Za darmo

Die Höhlenkinder im Steinhaus

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Der Hakenpflug

Der Bau des Laubenganges drängte, aber noch unaufschiebbarer waren die Frühlingsarbeiten im Garten und auf dem Feld. Peter begnügte sich damit, in der Stirnwand des Hauses die Fenster auszuheben. Er und Hans fällten noch rasch die zum Bau des Laubenganges nötigen Bäume, sie sollten in der Sonne gut austrocknen. Nun begannen sie, die Erde mit Spaten und Haue zu bearbeiten. Doch das Graben und Hacken in der Erde ging nur Stich für Stich, Hieb für Hieb. Am liebsten hätten sie mit ihren Hauen den Erdboden langhin aufgerissen; aber dazu waren diese Geräte viel zu schwach. Eines Morgens musterte Hans die Überreste einiger gefällter und zum Teil verbrannter Bäume, ob sich darunter etwas Brauchbares fände, das die Arbeit abkürzen könnte. Ein angekohlter, schräg abgebrochener Buchenblock mit einem lang abstehenden Gabelast drängte sich förmlich auf. So mochte das Hakenholz des dummen Riesen ausgesehen haben im Märchen von Kannalles. Hans zerrte den Block aufs Feld, wo Peter schon den Spaten handhabte. Noch wendete Hans das Holzstück zweifelnd hin und her, da nahm es der Vater aus seinen Händen, drückte die Spitze des Blocks in den Boden und begann zu ziehen. Sie ritzte den Boden nur leicht. Dem ließ sich durch einen aufgebundenen Stein abhelfen. Tiefer wurde die beim Ziehen gerissene Furche. Als die Spitze unversehens aus dem Boden heraussprang, band Peter ans hintere Ende des Buchenblocks einen gabeligen Ast als Druck- und Führungsholz. Dann trieb er die Spitze wieder in den Boden. Hans verstand die Absicht seines Vaters. Unaufgefordert spannte er sich vor den so entstandenen Hakenpflug, den Peter mit dem Gabelholz lenkte. Die Hakenspitze riß eine grobe Furche. So arbeiteten die Männer, bis sie beide in Schweiß gebadet waren. Zwei Schläge auf die Bratpfanne riefen Hans zum Kochen des Mittagmahles; er ging ohne Widerstreben, hatten sie doch mehr Boden aufgepflügt, als sie mit Haue und Spaten in einer Woche hätten aufgraben können.

Die Spitze des hölzernen Pflughakens war bald abgerieben und wurde durch eine eiserne ersetzt. Ein altes grobes Messer, in einen gesägten Ritz des Pflughakens geschäftet, riß viel zu schmale Furchen. Der Holzpflug mußte mit einem eisernen Schuh versehen werden, der, spitz und scharfkantig, leicht in den Boden eindringen sollte. Drei Tage Arbeit an der Grubenesse, und Peter hatte mehr Schmiedeeisen, als er brauchte. Mit dem vervollkommneten Pflug gelang es den beiden, vor Ablauf einer Woche alles Ackerland aufzureißen. Dann säten sie Getreidekörner in die Furchen. Hans, der die hart gewordenen Erdschollen mit dem Rechen zu bearbeiten begann, um das Saatgut zu decken, wurde ungeduldig, ihm ging es zu langsam. Er verfertigte vier armlange Rechen mit eisernen Zinken, verband sie durch einen Rahmen aus Hartholz, nagelte eine gegabelte Stange als Deichsel daran, belastete den Rechenrahmen mit Steinen und zog ihn über die Schollen hin und her, bis alles Saatgut mit Erde bedeckt war. Das neue Ackergerät, die Egge, war da! Eine Woche später setzten die Frühlingsregen ein. Vater und Sohn verbrachten die nasse Zeit in ihrer Werkstatt. Sie halfen einander beim Schnitzen der groben, schmalen Fensterrahmen, die sich wie eine Tür auf- und zumachen lassen sollten; deshalb wurden an einer Seite breite, zähe Bänder aus Schweineschwarte aufgenagelt.

