Für Immer und Ewig

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Für Immer und Ewig
Für Immer und Ewig
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Czyta Birgit Arnold
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„Das glaube ich ja nicht!“, rief sie. „Du liest Agatha Christie?“

Daniel zuckte nur mit den Schultern. „Es ist nichts Verwerfliches dabei, hin und wieder etwas von Agatha zu lesen. Sie kann sehr gut erzählen.“

„Aber richten sich ihre Bücher nicht an Frauen mittleren Alters?“

„Warum liest du dann nicht eines und sagst es mir dann?“, entgegnete er verschmitzt.

Emily schlug ihn mit einem Kissen. „Wie kannst du es wagen? Fünfunddreißig gehört wohl kaum zum mittleren Alter!“

Sie lachten, während Daniel Emily auf die Couch drückte. Dann kitzelte er sie gnadenlos durch, womit er sie zum Kreischen brachte, und sie schlug mit ihren Fäusten auf seinen Rücken ein. Anschließend brachen sie, erschöpft von ihrem gespielten Kampf, aufeinander zusammen. Langsam verebbte Emilys Lachen. Sie keuchte in dem Versuch, zu Atem zu kommen, schlang ihre Arme um Daniels Nacken und fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Die spielerische Stimmung zwischen den beiden verblasste und wurde wieder ernst.

Daniel löste sich so weit von ihr, dass er ihr Gesicht sehen konnte. „Du bist wunderschön, weißt du das?“, sagte er. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich es dir oft genug sage.“

Emily wusste, was er ihr mit seinen Worten eigentlich vermitteln wollte. Er bezog sich auf vorhin, auf die Tatsache, dass er ihr nicht gesagt hatte, dass er sie auch liebte. Er versuchte, es jetzt wieder gut zu machen, indem er sie mit Komplimenten überhäufte. Das war zwar nicht wirklich das Gleiche, aber sie war trotzdem froh, das zu hören.

„Danke“, murmelte sie. „Du bist auch nicht so schlecht.“

Daniel verzog seinen Mund zu seinem typischen Grinsen, das Emily so sehr liebte.

„Ich bin so froh, dass ich dich getroffen habe“, fuhr er fort. „Im Vergleich dazu, wie mein Leben vor dir war, ist es nun fast schon unglaublich. Du hast alles auf den Kopf gestellt.“

„Ich hoffe, auf gute Weise“, meinte Emily.

„Auf die beste Weise“, versicherte ihr Daniel.

Emily spürte, wie sich ihre Wangen röteten. So sehr sie es auch genoss, diese Worte aus Daniels Mund zu hören, war sie dennoch schüchtern und immer noch etwas unsicher, wo genau sie bei ihm stand. Zudem wusste sie nicht, wie sehr sie sich auf ihn einlassen sollte, wenn man einmal bedachte, wie angespannt die Lage mit der Pension gerade war.

Daniel schien sich bei den nächsten Worten schwer zu tun, weshalb Emily ihn geduldig und mit aufmunterndem Blick ansah.

„Wenn du weggehen würdest, dann wüsste ich nicht, was ich tun sollte“, sagte Daniel. „Nein, ich weiß es. Ich würde nach New York fahren, um wieder mit dir zusammen zu sein.“ Er nahm ihre Hand. „Ich will damit sagen, bleib bei mir. Okay? Wo auch immer wir schließlich landen werden, bitte verlass mich nicht.“

Daniels Worte berührten Emily tief. In ihnen lag so eine Ernsthaftigkeit, so eine Zärtlichkeit. Er vermittelte ihr nicht seine Liebe, sondern etwas Anderes, etwas Ähnliches oder zumindest Bedeutendes. Es war sein Verlangen, mit ihr zusammen zu sein, egal, was mit der Pension geschah. Er schob die tickende Uhr beiseite, indem er ihr erklärte, dass es ihm egal war, ob sie es bis zu vierten Juli schaffte, denn er würde immer bei ihr sein.

„Das werde ich“, versprach Emily, während sie mit bewundernd zu ihm aufblickte. „Wir können zusammenbleiben. Egal, was passiert.“

Daniel beugte sich vor und küsste Emily hart. Sie spürte, sie sich ihr Körper daraufhin aufheizte und sich die Hitze zwischen ihnen intensivierte. Dann stand Daniel auf und streckte ihr seine Hand entgegen. Sie biss sich auf die Lippe, ergriff seine Hand und folgte ihm in eifriger Erwartung ins Schlafzimmer.

