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Das Festival der Liebe

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Das Festival der Liebe
Das Festival der Liebe
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Der Anruf endete abrupt.

Keira saß da, mit dem Telefon in der Hand, und hatte Schwierigkeiten mit dem Atmen. Sie hasste es zu heulen, aber sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. Sie schluckte schwer, ihre Kehle war wie zugeschnürt.

War das wirklich gerade passiert? Sie hätte nie erwartet, so etwas Fieses von Zachary zu hören. Sie war tief getroffen.

Sie erkannte, dass Bryn falsch gelegen hatte. Sie und Zachary hatten eigentlich überhaupt nie wirklich zusammengepasst. Er hatte gerade eine Seite von sich offenbart, die sie nie erwartet hätte. Zach war es nie darum gegangen, sie zu unterstützen, ihr zu helfen. Er wollte einfach eine Freundin, die da war, die ihn an die erste Stelle setzte, seine Bedürfnisse, und ihre eigenen nach hinten stellte.

Ihr wurde bewusst, dass Zach ein Mistkerl war. Wie hatte sie das bis dahin nicht bemerken können?

Sie krabbelte ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Draußen auf der Straße hörte sie die Stimmen der Singles auf der Suche nach dem richtigen Partner. Das erste Mal seit zwei Jahren gehörte Keira wieder dazu.

KAPITEL ACHT

Keira stand früh am nächsten Morgen vor Orins B&B. Das letzte, was ihr gebrochenes Herz jetzt brauchte, war ein üppiges irisches Frühstück, daher hatte sie dafür gesorgt, so spät dran zu sein, dass es dafür zeitlich nicht reichte.

Sie stand an der Straßenecke, die Arme schützend um den Leib geschlungen, und fühlte sich von Zach tief verletzt. Sie wusste nicht, wie sie diesen Tag überstehen sollte. Am liebsten wollte sie sich im Bett zusammenrollen und den ganzen Tag nur schlafen. Aber als sie Shanes Auto erblickte, fühlte sie sich merkwürdig erleichtert und die Einsamkeit wich von ihr.

Er hielt vor dem B&B und Keira stieg ein.

„Morgen“, sagte Shane steif.

Keira schaute ihn an. Sein Gesichtsausdruck war angespannt. Sie erinnerte sich daran, dass er gestern davon gesprochen hatte, jemanden aufsuchen zu müssen. Und sie war nicht die Person gewesen, mit der er darüber hatte reden wollen. Eigentlich hätte sie ihn fragen wollen, wie es gelaufen war, um zu sehen, ob sie ihm irgendwie helfen konnte. Aber die Trennung von Zachary hatte sie verunsichert. Und Shanes Zurückweisung gestern schmerzte nun umso mehr. Anstatt also mit ihm zu reden, starrte sie gedankenverloren aus dem Fenster.

„Morgen.“

Shane fuhr los. Keira suhlte sich in ihrem Elend, betrachtete das eintönige Grün und Grau der vorbeiziehenden Landschaft.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis Shane endlich sprach.

„Du bist sehr still“, sagte er.

„Du doch auch“, antwortete sie, den Blick noch immer nach draußen gerichtet.

„Stimmt schon.“

Wieder verfielen sie in Schweigen. Keira gefiel es nicht, wie das sonst übliche fröhliche Geplänkel ersetzt wurde von einem großen Nichts.

„Ich habe den Abend an einem Grab verbracht“, erklärte er schließlich. „Und du?“

„Ich bin einfach müde.“

„Da ist noch etwas anderes.“

Sie schaute ihn schließlich doch an. „Das geht dich nichts an“, gab sie dasselbe zurück, was sie gestern von ihm zu hören bekommen hatte.

Sie wollte nicht schnippisch klingen. Aber über die Trennung wollte sie auch nicht mit ihm reden. Was sie wirklich brauchte, war ein Gespräch mit Bryn oder ihrer Mutter. Die waren die ersten, an die sie sich üblicherweise wandte, wenn sie Trost brauchte. Aber Bryn war gerade joggen, als sie angerufen hatte, und sagte, sie habe gerade keine Zeit. Daher hatte sie ihr nicht mal von der Trennung erzählen können. Und bei ihrer Mutter musste sie mit einem Ich habe es dir ja gleich gesagt rechnen. Danach stand Keira gerade gar nicht der Sinn. Mit irgendjemand sonst in New York zu sprechen, war wegen des Zeitunterschieds nicht möglich. Seit sie nach Irland gekommen war, hatte Keira sich nicht so einsam gefühlt. Sie hätte sich bei Shane ausheulen können, aber sie waren beide nicht in der richtigen Verfassung dafür.

