Za darmo

Das Festival der Liebe

Tekst
Oznacz jako przeczytane
Das Festival der Liebe
Das Festival der Liebe
Darmowy audiobook
Czyta Ina Leva
Szczegóły
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

KAPITEL EINUNDZWANZIG

Keira stieß die Bürotür vom Viatorum Magazin auf und schritt über den gekachelten Boden. Das Weiß und das viele Glas erschienen ihr nun viel zu steril, viel zu hell. Das große Büro war reine Platzverschwendung.

Die gesamte Belegschaft blickte bei ihrem Eintreten auf. Ein paar neue Gesichter waren darunter, und ein paar vertraute Gesichter fehlten. Lisa war nirgends zu sehen. Auch Duncan nicht. Joshua heuerte und feuerte also offenbar weiterhin nach Belieben.

Etwas wackelig auf den ungewohnten Stilettos, ging sie direkt zu Ninas Schreibtisch.

„Da bist ja wieder“, sagte Nina, stand auf und umarmte sie. Sie schaute über Keiras Schulter. „Nur zu deiner Information: Joshua kommt heute zum ersten Mal wieder ins Büro, seit er sich das Bein gebrochen hat. Einzig, um deinen Artikel zu lesen. Und um rumzubrüllen, nehme ich an. Ich schätze, der Krankenhausaufenthalt hat an seiner Männlichkeit genagt und jetzt muss er das kompensieren, indem er ein paar unserer neuen Autoren einschüchtert.“

„Ich hatte nichts anderes von ihm erwartet“, witzelte Keira. „Was den Artikel betrifft….“

Ninas Augen verengten sich. „Sag nicht, du hast ihn nicht fertig.“

„Oh, der ist fertig. Aber ich möchte nicht, dass er veröffentlicht wird.“

Nina atmete geräuschvoll aus. Sie sah frustriert aus. „Warum nicht?“

„Weil er nichts taugt“, erklärte Keira kühn. „Das ganze Ding taugt nichts. Der Auftrag war Blödsinn. Ich will nicht, dass mein Name über so einem Artikel auftaucht.“

Nina rieb sich verzweifelt das Gesicht. „Und was soll ich deiner Meinung nach nun tun?“

Keira grinste. „Ich habe einen neuen Artikel geschrieben.“

Sie reichte Nina das ausgedruckte Dokument. Sie hatte den gesamten Flug gebraucht, um den Artikel zu schreiben. Es war ihr um Längen leichter gefallen, als der andere. Sie beobachtete Nina gespannt, die den Text kurz überflog.

„Das klingt ja eher wie ein Liebesbrief“, sagte sie schließlich und schaute Keira ratlos an.

„Das ist einer. Was denkst du?“

„Ich denke, dass Joshua die neue Version nicht gefallen wird“, erklärte Nina schlicht.

„Ich weiß. Aber das ist mir egal. Gefällt sie dir?“

Nina wirkte nicht überzeugt. „Ich meine, mit ein bisschen editieren würde der Artikel sicher besser.“

Keira lachte. „Natürlich, davon war ich ausgegangen.“

„Aber dafür bleibt keine Zeit. Die Deadline ist heute.“ Nina klang ernst, die Zeit der Scherze war vorbei. „Und du sagst mir, wir haben nichts zum Veröffentlichen.“

„Aber das haben wir doch“, sagte Keira. „Wir veröffentlichen es auf jeden Fall. Ich habe einen Plan. Aber ich brauche deine Hilfe.“

Nina verschränkte die Arme. „Das gefällt mir irgendwie nicht.“

„Es ist ganz einfach. Du wirst einfach aus Versehen den falschen Beitrag hochladen, also nicht den, den Joshua zu lesen kriegen wird. Was meinst du dazu?“

Nina sagte zunächst einmal gar nichts. Dann breitete sich ein fieses Grinsen auf ihrem Gesicht aus.

„Okay, ich bin dabei.“

In dem Moment ging die Tür auf und Joshua humpelte herein. Sofort verkrampfte jeder im Büro. Offenbar hatte er niemandem gesagt, dass er heute hier erscheinen würde.