KAPITEL SIEBEN

Das Date war genau das gewesen, was sowohl Emily als auch Daniel gebraucht hatten. Manchmal wurden sie von all der Arbeit in der Pension so erdrückt, dass sie alles andere schleifen ließen. Deshalb war es keine Überraschung, dass beide den Wecker überhörten, der um acht Uhr klingelte. Vor allem Emily musste viel Schlaf aufholen.

Als die beiden schließlich aufwachten – um 9 Uhr, was für sie mittlerweile unglaublich spät war – beschlossen sie, ihre Zeit im Bett noch ein wenig länger zu genießen, da sie in der Nacht zuvor so viel Spaß zusammen zwischen den Laken gehabt hatten.

Letztendlich standen sie gegen zehn Uhr auf, doch auch danach genossen sie ein langes und gemütliches Frühstück, bevor sie sich schließlich eingestanden, dass sie zurück ins Haupthaus gehen und mit der Renovierung der neuen Räume weitermachen mussten.

„Hey, schau mal“, meinte Daniel, als er die Tür des Kutscherhauses hinter ihnen zuzog und abschloss. „In der Einfahrt steht ein Auto.“

„Noch ein Gast?“, fragte sich Emily.

Sie begannen gemeinsam, Hand in Hand, den Kiesweg entlangzugehen. Emily richtete ihren Blick auf das Haus, wo sie eine Frau mit glänzend schwarzem Haar auf der Veranda sehen konnte. Neben ihr lagen mehrere Taschen auf dem Boden und sie betätigte unaufhörlich die Klingel.

„Ich glaube, du hast Recht“, sagte Daniel.

Emily schnappte nach Luft, als sie plötzlich erkannte, wer dort stand.

„Oh nein, ich habe Jayne vergessen!“, schrie sie. Dann warf sie einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war elf Uhr. Jayne hatte gesagt, dass sie so gegen zehn ankommen würde. Sie hoffte, dass ihre Freundin nicht schon seit einer Stunde dastand und an der Tür klingelte.

„Jayne!“, rief sie, während sie den Kiesweg entlangrannte. „Es tut mir so leid! Ich bin hier!“

Jayne wirbelte herum, als sie ihren Namen hörte. „Em!“, schrie sie und winkte. Als sie Daniel bemerkte, der ein paar Schritte hinter Emily lief, zog sie die Augenbrauen hoch, als ob sie damit sagen wollte: „Wer ist dieser Kerl?“

Emily erreichte sie und zog ihre Freundin in eine Umarmung.

„Wartest du schon seit einer ganzen Stunde hier?“, wollte Emily besorgt wissen.

„Als ob, Emily. Wie gut kennst du mich denn bitte? Natürlich war ich nicht rechtzeitig hier. Ich kam etwa eine dreiviertel Stunde zu spät!“

„Aber trotzdem“, sagte Emily mit entschuldigendem Tonfall. „Fünfzehn Minuten sind eine lange Zeit, wenn man alleine auf einer fremden Veranda steht.“

Jayne ging auf der Veranda auf und ab. „Es ist eine robuste, kräftige Veranda. Sie hat es ausgehalten.“

Emily lachte und in diesem Moment kam auch endlich Daniel an.

„Jayne, das ist Daniel“, sagte Emily schnell, denn sie wusste, dass sie um seine Vorstellung nicht herumkam.

Daniel schüttelte höflich Jaynes Hand, auch wenn er sie dabei beäugte wie ein Stück Fleisch.

„Schön, dich kennenzulernen“, meinte er. „Emily hat mir schon so viel von erzählt.“

„Wirklich?“, fragte Jayne, wobei sie ihre Augenbrauen weit hochzog. „Denn sie hat mir absolut nichts von dir erzählt. Du bist ein gut gehütetes Geheimnis, Daniel.“

Emily wurde unwillkürlich rot. Jayne war nicht für ihre feinfühlige Art bekannt oder dafür, ihren Mund zu halten, wenn es besser wäre. Emily konnte nur hoffen, dass Daniel in ihren Worten keine unterschwellige Bedeutung gelesen und Schlüsse gezogen hatte, die nicht der Wahrheit entsprachen.

„Soll ich dir mit deinen Taschen helfen?“, fragte er.

„Ja, bitte“, erwiderte Jayne.