Sie schaute wieder aus dem Fenster und konnte Shanes Blicke auf sich spüren. Er drängte sie aber nicht und so verfielen sie wieder in dieses unangenehme Schweigen.

Im Vergleich zu den beiden anderen Ausflügen dauerte dieser viel länger. Das gab Keira reichlich Zeit zum Grübeln. Sie entschied, dass Shane entweder ihren Wunsch respektierte, nicht darüber reden zu wollen, oder er war zu verärgert über sie, dass er es gar nicht erst versuchte. Auch wenn die üblichen Spötteleien ausblieben, so schaute er doch immer wieder besorgt zu ihr herüber.

Schließlich sprach er doch.

„Keira, bist du sauer auf mich, weil ich dich auf dem Festival gestern allein gelassen habe?“, fragte er.

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Ich bin kein Kind, Shane. Ich strafe dich nicht mit Schweigen, weil du mich abgewiesen hast.“ Noch während sie es sagte, wurde ihr bewusst, dass das zumindest zum Teil ein Grund für ihr Schweigen gewesen war. Die Erkenntnis überraschte sie. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wieso eigentlich?“

„Das sagte ich doch“, antwortete Shane. Sein Hände umklammerten das Lenkrad. „Ich musste jemanden besuchen. Mehrere eigentlich.“

Keira konnte ihre Neugier nicht länger zähmen. „Wen denn?“

Shane holte tief Luft, dann atmete er langsam aus. „Ich will dich nicht mit meinem Kram belasten.“

„Es macht mir nichts aus“, antwortete Keira. Sie zupfte gedankenverloren an ihrem Hemd. „Es würde mich von meinem eigenen Kram ablenken.“

Shane blickte sie an. „Machen wir einen Deal. Ich erzähle dir von meinen Sorgen und du mir von deinen.“

Keira sackte in sich zusammen. Sie war noch nicht bereit, über die Trennung zu sprechen. Andererseits wollte sie aber wissen, was mit Shane los war. Vielleicht war es das Opfer wert.

„Einverstanden“, sagte sie schließlich.

Shane blickte wieder nach vorn. Die Straße war schmal, lang und leer. Es war, als wären sie die einzigen beiden Menschen auf der Welt.

Er warf ihr noch einen schnellen Blick zu. „Nichts davon wird in deinem Artikel erscheinen, okay?“

Keira machte eine beschwichtigende Geste. „Es bleibt unter uns“, bestätigte sie. Ihr wurde einmal mehr klar, wie viel besser Joshua für diesen Job geeignet gewesen wäre. Für den hätte es solch eine Einschränkung einfach nie gegeben. „Es muss etwas mit der Liebe zu tun haben“, mutmaßte sie.

Shane nickte. „Das wird dir nicht gefallen. Es richtet sich gegen alles, wofür du stehst.“

„Alles, wofür ich stehe?“, wiederholte Keira stirnrunzelnd. „Was meinst du denn damit?“

Shane räusperte sich und hielt den Blick fest auf die Straße gerichtet. „Du hast neulich eine Bemerkung über die erste Teenagerliebe gemacht.“

„Und dass die immer böse endet? Das hat dich beleidigt?“

Er nickte. „Es war mehr die totale Verachtung in deiner Stimme. Als würdest du nicht daran glauben, dass es das für irgendjemanden wirklich geben könnte.“

„Weil ich wirklich nicht daran glaube“, antwortete Keira. „Meiner Erfahrung nach zumindest. Ich meine, die Leute in meiner Bekanntschaft, die jung geheiratet haben, ließen sich auch schnell wieder scheiden. Und wenn sie doch zusammenblieben, dann nur, weil ihre Religion eine Trennung nicht erlaubte, oder zumindest nicht guthieß.“ Sie hielt inne. „Willst du mir damit sagen, dass du immer noch mit deiner Jugendliebe zusammen bist?“

Keira war erstaunt, wie sehr sie der Gedanke beunruhigte. Sie hatte Shane nie gefragt, ob er in einer Beziehung war. Sie hatte aufgrund seines Verhaltens einfach angenommen, dass es nicht so war. Er trug keinen Ring, aber was, wenn daheim ein Mädchen auf ihn wartete? Eines, das er jedes Jahr zurückließ, während er sich auf dem Festival vergnügte? Der Gedanke bereitete ihr Übelkeit.