Joshua hatte sich die Mühe gemacht, seine Haartolle zu stylen und sich sogar ein Jackett angezogen, in einem grellen senfgrün. Das passte so gar nicht zu seiner schlabberigen Jogginghose. Der Gips reichte ihm bis zum Oberschenkel. Keira bemerkte, dass niemand darauf unterschrieben oder lustige Bildchen hinterlassen hatte. Sie empfand Mitleid anstatt Häme.

„Keira. Nina. Mein Büro. Jetzt.“

Joshua humpelte mit den Krücken in sein Büro. Keira warf Nina ein ermutigendes Lächeln zu, dann folgten sie ihm durch das gesamte Büro, unter den Augen aller Kollegen und traten hinter ihm ein.

Sobald sie drin waren, ließ Joshua seinem Genörgel freien Lauf.

„Ich muss schon sagen, Keira, ich bin entsetzt, wie du dich bei diesem Auftrag aufgeführt hast. Ich hatte darauf gehofft, dass du meinen Stress ein wenig mildern könntest, aber du hast alles nur noch verschlimmert. Elliot sitzt mir deinetwegen ständig im Nacken. Ich wünschte, er hätte dir diesen Auftrag nie überlassen. Ich hätte selbst vom Krankenbett aus einen besseren Artikel schreiben können.“

Keira hörte ihn an, reagierte aber nicht auf seine Beleidigungen. Es überraschte sie, wie wenig seine Meinung sie noch interessierte. Ihre Erlebnisse in Irland hatten sie verändert.

„Und Nina musste sich deinem Zeitplan auch anpassen“, fuhr er fort. „Du bist nicht die einzige Schreiberin, die sie editiert. Hast du eine Vorstellung davon, wie schwer das für sie war, alles unter einen Hut zu bringen? Ich dachte, ihr beide seid befreundet? Nette Art, seine Freunde zu behandeln“, fügte er mit einem fiesen Grinsen hinzu.

Keira ließ das alles über sich ergehen, es prallte einfach von ihr ab, ohne sie im Inneren wirklich zu berühren.

„Also? Was hast du dazu zu sagen?“, fragte Joshua schließlich.

Sie reichte ihm ihren Artikel, die ursprüngliche Version, mit den bissigen Kommentaren über Land und Leute. „Dies ist die endgültige Version.“

Joshua runzelte die Stirn. Offenbar hatte er darauf gehofft, dass sie zu Kreuze kriechen würde. Keira fragte sich, ob er überhaupt damit gerechnet hatte, einen fertigen Artikel zu bekommen. Damit hatte sie ihn auf jeden Fall auf dem falschen Fuß erwischt.

„Na schön“, sagte er. Er setzte sich hin und begann zu lesen. Hin und wieder grunzte er, was Keira als Anerkennung interpretierte. Als er fertig war, schaute er auf. „Das ist in Ordnung. Das wird wohl reichen. Nina, du übernimmst ab hier.“

Dann stand er auf.

Falls Keira noch wert auf seine Meinung gelegt hätte, wäre ein solch lapidarer Kommentar niederschmetternd für sie gewesen. Sie hatte noch nicht so viel Erfahrung und es war ihr erster großer Auftrag gewesen. Mal abgesehen von dem wirklich unpassenden Verhalten, den Artikel zu verschleppen und E-Mails zu ignorieren, hätte er zumindest zu ihrem Stil etwas sagen können. Aber es ging ihm gar nicht darum, sie als Autorin zu ermutigen oder ihr Tipps zu geben, um sich zu verbessern. Er wollte einfach nur Leute niedermachen und unliebsame Konkurrenz loswerden. Endlich konnte sie das klar sehen. Sie hätte preisverdächtig schreiben und sich vorbildlich benehmen können, sich die Nächte um die Ohren hauen können, er hätte sie auf jeden Fall runtergeputzt.

Nina nahm ihm das Dokument ab.

„Danke. Soll ich den finalen Entwurf erst noch Elliot vorlegen?“

Joshua schüttelte den Kopf. „Nein, das interessiert ihn nicht. Er befasst sich längst mit anderen Dingen, mit anderen Aufträgen. Ich nehme an, er hat diesen längst vergessen.“

Keira rollte mit den Augen, als Joshua an ihr vorbei aus dem Zimmer humpelte. Sie fing Ninas Blick auf und grinste. Sie kehrten an Ninas Schreibtisch zurück. Keira setzte sich neben sie und schaute zu, wie sie den neuen Artikel für die nächste Ausgabe hochlud, ihren Liebesbrief an Irland.

