Für Immer mit Dir

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Jak czytać książkę po zakupie
Nie masz czasu na czytanie?
Posłuchaj fragmentu
Für Immer mit Dir
Für Immer mit Dir
− 20%
Otrzymaj 20% rabat na e-booki i audiobooki
Kup zestaw za 29,70  23,76 
Für Immer mit Dir
Für Immer mit Dir
Audiobook
Czyta Birgit Arnold
16,20 
Szczegóły
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

„Chantelle, Schätzchen“, meinte Emily, „spring doch schon einmal in diesen Laden hier und kaufe dir etwas Süßes. Bitteschön.“ Sie reichte ihr ein paar Dollarscheine. „Daddy mag Erdnussbutter-Cups am liebsten.“

Sobald sie verschwunden war, wandte sich Emily wieder an Vanessa. „Ich weiß, was du denkst“, begann sie. „Du denkst, dass ich verrückt bin, Daniel so ohne weiteres wieder in mein Herz zu lassen. Du denkst, dass ich mich wie ein Fußabstreifer verhalte.“

Vanessa schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht, Emily. Ich weiß, dass du ihn liebst. Das ist offensichtlich. Ich habe nie bezweifelt, dass ihr zusammen sein würdet.“

„Was ist dann das Problem?“, wollte Emily wissen, die ein seltsames Gefühl der Kälte beschlich.

„Das Mädchen“, erwiderte Vanessa. „Glaubst du wirklich, dass es in Ordnung ist, sie ihrem Zuhause zu entreißen? Ihrer Mutter?“

Emily verschränkte die Arme. „Ihre Mutter hat ihre Fürsorge aufgegeben. Sie nimmt Drogen und hat mentale Probleme. Daniel versuchte, ihr zu helfen, von den Drogen wegzukommen und eine Therapie zu beginnen, aber das funktionierte nicht. Sie verstand, dass es Chantelle bei uns bessergehen würde. Aber ich werde Sheila nicht ignorieren und so tun, als gäbe es sie nicht. Wenn sie ein Teil von Chantelles Leben sein will, dann kann sie das auch, sobald sie keine Drogen mehr nimmt. Ich werde nicht zulassen, dass eine Drogenabhängige das Leben dieses kleinen Mädchens zerstört.“

Vanessa wirkte immer noch nicht ganz überzeugt. „Ich glaube einfach nur, dass dir nicht klar ist, auf was du dich da eingelassen hast“, fuhr sie fort. „Chantelle großzuziehen wird nicht einfach sein.“

„Das ist mir bewusst“, erwiderte Emily gereizt, denn Chantelle war bisher nichts als liebenswürdig gewesen. „Natürlich wird es gewisse Herausforderungen geben. Aber Daniel und ich sind bereit, diese zu meistern.“

„Was ist mit eigenen Kindern? Von dir und Daniel? Wirst du immer noch in der Lage sein, eine eigene Familie zu gründen, wenn du damit beschäftigt bist, dich um Chantelles Probleme zu kümmern? Und was ist mit der Pension? Ist sie der richtige Ort für ein Kind mit gewissen Schwierigkeiten?“

„Chantelle hat keine Schwierigkeiten“, feuerte Emily abwehrend zurück, denn plötzlich verspürte sie einen starken Beschützerinstinkt für das Mädchen, das sie bereits wie ihre eigene Tochter sah.“

Vanessa seufzte tief. „Das sage ich ja auch gar nicht“, meinte sie resigniert. „Ich mache mir nur Sorgen, dass du das Ganze nicht richtig durchdacht hast. Du hast ja gesehen, wie sehr Katy mein Leben beeinflusst und sie meine eigene Tochter. Ich wollte sie haben. Chantelle ist dir in den Weg gestellt worden. Sie ist in etwa ein Ultimatum von Daniel. Das hast du dir nie ausgesucht. Ich glaube einfach, dass du einen Schritt zurücktreten und einen Moment darüber nachdenken solltest, ob es wirklich das ist, was du willst.“

Sie streckte ihre Hand aus und drückte Emilys Arm. In diesem Moment kam Chantelle mit einer Einkauftüte voller Süßigkeiten und Schokoladenriegeln zurück.

„Wow“, sagte Emily, „das sind ja ganz schön viele Süßigkeiten.“

Doch ihre Stimme war nicht mehr so leicht und sorglos wie zuvor. Vanessas Worte hatten sie erschüttert. Sie hatten ihr Glück durchschnitten und einen Zweifelskorn in ihr gesät. War sie wirklich in der Lage, Chantelle richtig großzuziehen?

