Kampf, zu dem das Kampfgericht aufrief,690

[Wettlauf, Doppellauf, Fünfkampf, wie es Brauch,]

gewann er jedes Mal den Siegespreis

und ward gepriesen, ausgerufen als Argeier, mit dem Namen

Orestes, Agamemnons Sohn, der einstmals Hellas’

berühmten Heereszug versammelte.695

So also war das nun! Doch wenn ein Gott

Verderben bringt, kann selbst der Starke dem wohl nicht entrinnen.

Denn als bei Sonnenaufgang eines andern Tags

der rossbespannten Wagen schneller Wettkampf war,

trat er nebst vielen andern Wagenlenkern in die Bahn.700

Achaier war da einer, einer war von Sparta, zwei

Libyer, Meister der gejochten Wagen,

und unter diesen auch Orestes mit

Thessaler-Stuten als der fünfte; sechster ein Aitolier

mit falben Fohlen, aus Magnesia ein siebter;705

der achte kam mit Schimmeln, ein Ainiane,

ein neunter aus Athen, dem gotterbauten,

und ein weitrer, ein Boiotier, machte voll die Zehnzahl der Gespanne.

[35]Sie stellten dort sich auf, wo die bestellten Kampfesrichter ihnen

die Plätze durch das Los gewiesen und die Wagen aufgestellt,710

und schossen los beim Stoß der Erztrompete; alle trieben sie

durch Zuruf ihre Pferde an und schüttelten beidhändig

die Zügel; und die ganze Rennbahn war erfüllt

vom Lärm der ratternden Gefährte, und es wirbelte

hoch auf der Staub, und alle, eng sich drängend,715

sparten nicht die Peitschen, dass ein jeder

der andern Naben und der Pferde Schnauben überhole.

Denn um der Lenker Rücken und die Räder unten

versprühten Schaum der Pferde Atemstöße.

Doch jener, dicht heran sie lenkend an den Rand der Wendesäule,720

ließ stets an ihr des Rades Achse streifen und dem rechten Leinenpferd

die Zügel schießen, hielt jedoch das innre kurz.

Fürs erste standen alle sicher in den Wagen;

dann aber gehn die unlenksamen Füllen

des Ainianen durch und prallen, als er bei der Kehre725

die sechste Runde abschloss und die siebte schon begann,

mit ihren Stirnen aufs barkäische Gefährt.

Und dann, als Folge von dem einen Unglücksfall,

fiel einer auf den andern, ihn zerschmetternd, und das ganze Feld

von Krisa war mit Trümmern aus dem Schiffbruch der Gespanne übersät.730

Wie dies der meisterhafte Zügellenker aus Athen bemerkt,

[36]reißt er nach außen sein Gefährt und bremst es ab und meidet so den Schwall

der Pferd’ und Wagen, die sich mitten in der Rennbahn ganz verknäueln.

Als letzter fuhr, bewusst zurück die Füllen haltend,

Orestes im Vertrauen auf die letzte Runde.735

Und wie er sieht, wie einzig der Athener noch verblieben ist,

jagt er den flinken Füllen einen scharfen Peitschenknall durchs Ohr

und hetzt ihm nach; die Joche bündig haltend,

fuhren dahin die beiden, jetzt der eine, dann der andere

das Haupt nach vorne werfend seines Rossgespanns.740

Und alle andern Runden bracht’ der Arme glücklich,

ohne zu wanken, hinter sich, ganz aufrecht auf aufrechtem Wagen.

Dann aber straffte er den linken Zügel seines Pferds,

das um die Säule bog, und unversehens stieß

er an den Rand der Wendesäule, brach die Naben an der Achse mitten durch,745

glitt aus dem Wagenstuhl, verfing sich in

den Lederriemen, und, als er zu Boden stürzte, stoben

die Füllen auseinander mitten in die Bahn.

Und wie das Volk ihn aus dem Wagen

geschleudert sieht, brach es in lautes Klagen um den Jüngling aus,750

dass er nach solchen Taten solches Unglück fand:

Bald zum Boden hin geschmettert, bald empor zum Himmel

die Beine reckend, bis ihn Wagenlenker,

die nur mit Müh den Lauf der Pferde bremsten,

[37]befreiten, überströmt von Blut, dass keiner755

der Freunde, die ihn da gesehn, erkennen konnten den geschundnen Leib.

Und gleich, nachdem man auf dem Scheiterhaufen ihn verbrannt, da bringen nun

in schmalem Erzgefäß den mächt’gen Leib, jetzt kümmerliche Asche nur,

dazu bestimmte Männer aus dem Phokerland,

dass er im Vaterland sein Grab erhielte.760

So also spielte sich das ab: Schon im Bericht

gar schmerzlich, doch für die, die es gesehn wie wir,

das allergrößte Unglück, das ich je erblickt.

CH.

Weh! Weh! So ist den alten Herrschern denn

mit Stumpf und Stiel, so scheint es, ausgelöscht der ganze Stamm.765

KL.

O Zeus, wie soll ich dieses – soll ich’s glücklich nennen

oder zwar entsetzlich, doch Gewinn? Doch schmerzlich ist es,

wenn ich durch eignes Leid mein Leben rette!

ERZ.

Wie kommt es, Frau, dass meine Kunde dich so mutlos stimmt?

§1.

Gebären – gewaltig ist’s! Selbst die, die Arges770

erfährt, hegt keinen Hass auf die, die sie gebar.

ERZ.

So sind wir denn, wie’s scheint, umsonst gekommen.

KL.

