Za darmo

Für Jetzt und Für Immer

Tekst
Oznacz jako przeczytane
Für Jetzt und Für Immer
Für Jetzt und Für Immer
Darmowy audiobook
Czyta Birgit Arnold
Szczegóły
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Der Bürgermeister lächelte sie auf eine Weise an, mit der er ausdrücken wollte, dass er keine Zeit hatte, doch Emily ließ sich nicht so einfach vertreiben.

„Ich wollte mit Ihnen reden“, sagte sie. „Ich frage mich, ob Sie mir helfen können.“

„Mit was denn, meine Liebe?“, fragte der Bürgermeister ohne sie eines Blickes zu würdigen. Stattdessen griff er an ihr vorbei und nahm eine Packung Mehl aus dem Regal.

Nun stellte sie sich direkt vor ihn. „Trevor Mann.“

Der Bürgermeister hielt inne. „Oh?“, bemerkte er, während sein Blick zuerst zu Karen, die hinter an der Kasse stand, wanderte, bevor er zu ihr zurückkehrte. „Was hat er denn diesmal vor?“

„Er will mein Grundstück kaufen. Er behauptet, dass es ein rechtliches Schlupfloch gäbe und dass ich einen Nachweis der Bewohnbarkeit vorlegen müsste.“

„Nun ja“, antwortete der Bürgermeister, der etwas nervös wirkte. „Sie müssen wissen, dass er hier um die Menschen geht. Sie sind das einzige, was zählt. Sie sind diejenigen, die über solche Dinge abstimmen, und Sie haben sich nun einmal nicht sonderlich angestrengt, Freunde zu machen.“

Emilys erster Impuls war, seine Behauptung zurückzuweisen, doch dann erkannte sie, dass er Recht hatte. Außer Daniel war Rico der einzige Mensch in Sunset Harbor, der freundlich zu ihr war, und der konnte sich ihren Namen nicht einmal von einem Wochenende zum nächsten merken. Trevor, Karen, der Bürgermeister, niemand von ihnen hatte einen Grund, ihr gegenüber wohlgestimmt zu sein.

„Kann ich nicht einfach als Roy Mitchells Tochter durchgehen?“, fragte sie mit einem verlegenen Lächeln.

Der Bürgermeister lachte. „Ich denke, das Schiff ist schon abgefahren, nicht wahr? Wenn du mich nun entschuldigst, ich muss weitermachen.“

„Natürlich“, erwiderte Emily und machte dem Bürgermeister den Weg frei. „Karen“, sagte sie und nickte der Frau an der Kasse zum Abschied zu. Dann schnappte sie sich Daniels Arm und zog ihn aus dem Laden.

„Was sollte das denn?“, zischte er in ihr Ohr, als sie den Laden verließen, der sie mit einem Klingeln verabschiedete.

Sie ließ seinen Arm los. „Daniel, ich will nicht von hier weg. Ich habe mich verliebt. In die Stadt“, fügte sie schnell hinzu, als sie einen Hauch Panik in seinen Augen sah. „Weißt du noch, dass du mich gefragt hast, ob ich die Antworten gefunden habe, nach denen ich suchte? Nun ja, das habe ich nicht. Der Brief meines Vaters hat eigentlich gar nichts beantwortet. Doch in dem Haus gibt es noch so viel mehr zu entdecken.“

„Okay…“, sagte Daniel, wobei er das Wort in die Länge zog, als ob er nicht wirklich verstanden hätte, was sie damit sagen wollte. „Aber was ist mit dem Geld? Und Trevor Mann? Hast du nicht gesagt, dass es nicht an dir liegt, ob du bleiben kannst oder nicht?“

Emily grinste und zog ihre Augenbrauen hoch. „Ich glaube, ich habe eine Idee.“

KAPITEL ZWÖLF

Am nächsten Tag wachte Emily früh auf und ging mit ihrem Plan, sich bei den Menschen in Senset Harbor beliebt zu machen, direkt in die Stadt. Ursprünglich wollte sie damit lediglich erreichen, dass sie für sie stimmten, doch als sie sich auf den Weg machte, erkannte sie, dass sie auch so gerne mit ihnen befreundet wäre. Die Genehmigung war wichtig, aber die Dinge in Ordnung zu bringen war sogar noch wichtiger, ob sie diese nun bekam oder nicht. Endlich wurde ihr bewusst, wie kalt und distanziert sie sich den Menschen gegenüber verhalten hatte, weshalb sie sich schrecklich fühlte. So war sie normalerweise nicht. Ob sie nun für sie stimmten oder nicht, zu ihren Freunden wurden oder nicht, sie hatte das Gefühl, ihr Verhalten wiedergutzumachen. Es war an der Zeit, New York City hinter sich zu lassen und sich wieder in die Kleinstädterin zu verwandeln, die sie früher einmal gewesen war.