Keira schaute ihr zu, wie sie den Text hin und her schob, ihn richtig setzte und in das Magazin einfügte. Zusammen mit den Fotos, die Keira drin haben wollte, sah das wirklich gut aus. Sie hatte noch nie einen ihrer Texte so gesehen. Es wirkte alles sehr professionell. Sie empfand Stolz bei dem Anblick.

„Wann geht das in den Druck?“, fragte Keira.

Nina drehte sich mit dem Stuhl zu ihr um. „Heute Nacht. Das E-Zine geht um Mitternacht online.“

Keira lächelte. Sie freute sich geradezu diebisch auf die Reaktionen, wenn Joshua bemerkte, was sie getan hatte.

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Ohne eigenes Apartment, in das sie hätte heimkehren können, blieb Keira nichts anderes übrig, als nach Büroschluss zu ihrer Schwester zu gehen. Sie nahm den Fahrstuhl rauf zu Bryns Wohnung, ihr Gepäck im Schlepptau. Sie war so erschöpft, der Schlafmangel machte sich nun deutlich bemerkbar, erst recht nach dem angestrengten Schreiben während des Flugs. Aber als Bryn ihr mit strahlendem Gesicht die Tür öffnete, regten sich ihre Lebensgeister wieder.

„Schwesterherz!“, rief Bryn. „Du hast mir so gefehlt!“

Die beiden umarmten sich. Keira war sehr froh, wieder bei ihrer Schwester zu sein.

Bryn zog sie in die Wohnung und gleich bis in die Küche. Eine Flasche Wein und zwei Gläser standen schon für sie bereit. Bryn schenkte ihnen beiden ein Glas ein und setzte sich.

„Erzähl mir alles. Diese verschiedenen Zeitzonen sind Mist. Und in den letzten 48 Stunden hast du nicht einmal auf meine Nachrichten geantwortet. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ob der Flieger abgestürzt wäre.“

Keira hob eine Augenbraue. Sie hatte vergessen, wie laut Bryns Stimme sein konnte und wie viel sie reden konnte, ohne Luft zu holen. Sie hatte das New Yorker Tempo komplett verdrängt.

„Jetzt bin ich ja hier“, sagte sie. „Ich hatte noch einiges zu erledigen.“ Sie lächelte innerlich bei der Erinnerung an Shane.

Bryn schaute sie misstrauisch an. „Was denn? Oder sollte ich vielleicht besser fragen, mit wem denn?“

Keira schüttelte tadelnd den Kopf. „Wenn du es genau wissen willst, mit Shane.“

 

„Immer noch?“, rief Bryn und schaute sie mit großen Augen an.

„Es war mehr als nur eine heiße Nacht“, sagte Keira. „Das war eine Liebesaffäre wie ein Wirbelwind.“

„Du meinst eine Bettgeschichte. Oder nicht? Ich meine, so schnell verliebt man sich doch nicht.“

Keira zuckte mit den Schultern. „Ich bin Menschen begegnet, die sich auf den ersten Blick verliebt haben. Menschen, die innerhalb von 24 Stunden geheiratet haben. In der Liebe gibt es kein richtig oder falsch. Wenn du sie findest, dann findest du sie.“

Bryn war unbeeindruckt. „Aber er lebt in Irland, Schwesterchen. Du wirst ihn nie wieder sehen. Und sich per Computerkamera zu sehen, verliert schnell seinen Reiz.“

In dem Punkt musste Keira ihrer Schwester recht geben. Die Sache mit Shane hing ein wenig in der Luft. Die Stimme der Vernunft sagte ihr, dass es dabei bleiben würde, dass sie etwas geteilt hatten, was sich nicht verlängern ließ. Die Vernunft riet ihr auch, sich einfach darüber zu freuen, dass sie es überhaupt erlebt hatten. Aber die wild-romantische Stimme in ihr beharrte darauf, dass es auch anders ging. Sie wollte nicht loslassen, aufgeben oder nachlassen. Sie wollte für ihre Liebe kämpfen.