Mehr als Peters Kräuterabsud wirkten frische Luft und Sonnenschein auf Evas Befinden. Sie kam wieder so weit zu Kräften, daß sie die sonnigste Zeit des Tages im Garten verbringen konnte. Eva machte große Augen, als sie das Feld bestellt sah, aus dessen regensattem Boden die Sonne die roten Keimspitzen der Saat hervorlockte. Sie bewunderte den schweren Pflug, den Peter und Hans gemeinsam gebaut hatten! Tief atmend zog sie die duftgeschwängerte Luft ein, die von den sonnenbestrahlten Blumenhalden herüberwehte. Während sie Hans bei der Gartenarbeit half, sangen die Vögel in den blühenden Baumkronen; im Saugarten quiekten Ferkel, und vom Geißengarten her klang das Schlagwerk. Vom Moorbachfall kam ein stärkeres Geräusch herüber, als fiele ein schwerer Hammer in regelmäßigen Abständen auf Eisen. Hans mußte erkunden, was es war. Peter hatte gegenüber der Mühle an die Welle des Wasserrades ein Hammerwerk geschaltet, das wie das Schlagwerk eingerichtet war, nur daß der Amboß die Stelle der klingenden Pfanne einnahm, während ein langer Hammerstiel als Hebel von den Zapfen der Welle angetrieben wurde. Daneben schwelte Holzkohle in einer Erdmulde, zu der die Windröhren der Blasebälge führten. Das alles berichtete Hans der staunenden Mutter, und hastig arbeitete er weiter an den Gemüsebeeten; es zog ihn mächtig zum neuen Hammerwerk, wo der Vater Gußeisenbrocken in Schmiedeeisen umwandelte. Hans wollte bei dieser Arbeit helfen und übernahm das Blasebalgtreten, während Peter ein rotglühendes Stück Gußeisen nach dem anderen mit der Klemme aus der Esse hob, auf den Amboß legte und unter dem selbsttätig schlagenden Hammer hin und her schob. Unverdrossen erhitzte er es immer wieder, bis das Eisen seine Sprödigkeit verlor.

Mißvergnügt über das langweilige, schweißtreibende Ziehen und Treten der Blasebälge, spürte Hans den lebhaften Wind, der, vom Wasserfall verursacht, ihm über den erhitzten Leib strich. Ach, wenn sich doch die vom Wasserfall bewegte Luft einfangen und der Glut in der Esse zuführen ließe! Es gelang ihm leicht, den Vater zum Bau eines Windkastens zu bewegen. Unterhalb des Schaufelrades, wo der Wasserfall gischtend auffiel, stellten sie den bodenlosen Bohlenkasten ins Bachbett, so daß er das eingefallene Wasser abfangen und durchlassen konnte, umbauten ihn mit schweren Felsblöcken, deckten ihn und dichteten alle Fugen über dem Wasser. Im Deckel ließen sie nur das Wasserloch offen und an der Seite zum Hammerwerk ein Windloch, in das sie ein aus vier Flachhölzern geformtes Windführungsrohr einfügten. Wie Hans erwartet hatte, strömte durch das Rohr die im Windkasten zusammengedrängte Luft ununterbrochen in die Esse und fachte die Flammen an, so daß der Gußeisenklumpen in Weißglut geriet.

In langen Sätzen rannte Hans nach Hause. Mit glänzenden Augen berichtete er der Mutter vom gezähmten Wind, der von nun an für ihn und den Vater arbeiten sollte, und wie das Wasser die Mühle trieb und den Schmiedehammer dazu. Er schwelgte in Zukunftsplänen. Statt des breiten, schweren Hammers würde er einen schmalen, leichten vor den Antriebszapfen schalten; er würde die Zapfen vermehren, damit der Hammer schneller und leichter schlüge — ja, und statt des flachen Amboßes würde er einen gewölbten, einen kantigen oder hohlen unter den Hammer stellen und Eisenplatten und Gefäße schmieden, Eisenbänder durchlochen oder teilen! Daß er nicht übertrieb, bewies er schon in der nächsten Woche. Was er der Mutter an neuen Koch- und Eßgeräten vorlegte, übertraf ihre kühnsten Erwartungen. Und Peter schmiedete in seinem Hammerwerk in zwei Tagen mehr Nägel, als er voraussichtlich zum Bau des Laubenganges brauchen würde.