Sie erkannte, dass sie ihre Mission bei Karen im Gesamtwarenladen beginnen musste, weshalb sie direkt dorthin fuhr. Gerade als Karen den Laden aufschloss, kam sie dort an.

„Oh“, bemerkte diese, als sie sah, dass Emily auf sie zukam. „Kannst du noch fünf Minuten warten, bis die Kasse soweit ist?“ Ihr Ton war zwar nicht feindselig, doch normalerweise war Karen zu jedem anderen überfreundlich, weshalb diese lauwarme Begrüßung ein deutliches Zeichen für ihre Abneigung gegen Emily.

„Also eigentlich wollte ich gar nichts kaufen“, sagte Emily. „Ich wollte mit dir sprechen.“

Karen hielt mit dem Schlüssel in der Tür inne. „Worüber?“

Sie drückte die Tür auf und Emily folgte ihr hinein. Karen begann, den Rollladen hochzuziehen und die Lichter, Schilder und die Kasse einzuschalten.

„Nun ja“, begann Emily, die ihr hinterherlief, denn sie hatte das Gefühl, dass sie sich anstrengen musste, bevor man ihr vergab. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich glaube, wir hatten einen schlechten Start.“

„Den haben wir schon seit drei Monaten“, entgegnete Karen, die sich schnell eine der grünen Schürzen des Ladens um ihre Mitte band.

„Das weiß ich“, antwortete Emily. „Als ich ankam, war ich etwas distanziert, weil ich gerade erst eine Trennung hinter mir und meinen Job gekündigt hatte, weshalb ich ziemlich deprimiert gewesen bin. Aber jetzt schauen die Dinge wieder besser aus und ich weiß, dass du ein wichtiger Teil der Gemeinschaft bist. Können wir nicht noch einmal von vorne beginnen?“

Karen ging um die Kasse herum und musterte Emily, bevor sie schließlich eine Antwort gab. „Wir können es zumindest versuchen.“

„Großartig“, entgegnete Emily gutgelaunt. „Wenn das so ist, dann habe ich etwas für dich.“

Karen verengte ihre Augen, als sie auf den kleinen Umschlag in Emilys Händen blickte. Sie nahm ihn misstrauisch an. „Was ist das?“

„Eine Einladung. Ich werde eine Dinnerparty im Haus veranstalten. Ich dachte, dass die Menschen in der Stadt vielleicht gerne sehen möchten, wie ich es renoviert habe. Ich werde kochen und Cocktails zubereiten. Es wird ein lustiger Abend werden.“

Karen war zwar immer noch etwas irritiert, doch sie nahm die Einladung trotzdem an.

„Du musst mir nicht sofort eine Antwort geben“, sagte Emily. „Auf Wiedersehen!“

Schnell verließ sie den Laden und ging die Straße hinunter zu ihrem nächsten Ziel. Während sie so entlanglief, fiel ihr auf, wie sehr sie sich in die Stadt verliebt hatte. Sie war wirklich wunderschön, mit ihrer charmanten Architektur, den Blumenkörben und den mit Bäumen gesäumten Straßen. Die Girlanden vom Fest hingen noch immer über der Straße, wodurch man das Gefühl bekam, dass das Feiern hier nie aufhören würde.

Emilys nächster Halt war die Tankstelle. Bis jetzt hatte sie sie vermieden und sich eingeredet, dass sie keinen Grund hatte, vorbeizuschauen, weil sie hier nicht viel mit ihrem Auto fuhr, doch in Wirklichkeit hatte sie nicht dem Mann begegnen wollen, der sie bei ihrer Ankunft in Sunset Harbor mitgenommen hatte. Von allen Bewohnern der Stadt war sie zu ihm am unfreundlichsten gewesen, doch wenn sie sich mit ihnen allen gutstellen wollte, dann musste er auf ihrer Gästeliste stehen. Ihm gehörte die Tankstelle, weshalb ihn wirklich jeder in der Stadt kannte. Wenn sie sich mit ihm vertragen konnte, würde die anderen vielleicht seinem Beispiel folgen.