KAPITEL VIER

Als Emily und Chantelle schließlich in der Pension ankamen, war Chantelle völlig erschöpft. Sie schaffte es, beim Abendessen wach zu bleiben, das Daniel in ihrer Abwesenheit gekocht hatte, doch konnte es nicht verhindern, immer wieder zu gähnen.

„Vielleicht sollte sie heute bald ins Bett gehen?“, schlug Emily vor. „Sie war sehr früh wach. Und da morgen die Schule beginnt, würde es ihr nicht schaden, gut ausgeruht zu sein.“

Daniel stimmte zu und zusammen gingen sie hinauf in Chantelles Zimmer, brachten sie ins Bett und lasen ihr eine Geschichte vor, bis sie eingeschlafen war.

Sobald sie das Zimmer verlassen und die Tür leise hinter sich geschlossen hatten, dachte Emily über die vergangenen zwei Tage nach, die sie nun schon Eltern waren. Sie hatten ihr mehr Spaß gemacht als angenommen. Doch Vanessas Worte schwirrten immer noch in ihrem Kopf umher und ließen Zweifel in ihr aufkommen.

Daniel und Emily schlichen leise nach unten, denn sie wollten Chantelle nicht durch die quietschenden Dielen wecken.

„Ich würde unglaublich gerne mit dem Boot in den Sonnenuntergang fahren“, sagte Daniel. „Was meinst du dazu? Wie wäre es mit einem Date?“

Emily runzelte die Stirn. „Wir können Chantelle nicht einfach alleine lassen.“

Daniel begann zu lachen. „Dann ist es ja nur gut, dass Serena auf dem Weg hierher ist.“

Emilys Stirnrunzeln vertiefte sich. „Wie bitte?“

Daniel grinste nur. „Nun ja, während du nicht zuhause warst, habe ich mir die Freiheit genommen, einen Babysitter zu organisieren. Sie ist um sieben Uhr hier.“

Emilys Stirnrunzeln verwandelte sich in ein Grinsen. „Wirklich?“ Sie platzte fast vor Aufregung. Seit ihrem letzten richtigen Date mit Daniel war schon so viel Zeit vergangen und ihr war gar nicht klar gewesen, wie sehr sie sich eigentlich danach gesehnt hatte. Sie warf ihm die Arme um den Hals und drückte einen dicken Kuss auf seine Lippen.

„Ich sollte mich besser fertigmachen“, verkündete sie strahlend, während sie die Treppe hinaufeilte, um sich umzuziehen.

Serena kam um Punkt sieben Uhr in einer Wolke aus süß duftendem Parfum und künstlerischem Flair an.

„Jemand schaut zum Anbeißen aus“, sagte sie, als sie Emilys Outfit erblickte.

Emily wurde rot. Sie hatte noch nie sonderlich gut mit Komplimenten umgehen können. „Danke, dass du das hier machst“, meinte Emily. „Wir wissen es wirklich sehr zu schätzen, dass wir ausgehen können.“

„Kein Problem“, erwiderte Serena. „Ich freue mich schon darauf, mich zu entspannen und einen schnulzigen Roman zu lesen.“

Emily und Daniel gingen zur Tür, doch noch bevor sie hinaustreten konnten, stießen sie auf der Türschwelle mit jemandem zusammen. Es war Cynthias Freund Owen, der junge, schüchterne Klavierspieler, der schon einmal in der Pension gewesen war, um den antiken Flügel ihres Vaters zu stimmen, und Emily hatte ihm angeboten, vorbeikommen und spielen zu dürfen, wann immer er wollte.

„Oh, äh, tut mir leid. Wenn ihr gerade ausgeht, kann ich ein anderes Mal wiederkommen“, sagte Owen stotternd und mit unruhigen Händen, mit denen er seine Noten festhielt.

„Auf gar keinen Fall“, entgegnete Emily. „Du kannst reinkommen und spielen. Serena ist hier, du kannst also so lange spielen, wie du willst.“

Owen lächelte schüchtern und bedankte sich bei Emily, bevor er ins Wohnzimmer trat.

Als Emily und Daniel die Verandastufen hinabgingen, hörten sie Owens wunderschöne und gleichzeitig traurige Klaviermusik, die sie hinausbegleitete.