Sobald sich Daniel hinabbeugte, um ihre Taschen aufzuheben, verrenkte diese sich den Nacken, um seinen Hintern zu betrachten. Dann sah sie Emily in die Augen und gab ihre Zustimmung nickend preis, wobei sich Emily jedoch innerlich krümmte.

„Ich nehme die schon“, sagte Emily schnell, schob Daniel aus dem Weg und schnappte sich die Taschen. „Wow, Jayne, die sind ja richtig schwer! Was hast du denn alles eingepackt?“

„Oh, das Übliche“, entgegnete diese. „Zwei Outfits pro Tag – für den Tag und für die Nacht – plus etwas Formelles für den Abend, man weiß ja nie. Und natürlich schöne Unterwäsche. Gesichtsmasken und Feuchtigkeitscremes, meinen Make-up-Beutel und meine Bürsten, Nagellack, ein Glätteisen sowie einen Lockenstab –“

„Hast du wirklich ein Glätteisen und einen Lockenstab dabei?“, fragte Emily nach, während sie die Taschen über die Türschwelle in den Flur schleppte.

„– und ein Welleneisen“, fügte Jayne hinzu. „Man weiß ja nie, auf was man gerade Lust hat.“ Dabei grinste sie Emily verschmitzt an.

„Emily“, warf Daniel ein, „die Taschen sind viel zu schwer für dich. Warum lässt du sie mich nicht in Jaynes Zimmer tragen?“

„Danke, Daniel“, sagte Emily, wobei sie darauf achtete, Daniels Hinterteil vor Jaynes Augen zu schützen, während dieser sich hinabbückte. „Könntest du sie bitte in Raum Eins bringen?“

Das ursprüngliche Gästezimmer wurde von Emily und Daniel liebevoll „Mr. Kapowskis Zimmer“ genannt, doch im Moment hatte Emily keine Lust darauf, diese Geschichte zu erklären. Sie wusste, dass es seltsam steif und formell klang, Daniel zu bitten, die Taschen in Zimmer Eins zu tragen, aber das war ihr gerade egal. Ihr Hauptaugenmerk lag darauf, Daniel so schnell es ging vor Jayne in Sicherheit zu bringen, und am besten ohne, dass sie ihm auf den Hintern starrte, während er die Treppe hinaufging. Der von hier am weitesten entfernte Raum schien dafür perfekt zu sein.

 

Emily wandte sich an Jayne. „Komm, ich führe dich herum.“ Dann lotste sie sie in das Wohnzimmer.

„Oh mein Gott!“, kreischte Jayne, noch bevor sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. „Ist das der neue Mann in deinem Leben? Sag bitte nein! Also wirklich? Wie konntest du das so lange geheim halten? Warum rufst du nicht jeden, den du jemals getroffen hast – und damit meine ich auch deine Kindergärtnerin und den Postboten – an, um allen zu erzählen, dass du mit einem heißen Holzfäller zusammen bist?“

Jayne sprach unglaublich schnell und laut, sodass normalerweise jeder Kopfschmerzen bekäme, wenn er ihr länger als fünf Minuten zuhörte.

„Er ist kein Holzfäller“, flüsterte Emily, der die Situation leicht peinlich war. Wie hatte sie nur Jaynes brüske Art vergessen können? Warum um alles auf der Welt hatte sie es für eine gute Idee gehalten, ihre älteste Freundin in ihre Pension einzuladen, wenn dadurch nur ihre Beziehung auf den Prüfstand gestellt würde? Sie wollte Daniel nicht verschrecken, das hatte sie gestern bereits selber geschafft, als sie ihm ihre Liebe gestanden hatte.

„Aber Schätzchen“, fuhr Jayne fort, „er ist unglaublich heiß. Das ist dir schon klar, oder? Ich meine, ich weiß ja, dass sich dein Geschmack in den letzten Monaten komplett verändert hat, aber du erkennst doch wohl immer noch einen heißen Mann, wenn er vor dir steht, nicht wahr?“

„Ja“, flüsterte Emily und verdrehte die Augen. „Bitte verhalte dich in seiner Gegenwart nicht so seltsam. Es ist alles noch ganz neu. So richtig neu.“

„Was meinst du mit seltsam?“

„Ich meine damit, dass du kein Wort über Babys oder das Heiraten verlieren sollst. Und erwähne bloß nicht Ben oder einen meiner anderen Ex-Freunde. Und bitte, oh Gott bitte, erzähle ihm nicht, wie absolut verrückt meine Mutter ist.“