„Hi“, sagte sie zögerlich, als sie die Tür zu dem kleinen Laden öffnete und ihren Kopf hineinsteckte. „Du bist Birk, nicht wahr?“

„Ah“, bemerkte der Mann. „Wenn das nicht die geheimnisvolle Fremde ist, die mitten in einem Schneesturm auftauchte und seitdem nie wiedergesehen wurde.“

„Das bin wohl ich“, gab Emily zu, wobei sie feststellte, dass er dieselbe ölige Jeans trug wie bei ihrer ersten Begegnung. „Eigentlich bin ich die ganze Zeit hier gewesen.“

„Wirklich?“, fragte Birk. „Ich war davon ausgegangen, dass du schon vor Monaten wieder weggegangen wärst. Du hast den ganzen Winter in dem zugigen, alten Haus verbracht?“

„Ja“, bestätigte Emily. „Nur, dass es jetzt nicht mehr zugig ist. Ich habe das Haus renoviert.“ In ihrer Stimme klang viel Stolz mit.

„Das gibt es doch gar nicht“, rief der Mann aus. „Du hättest mit den großen Reparaturmaßnahmen noch warten sollen. Weißt du denn nicht, dass es heute Abend einen Sturm geben soll? Der schlimmste in der Gegend seit einhundert Jahren.“

„Oh nein“, erwiderte Emily. Sie hatte nicht gedacht, dass etwas ihre heitere Stimmung vermiesen könnte, doch das Schicksal schien sie immer wieder in die Wirklichkeit zurückzuholen. „Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich bei unserer ersten Begegnung so unfreundlich war. Ich glaube nicht, dass ich mich schon richtig bei dir bedankt habe, dass du mir aus meiner hilflosen Lage geholfen hast. Ich befand mich noch in meinem New York Modus, auch wenn das keine Entschuldigung ist. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“

„Mach dir keinen Kopf deswegen“, sagte Birk. „Ich habe es nicht für deine Dankbarkeit getan. Ich tat es, weil du Hilfe brauchtest.“

„Ich weiß“, entgegnete Emily. „Aber bitte nimm meine Dankbarkeit trotzdem an.“

Birk nickte. Er schien ein stolzer Mann zu sein, für den es nicht einfach war, Dankbarkeit anzunehmen. „Dann hast du also vor, länger zu bleiben?“

 

„Noch weitere drei Monate, wenn ich es mir leisten kann“, antwortete Emily. „Obwohl Trevor Mann vom Grundstücksgremium alles daransetzt, eine Zwangsräumung durchzusetzen, damit er das Land übernehmen kann.“

Als sie diesen Namen erwähnte, verdrehte Birk die Augen. „Oh, mach dir über Trevor Mann keine Sorgen. Er lässt sich seit dreißig Jahren für das Amt des Bürgermeisters aufstellen, und noch nie hat ihn jemand gewählt. Unter uns, ich denke, er hat einen Minderwertigkeitskomplex.“

Emily lachte. „Danke, jetzt fühle ich mich gleich viel besser.“ Sie wühlte in ihrer Tasche und zog eine ihrer Einladungen heraus. „Birk, ich werde in dem Haus eine Dinnerparty veranstalten, zu der ich Menschen aus der Stadt einladen will. Vielleicht möchtest du mit deiner Frau ja auch kommen?“ Sie hielt ihm den Umschlag entgegen.

Birk schaute in etwas verwirrt an, sodass sich Emily unwillkürlich fragte, wann der Mann zuletzt oder ob er überhaupt schon einmal zu einer Dinnerparty eingeladen gewesen war.

„Das ist sehr nett von dir“, sagte Birk schließlich, nahm den Brief und steckte ihn in die große Tasche seiner Jeans. „Ich glaube, wir kommen vorbei. Wir lieben eine gute Feier hier. Dir sind vielleicht die Girlanden aufgefallen.“

„Ich habe sie bemerkt“, entgegnete sie. „Ich habe mir die Bootsshow am Hafen angesehen. Sie war großartig.“

„Du warst dort?“, fragte Birk, der jetzt sogar noch verwirrter schien als zuvor.