Da das Bauholz für den Laubengang noch nicht trocken genug war, rodeten die Männer ein Waldstück, um neues Gartenland zu gewinnen. Das dauerte bis zum Spätherbst. An einem nebelfeuchten Tage fällten sie eine alte Buche, in deren Höhlung sie ein Bienenvolk entdeckten, das träge um die gefüllten Honigwaben kroch und bei dem naßkalten Wetter in seiner Behausung blieb. Peter und Hans hatten gleichzeitig einen guten Gedanken: Sie sägten den Stamm oberhalb und unterhalb der Bienenwohnung auf Manneshöhe zurecht und stellten ihn im Garten zwischen Steinblöcken auf, das Flugloch nach Süden gerichtet. Auf den Klotz setzten sie ein Regendach. An der Rückseite des Stocks brachten sie eine zwei Handspannen breite, verschließbare Öffnung an, dort wollten sie den Honig herausnehmen, ohne die Bienen zu stören oder gar zu vertreiben. Bei dieser Gelegenheit entdeckte Hans, daß die Bienen an die nach innen ragenden Astkerne ihre Waben geklebt hatten. Und nun tat er etwas: Er ahmte das Verfahren der Bienen nach! Er nahm die Honigwaben heraus und knetete die mit Larven besetzten Brutwaben an Stäbchen fest, verspreizte sie quer zwischen den Wänden des Stocks, fegte mit einem Entenflügel die kältestarren Bienen zusammen und schaufelte sie in den Stock, wo sie an den Wänden langsam emporkrochen. Eva hob die vollen Honigwaben in ihrer Vorratskammer auf. Nun hatte sie genug Honig für ihren Sonnstagskuchen und zum Süßen des braunen Eicheltrankes, jetzt und in Zukunft — denn im Garten wohnte ein Bienenvolk! Nachdem Peter und Hans die Rückseite des Stocks mit einem Brett verschlossen und die Fugen mit Lehm verstrichen hatten, meinten sie, für die Bienen genug getan zu haben und setzten ihre unterbrochene Holzarbeit fort. Eine Woche lang widerhallte der Heimliche Grund von ihren Axtschlägen. Dann kam die verspätete Herbsternte in Kastaniengarten und Eichenbestand und nach den ersten Nachtfrösten die Bergung der Laubstreu.

Der Winter ließ sich im wohlversorgten Steinhaus aushalten. Peter schnitt, kerbte und bohrte das Bauholz vor. Hans arbeitete in seiner Stube. Seine Sammlungen sollte man auch sehen, sie brauchten Helle, viel Helle. Hans schaffte sie, indem er in die Schmalwand auf der Westseite seiner Stube ein großes Fenster einließ. Als Scheiben nahm er dünn gespaltene, durchsichtige Glimmerplatten. Erst als der Raum von Licht durchflutet war, ordnete er seine Schätze auf die Wandbretter. An einem regnerischen Sonntagnachmittag holte er Mutter und Vater herüber. Sie wunderten sich über die Fülle von merkwürdigen Dingen und noch mehr darüber, was Hans über jedes einzelne zu sagen wußte, wie und wo er es gefunden oder erfunden, was die Dinge versprochen, welche Enttäuschung sie gebracht, was sie gehalten hatten, was ihm an ihnen rätselhaft war und an welches Ereignis sie erinnerten.