*

Das Wasser schlug gegen den Hafen, während Daniel Emily ins Boot half. Der Himmel war trotz der sich schnell nähernden Abenddämmerung immer noch blau.

„Wo geht’s denn hin?“, wollte Emily wissen, sobald sie sicher saß.

„Ich wollte eine weitere Insel erkunden“, antwortete Daniel.

Das erinnerte Emily an das letzte Mal, als sie dies vorgehabt und den gleichen Leuchtturm entdeckt hatten, der auf den Gemälden abgebildet war, die ihr Vater gesammelt hatte. Sie war sich sicher gewesen, dass sich in den Gemälden eine Art Hinweis befand, was es mit dem Verschwinden ihres Vaters auf sich haben könnte, doch wie die meisten anderen Spuren, denen sie gefolgt war, hatte auch diese in eine Sackgasse geführt. Sie hatte lediglich den Namen der bereits verstorbenen Künstlerin herausgefunden.

Daniel startete den Motor und das Boot löste sich mit einem Ruck von der Anlegestelle. An diesem Abend war das Wasser ruhig und die Fahrt ausgesprochen sanft. Das Boot durchschnitt das Wasser ohne großen Widerstand. Emily hielt sich gut fest, es fühlte sich aufregend an, den Wind durch die Haare streifen zu spüren. Gleichzeitig war sie froh, kein Makeup aufgetragen zu haben.

Als sie das Ufer der Insel erreichten, die Daniel erkunden wollte, färbte sich der Himmel bereits rosa. Daniel sprang vom Boot und half Emily beim Herausklettern, dann spazierten die beiden Hand in Hand den Strand entlang. In der Ferne glitzerten die Lichter Sunset Harbors.

„Es ist so wunderschön“, sagte Emily verträumt. Sie hatte sich in den Ort mit ihrer Pension und dem kleinen Mädchen, das tief und fest darin schlief, verliebt.

„Glaubst du, Serena kommt zurecht?“, fragte Daniel.

„Solange Chantelle durchschläft, müssen wir uns keine Gedanken machen“, erwiderte Emily.

Daniel zögerte einen Augenblick. „Ich wollte dir danken“, sagte er dann mit zarter Stimme.

„Wofür denn?“, wollte Emily wissen.

„Dafür, dass du so wunderbar mit Chantelle umgehst. Und auch für alles andere. Ich habe dir einiges aufgelastet, das weiß ich. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir an deiner Stelle so schnell verzeihen würde.“

Emily schluckte hart. Die Erinnerung an jene harten Wochen ohne Daniel schmerzte sie immer noch sehr, doch dass er nun anerkannte, was er ihr da angetan hatte, war aufbauend.

 

„Ich glaube nicht, dass ich wirklich eine Wahl hatte“, entgegnete Emily. Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme hören. „Sobald ich dich mit ihr sah…das war alles, was ich jemals wollte, Daniel. Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut.“

Sie blieben stehen und Daniel drehte sie zu sich um, sodass sie sich ansahen. Dann wischte er mit seinem Daumen eine Träne von ihrer Wange und nahm ihr Gesicht sanft in seine Hände.

„Ich liebe dich auch, Emily“, sagte er.

Dann drückte er seine Lippen auf ihre. Emily schmolz dahin, endlich fühlte sie wieder diese rohe Leidenschaft, die nur Daniel in ihr entzünden konnte. Sie schlang ihre Arme um ihn herum und strich mit ihren Händen über seinen ganzen Körper, wobei sie die gespannten Muskeln unter seinem Hemd spüren konnte. Endlich diese drei Worte, nach denen sie sich so gesehnt hatte, aus Daniels Mund zu hören, feuerte Emily Körper auf eine Weise an, wie es seit Jahren nicht mehr der Fall gewesen war. In ihrer Beziehung mit Ben war die Leidenschaft schon von Jahren verschwunden und trotz der wunderbaren Nächte, die sie mit Daniel verbracht hatte, verspürte sie nun zum ersten Mal solch ein Verlangen, solch ein Verzehren.

Als sie sich von ihm löste, brannten seine Augen vor Verlangen. Auf diese Weise hatte sie ihn noch nie zuvor geküsst.