Jayne lachte. „Du magst diesen Kerl wirklich, nicht wahr? So nervös habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen.“

Emily krümmte sich innerlich. „Also, ja, das tue ich wirklich. Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt.“

„Auf keinen Fall!“, schrie Jayne, deren Stimmvolumen sich noch einmal ein Stücken anhob. „Du bist verliebt?“

Genau in diesem Moment betrat Daniel den Raum. Emily erstarrte und Jaynes Augen weiteten sich vor Schock. Dann presste sie ihre Lippen aufeinander.

„Ups“, sagte sie laut, während sie beschämt von einem Gesicht zum anderen blickte. „Also, Daniel“, sprach sie weiter, um die Spannung zu vertreiben, die so dick war, dass man sie schon fast schneiden konnte, „erzähl mir mehr von dir.“

Daniel schaute von Emily zu Jayne und schluckte schwer. „Äh, also, ich glaube, ich sollte euch Damen alleine lassen. Die Hunde müssen ausgeführt werden.“ Mit diesen Worten zog er sich eilig aus dem Raum zurück.

Emily seufzte und spürte, wie sie in sich zusammenfiel. Daniels Reaktion auf ihre Liebe zu ihm tat ihr weh. Dann wandte sie sich an Jayne.

„Können wir für eine Weile hier rausgehen? Ich könnte dir Sunset Harbor zeigen. Du bist das erste Mal hier und das ist der Ort, an dem ich als Kind die meisten Sommer verbrachte, weshalb ich mich freuen würde, dir die Sehenswürdigkeiten zu zeigen.“

„Schätzchen, sag mir, welche Schuhe ich anziehen soll, dann bin ich voll dabei. Brauchen wir Wanderstiefel? Turnschuhe?“

Es war typisch Jayne, für jede mögliche Situation das richtige Paar Schuhe einzupacken.

„Weißt du, seit ich New York verließ, war ich nicht mehr richtig joggen“, bemerkte Emily. „Es würde bestimmt Spaß machen, eine Runde zu drehen. Der Tag ist zu schön, um ihn in einem Auto zu verbringen und auf diese Weise können wir auf jeden Fall mehr sehen als wenn wir nur gemütlich spazieren. Wir könnten den Weg am Meer entlang nehmen.“

„Hört sich gut an“, erwiderte Jayne. „Nach unserem Telefonat gestern bekam ich so viele Anrufe, dass ich meinen zwölf-Meilen-Lauf abbrechen musste. Eine richtige Jogging-Runde würde mir guttun.“

Emily schluckte. Eine richtige Jogging-Runde hatte für sie nie mehr als fünf Meilen umfasst. Und jetzt, nachdem sie in dieser Hinsicht sechs Monate lang faul gewesen war, würde sie sich freuen, überhaupt noch zwei Meilen zu schaffen.

„Ich ziehe mich schnell um“, sagte sie.

Dann rannte sie die Treppe hinauf und ließ die Pension in der Obhut ihrer Freundin zurück. In ihrem Schlafzimmer angekommen, sah sie, dass Daniel auf dem Bett lag und zur Decke hinaufschaute.

„Geht es dir gut?“, fragte sie vorsichtig. „Ich dachte, du wolltest mit den Hunden Gassi gehen?“

„Ich musste einfach nur aus diesem Zimmer raus“, antwortete Daniel.

„Oh“, erwiderte Emily niedergeschlagen. Hatte ihn die Vorstellung, dass sie ihn liebte, so angewidert, dass er wegrennen musste?

Daniel setzte sich auf, wobei er einen leicht verwirrten Eindruck machte. „Ich meine, warum muss sie so schnell reden? Und so laut? Und warum muss sie fünf Worte verwenden, wenn ein einziges doch genügen würde?“

Emily erkannte, dass Daniel nicht wegen ihr so schnell verschwunden war, sondern wegen Jayne und ihrer hektischen New Yorker Sprechweise. Sie lachte, womit sich ein Teil der Spannung verflüchtigte, die sich in ihr aufgestaut hatte.

„Du weißt schon, dass ich auch einmal so war wie sie.“

Daniel schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall. Das glaube ich nicht.“

„Oh doch“, beharrte Emily. „Warte nur ab. Nach fünf Tagen wirst du uns nicht mehr auseinanderhalten können.“

„Oh mein Gott“, erwiderte Daniel nur, der sich zurück auf die Matratze fallen ließ.