„So in etwa“, antwortete Shane.

Panik kam in ihr auf. Waren alle Männer Fremdgänger? Suchten sich alle jemand anderes, sobald die Freundin außer Sichtweite war? Wie konnte man überhaupt so in etwa mit jemandem zusammen sein?

Neben ihr schien Shane in sich zusammenzusacken.

„Sie ist gestorben“, sagte er einfach.

Schuldgefühle stürzten auf Keira ein. Sie hätte nicht an ihm zweifeln dürfen. Sie hätte vor allem nicht ihre eigene Paranoia auf ihn projizieren dürfen.

„Das tut mir sehr leid“, sagte sie. „Kürzlich erst?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, das war vor langer Zeit.“

„Was ist passiert?“

„Wir haben uns in der Schule kennengelernt. Haben uns sofort ineinander verliebt. Aber das wussten wir anfangs gar nicht. Wir waren erst zwölf.“ Er schmunzelte in sich hinein. „Wir wurden älter, gingen miteinander aus. Es war perfekt. Ich habe ihr noch vor dem Schulabschluss einen Antrag gemacht. In der Nacht wurde sie schwanger.“ Wieder lächelte er und errötete ein wenig. „Mit achtzehn haben wir geheiratet. Dann, sie war im achten Monat, hörte das Baby auf, sich zu bewegen. Wir fuhren ins Krankenhaus. Das Baby war gestorben.“ Er klammerte sich an das Lenkrad. „Als sie unseren Sohn tot zur Welt brachte, starb sie ebenfalls. Ich hatte sie beide in einer Nacht verloren.“ Er schaute sie traurig an. „Deshalb sagte ich so in etwa. Bis dass der Tod uns scheidet. Es kam nur einfach viel schneller, als wir je erwartet hatten. Aber sie ist immer noch hier.“ Er tippte auf sein Herz.

 

Keira fröstelte. Sie hatte noch nie eine so tragische Geschichte gehört. „Wie war ihr Name?“, fragte sie sanft. „Falls du ihn mir sagen möchtest?“

„Deidre“, antwortete Shane. „Und ich habe den Jungen John genannt, nach ihrem verstorbenen Vater. Ich denke, das hätte sie gewollt.“

Keira wusste nicht, was sie noch hätte sagen sollen. Sie fühlte sich furchtbar, voller Trauer und Mitgefühl. Wie schrecklich, so etwas in so jungen Jahren schon durchmachen zu müssen. Kein Wunder, dass er über ihre blöde Bemerkung über die Jugendliebe so wütend gewesen war.

„Das sind die Gräber, die du gestern besucht hast?“, fragte sie behutsam.

Shane nickte.

„Weil es ihr Todestag war?“ Sie befürchtete, ihre Worte hatten Salz in die Wunde gerieben.

„Nein“, antwortete er. „Ich gehe immer hin, wenn ich das Bedürfnis verspüre. Das ist mehrmals im Jahr, immer noch. Gestern war so ein Tag.“

„Gab es einen Auslöser?“

Er schaute sie an. „Schuldgefühle.“

„Schuldgefühle?“, wiederholte sie. Dann wurde ihr bewusst, was er meinte. Seine Nacht mit Tessa. Mit einer anderen Frau zusammen zu sein, musste zwangsläufig Erinnerungen wecken. Zumindest nahm sie an, dass das der Grund war. Aber da war noch irgendetwas in seinen Augen, was sie nicht verstand.

„Wir sind da“, sagte Shane plötzlich.

Keira stellte verdutzt fest, dass sie komplett vergessen hatte, warum sie hier waren. Sie hatte sich ganz in Shanes Geschichte verloren.

Sie parkten vor einem ansehnlichen Haus. Es war ein eindrucksvolles, rotes Backsteingebäude, umrankt von Efeu. Damit hatte sie nicht gerechnet. Um ehrlich zu sein, hatte sie nicht einmal einen Blick in den heutigen Tagesplan geworfen, oder Shane gefragt, wohin der Ausflug heute gehen sollte. Sie hatte über die Sache mit Zach alles andere einfach vergessen.

„Das ist ja mal schick“, sagte sie.

„Muckross House“, erklärte Shane. „Es gibt Gärten und Seen und die Ländereien gehören heute zum Killarney Nationalpark.“

Keira schaute aus dem Fenster zu den Bergen ringsum. Sie hatten einen bläulichen Schimmer, wie der Hintergrund eines Aquarells.