„Ich will dich, Emily“, sagte Daniel atemlos. „Für jetzt und für immer.“

Emily streckte ihre Hand aus und zog Daniel an den Schlaufen seines Gürtels wieder zu sich heran. Sie wollte ihn neben sich, nahe bei sich haben. Sie wollte jeden Zentimeter von ihm spüren. Auf dieser einsamen Insel mitten im Sonnenuntergang konnte Emily an nichts denken, das sie mehr wollte als Daniel. Nur Daniel, komplett.

*

Die Sterne glitzerten über ihnen. Die Wellen des Meeres brachen sich sanft an der Küste. Emily lag in Daniels Armen, ihr Kopf ruhte auf seiner warmen, nackten Brust. Sie konnte seinen Herzschlag hören, der von ihrem Liebespiel noch immer kräftig schlug. Unter ihren Fingerspitzen fühlte sich seine Haut heiß an.

Emily stützte sich auf einen Ellbogen. „Wir sind schon sehr lange weg“, sagte sie. „Wir sollten wahrscheinlich besser zurückgehen.“

Daniel holte tief Luft, so als ob er diesen Ort nur ungern verlassen würde. Emily wusste genau, wie er sich fühlte. Sie wünschte sich ebenfalls, dass dieser magische Moment nie vorüberging. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie zuhause, in der Pension, noch viele weitere magische Momente erleben konnten. Nun, da sie eine Familie waren, würden Millionen Momente voller Spaß und Glück auf sie warten.

Emily legte sich zurück in den Sand und beobachtete, wie Daniel sich wieder anzog. Dabei wurde sie von einer Welle des Glücks überrollt. Die Sterne standen nun endlich gut für sie.

Emily zog sich ebenfalls an und strich sich die Haare glatt, in der Hoffnung, ihr zerzaustes Aussehen auf die Bootsfahrt zu der Insel zu schieben, anstatt auf das, was sie und Daniel gerade getan hatten.

Daniel stieg in das Boot und half Emily, neben ihm hineinzuklettern.

„Wenn Chantelle in der Schule ist, sollten wir in diesen einen Antiquitätenladen gehen. Ich war zwar noch nie dort, aber ich habe gehört, dass es dort ausgezeichneten Schmuck gibt, vor allem wunderbare Ringe.“

Emilys Herz begann, schneller zu schlagen. Deutete Daniel etwa gerade einen Antrag an? Auf der Insel hatte er ihr gesagt, dass er für immer mit ihr zusammen sein wollte, und jetzt sprach er von Ringen. Emily hatte noch gar nicht an eine Heirat mit Daniel gedacht. In ihrer Beziehung hatte es bereits so viele Hochs und Tiefs gegeben, sodass sie solche Gedanken stets verdrängt hatte.

Doch nun, während sie in dem Boot saß und das Meer in Richtung der Stadt, die sie so sehr liebte, überquerte, erkannte sie, wie sehr sie die Aussicht, mit Daniel sesshaft zu werden, begeisterte.

Zum ersten Mal schlug der Gedanke, dass Daniel ihr einen Antrag machen könnte, in ihrem Kopf Wurzeln.

KAPITEL FÜNF

„Bist du bereit für deinen ersten Schultag?“, wollte Emily von Chantelle wissen, während sie sich über den Esstisch beugte und die leeren, mit Krümeln übersäten Teller einsammelte.

Chantelle sah auf und nickte, doch auf ihrem Gesicht lag ein nachdenklicher Ausdruck. Emily hatte auf so einem jungen Gesicht noch nie solch eine erwachsene Miene gesehen. Natürlich würde es Chantelle etwas verunsichern, auf eine neue Schule zu gehen, das war Emily klar. Aber dass das Mädchen wegen der ganzen Sache so ernst wirkte, versetzte ihrem Herzen einen Stich. Sie hoffte, dass sie Chantelle dabei helfen konnte, sich wohler zu fühlen, sich zu entspannen und ihr Leben wie ein normales sechs Jahre altes Mädchen zu genießen.

In diesem Moment kam Daniel in die Küche. Heute trug er ein kariertes Hemd, das in seiner Jeans steckte. Außerdem hatte er sein Haar zurückgekämmt und den Bart gestutzt. Emilys Herz schwoll bei seinem Anblick vor Stolz an, denn sie wusste, welche Anstrengungen er unternommen hatte, nur, um am Schultor einen guten Eindruck zu machen.

Daniel ging zu Emily hinüber und küsste sie.

„Da schaut aber jemand elegant aus“, meinte Emily mit einem Grinsen.

Daniel warf einen Blick auf Chantelle. „Bist du bereit für deinen großen Tag?“, fragte er.