„Ja“, antwortete Emily mit einem Lächeln. „Hey, könntest du mir einen Gefallen tun? Ich muss dringend nach Hause, wenn ich das Haus vor dem Sturm heute Abend sichern will, aber ich muss auch noch so viele Einladungen verteilen. Ich nehme nicht an, dass du sie vielleicht deinen Kunden überreichen könntest, wenn sie zum Tanken vorbeikommen?“

Sie hatte das Gefühl, Birk um einen riesigen Gefallen zu bitten, doch der aufziehende Sturm würde ihren Plan, die restlichen Einladung auszuteilen, vereiteln. Sie hatte definitiv keine Zeit, sie alle einzeln an die Personen zu geben, die sie zu der Party einladen wollte. Doch wenn sie nicht rechtzeitig nach Hause kam um es für den Sturm zu präparieren, dann gäbe es auch keinen Veranstaltungsort für ihre Party mehr!

Birk lachte laut auf. Wenn er seit Jahren nicht mehr zu einer Dinnerparty eingeladen worden war, dann hatte er auch keine Ahnung von der Organisation! „Dann zeig mal her. Wer steht denn alles auf deiner Liste?“ Emily gab ihm die Umschläge, die er gleich durchblätterte. „Dr. Patel, ja, sie wird nach ihrer Schicht vorbeikommen. Cynthia aus dem Buchladen, Charles und Barbara Bradshaw, ja, ja, all diese Leute werden früher oder später vorbeischauen.“ Er schaute auf und lächelte sie an. „Ich kann sie für dich verteilen.“

„Vielen Dank, Birk“, entgegnete Emily. „Ich schulde dir was. Bis demnächst.“

Birk winkte ab und im Hinausgehen konnte sie ihn glucksen hören, als er die Einladungen noch einmal durchsah. „Oh Emily. Warum hängst du nicht eine davon an die Gemeindetafel? Die meisten Leute schauen jeden Tag darauf. Auf diese Weise wirst du auch mehr Gäste bekommen, denn du hast hier nur ein paar wenige eingeladen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass du überhaupt mehr Gäste möchtest.“

„Das will ich!“, rief Emily aus. „Ich will mich mit so vielen Leuten wie möglich gutstellen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht wirklich in die Gemeinschaft integriert habe. Ich möchte euch alle kennenlernen und Freunde finden.“

Ihre Worte schienen Birk zu berühren, auch wenn er versuchte, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. „Nun ja, das alte Haus ist mit Sicherheit eine Art, das zu erreichen. Jeder in der Gegend möchte wissen, wie es jetzt aussieht.“

„Okay. Ich werde einen Flyer an die Gemeindetafel hängen, wenn du denkst, dass es helfen könnte. Danke Birk.“ Emily war dankbar, dass er ihr half. Genau wie in der Nacht des Schneesturms vor all den Monaten, als er sie mitgenommen hatte und dazu bereit gewesen war, einen Umweg zu fahren, nur um ihr zu helfen. Sie lächelte in sich hinein und freute sich darauf, ihn näher kennenzulernen.

„Komm bald wieder, hörst du?“, rief Birk ihr hinterher, als sie durch die Tür schlüpfte.

„Ganz bestimmt!“, gab Emily zurück, bevor sie die Tür schloss.

Schnell ging sie zur Gemeindetafel, schnappte sich einen Stift und ein Blatt Papier, auf das sie schnell eine Einladung zu ihrer Party schrieb, welche sie an die Tafel heftete. Sie hoffte nur, dass diejenigen, die zur Party kamen, die Voraussicht besaßen, zuvor Bescheid zusagen, damit sie zumindest wusste, für wie viele Menschen sie kochen musste.

Sobald die Einladung an der Tafel hing, sprang sie in ihr Auto und fuhr nach Hause, um Daniel vor dem aufziehenden Sturm zu warnen und um das Haus für seine Ankunft vorzubereiten.

Sie fand ihn im Ballsaal, der mittlerweile fantastisch aussah. Die Tiffany-Fenster zeichneten bunte Streifen an die Wände, die den Glaskronleuchter, den sie gereinigt und aufgehängt hatten, sogar noch weiter verschönert wurden, wenn das überhaupt möglich war. Den Ballsaal zu betreten war so, als ob man in ein tiefblaues Meer, in eine Traumlandschaft steigen würde.

„Ich habe in der Stadt gehört, dass es einen schlimmen Sturm geben soll“, erzählte sie Daniel.

Er unterbrach seine Arbeit. „Wie schlimm?“

„Was meinst du mit wie schlimm?“, fragte Emily aufgebracht.