KAPITEL ACHT

Jayne sah mit ihrem wehenden Haar und den langen und durchtrainierten Gliedern aus wie ein Supermodel, während sie neben den glitzernden Wellen her joggte. Im Gegensatz zu Emily schwitzte sie auch kaum. Alle, an denen sie vorbeikamen, sahen ihr nach, verblüfft von ihrer Schönheit und der Tatsache, eine so unglaublich attraktive Frau in ihrer ruhigen, verschlafenen Stadt zu sehen.

„Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal das Meer gesehen habe“, sagte Jayne. „Ich meine, außer auf der Fahrt hierher. Manchmal vergisst man in New York, dass es in der Welt noch mehr als Straßen und Hochhäuser gibt.“

„Das stimmt“, erwiderte Emily keuchend, denn es fiel ihr schwer, sogar kurze Sätze zu formulieren.

Raj stellte gerade ein paar Topfpflanzen vor seinen Laden, als sie vorbeikamen.

„Hi, Emily!“, rief er.

Als Antwort winkte sie ihm nur zu, denn sie wollte sich den Atem sparen. Dann sah sie Parker Black in seinem Großhandels-Van. Parker war ein junger Mann von gerade einmal dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Jahren, dessen blonde, lockige Haare sich auf seinem Kopf türmten. Er hatte den Großhandel nach dem Tod seines Vaters schon mit sechzehn Jahren geerbt und tat seitdem sein Bestes, um den Laden am Laufen zu halten. Beim Eröffnen ihrer Pension hatte Emily sofort gewusst, dass Parker ihr Großhändler sein würde.

Er hupte und winkte ihr zu.

„Hau ab, du Perversling!“, schrie Jayne.

„Nein, nein, deshalb hupt er nicht“, schnaubte Emily, während sie den Kopf schüttelte. „Das ist Parker, mein Großhändler. Er hupt, um mich zu grüßen.“ Sie winkte zurück.

„Oh“, meinte Jayne. „Dann kennt hier also jeder jeden?“

In ihrer Stimme lag ein Hauch Verachtung, was Emily erkannte, weil sie bei ihrer Ankunft dieselbe Haltung vertreten hatte, nämlich, dass Sunset Harbor eine langweilige Kleinstadt war, in der es nur neugierige Menschen gab, die sich in die Angelegenheiten anderer einmischten.

„So ziemlich“, keuchte sie, nur diesmal mit einem Grinsen auf dem Gesicht, denn mittlerweile hielt sie diese Tatsache für einen der größten Vorteile Sunset Harbors. In der Zwischenzeit hatte sie hier so viele Freunde gefunden und ihre Meinung über so viele Dinge geändert, dass sie es selbst kaum glauben konnte.

Schließlich erreichten sie die Brücke, die die Insel mit dem Festland verband.

„Hier gab mein Auto seinen Geist auf“, sagte Emily, während sie sich daran erinnerte, wie sie in den Vorwehen eines Schneesturms auf ihrem Weg nach Sunset Harbor genau hier auf der Brücke gestrandet war. Birk hatte sie in jeder Nacht gerettet. Obwohl ihr die Situation damals schrecklich vorgekommen war, erinnerte sich Emily heute gerne und mit liebevollen Gedanken an jede Nacht zurück.

„Aha“, bemerkte Jayne, die sich nicht sonderlich dafür zu interessieren schien. Ihre Begeisterung für das Meer ließ offenbar schon nach. „Oh mein Gott“, sagte sie, plötzlich wieder gutgelaunt. „Hast du die letzte Staffel von Singing Sensations gesehen?“

„Nein“, antwortete Emily. „Ich habe keinen Fernseher mehr.“

Jayne schaute sie entgeistert an. „Oh. Okay. Also, na ja, einer der Kandidaten war ohne zu übertreiben der heißeste Mensch im ganzen Universum.“

Emily hörte Jayne geduldig zu, während diese über Dinge sprach, die Emily mittlerweile als unwichtig empfand. Hatte sie selbst auch einmal auf andere Leute so langweilig gewirkt? Waren ihr solch triviale Dinge wirklich einmal wichtig gewesen? Die Tatsache, dass Jayne die Unterhaltung bestimmte, hatte aber auch einen großen Vorteil, nämlich, dass sich Emily auf ihre Atmung konzentrieren konnte, was ihr zunehmend schwerer fiel, je weiter sie joggten.