Emily bemerkte, dass Chantelle heute in Daniels Gegenwart etwas entspannter schien. Vielleicht lernte sie endlich, ihm zu vertrauen. Nachdem sie aus ihrem Leben in Tennessee gerissen worden war, begann sie nun, sich einzuleben und ihn als einen Menschen zu sehen, auf den sie sich verlassen konnte, der sie nicht im Stich lassen würde.

„Kommst du mit, Daddy?“, fragte sie.

Emily bemerkte den erleichterten Ausdruck auf Daniels Gesicht.

„Natürlich“, antwortete er.

„Keiner von uns würde das verpassen wollen“, fügte Emily hinzu.

Chantelle lächelte verschmitzt, sie sah zu gleichen Teilen stolz und schüchtern aus.

Zusammen verließen sie das Haus und stiegen in Daniels Pickup Truck. Während sie die mit Bäumen gesäumten Straßen entlangfuhren, sah Chantelle zum Fenster hinaus, wobei sie einen angespannten und nervösen Eindruck machte. Und als sie schließlich vor dem putzigen Gebäude aus roten Ziegeln anhielten, war sie ganz blass und in sich gekehrt.

„Es wird dir gefallen“, sagte Emily, während sie ihr die Hand tätschelte. „Ich weiß, dass es am Anfang etwas einschüchternd ist, aber sobald du einmal drinnen bist und alle Kinder und Lehrer getroffen hast, wird alles in Ordnung sein.“

Chantelle sah mit ihren großen, blauen Augen an und es war klar, dass sie die Situation sie überforderte.

Emily stieg aus und ging zur Hintertür des Pickups. Dann nahm sie Chantelles Hand, drückte sie aufmunternd und half ihr beim Aussteigen. Währenddessen liefen andere Kinder mit deren Eltern auf dem Gelände herum. Eine Gruppe Kinder spielte in einem Berg herabgefallener Blätter und ein paar Jungen jagten sich über den Rasen. Um ehrlich zu sein, fühlte sich Emily angesichts dessen selbst ein bisschen überfordert. Sie hatte nie sonderlich viel Zeit mit Kindern verbracht und vor allem nicht mit großen Gruppen von ihnen. Der Lärm war unbeschreiblich, sogar noch schlimmer als an dem Wochenende, an dem Gus und seine Gruppe an aufgedrehten Siebzigjährigen in der Pension gewohnt hatten.

Emily sah zu Daniel hinüber. Er schien ebenfalls etwas verloren zu sein. Unwillkürlich musste sie lachen, als sie an das Bild dachte, dass sie zu dritt abgaben – alle hatten sie große Augen und machten einen verwirrten Eindruck.

In diesem Augenblick kam eine junge Frau mit einem einladenden Lächeln auf sie zu. Sie trug eine Hose mit weitem Saum, dazu eine fliederfarbene Strickjacke und flache Schuhe – ein Outfit, an dem man Emilys Meinung nach sofort erkannte, dass sie Lehrerin war. Sie stupste Daniel an und beim Anblick seiner eingeschüchterten Miene, die Chantelles Gesichtsausdruck fast perfekt widerspiegelte, entschlüpfte ihr ein lautes Kichern. Vor einem Lehrer zu stehen, war anscheinend für alle Moreys ein erschreckendes Erlebnis.

„Hi, Ich bin Miss Glass“, stellte sich die junge Frau vor, während sie ihnen ihre Hand entgegenstreckte.

Emily übernahm die Führung und schüttelte die Hand der Lehrerin. Dabei fiel ihr auf, wie weich die Hände der anderen Frau doch waren und welch perfekt manikürten Nägel sie hatte.

„Ist das hier Chantelle?“, fragte Miss Glass, während sie ihre Aufmerksamkeit zusammen mit ihrem ultrasüßen Lächeln auf das kleine Mädchen richtete.

Chantelle wich einen Schritt zurück und klammerte sich an Emilys Hosenbein. Sofort strich Emily ihr beruhigend über den Kopf.

„Du brauchst keine Angst zu haben, Liebes“, sagte Miss Glass. „Alle freuen sich schon, dich kennenzulernen.“ Dann sah sie Emily und Daniel an. „Sie ist wirklich entzückend.“

Emily lächelte, denn nun fühlte sie sich schon etwas wohler bei dem Gedanken, Chantelle aus den Augen zu lassen und sie der Aufsicht eines anderen Menschen zu übergeben. Doch Daniel schien es immer noch schwerzufallen, sie gehen zu lassen.