Nein, nicht umsonst! Wie kannst »umsonst« du sagen,

wenn du zu mir gekommen bist mit zuverlässigen Beweisen

vom Tode dessen, der, obgleich er meinem Leben doch entspross,775

[38]sich weg von meiner Brust und meiner Pflege wandte

und landesflüchtig in der Fremde lebte; und seitdem er dieses Land verlassen,

hat er mich niemals mehr gesehn, doch warf er mir

beständig die Ermordung seines Vaters vor, entsetzlich sich zu rächen drohend,779

so dass mich weder nachts noch über Tag der süße Schlaf

umfing, nein, jede neue Stunde

ließ immerzu in Todesangst mich leben.

Jetzt aber – denn an diesem Tag wurd ich befreit von Furcht

vor dieser hier und ihm, denn sie, mit mir im Hause, war

die größre Drangsal, da sie jederzeit das reine Lebensblut

mir ausgesogen hat –, jetzt aber werden wir gelassen wohl,

was deren Drohungen betrifft, den Tag verbringen.787

EL.

O mir, ich Arme! Denn erst jetzt kann ich, Orestes, dein Geschick

beklagen, da in dieser Not

dich deine Mutter hier verhöhnt. Ist dies denn gut?790

KL.

Nicht für dich! Doch er hat’s gut, so wie er’s hat.

EL.

O hör es, Nemesis, Rachegeist des eben erst Verstorbenen!

KL.

Sie hat gehört, wen sie gesollt, und gut entschieden.

EL.

Ja, höhn nur weiter! Denn jetzt wandelst du im Glück.

KL.

Du und Orestes werdet also dem kein Ende machen?

§1.

Am End sind wir, geschweige, dass wir dir ein Ende machen.796

KL.

(zum Erzieher). Vieler Gaben wert wärst, Fremder, du gekommen, hättest du

ein Ende ihrem lauten Schrein bereitet.

ERZ.

So kann ich also gehn, da’s hier zum Besten steht.

(Wendet sich zum Gehen.)

[39]KL. Nein, sicher nicht! Das wär von dir unwürdig800

an mir gehandelt und dem Gastfreund, der dich hergesandt!

Nein, geh ins Haus hinein! Lass diese da hier draußen

hinaus ihr eignes Leid wie das der Ihren schrein!

(Der Erzieher und Klytaimestra ab ins Haus.)

§1.

Nun, dünkt euch, dass sie leidend und von Gram verzehrt805

gewaltig weint und jammert um den Sohn –

die Ärmste! –, der derart ums Leben kam?

Nein, drüber hämisch lachend, ist sie auf und fort. Ich Unglücksel’ge!

Orestes, liebster, wie hast du durch deinen Tod mich umgebracht!

Du gingst dahin und rissest aus dem Herzen mir,

was einzig ich an Hoffnung noch besaß,810

dass einst du lebend kämst zu rächen unsern Vater

und mich Arme. Aber jetzt, wo geh ich hin?

Allein bin ich, so deiner wie des Vaters

beraubt. Jetzt muss ich wieder sklavisch dienen

bei Menschen, die vor allen andern mir verhasst,815

bei Vaters Mördern. Ist dies richtig so für mich?

Doch nein, gewiss nie werd ich künftig

 

im Haus mit denen leben, sondern hier an diesem Tor

lass ich mich gehn und ohne Freund das Leben mir verdorren.

Darum erschlag mich einer, wenn es ihn verärgert,820

von denen drinnen! Denn nur Gnade wär’s, erschlüg man mich,

und Pein nur, wenn ich lebe. Zu leben hab ich keine Lust!

[40]Kommos (823–870)

CH. Wo sind denn die Blitze des Zeus und wo,[Str. 1

hell strahlend, Helios, wenn diesem gelassen

sie zusehn und es im Dunkeln belassen?825

EL.

Eh, eh, ai, ai!

CH.

O Kind, was weinst du?

EL.

Weh!

CH.

Nichts Vermessenes schrei heraus!

EL.

Du willst meinen Tod.

§1.

Wie?830

EL.

Wenn du für die, die sichtlich

in den Hades gegangen, Hoffnung erweckst, trittst du mich,

die vor Leid ich vergeh,835

stärker noch nieder.

CH. Weiß ich doch, dass der Fürst Amphiaraos,[Gegenstr. 1

der, durch Schlingen der Weiber, aus Gold gewunden, bestrickt,

sein Grab fand, auch jetzt noch unter der Erde …

§1.

Eh, eh, io!840

CH.

… mit voller Kraft seines Geistes gebietet.

EL.

Wehe!

CH.

Wehe! O ja! Die Verderbenbringende aber …

EL.

Sie wurde bezwungen.

§1.

Ja!845

EL.

Ich weiß es, ich weiß, denn ein Rächer erschien

dem Toten im Leid! Mir aber bleibt keiner mehr! Denn er, der mir noch war,

ist fort, entrafft.

[41]CH. Im Unglück schon, stößt auf Unglück du![Str. 2

§1.

Auch ich weiß dies, weiß es nur zu gut850

durch ein Leben, allüberflutet Mond um Mond von vielem

Entsetzlichem und Verabscheuenswertem!

CH.

Zu einer, die’s sah, sagst du dies.

EL.

Lenk mich denn nicht mehr ab

vom Weg meiner Trauer, wo es doch keine …

§1.

Was meinst du?861

EL.

… Hilfe mehr gibt, die sich auf Hoffnungen gründet

auf meinen edelgeborenen Bruder.

CH. Der Tod ist das Los aller Menschen.[Gegenstr. 2

§1.

Auch der im hufschnellen Wettkampf,861

wie er diesen Unglücklichen traf,

der im ledernen Riemenzeug sich verstrickte?

CH.

Unglaublich die Entstellung!

§1.

Wie auch nicht, wenn er in der Fremde865

entrückt meinen Händen …

CH.

Wehe!

EL.

… begraben liegt, ohne Bestattung erlangt zu haben

von uns und Klagen der Trauer.870

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