„Wie geht es dir überhaupt?“, fragte Emily in einem ruhigen Moment. Sie wollte erfahren, was wirklich in dem Leben ihrer Freundin los war und keine sinnlosen Details über Fernsehsendungen wissen.

„Ganz in Ordnung“, antwortete Jayne. „Ich habe mich von Harry getrennt. Das weißt du schon, oder? Dann ging ich eine Weile mit Brandon aus. Das tue ich immer noch, zumindest auf gewisse Weise. Wir sehen die Sache recht locker.“

Emily nickte und konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. „Und wie läuft es auf der Arbeit?“, fuhr sie fort, als sie bemerkte, dass Jayne nichts mehr sagte.

„Ein beständiger Strom endlosen Mists“, erwiderte Jayne. „Ich beneide dich so sehr. Mir würde es gefallen, den ganzen Tag lang nichts zu tun.“

Emily runzelte die Stirn. „Ich arbeite doch auch“, sagte sie, doch ihr hechelnder Atem machte es ihr unmöglich, ihre Aussage weiter auszuführen.

„Ach komm schon“, widersprach Jayne. „Das ist ja wohl kaum dasselbe, oder? Zwölf-Stunden-Tage in einem New Yorker Büro im Vergleich zu einem gemütlichen Tag in einer Pension am Meer!“

„Ich arbeite wirklich“, entgegnete Emily, diesmal mit energischer Stimme. „Und ich mache mir keinen gemütlichen Tag.“

Jayne warf ihrer Freundin einen Blick zu. „Bist du rot geworden, weil du sauer auf mich bist oder wegen des Joggens?“

„Wegen beidem“, stammelte Emily.

Jayne blieb stehen, weshalb Emily neben ihr anhielt. Sie beugte sich vor, legte ihre Hände auf die Knie und atmete tief durch.

„Ich wollte damit nicht sagen, dass du gar nicht arbeitest“, erklärte Jayne, wobei sich ihr Tonfall wie ein Augenrollen anhörte. „Ich meinte doch nur, dass das Leben hier einen eindeutig langsameren Rhythmus hat. Ich sagte doch, dass ich neidisch auf dich bin. Das ist etwas Gutes!“

Emily richtete sich auf. Hatten sie und ihre Freundinnen ihren Neid aufeinander stets als Gesprächsgrundlage verwendet? Was war denn falsch daran, sich gegenseitig zu unterstützen, anstatt sich ständig miteinander zu vergleichen, um zu sehen, wer gerade ganz oben lag?

„Vielleicht sollten wir zurückgehen“, schlug Emily vor.

„Weil du sauer auf mich bist?“, fragte Jayne, die diesmal ihre Augen wirklich verdrehte.

Emily schüttelte den Kopf, obwohl genau das ein ausschlaggebender Grund ihrer Entscheidung gewesen war. „Weil ich erschöpft bin.“

Jayne schien ihr nicht zu glauben, denn sie schaute auf ihre Uhr. „Wir haben gerade einmal drei Meilen geschafft, Em“, sagte sie. „Lass uns noch zwei Meilen laufen und dann umkehren.“

 

Doch Emily schüttelte den Kopf. „Ich schaffe keine zehn Meilen, Jayne. Das würde mich umbringen. Ich bin ja schon froh, überhaupt so weit gekommen zu sein.“

Jayne schien beleidigt zu sein, dass sie ihre Jogging-Runde abbrechen musste. „Also gut. Lass uns zurückgehen. Können wir bei einem Café anhalten und etwas zum Mittagessen mitnehmen?“

Emily dachte an Joe’s Diner, einem der wenigen Lokale in der Stadt, das tagsüber Essen servierte. „Na klar“, antwortete sie, obwohl sie sich nicht gerade wohl dabei fühlte, mit Jayne an einen Ort zu gehen, den diese hassen und der ihre Meinung, dass Sunset Harbor eine langweilige Kleinstadt war, nur noch verfestigen würde.

Während sie den Weg, den sie gekommen waren, zurück joggten, redete Jayne die ununterbrochen: über das neueste Fotoshooting der Vogue, einem neuen Thriller, den sie im Kino gesehen hatte, der neuen Sommerkollektion ihres Lieblingsdesigners…

Emily ließ sie einfach reden, denn sie hatte erkannt, dass von ihr sowieso keine Antwort erwartet wurde.