Er ging neben Chantelle in die Hocke und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich wünsche dir einen wunderbaren Tag“, sagte er, doch Emily konnte hören, wie seine Stimme brach. „Ich kann es kaum erwarten, zu hören, was du mir alles berichten wirst.“

Er zog sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. Emily sah, dass er seine Lippen aufeinanderpresste, um die Tränen zurückzuhalten, die ihm zu entwischen drohten. Ihn so zu sehen, löste in ihr eine emotionale Welle aus und verstärkte ihre Liebe für ihn umso mehr.

Daniel löste sich aus der Umarmung und nun war es an Emily, dem Kind aufmunternde Worte zuzusprechen. Sie zog es fest an sich.

„Sei mutig“, sagte sie, „und zeig all den anderen Kindern, was für ein nettes, liebes und großzügiges Wesen du bist.“

Chantelle nickte. Dann wandte sie sich dem Schulgebäude zu und holte tief Luft. Daniel streckte seinen Arm aus und griff nach Emilys Hand.

„Sie wird sehr viel Spaß haben“, versicherte ihnen Miss Glass, als sie Chantelles noch etwas zögerliche Hand mit ihrer eigenen umschloss. „Das verspreche ich“, fügte sie mit hin und her schwingendem Arm hinzu.

Zusammen hielten Emily und Daniel die Luft an, während sie zusahen, wie Chantelle den Pfad zu ihrer neuen Schule entlangging. Auf der obersten Stufe blieb Chantelle stehen und drehte sich noch einmal um. Dann winkte sie ihnen, von Miss Glass ermuntert, zum Abschied zu, bevor sie im Gebäude verschwand.

„Unser kleines Baby hat seinen ersten Schultag“, flüsterte Emily.

*

Auf der Fahrt zur Pension fragte sich Emily, was sie wohl mit dem Tag anfangen würden. Obwohl Chantelle erst seit weniger als eine Woche wirklich Teil ihres Lebens war, konnte sie sich nicht daran erinnern, was sie vorher alleine getan hatte.

„Was sollen wir denn heute machen?“, fragte sie Daniel.

„Ich denke, ich sollte einziehen“, antwortete er, wobei er seinen Blick jedoch nicht von der Windschutzscheibe abwandte.

Emily war überrascht. „Heute?“

Daniel warf ihr einen Blick zu und grinste. „Es ist an der Zeit, dass wir eine richtige Familie werden“, sagte er.

Emilys Bauch schlug Purzelbäume. Ihre Beziehung mit Daniel entwickelte sich so rasant und es schockierte sie, wie sehr sie genau das eigentlich auch wollte.

Schon bald kamen sie an der Pension an, wo Daniel vor dem Kutscherhaus parkte. Als sie hineingingen, überkam Emily ein seltsames Gefühl der Nostalgie. Bereits jetzt schon fühlte es sich nicht mehr so bewohnt an, so als ob es sich durch die Dinge, die hier in letzter Zeit geschehen waren, irgendwie verändert hätte. Als Daniel für den Sommer nach Tennessee gegangen war, hatte er viele seiner Sachen mitgenommen und seine Kisten und Koffer bisher noch nicht wieder ausgepackt, weshalb einige Regale leer standen und sich in einer Ecke Gepäck stapelte.

Sie machten sich sofort an die Arbeit, indem sie Daniels Bücher und Platten in Kisten räumten, seine Kleider zusammenlegten und in Koffer steckten. Die Küche auszuräumen dauerte am längsten, weil Daniel so sehr an seinen kulinarischen Experimenten hing und für jede Eventualität die richtige Pfanne oder den passenden Topf zu haben schien. Doch insgesamt gesehen dauerte es nicht sonderlich lange, das Kutscherhaus auszuräumen. Daniel hatte so viele Jahre lang in so einer kleinen Hütte gelebt und Emily fragte sich, wie er sich wohl daran gewöhnen würde, in einem ausladenden und endlos großen Haus zu wohnen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er so lange alleine gewesen war und nun nicht nur mit seiner Partnerin und seiner Tochter zusammenleben, sondern immer wieder auch auf Pensionsgäste und dem Personal treffen würde! Emily wusste, dass es zweifelsohne hin und wieder zu ernsten Problemen kommen würde.