Bryn nahm einen Schluck Wein. „Was ist denn der Stand der Dinge mit dir und Zach? Ziehst du aus? Ich meine, du kannst natürlich hier wohnen solange du willst, aber du kennst meinen Lebensstil und weißt, dass ich Zeit für mich brauche. Die Arbeit ist im Moment sehr stressig und da brauche ich daheim Ruhe, um mich zu erholen. Ich habe mit Mama gesprochen, und sie meinte, du kannst auch bei ihr unterkommen, wenn du möchtest.“

Keira schaute ihre Schwester an und seufzte. So sehr sie Bryn auch mochte, sie konnte nicht umhin, sich zu wünschen, sie wäre ein wenig mehr wie die Lawder-Schwestern. Ihr wurde bewusst, dass sie nicht nur Shane vermisste, sondern die ganze Familie.

„Ich muss eigentlich nur in New York bleiben, um den Artikel abzuliefern. Ich schätze, das wird nicht allzu lange dauern. Ich bin dir bald aus dem Weg.“

Sie lächelte innerlich und schaute auf die Uhr und zählte die Minuten, bis er Artikel veröffentlicht wurde. Sie hatte keine Angst, aber sie war natürlich schon aufgeregt. Das Gefühl, gegen Joshua aufzubegehren hatte etwas Erhebendes. Und im Gegensatz zu dem Müll, den sie vorher schreiben musste, sprach ihr dieser Artikel wirklich aus dem Herzen. Sie konnte es kaum erwarten, bis Shane, Orin, William, Maeve, die Lawders, einfach alle, die sie in Irland kennengelernt hatte, ihn lesen würden.

*

Bryns Couch war viel zu unbequem, um darauf anständig schlafen zu können. Und der Lärm, der von der Straße herauf ins Zimmer drang, ließ einfach nicht nach. Keira war beinahe erleichtert, als sie am nächsten Morgen mit der Gewissheit erwachte, an diesem Tag gefeuert zu werden. Sie warf einen Blick auf ihr Handy und sah, dass Nina ihr eine Nachricht geschickt hatte. Der Artikel war online. Keira grinste. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Sie duschte und trank einen schwarzen Kaffee. Dann trat sie auf die Straße. Der Lärm und die Lautstärke waren unerträglich. Die Menschen mit den trüben Gesichtern, die an ihr vorbei eilten, auf dem Weg zur Arbeit, berührten sie auf merkwürdige Weise. Sie vermisste die Gelassenheit Irlands, die Ruhe, die Fröhlichkeit der Menschen.

Sie nahm ein Taxi zum Büro und ging hinein. Sie war die Erste. Nina traf kurz darauf ebenfalls ein.

„Hast du schon etwas von Joshua gehört?“, fragte Keira.

Nina schüttelte den Kopf. „Bisher nicht. Die Schmerzmittel hauen ihn offenbar ziemlich um. Ich schätze, er wird jetzt bald aufstehen.“ Sie schaute auf ihre Uhr und nickte. „Es bleiben also ungefähr noch fünf Minuten bevor er merkt, was du getan hast.“

Sie saßen da und warteten auf den unvermeidlichen Anruf, die Explosion, sobald Joshua es herausfand.

„Die Zahlen auf der Webseite sind übrigens sehr interessant“, sagte Nina. Sie schaltete ihren Computer ein. „Dein Artikel hat schon fünfmal so viele Kommentare wie sonst üblich für den Leitartikel.“

Keira war erstaunt. „Und ist das gut oder eher schlecht?“

„Es ist immer gut, wenn die Leser aktiv werden“, sagte Nina. Sie klickte auf den ersten Kommentar, eine Reaktion auf ihren Artikel. „Es gibt jede Menge positive Reaktionen.“

Keira lächelte. „Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ich dachte, er ist viel zu ernst für unsere Leser. Sollten die nicht alle furchtbar ironisch sein?“

„Vielleicht hat Joshua sie falsch eingeschätzt“, sagte Nina. Sie drehte sich mit ihrem Stuhl zu Keira. „Oder vielleicht ist Ironie auch einfach nicht mehr gefragt. Authentisch zu sein, ist vielleicht der neueste Trend.“

Keira lachte. In dem Moment hörten sie, wie die Türen aufgingen. Ein paar verschüchterte Neulinge kamen herein.