*

Später am Abend saßen die beiden Frauen nebeneinander im Wohnzimmer und tranken Wein, doch Jayne schien unruhig zu sein. Sie hatten in Joe’s Diner Waffeln gegessen – obwohl Jayne, sehr zur Verblüffung des älteren Mannes, zuerst einen Cortado bestellt hatte. Anschließend hatten sie in Karens Supermarkt einen ganzen Korb grünen Blattgemüses eingekauft, denn nirgendwo in der Stadt gab es einen Laden, der Saft verkaufte. „Du solltest eine Saftbar eröffnen!“, hatte Jayne begeistert festgestellt. „Damit würdest du ein Vermögen verdienen!“ Emily hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, ihr zu erklären, dass es in einer Stadt wie Sunset Harbor nur eine schwindend geringe Nachfrage nach so etwas gab.

Dann hatte Emily mit frischen Eiern von Lola und Lolly eine Tortilla zum Abendessen zubereitet, wobei sie Cynthia vollkommen Recht geben musste, dass die Menschen zwar gerne Bioeier aßen, jedoch nicht die Tiere sehen wollte, die diese produzierten.

Jayne hatte sich im Laufe des Tages zweimal umgezogen. Zuerst hatte sie nach dem Joggen die Kleidung gewechselt und dann noch einmal zum Abendessen. Nun trug sie ein wunderschönes, schwarzes Kleid, dass Emily ein wenig zu sehr an das Kleid erinnerte, dass sie selbst an dem Abend, an dem sie sich von Ben getrennt hatte, getragen hatte. Sie selbst trug nun eine gemütliche Jeans und einen dünnen Pullover, sie war gar nicht auf die Idee gekommen, sich für das Abendessen noch einmal umzuziehen.

„Also, was kann ich tun, während ich hier bin?“, wollte Jayne wissen, sobald sie sich mit einer Flasche Wein ins Wohnzimmer gesetzt hatten. „Wo sind die angesagtesten Clubs? Lounges? Konzerte?“

Emily musste lachen. „Es gibt einen Pub in der Stadt, aber der macht um acht Uhr abends zu.“

Jayne fiel vor lauter Schock die Kinnlade herunter. „Willst du mir ernsthaft sagen, dass man hier abends gar nichts unternehmen kann?“

„Man kann sogar sehr vieles unternehmen“, erwiderte Emily. „Es sind einfach andere Dinge als in New York. Man kann wandern gehen oder aufs Meer hinausfahren, solche Sachen eben.“

„Wandern? Aufs Meer hinausfahren? Darauf stehst du jetzt also?“

Emily versteifte sich. So langsam hörte sich Jayne wie Amy an.

„Was kümmert es dich, was mir nun Spaß macht?“, sagte sie abwehrend. „Ich bin glücklich. Ist das nicht das Wichtigste?“

Jayne streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf das Knie ihrer Freundin. „Ich will nicht gemein klingen“, meinte sie. „Es ist nur so, dass du dich so sehr verändert hast, dass ich es nur auf deinen neuen Mann zurückführen kann. Ich weiß alles über deine vergangenen Beziehungen und selbst du musst zugeben, dass du dich normalerweise für deine Männer veränderst –“

„Das ist es nicht!“, schnappte Emily. „Ich habe mich nicht für Daniel verändert. Ich mag mich wegen ihm vielleicht ein wenig verändert haben, aber das ist etwas ganz Anderes. Und wenn mich schon etwas am meisten verändert hat, dann ist es die Pension. Siehst du nicht, dass mein Leben jetzt, da ich etwas habe, auf das ich hinarbeiten kann, viel erfüllter ist?“

Jayne lehnte sich zurück. „Das tue ich“, gab sie zu. „Es scheint dir gut zu gehen. Du bist gesund. Aber von unserer Perspektive aus, du weißt schon, den Freundinnen, die du zurückgelassen hast, sieht es stark danach aus, als ob du vor deinen Problemen davonlaufen würdest.“

Emily schmollte. Sie konnte nicht leugnen, dass die ganze Sache genauso angefangen hatte. Sie war aus der Wohnung geflohen, in der sie mit Ben gewohnt hatte, und hatte anschließend ein paar schreckliche Tage in dem kurz vor dem Verfall stehenden Haus verbracht, nur damit sie sich ihren Problemen nicht stellen musste. Und all das mitten im Winter. Doch seitdem hatte sich alles verändert. Sie sah das Haus nicht mehr als Versteck vor der Realität, sondern als ihre Zukunft. Und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als darin glücklich zu werden.