„Ich meine, wird es so schlimm werden, dass wir alles verriegeln müssen?“

„Davon gehe ich aus“, erwiderte sie.

„Okay. Dann sollten wir die Fenster zunageln.“

Für Emily fühlte es sich seltsam an, die Sperrholzplatten wieder an die Fenster zu befestigen, wenn sie nur drei Monate zuvor so hart daran gearbeitet hatten, eben diese zu entfernen. Seitdem hatte sich so viel verändert. Durch die gemeinsame Arbeit an dem Haus schienen sie eine Verbindung zueinander aufgebaut zu haben. Die Liebe, die sie für das Haus empfanden, hatte sie einander nähergebracht. Das, und der Schmerz, den das Verschwinden von Emilys Vater bei beiden ausgelöst hatte.

Sobald sie mit dem Haus fertig waren und die ersten dicken Regentropfen auf den Boden klatschten, bemerkte Emily, dass Daniel immer wieder durch die Schlitze in den Sperrholzplatten linste.

„Du denkst doch hoffentlich nicht daran, zurück ins Kutschenhaus zu gehen, oder?“, fragte sie. „Denn dieses Haus hier hält viel mehr aus. Seit es steht, muss es schon dem ein oder anderen Sturm standgehalten haben. Nicht so wie dein klapperiges kleines Kutschenhaus.“

„Mein Kutschenhaus ist nicht klapperig“, widersprach Daniel mit einem Grinsen.

In diesem Moment öffnete sich der Himmel und der Regen begann, begleitet von Donner, in Strömen auf das Haus hinab zu prasseln. Es hörte sich unglaublich an, wie ein Trommelwirbel.

„Wow“, sagte Emily und zog ihre Augenbrauen hoch. „So etwas habe ich noch nie gehört.“

Das Prasseln des Regens wurde plötzlich von heulendem Wind durchbrochen. Daniel linst wieder durch die kleine Lücke nach draußen und auf einmal verstand Emily, dass er zur Scheune hinüberschaute.

„Du sorgst dich um die Dunkelkammer, nicht wahr?“, fragte sie.

„Ja“, stimmte Daniel mit einem Seufzen zu. „Es ist schon komisch. Ich war seit Jahren nicht mehr darin gewesen, doch der Gedanke daran, dass sie zerstört werden könnte, macht mich traurig.“

Siedend heiß erinnerte sich Emily an den streunenden Hund, den sie in der Scheune getroffen hatte. „Oh mein Gott!“, schrie sie.

Daniel sah sie besorgt an. „Was ist los?“

„In der Scheune lebt ein Hund, ein Streuner. Wir können ihn bei dem Sturm nicht draußen lassen! Was ist, wenn die Scheune einstürzt und ihn einquetscht?“ Der Gedanke schien Emily in Panik zu versetzen.

„Es ist in Ordnung“, sagte Daniel. „Ich werde ihn holen, du bleibst hier.“

„Nein“, widersprach Emily und zog an seinem Arm. „Du solltest nicht nach draußen gehen.“

„Dann willst du den Hund seinem Schicksal überlassen?“

Emily war verzweifelt. Sie wollte nicht, dass sich Daniel in Gefahr begab, doch sie konnte den hilflosen Hund auch nicht in dem Sturm alleine lassen.

„Lass uns den Hund holen“, erwiderte Emily. „Aber ich komme mit.“

Emily fand ein paar Regenmäntel und Stiefel, die die beiden schnell anzogen. Als Emily die Hintertür öffnete, zog ein Blitz durch die Luft.

„Ich glaube, das Unwetter ist direkt über uns“, rief sie Daniel über ihre Schulter zu, doch ihre Stimme wurde von dem Lärm des Sturmes verschluckt.

„Dann haben wir uns ja den perfekten Moment ausgesucht, um raus zu gehen!“, kam seine sarkastische Antwort.

Die beiden liefen über den Rasen, wobei sie das mit größter Sorgfalt geschnittene Gras zu Matsch traten. Emily wusste, wie viel Daniel dieser Teil des Grundstückes bedeutete, und es musste ihm schwer zu schaffen machen, wie sehr er ihn mit seinen schweren Schritten beschädigte.