„Wie wäre es mit einem Spaziergang?“, schlug Shane vor.

Sein Ton war viel sanftmütiger als Keira bisher von ihm gewohnt war. Sie wollte es nicht eingestehen, aber das beruhigte sie ungemein. Sie brauchte vielleicht nicht Bryns Trost, oder den ihrer Mutter. Vielleicht war jemand Neues besser, um damit umzugehen, als jemand Vertrautes.

Sie schüttelte den Gedanken sofort wieder ab. Hatte sie Zach nicht gerade erst vorgeworfen, wie schäbig es war, sich mit dem Erstbesten zu vergnügen? Wie konnte sie jetzt ähnliche Gedanken hegen? Und hatte Shane ihr nicht gerade gestanden, wie schlecht er sich fühlte, weil er mit einer anderen Frau zusammen gewesen war? Mal ganz abgesehen davon, dass er ihr Reisebegleiter war, der von ihrer Firma bezahlt wurde. Es wäre ganz und gar unpassend, etwas mit ihm anzufangen. Aber sie musste zugeben, dass eine gewisse Anziehung da war.

Sie stiegen aus dem Auto aus. Keira entdeckte etwas auf dem Gras.

„Ist das eine Ente?“, fragte sie und kicherte.

„Sieht so aus“, antwortete Shane und lächelte. „Muss wohl vom See herauf gekommen sein.“

„Oh, guck mal, da sind Entenküken!“, rief Keira, als ein Haufen kleine, gelbe Küken ihrer Mutter durch das Gras folgten.

Keira gurrte vor Begeisterung, bis sie bemerkte, dass Shane sie beobachtete. Einen solchen Gesichtsausdruck hatte sie noch nie von ihm gesehen. Er hatte so ein Zwinkern in den Augen. Nein, es war mehr ein Leuchten. Sie fragte sich, was William Barry daraus wohl machen würde.

„Ich wollte dir eigentlich sagen, wie hübsch du heute morgen aussiehst, aber du warst so traurig.“

Keira war schockiert, solche Dinge von ihm zu hören. Er fand sie hübsch?

„Ich war traurig“, bestätigte sie. „Ich bin es immer noch.“

Shane nickte. „Das sehe ich. Wir haben eine Abmachung, du erinnerst dich?“

Keira zögerte. Es erschien ihr zu riskant über Beziehungen und Romantik zu reden, denn sie wusste, wohin sich ihre Gedanken bewegten, was sie sich wünschte und was sie auslösen würde, sobald sie sich eingestand, dass sie wieder frei war. Aber sie fühlte sich von diesem Gedanken auch angezogen, spürte das aufregende Kribbeln voller Verheißung.

„Zach“, sagte sie, „mein Freund, er ist nicht länger mein Freund.“

Shane wirkte aufrichtig betroffen. Keira konnte beinahe spüren, wie sehr er sie trösten, in den Arm nehmen wollte. Aber er tat es nicht, und dafür war sie ihm dankbar.

Sie begannen, den Weg entlang zu spazieren, der um das wunderschöne viktorianische Gebäude herum führte.

„Er hat mich betrogen“, sagte Keira nach einer Weile. „Ich wollte eigentlich mit ihm zur Hochzeit seiner Schwester gehen. Aber ich hatte diesen Auftrag angenommen. Da hat er mit einer der Brautjungfern geschlafen.“

Shane schaute sie mitfühlend an. „Tut mir leid. Das ist fies.“

Keira schlang sich die Arme um den Leib, als wolle sie sich gegen den Schmerz wappnen.

„Falls es dir hilft“, sagte Shane, „ich bin sehr froh, dass du den Auftrag angenommen hast.“

Keira erstarrte. Was meinte er damit? Bisher hatte er sich benommen, als wäre sie der Feind. Er hatte sich mit dieser Tessa vergnügt. So verhielt man sich nicht, wenn man jemanden mochte.

„Es ist nett, Gesellschaft zu haben“, fügte er schnell hinzu. „Ich bin auch fort von daheim. Während des Festivals bekomme ich manchmal Heimweh, da ist es nett, ein freundliches Gesicht zu sehen.“

Keira wurde bewusst, dass sie streng genommen nichts über Shane wusste. Sie kannte lediglich seine Ansichten über Romantik und dass seine Sicht auf die Dinge ziemlich von ihrer abwich. Sie waren direkt in die tiefschürfenden Themen eingestiegen, hatten den netten Small Talk einfach ausgelassen, über ihr Zuhause, ihre Familien, ihre Freunde, was ihnen wichtig war.