„Warum kommst du nicht für eine Weile zurück nach New York?“, schlug Jayne sanft vor. „Verbringe wieder etwas Zeit in der Stadt und schaue, wie es dir jetzt gefällt.“

Emily verschränkte die Arme. „Hat dich meine Mutter dazu angestiftet?“

„Nein!“ Jayne seufzte. „Ich will einfach nur meine Freundin zurück, Em. Ist das denn so schwer zu verstehen?“

Das war es ganz und gar nicht. Aber was Jayne nicht verstehen wollte, war die Tatsache, dass ihre alte Freundin so nicht mehr existierte. Die alte Emily hatte sich verwandelt und war zu dieser neuen Frau geworden, die nun vor ihr saß.

„Hör zu“, sagte Emily mit einem Seufzen. „Ich bin glücklich hier. Ich habe endlich eine Aufgabe, eine Leidenschaft. Ich bin fest entschlossen, die Sache hier in Angriff zu nehmen.“

„Das sehe ich“, erwiderte Jayne. „Aber du hast noch nie zuvor eine Pension geleitet. Du hast keinerlei Erfahrung und –“

„Also doch“, unterbrach Emily sie. „Ich dachte, du wärst hierhergekommen, um mich zu unterstützen, aber in Wirklichkeit zweifelst du an mir genau wie alle anderen es schon mein ganzes Leben lang tun.“

„Em“, sagte Jayne mit fester Stimme. „Ich mache mir Sorgen um dich. Das ist alles. Glaubst du denn wirklich, dass das hier funktionieren wird?“

Etwas in ihren Worten ließ Emily innehalten. Sie hatte ihre Zweifel bisher nur Daniel gegenüber erwähnen können. In den Augen aller anderen erschien sie immer so engagiert, weshalb sie für viele das Bild einer unaufhaltsamen, entschlossenen Frau abgab.

„Um ehrlich zu sein, nein. Ich glaube nicht, dass das hier funktionieren wird. Die ganze Welt ist gegen mich und ich habe weder das Talent noch die nötige Überzeugungskraft. Aber ich werde nicht kampflos untergehen, Jayne. Wenn es auch nur eine winzige Chance gibt, dass ich es schaffen kann, dann muss ich es riskieren. Ich muss wissen, dass ich alles in meiner Macht Stehende getan habe, um Erfolg zu erzielen. Nur auf diese Weise werde ich die Sache mit erhobenem Haupt hinter mir lassen können.“

Jayne zog ihre Augenbrauen hoch. „Wow“, meinte sie. „So kenne ich dich ja gar nicht. Noch nicht einmal, als es um Ben geht, und du warst einmal fest entschlossen, ihn dazu zu bringen, dich zu heiraten.“

Emily zuckte lediglich mit den Schultern. „Wie gesagt, ich habe endlich etwas gefunden, für das ich brenne.“

„Das sehe ich“, erwiderte Jayne. Für den Moment schien sie sich geschlagen zu geben, oder war zumindest so besänftigt, dass ihre Ängste ein wenig gelindert wurden.

„Komm schon“, sagte Emily. „Wir sollten den Abend genießen und uns nicht streiten. Lass uns Cocktails machen, uns auf die Veranda setzen und den Sonnenuntergang genießen. Was hältst du davon?“

„Du meinst also, ich brauche keinen Club, um Spaß zu haben?“, scherzte Jayne.

Emily lachte, erleichtert, dass die unangenehme Unterhaltung endlich vorüber war. Sie bereitete eine Karaffe Mojitos zu, mit dem sich die beiden Frauen auf die Veranda setzten. Den restlichen Abend lang sprachen sie über schönere Dinge und der Inhalt der Karaffe zwischen ihnen nahm in gleichem Maße ab wie ihr Lachen immer mehr an Lautstärke gewann.

Emily krümmte sich gerade vor hysterischem Lachen, in das sie wegen einer von Jaynes Anekdoten ausgebrochen war, als sie plötzlich die Hand ihrer Freundin auf sich spürte. Sie schaute auf. Jaynes Gesicht war auf einmal schneeweis geworden.

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