 

Als Emily und Daniel zum letzten Mal die Einfahrt zum Kutscherhaus entlangliefen, um die restlichen Sachen zu holen, blieben sie auf der kleinen Veranda stehen und schauten in das nun leere Häuschen hinein.

„Es sieht so seltsam aus“, sagte Daniel mit leicht schwermütiger Stimme.

Emily hoffte, dass er seine Entscheidung nicht bereute.

Zurück im Haupthaus machte sich Daniel daran, seine Sachen auszupacken und sie im großen Schlafzimmer zu verstauen. Emily selbst kümmerte sich mehr um Chantelles Zimmer. Es war nicht wirklich angemessen für ein kleines Mädchen. Es war für Gäste dekoriert worden und die Möbel waren viel zu erwachsen. Chantelle brauchte ein Kinderbett statt dieses riesigen, antiken Doppelbettes. Ihr Teddybär, der zwischen den weißen Bettlaken steckte, sah einsam und verlassen aus. Sie brauchte Spielzeug und eine Kiste und Regale, in denen sie diese verstauen konnte. Und sie könnte einen kleinen Schreibtisch statt dem aus Eichenholz gefertigten und mit seidenen, roten Kissen dekorierten Sitz unter dem Fenster gebrauchen, damit sie in den Garten hinausschauen konnte. Zudem nahm der große Schrank eine ganze Wand ein. Sogar mit all den Kleidern, die Emily für Chantelle gekauft hatte, war er immer noch zu groß.

In diesem Moment beschloss Emily, das Zimmer für Chantelle umzugestalten. Sie könnten daraus ein Projekt machen, an dem sie als ganze Familie arbeiteten. Chantelle könnte die Farben auswählen, die sie wollte, und sie könnten zusammen in den Laden gehen und dazu passende Kissen, Decken, Vorhänge und Teppiche finden. In der Zwischenzeit wollte Emily jedoch etwas tun, um den Raum sofort zu verschönern, und sie hatte auch schon eine passende Idee: sie würde ein paar ihrer eigenen alten Spielsachen vom Dachboden holen. Vor all diesen Monaten hatte sie ihre und Charlottes Spielsachen zusammengepackt, als sie ihr altes Zimmer in das erste Gästezimmer umgestaltet hatte.

Da Daniel so mit seiner eigenen Arbeit beschäftigt war, ging Emily alleine in den Dachboden hinauf und suchte nach den Spielzeugkisten, die sie dort oben ordentlich verstaut hatte.

Als sie damit begann, die Sachen erneut durchzusehen, stiegen all die Gefühle wieder in ihr auf. Obwohl sie viel Zeit damit verbracht hatte, das Spielzeug wegzupacken, löste die Tatsache, dass sie ihnen ein neues Leben gab, indem sie sie Chantelle überließ, Melancholie in ihr aus, so als ob sie sie Charlotte auf gewisse Weise gehen lassen würde. Aber es fühlte sich auch richtig an, dass Chantelle Charlottes alte Spielsachen bekommen würde, denn irgendwie hatte Emily das Gefühl, dass der Geist ihrer Schwester in Chantelle weiterlebte.

Während sie in den Kisten herumwühlte und Spielsachen auswählte, die für Chantelle angemessen wären, wurde sie von einer Kiste Fotografien abgelenkt. Sie wusste sofort, dass es die Bilder waren, die Daniel während des Sturms aus einem der Außengebäude gerettet hatte, diejenigen, für die er seine eigenen Bilder geopfert hatte. Bis jetzt hatte sie noch keine Gelegenheit dazu gehabt, sie durchzusehen, weshalb sie die erste Kiste aus dem Regal nahm und sich mit ihr auf den Boden setzte.

Die ersten paar Stapel zeigten Emily als Baby. Sie alle waren in dem Haus in Sunset Harbor aufgenommen worden, fast alle während der Sommerferien, und in den meisten von ihnen war auch ihre Mutter Patricia zu sehen. In diesen alten Fotos sahen ihre Eltern glücklicher aus, als sich Emily daran erinnern konnte, sie je gesehen zu haben. Vielleicht hatte es ja doch eine Zeit gegeben, in der ihre Ehe funktioniert hatte.