„Ich weiß nicht, was ich sagen könnte, damit es dir besser geht“, sagte Shane, „aber es wird besser.“

Sie nickte und fühlte sich ein wenig sprachlos. Selbst als er sich wie ein Idiot benommen hatte, war da eine gewisse Anziehungskraft gewesen, jetzt spürte sie diesen Sog noch viel stärker, sie konnte sich dem nicht entziehen.

„Ich würde sagen, trink einen darauf“, sagte er mit schiefem Grinsen, „aber das ist ja nicht so dein Ding.“

Sie lachte und schüttelte den Kopf. „Ich kriege langsam schon einen Bierbauch“, sagte sie lachend und klopfte sich auf den Bauch.

„Wie wäre es dann mit einem Brunch?“ Shane deutete auf ein Schild, das auf den Tea Room verwies.

„Das klingt nett“, sagte Keira. Sie hatte nicht gefrühstückt und verspürte nun einen ziemlichen Hunger.

Sie spazierten den Pfad entlang zum Teehaus und traten ein. Es war ein wunderschönes, kleines Gebäude, wahrscheinlich ursprünglich das Cottage des Verwalters, das man in ein schlichtes Café umgebaut hatte.

Sie setzten sich an einen kleinen runden Tisch, ihre Knie berührten einander beinahe. Keira fragte sich, ob das hier so eine gute Idee war. Es hatte etwas von einem Date und das machte alles noch verwirrender.

Sie bestellten sich Spiegeleier auf Roggenbrot mit Kaffee und Saft. Keira versuchte sich Joshua hier vorzustellen, in diesem rustikalen Café, mit dem zerbrechlichen Porzellan. Er wäre aufgefallen wie ein bunter Hund. Keira stellte fest, dass sie viel besser hierher passte, als sie je vermutet hätte.

Das Essen wurde serviert und sie begannen, schweigend zu essen. Keira fiel auf, dass Shane etwas niedergeschlagen war. Ihr wurde bewusst, dass sie über ihre Trennung gejammert hatte, während er doch bereits mit achtzehn Witwer geworden war. Er wusste über die Liebe und den Verlust viel mehr als sie und hatte viel mehr durchmachen müssen. Er musste sie für eine dusselige Kuh halten.

„Tut mir leid, dass ich so trübselig bin“, platzte es aus ihr heraus.

Shane schüttelte den Kopf. „Muss es nicht. Du machst eben gerade eine schwierige Zeit durch.“

Keira rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Aber das muss dir so albern vorkommen, wenn man bedenkt, was du selber durchmachen musstest.“

„Du meinst, mit Deidre?“ Ein dünnes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Du kannst ruhig ihren Namen sagen, weißt du? Ich hätte dir nicht davon erzählt, wenn ich nicht grundsätzlich bereit wäre, darüber offen zu sprechen.“

Keira nickte. Sie hatte das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, dass er ihr sein dunkelstes Geheimnis anvertraut hatte. Und sie hatte es zunächst nicht einmal verstanden. „Ja, ich meinte Deidre.“

„Es ist dir bestimmt aufgefallen, dass ich nach Deidre nicht wie ein Einsiedler gelebt habe“, sagte Shane. „Es ist nicht so, als wäre ich nie mit einer anderen Frau zusammen gewesen. Ich hatte andere Beziehungen, auch längere, andere ziemlich kurz. Caroline war meine nächste große Liebe.“

„Oh Gott, was ist mit ihr passiert?“, fragte Keira und rechnete mit dem Schlimmsten. Tuberkulose oder so etwas.

„Sie hat mich betrogen“, antwortete Shane.

Damit hatte Keira nicht gerechnet. Dass Shane dasselbe durchgemacht hatte, wie sie selber gerade, brachte sie irgendwie näher zusammen. „Obwohl sie wusste, was du mit Deidre durchgemacht hattest?“

Shane nickte. „Manche Leute sehen einfach nicht, welche Auswirkungen ihre Handlungen auf Andere haben.“

„Das ist lobenswert diplomatisch formuliert.“

Shane zuckte mit den Schultern. „Ich denke, davon kann sich keiner wirklich freisprechen.“

Keira ging nicht davon aus, dass Shane speziell sie damit meinte, aber es passte schon irgendwie. Zach hatte ihrer Beziehung praktisch das Wasser abgegraben, als er mit Julia ins Bett gegangen war, aber sie war selber auch nicht ganz unschuldig gewesen. Sie konnte sich einfach nicht in seine Position versetzen, seine Ansichten nachvollziehen, über ihre Karriere, ihre Prioritäten, in denen er nicht an erster Stelle kam. Er mochte die Beziehung faktisch beendet haben, aber sie hatte selber auch daran gerüttelt.