„Arme Kinder“, sagte Nina. „Heute ist ihr erster Tag mit Joshua im Büro. Er hat gestern Abend noch allen eine E-Mail geschrieben, dass er das Magazin wieder in Form bringen will, dass er von ihnen enttäuscht ist, weil sie nicht auf Zack waren, während seiner Abwesenheit. Er sagte, er würde jeden rauswerfen, der nicht pünktlich ist.“

Keira rollte mit den Augen. Sie hatte anfangs dieselben Ängste ausgestanden. Er war ein Mistkerl.

Ninas Telefon klingelte.

„Und los geht's“, sagte sie.

Sie nahm ab. Keira konnte Joshuas wütende Stimme sogar durch den Hörer hören. Nina verzog das Gesicht und hielt den Hörer ein Stück weg von ihrem Ohr.

„Ich habe was?“, fragte sie unschuldig, mit gespielter Unwissenheit. „Den falschen Text? Wovon redest du denn?“ Sie zwinkerte Keira zu und tippte mit der anderen Hand etwas in den Computer. „Ach du meine Güte, du hast Recht! Ich Tölpel, ich. Zurückziehen? Bist du sicher? Der Artikel bekommt eine Menge Klicks.“ Sie wartete ab, bis Joshua eine weitere Tirade abgelassen hatte. „Nein, kein Problem, du bist der Chef. Bis gleich.“ Sie legte auf.

„Und? Was sagt er?“, fragte Keira gespannt.

„Er ist im Taxi und wird in fünf Minuten hier sein. Wenn der Artikel dann noch online ist, will er ihn selber löschen und irgendjemand, ich zitiere: 'wird dafür bezahlen'.“

„Cool“, witzelte Keira.

Präzise fünf Minuten später traf Joshua im Büro ein. Mit hochrotem Kopf platzte er zur Tür herein. Die neuen Schreiberlinge sanken tiefer in ihre Stühle, um ihm bloß nicht aufzufallen. Sie tippten eifrig auf ihre Tastaturen, um möglichst beschäftigt auszusehen. Aber Joshua interessierte sich ohnehin nicht für sie.

„Keira. Nina. Mein Büro. Jetzt!“

Seine Stimme hallte durch das große Büro.

„Das Spektakel nimmt seinen Lauf“, flüsterte Keira.

Sie betraten das Büro. Joshua humpelte auf seinen Krücken auf und ab, ein Anblick, den Keira eher amüsant als einschüchternd fand.

„Was zur Hölle geht hier vor?“, kläffte er. „Was soll dieser Mist?“ Er wedelte mit einer frisch gedruckten Ausgabe vor ihnen herum. „Ein Liebesbrief an Irland?“

„Ich weiß nicht, wie das passieren konnte“, log Keira. „Ich muss Nina das falsche Dokument geschickt haben.“

Joshua schaute sie finster an. „Hast du eine Vorstellung, wie teuer du diese Firma damit zu stehen kommst? Wir haben das Magazin bereits gedruckt. Die Hälfte ist schon ausgeliefert. Von der Webseite ganz zu schweigen. Tausende von Menschen haben dieses Gesülze schon gelesen.“

Keira hob eine Augenbraue. „Tausende?“, fragte sie ganz unschuldig. „Das klingt nach einer ganzen Menge, wenn man bedenkt, dass der Artikel erst seit ein paar Stunden online ist.“

Joshuas Gesicht nahm eine tiefrote Farbe an. „Ich glaube, du bist dir des Ernstes der Lage nicht bewusst, Keira. Du hast damit den Ruf des Magazins aufs Spiel gesetzt!“

Seine Stimme legte noch an Lautstärke zu. Keira wusste, was das bedeutete. Er wollte sie vor den neuen Mitarbeitern demütigen.

„Hinzu kommt noch, dass Heather mir einige Belege von deiner Reise geschickt hat. Die Leihwagenfirma stellt uns einen Schaden am Fahrzeug in Rechnung. Sie behaupten, der Wagen wäre unter anderem mit Schafmist verdreckt gewesen. Und wie zur Hölle hast du eine Beule in das Dach bekommen?“

Keira musste innerlich schmunzeln, als sie an den Tanz mit Shane dachte, an den wunderbaren, romantischen Augenblick. Allein der Gedanke an Shanes Liebe war ausreichend, um sie gegen Joshuas Attacken zu schützen.