Als der Regen in Emilys Gesicht peitschte, schoss eine Erinnerung mit stärkerer Kraft in ihren Kopf, als die Winde, die um sie herum wehten. Sie erinnerte sich daran, als sehr junges Mädchen mit Charlotte während eines Unwetters draußen gewesen zu sein. Ihr Vater hatte sie davor gewarnt, sich nicht zu weit vom Haus zu entfernen, doch Emily hatte ihre kleine Schwester dazu überredet, ein Stück weiter weg zu gehen. Sie beide hatten fürchterliche Angst gehabt, hatten geschrien und geweint, als der Wind an ihren kleinen Körpern riss. Die beiden hatten sich aneinander festgeklammert und sich an den Händen gehalten, doch der Regen hatte den Boden aufgeweicht und irgendwann hatte sie Charlotte verloren.

Emily blieb bei der Erinnerung wie angewurzelt stehen. Es fühlte sich genau wie damals an, als die verängstigte Siebenjährige ihrem Vater beichten musste, dass sie Charlotte draußen in dem Sturm verloren hatte.

„Emily!“, schrie Daniel, seine Stimme durch den Wind kaum hörbar. „Komm schon!“

Sie kehre wieder in die Gegenwart zurück und folgte Daniel.

Schließlich gelangten sie zur Scheue, auch wenn sie das Gefühl hatten, dass sie durch einen Sumpf gelaufen wären. Das Dach war bereits durch die Kraft des Windes fortgeweht worden und Emily machte sich auch für den Rest keine Hoffnungen mehr.

Sie zeigte Daniel die Öffnung und zusammen quetschten sie sich hinein. Durch das große Loch im Dach prasselte weiterhin der Regen auf sie hinab und als Emily sich umsah, musste sie feststellen, dass sich die Scheune mit Wasser füllte.

„Wo hast du den Hund gefunden?“, rief Daniel Emily zu. Trotz des Regenmantels war er bis auf die Knochen durchgeweicht und sein Haar klebte in nassen Strähnen an seinem Gesicht.

„Er war hier drüben“, antwortete sie und deutete auf die dunkle Ecke der Scheune, in der sie das letzte Mal den Kopf des Hundes gesehen hatte.

Doch als sie an der Stelle ankamen, an dem Emily den Hund vermutete, wartete eine Überraschung auf sie.

„Oh mein Gott“, kreischte Emily. „Welpen!“

Daniels Augen weiteten sich ungläubig, als er die nackten, zitternden, rosa Welpen entdeckte. Sie waren frisch geboren und wahrscheinlich noch nicht einmal einen Tag alt.

„Was sollen wir mit ihnen tun?“, fragte Daniel, seine Augen waren so groß wie Teller.

„Wir könnten sie in unsere Taschen stecken?“, schlug Emily vor.

Insgesamt waren es fünf Welpen. Jeder von ihnen steckte je eines in die beiden Taschen der Mäntel und Emily nahm das kleinste von ihnen in ihre schützenden Hände. Daniel sah die Mutterhündin, die die beiden anknurrte, weil sie die Welpen störten.

Als sie sich mit den Welpen in ihren Taschen auf den Weg zur Öffnung machten, wackelten die Wände der Scheune.

Emily sah, was der Regen alles anrichtete und wusste, dass er alles zerstören würde – die Boxen mit den Bildern ihres Vaters, Daniels Fotos aus seiner Jugendzeit, die alte Ausrüstung, für die ein Sammler womöglich viel Geld bezahlt hätte. Der Gedanke schmerzte sie. Obwohl sie bereits eine Schachtel in das Haupthaus getragen hatte, standen immer noch drei weitere von ihnen, die die Fotoalben ihres Vaters enthielten, in der Scheune. Sie konnte es nicht ertragen, all diese wertvollen Erinnerungen zu verlieren.

 

Gegen alle Vernunft rannte Emily zu der Stelle, an der sie die Boxen gefunden hatte. Sie wusste, dass sich darin eine Mischung aus Daniels Fotos und denen ihres Vaters befand, und die oberste war mit den Fotoalben ihres Vaters gefüllt. Sie legte den kleinen Welpen auf die Box, bevor sie diese hochhob.

„Emily“, rief Daniel. „Was tust du da? Wir müssen hier raus, bevor die ganze Scheune einstürzt!

„Ich komme ja schon“, schrie sie zurück. „Ich will sie nur nicht zurücklassen.“

Sie suchte nach einer Möglichkeit, noch eine Schachtel mitnehmen zu können, indem sie sie unter die erste schob und die beiden unter ihr Kinn klemmte, doch es war zu schwer für sie. Es gab keine Möglichkeit, alle Boxen voller Fotografien zu retten.