Im Laufe der Jahre tauchte Patricia immer seltener auf und auch ihr Lächeln schwand immer mehr. Dann erschien Charlotte als Baby und anschließend als Kleinkind. Anschließend verschwanden sowohl sie als auch Patricia komplett. Es schien fast so, als ob Patricia zusammen mit Charlotte gestorben wäre, doch Emily ahnte, dass sie sich vielmehr hinter der Kamera versteckt und beschlossen hatte, sich aus dem Rampenlicht fernzuhalten, genauso wie sie beschlossen hatte, nie wieder nach Sunset Harbor zu kommen. Die Momentaufnahmen einer glücklichen Familie im Garten verschwanden. Jetzt schienen die Bilder lediglich angespannte Augenblicke zu zeigen, die nur aufgenommen worden waren, weil es eben sein musste. Eine achtjährige Emily, die an Thanksgiving mit ihrem Vater an einem einsamen Tisch saß. Eine niedergeschlagene, neunjährige Emily, die zusammen mit ein paar Freunden Geburtstagsgeschenke öffnete, während ihr Vater verloren zusah. Die Jahre waren vergangen, doch der Trübsinn war geblieben.

Während Emily die Fotos durchblätterte und die Momentaufnahmen ansah, die sie noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte, traf sie eine Erkenntnis. Auf all den Fotos seit Charlottes Tod waren Emily und ihr Vater zusammen zu sehen. Das würde Sinn ergeben, wenn Patricia die Fotos gemacht hätte. Aber Emily war sich sicher, dass ihre Mutter seit Emilys zehntem Lebensjahr nicht mehr nach Maine gekommen war, und ganz gewiss nicht für Thanksgiving oder Halloween oder all den anderen Festlichkeiten im Herbst. Emily zermarterte sich den Kopf, um irgendeine Erinnerung zu wecken, in der auch ihre Mutter vorkam, denn mittlerweile wusste sie ja, wie viele Dinge sie in ihrem Kopf unterdrückte, doch ihr fiel nichts ein. Doch wenn ihre Mutter nicht bei der Familie gewesen war, wer hatte dann die Fotos geschossen?

Emily sah sich eines der Thanksgiving-Bilder noch einmal genau an. Der Tisch war für drei Leute gedeckt. Dann betrachtete sie die Weihnachtsfotos und bemerkte, dass sich zwischen ihren ausgepackten Geschenken aus Büchern, Schuhen und Malstiften und den Socken, Krawatten und Hemden, die ihr Vater bekommen hatte, der Morgenmantel einer Frau und ein großer Silberanhänger in einer Geschenkschachtel verbargen. Für wen waren diese Geschenke? Doch wohl nicht für Patricia, oder etwa doch? Hatte es in Emilys Kindheit noch eine dritte Person gegeben, die sie vergessen hatte? Jemand, der ihnen nahe genug stand, um Thanksgiving und Weihnachten mit ihnen zu verbringen?

Bereits im Sommer hatte sie befürchtet, dass ihr Vater eine heimliche Geliebte gehabt hatte, als sie so viele Bilder von der gleichen Künstlerin entdeckt hatte. Und nun hatte sie praktisch den Beweis dafür, dass es eine solche Frau wirklich gegeben hatte. Und doch existierte kein einziges Bild von dieser Geisterfrau. Hatte ihr Vater sie am Ende ihrer Affäre alle weggeworfen oder hatte sich die Frau absichtlich aus allen Fotos herausgehalten, sodass sie ihre Affäre fortsetzen konnten?

Emily schüttelte verwirrt den Kopf. Ihr letzter Gedanke ergab keinen Sinn. Wenn es wirklich eine geheime Liebhaberin gab, die sich von der Linse der Kamera aus lauter Angst, entdeckt zu werden, ferngehalten hatte, warum hatte diese Frau dann Halloween, Thanksgiving, Weihnachten und Geburtstage bei ihnen verbracht und auf diese Weise eine Bindung zu Emily aufgebaut? Hatten ihr Vater und diese Frau ihr das Versprechen abgenommen, Stillschweigen zu bewahren? Es erschien ihr schrecklich, einem jungen Mädchen so etwas anzutun und es dazu zu bringen, ihre eigene Mutter über die geheime Liebhaberin ihres Vaters anzulügen, doch welche andere Erklärung gab es denn? War das der Grund, warum Emily ihre eigenen Kindheitserinnerungen so erfolgreich ausradiert hatte, weil sie schon immer versucht hatte zu vergessen?

Dieser Gedanke beunruhigte Emily. Das wollte sie einfach nicht glauben. Weil sie die Wahrheit nicht kannte, musste sie sie erfinden.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?