„Es hat da vielleicht ein paar Vorfälle gegeben“, gab sie freimütig zu. „Schafe hatten durchaus damit zu tun.“

Joshua warf wütend die Arme in die Luft. „Swanson, ich war noch nie so sehr enttäuscht von einem unserer Autoren. Du hast Schande über das Viatorum Magazin gebracht.“ Seine Augen funkelten hämisch, als er endlich seine Lieblingsworte aussprechen konnte. „Keira, du bist gefeuert.“

„Wieso überrascht mich das nicht?“, gab sie zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn kühl. Sie stellte zufrieden fest, dass seine Einschüchterungsmethoden bei ihr nicht mehr wirkten. Sie brauchte seine Anerkennung nicht mehr. Im Gegenteil. Dass er sie so sehr ablehnte, erfüllte sie mit einer Welle der Erleichterung. Von jemandem wie Joshua wollte sie gar nicht gemocht werden. Sie wollte auch nicht reinpassen in seine giftige Arbeitsatmosphäre.

„Weißt du, was du bist, Joshua?“, fragte sie. „Du bist ein Feigling. Du machst die Leute nieder, um sie als Konkurrenten loszuwerden. Dir ist nichts gut genug, weil du nie etwas anderes machst, als den Geist der Leute zu brechen. Genau so bist du zu deiner Position gekommen, nicht wahr? Du machst alle schlecht, bis du als einziger übrig bleibst. Das nennt man Mobbing.“

Durch die Glastür konnte Keira sehen, dass sich alle Köpfe zu ihnen umgedreht hatten. Sie sahen alle vollkommen verschreckt aus. Sie erinnerte sich, bis vor Kurzem dazu gehört zu haben. Sie hatte voller Panik zugesehen, wenn Joshua einen Kollegen gedemütigt und gefeuert hatte, nur um seine Meinung durchzusetzen. Sie erinnerte sich, dass sie das alles hingenommen hatten, anstatt sich zu wehren. Nun, damit war jetzt Schluss. Sie würde Joshua endlich einmal gehörig ihre Meinung sagen.

Nina stand auf. „Wenn du Keira feuerst, dann kündige ich.“

„Was?“, fragte Joshua erbost.

„Es war mindestens ebenso sehr mein Fehler“, sagte Nina ruhig. „Ich habe den falschen Artikel hochgeladen. Ich hätte ihn überprüfen sollen, bevor ich ihn der Druckerei geschickt und online gestellt habe. Das war nachlässig von mir.“

Joshua starrte sie ungläubig an. „So läuft das nicht. Ich nehme deine Kündigung nicht an.“

Keira grinste in sich hinein. Sie fragte sich, ob jemals jemand freiwillig gekündigt hatte. Er war es so gewohnt, dass ihm alle in den Hintern krochen und ihm nach dem Mund redeten. Dass jemand mal freiwillig die Brocken hinschmiss, musste ihn ziemlich aus der Bahn werfen.

In dem Moment betrat noch jemand das Büro. Alle Köpfe fuhren herum und sahen Elliot. Heather war direkt hinter ihm, einen schwarzen Ordner gegen die Brust gepresst.

„Werte Damen, ich denke, es ist offensichtlich, dass keine von euch entlassen ist“, sagte er. „Joshua, du hingegen kannst allerdings sofort deine Sachen packen und gehen.“

Joshua zögerte. Er schaute erst ganz verwirrt Keira an, dann wieder Elliot. „Entschuldige bitte, was hast du gesagt?“

„Ich habe deine Position in dieser Firma gründlich überdacht.“, sagte Elliot ganz sachlich. „Ich denke, du hast das Magazin in eine völlig falsche Richtung gelenkt. Und nur dank Keira haben wir gerade noch die Kurve gekriegt. Du hast völlig den Faden verloren, seit du auf dem Macchiato ausgerutscht bist.“

„Wovon redest du?“, fragte Joshua. Er war weiß wie die Wand, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen.