„Du hast eben gesagt, du vermisst deine Familie“, sagte Keira. „Wieso siehst du sie denn nicht?“

„Sie wohnen eben weit weg von Lisdoonvarna. Genauer gesagt, wohnen sie ganz in der Nähe von hier.“

„Dann solltest du dir den Tag frei nehmen und sie treffen“, schlug Keira vor.

Shane schüttelte den Kopf. „Ich kriege den Job nächstes Jahr vielleicht nicht, wenn jemand erfährt, dass ich mich darum gedrückt habe. Und ich brauche das Geld.“

Keira fühlte sich schlecht. Jemanden zu vermissen, und ihnen doch so nah zu sein, war schlimm. Mit Bryn fühlte sie sich auch manchmal so, eigentlich nur einen Anruf entfernt, aber der Zeitunterschied machte es doch unmöglich.

„Ich habe eine Idee“, sagte Keira. „Es ist dein Job, mir das echte Irland zu zeigen, richtig? Dann zeig mir deine Heimatstadt, deine Familie.“

Shane spuckte beinahe seinen Kaffee aus. „Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, dich meinen Eltern vorzustellen“, witzelte er.

Keira rollte mit den Augen. „Na, komm schon. Ich biete dir hier ein Schlupfloch.“

Er sah nicht sonderlich überzeugt aus. „Es wäre noch eine Stunde Fahrt von hier. Ich weiß nicht, ob wir rechtzeitig zum Festival heute Abend zurück sind.“

Keira dachte an die erschreckend geringe Zahl an Interviews in ihrem Notizbuch und an den Entwurf, den sie Nina schicken musste.Die vielen Seiten, die sie wieder verworfen hatte, weil sie nicht länger bereit war, die Menschen, die sie interviewt hatte, niederzumachen. Das Festival für eine Nacht sausen zu lassen, war schon ziemlich verwegen. Es sei denn….

„Sind deine Eltern noch verheiratet?“, fragte sie.

„Vierzig Jahre und immer noch zusammen“, antwortete Shane lächelnd.

„Meinst du, ich könnte sie interviewen?

 

Shane sah sie erstaunt an. „Sie reden beide gern, insofern sollte das gehen.“

„Na bitte“, sagte Keira triumphierend. „Damit wären deine Eltern meine Interviewpartner für heute. Über das Festival und Irland im Allgemeinen habe ich genug Material. Ich brauche nur mehr Interviews.“

Shane strahlte schließlich, als ihm bewusst wurde, dass sie es wirklich ernst meinte.

„Gut, großartig! Ich rufe sie an und sage ihnen, dass wir kommen.“

Keira lächelte, als er aufstand und nach draußen ging, um zu telefonieren. Das einzige Problem war, dass sie ja eigentlich diese ganzen Mythen von Liebe und Romantik in der Luft zerreißen sollte. Aber in ihr hatte sich etwas verändert. Ihre Schutzmauern begannen, in sich zusammenzufallen. Irland hatte ihr Herz berührt, die Menschen, das romantische Flair. Erst recht jetzt, da Zach sie abserviert hatte.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Elliot hatte verlangt, dass der Artikel Erfahrungen aus erster Hand lieferte, aber was, wenn sie jetzt einen ganz anderen Ansatz wagte? Die zynische New Yorkerin, die nach einer schmerzhaften Trennung mitten ins Festival der Liebe geriet? Was, wenn sie ihr eigenes Leben und nicht nur ihre Ansichten in den Mittelpunkt des Artikels stellte?

Shane kam zurück. „Fertig? Meine Familie ist begierig, dich kennenzulernen.“

„Wirklich?“, fragte sie, stand auf und nahm ihre Tasche.

„Sie freuen sich immer, wenn mal eine weitere Frau im Haus ist“, sagte er über seine Schulter hinweg, als sie ihm zum Auto folgte.

„Was meinst du mit weitere Frau?“, fragte sie neugierig.

Shane grinste. „Das wirst du noch früh genug sehen.“