Daniel kam zu ihr herüber. Er setzte den Mutterhund auf dem Boden ab, bevor er ein Seil als Leine verwendete. Dann schnappte er sich zwei weitere Schachteln mit Emilys Familienfotos. Jetzt hatten sie die drei übrigen Schachteln ihres Vaters, aber keine einzige mit Daniels Fotografien.

„Was ist mit deinen?“, brachte Emily unter Tränen heraus.

„Deine sind wichtiger“, erwiderte Daniel stoisch.

„Aber nur für mich“, widersprach Emily. „Was ist mit –“

Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, gab die Scheune ein angsteinflößendes, knarzendes Geräusch von sich.

„Komm schon“, sagte Daniel. „Wie müssen gehen.“

Emily hatte keine Chance, ihm zu widersprechen, denn Daniel eilte bereits aus der Scheune hinaus, in den Armen trug er ihre wertvollen Familienfotos, für die er seine eigenen aufgeben musste. Sein Opfer berührte sie und sie musste sich unwillkürlich fragen, warum er ihre Bedürfnisse über seine eigenen gestellt hatte, was normalerweise nicht seine Art war.

Als sie sich wieder durch die Öffnung in der Scheunenwand quetschten, peitschte der Regen stärker als je zuvor auf die Erde hinab. Emily konnte sich kaum bewegen, so stark war der Wind. Sie kämpfte dagegen an und schob sich langsam über den Rasen.

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen hinter ihnen. Vor lauter Schock schrie Emily auf und schaute zurück, nur, um zu sehen, dass die große Eiche neben dem Gebäude aus dem Boden gerissen worden und auf die Scheune gefallen war. Wenn der Baum auch nur eine Minute früher umgefallen wäre, dann wären sie beide von ihm erschlagen worden.

„Das war viel zu knapp als mir lieb ist“, schrie Daniel. „Wir sollten besser so schnell es geht nach drinnen gehen.“

Sie bahnten sich ihren Weg über den Rasen bis hin zur Hintertür. Als Emily sie aufzog, riss der Wind sie aus ihren Angeln und wedelte sie über das Grundstück.

„Schnell, ins Wohnzimmer“, sagte Emily und schloss die Tür, die die Küche vom Wohnzimmer trennte.

Sie war tropfnass und hinterließ eine Spur aus Regenwasser auf den Dielen. Sie gingen ins Wohnzimmer und legten den Hund mit seinen Welpen auf den Teppich neben den Kamin.

„Kannst du ein Feuer entzünden?“, bat Emily Daniel „Sie müssen fürchterlich frieren.“ Sie rieb ihre Hände aneinander, um den Blutkreislauf anzuregen. „Mir ist auf jeden Fall schrecklich kalt.“

Ohne sich zu beschweren machte sich Daniel sofort an die Arbeit. Einen Moment später wurde der Raum durch ein loderndes Feuer erwärmt.

Emily half den Welpen, ihre Mutter zu finden. Nach und nach begannen sie, an ihr zu nuckeln und sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Doch eines der Hundebabys wollte es seinen Geschwistern nicht gleichtun.

„Ich denke, das hier ist krank“, bemerkte Emily besorgt.

„Es ist das Schwächste“, erwiderte Daniel. „Es wird es wahrscheinlich nicht durch die Nacht schaffen.“

Der Gedanke jagte Emily Angst ein. „Was werden wir nur mit ihnen machen?“, fragte sie.

„Ich werde die Scheune wieder für sie aufbauen.“

Emily lachte in vorgetäuschtem Spott auf. „Du hattest nie ein Haustier, oder?“

„Wie kommst du denn darauf?“, gab Daniel heiter zurück.

Plötzlich bemerkte Emily, dass auf Daniels Oberteil Blut klebte. Es kam von einer Verletzung an seiner Stirn.

„Daniel, du blutest!“, schrie sie.

Daniel berührte seine Stirn und schaute dann auf das Blut an seinen Fingern. „Ich glaube, mich hat einer der Äste erwischt. Es ist nichts Schlimmes, nur eine oberflächliche Wunde.“

Doch Emily ging trotzdem in die Küche, um nach dem Erste-Hilfe-Set zu suchen. Aufgrund des Windes, der wegen der fehlenden Hintertür hereinwehte, konnte sie sich nicht so einfach in dem Raum bewegen wie sonst. Der Wind hob alles, dass nicht niet- und nagelfest saß hoch und wirbelte es durch die Küche. Emily versuchte, nicht an die Zerstörung zu denken oder daran, wie viel die Reparatur kosten würde.