„Ich sagte, du bist gefeuert.“

„Nein!“, rief Joshua. Er sprang auf und verzog schmerzlich das Gesicht, als er auf seinem Gips landete.

Er humpelte zu Elliot hinüber, die Hände wie zum Gebet verschränkt. Alle starrten mit offenem Mund die beiden Männer an. Keiner konnte glauben, dass das alles gerade wirklich passierte, ein erwachsener Mann, der um seinen Job bettelte. Der Despot war in die Knie gezwungen worden.

 

„Heather, würdest du den Sicherheitsdienst rufen, um Joshua hinaus zu begleiten?“, sagte Elliot gelassen.

Keira empfand nichts als Genugtuung.

Dann schaute Elliot sie an. „Ich habe einen neuen Auftrag für dich. Für euch beide“, fügte er hinzu und schaute Nina ebenfalls an. „Ihr seid ein gutes Team. Kommt ihr bitte mit in mein Büro?“

Keira warf Nina einen Blick zu, vollkommen überrascht von dieser Wendung der Ereignisse. Sie ließen Joshua links liegen und folgten Elliot, vorbei an den staunenden Mitarbeitern.

„Bitte, nehmt Platz“, sagte Elliot.

Das taten sie.

„Keira, ich bin sehr beeindruckt von deiner Arbeit. Es gehört schon reichlich Mumm dazu, gegen den Strom zu schwimmen. Der Liebesbrief an Lisdoonvarna entwickelt sich gerade zu unserem meistgelesenen Artikel. Die Zahlen sind beeindruckend. Unsere Leser lieben es. Ich liebe es.“

Heather legte ein Blatt Papier auf den Tisch. Es handelte sich um eine Grafik. „Das sind unsere üblichen Leserzahlen“, sagte sie und deutete auf eine aufsteigende Linie. „Das ist Keiras Artikel.“ Sie deutete auf eine rote Linie, die rasant anstieg, beinahe schon senkrecht.

„Ich wusste, Ironie ist nicht mehr gefragt“, sagte Elliot. „Sagte ich das nicht? Heute muss man aufrichtig sein. Ich weiß nicht, warum ich auf Joshua gehört habe. Zum Glück wusstet ihr ja, was ihr tut.“

Keira strahlte vor Stolz. „Danke.“ Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

„Ich will genau so weiter machen“, sagte Elliot. „Eine regelmäßige Rubrik. Vier Seiten Leitartikel für jede Ausgabe, stets mit einem neuen romantischen Urlaubsziel. Was meint ihr?“

Keira blinzelte überrascht. „Du möchtest mich wieder auf Reisen schicken?“

Er nickte. „Ich stelle eine Liste mit potentiellen Reisezielen zusammen. Paris, Rom, Valencia. Wie klingt das?“

Keira konnte ihren Ohren kaum trauen. „Das klingt wie ein Traum, der wahr wird.“

„Wunderbar“, sagte Elliot. „Über das Honorar wird natürlich neu verhandelt. Aber wie wäre es vorerst damit, bis wir uns geeinigt haben?“

Er legte zwei Papiere auf den Tisch, eines für Keira und eines für Nina. Keira nahm es und sah, dass es sich um einen Scheck handelte. Einen Scheck über 5.000 Dollar! Nina neben ihr schnappte ebenfalls nach Luft. Sie hatte offenbar ebenfalls einen solchen Bonus erhalten.

Keira wusste sofort, was sie mit dem Geld machen würde. Flugtickets für Shane, damit er sie besuchen konnte.

„Ich nehme an, du möchtest dich erst einmal etwas von der harten Arbeit in Irland erholen“, fuhr Elliot fort. „Daher würde ich gern für nächste Woche einen Termin ansetzen, um den nächsten Auftrag zu planen. Heather wird sich darum kümmern.“

Keira fühlte sich großartig und nickte zustimmend. Sie konnte nicht fassen, dass das wirklich gerade passierte. Ihre Aufrichtigkeit hatte sie dahin gebracht, wovon sie immer geträumt hatte.

Und das allerbeste daran war, dass sie Shane wiedersehen würde, schon viel eher, als sie beide gedacht hatten. Sie schwebte geradezu aus Elliots Büro, leicht wie eine Feder.