Endlich fand sie das Erste-Hilfe-Set, mit dem sie zurück ins Wohnzimmer ging.

Die Hündin hatte aufgehört zu wimmern und alle Welpen, mit Ausnahme des Schwächlings, waren satt. Daniel hielt das kümmerliche Wesen in seinen Händen und versuchte es zum Trinken zu bringen. Etwas an diesem Anblick löste ein warmes Gefühl in ihrem Herzen aus. Daniel überraschte sie immer wieder – von seinen Kochkünsten, über seinen Musikgeschmack, seinen Gitarrefähigkeiten, dem geschickten Umgang mit dem Hammer zu seiner zärtlichen Pflege eines hilflosen Wesens.

„Will es immer noch nicht?“, fragte Emily.

Er schüttelte den Kopf. „Es schaut nicht gut aus für das kleine Kerlchen.“

„Wir sollten ihm einen Namen geben“, meinte Emily. „Er sollte nicht ohne einen Namen sterben.“

„Wir wissen doch gar nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.“

„Dann sollten wir ihm einen neutralen Namen geben.“

„Zum Beispiel? Alex?“, entgegnete Daniel mit einem verwirrten Stirnrunzeln.

Emily lachte. „Nein, ich dachte mehr an Regen.“

Daniel zuckte mit den Schultern. „Regen. Das passt.“ Er legte zurück zu den andren Welpen. Sie alle drückten sie dicht an ihre Mutter heran, doch das schwache Hundebaby wurde immer wieder von den anderen verdrängt. „Wie nennen wir die anderen?“

„Nun ja“, sagte Emily. „Wie wäre es mit Sturm, Wolke, Wind und Donner.“

Daniel grinste. „Sehr angemessen. Und die Mutter?“

„Warum gibst du ihr nicht einen Namen?“, schlug Emily vor. Sie hatte immerhin schon die Welpen benennen dürfen.

Daniel streichelte den Kopf der Hündin, die zufrieden vor sich hin brummte. „Wie wäre es mit Mogsy?“

Emily musste lachen. „Das passt ja nicht gerade zu den anderen!“

Doch Daniel zuckte nur mit den Schultern. „Es ist meine Entscheidung, nicht wahr? Und ich entscheide mich für Mogsy.“

Emily grinste. „Natürlich, es ist deine Entscheidung. Also heißt sie Mogsy. Und jetzt lass mich einen Blick auf deine Wunde werfen.“

Sie setze sich auf die Couch und zog Daniels Kopf mit zarten Fingern zu sich heran. Sie strich das Haar von seiner Braue und machte sich daran, den Schnitt auf seiner Stirn zu desinfizieren. Er hatte Recht, es war nicht tief, doch trotzdem blutete es stark. Emily klebte mehrere Pflaster übereinander, um die Wunde zusammen zu halten.

„Wenn du Glück hast“, sagte sie, als sie ein weiteres Pflaster darauf klebte, „bleibt eine hübsche Narbe.“

Daniel grinste. „Großartig. Mädchen lieben Narben, nicht wahr?“

Emily musste lachen. Dann klebte sie das letzte Pflaster auf seine Stirn. Doch anstatt sich von ihm zu lösen, ließ sie ihre Finger dort, auf seiner Haut, liegen. Sie strich ihm eine Strähne aus den Augen und fuhr mit ihren Fingerspitzen die Konturen seines Gesichtes bis zu seinen Lippen nach.

Daniels Augen brannten in ihre. Er nahm ihre Hand in seine und drückte einen Kuss in ihre Handfläche.

Dann zog er sie von dem Sofa auf seinen Schoß. Ihre durchgeweichten Kleider wurden aneinandergedrückt, als er seinen Mund auf ihren legte. Die Hitze zwischen ihnen entfachte, als sie sich gegenseitig die nassen Kleider auszogen und dann in einem harmonischen Rhythmus in einander versanken. Ihre Gedanken waren so mit dem jeweils so voll von dem, was zwischen ihnen geschah, dass sie nicht einmal mehr den tosenden Sturm draußen wahrnahmen.