Nun holte Peter den Schädel des Bären herbei, den er vor der alten Wohnhöhle erschlagen, den Schädel der Wildkatze, die er am Tage der ersten Feuergewinnung erlegt hatte, und den gefundenen Schädel mit dem verstümmelten Hirschgeweih: »Stell‘s dazu!« Eva wollte nicht zurückstehen und übergab die Zeichensteine und Wochenstäbe. Der Sammler war überglücklich. Später verbrachte die Mutter manchen Sonntagnachmittag mit Hans in seiner »Sammlung«, und bald gingen beide ans Umräumen. Alle Wandbretter wurden leergemacht und die Gegenstände auf den Fußboden gelegt, wo sich das, was zusammengehörte, schier von selber zusammenfand. Beim Wiedereinräumen kam alles in die rechte Ordnung und ins rechte Licht. Auf dem untersten Bord lagen die Andenken an die Höhlenzeit, auf dem mittleren die der Pfahlbauzeit, und was zur Block- und Steinbauzeit gehörte, hatte auf dem obersten seinen Platz. Links vom Fenster aber kamen zuunterst die Kristalle und Erzstufen, dann die bunten Märchensteine und zum Schluß alles, was von Lebendem herrührte. Manches besonders schöne Stück wurde zur Zier an die Wand gehängt. Wenn Hans nachdenklich und schweigsam wurde, zeichnend oder bastelnd der Lösung einer Aufgabe näherzukommen trachtete, ließ ihn die Mutter allein. Am meisten beschäftigten ihn Wirkung und Vorteil des Hebels. Zwei Vorteile kannte er schon von der Hebestange und vom Schlagwerk her: mit wenig Kraftverbrauch eine große Last zu bewegen und die Richtung der Arbeitskraft in der Auswirkung zu ändern. Der Mutter hatte er einen Wunsch abgelauscht. Immer wieder hatte sie von einer Schere erzählt, die aus zwei beweglichen Messern bestanden und der Ahnl gehört hatte. Aber ihre Erinnerung daran war undeutlich. Jetzt versuchte Hans, ein Doppelmesser, wie er es sich vorstellte, zu schmieden. Er nahm zwei alte Messer, glühte sie dicht unter den Griffen an, schlug Löcher durch, legte sie kreuzweise übereinander und hämmerte einen kurzen Stift als Achse durch die beiden Löcher. Der Vater, dem er heimlich die mit zwei Händen bewegbare Schere zeigte, erinnerte sich, daß die Ahnl ihre Schere nur mit einer Hand bewegt hatte. Auch das war leicht zu machen. Hans brannte das Holz der Griffe weg und hämmerte die glühenden Stieldorne der Messer so nach außen um, daß ein Ring für den Daumen und ein zweiter für die Finger entstand. Dann härtete und schliff er die Scherenmesser, fügte sie zusammen und rieb sie mit Schachtelhalmstroh blank; nun schnitten sie Leder und Haare glatt. Und jetzt wußte er auch schon, was er dem Vater unter den Lichterbaum legen wollte: zwei andere Formen einer Schere: nämlich eine Schmiedezange, mit der er das Eisenstück, das er bearbeiten wollte, leichter festhalten konnte als mit der Klemme, und eine Beißzange mit breiten, kurzen, scharfkantigen Kiefern.

 

Am Heiligen Abend war die Freude beider Eltern groß. Die Güte der Schere erprobte Eva sofort an Hansens Kopfhaar, sie schnitt es im Nacken ab, so daß er es nicht mehr zu knoten brauchte. Peters Weihnachtsgabe für Frau und Sohn war eine hochgebaute Harfe mit siebzehn Saiten.

Hans verbrachte jede freie Stunde in seiner Sammlung, betrachtete seine Schätze, dachte nach, versuchte dies und das und verließ höchst ungern seine Stube, wenn sein Vater, der das Bauholz für den Laubengang sägte, Hilfe brauchte. Das kostete nur Zeit, die er so dringend für seine eigenen Arbeiten benötigte. Was lag näher, als wieder das Wasser für sich arbeiten zu lassen. Damit die Säge sich der Drehung des Mühlrades anpaßte, schmiedete er eine dünne, kreisrunde Scheibe aus Harteisen und versah ihren Rand mit geschränkten Zähnen. Dann brauchte er nur das Ende der Radwelle vierkantig zu beschneiden, die viereckig durchlochte Sägescheibe daranzustecken und mit zwei Querzapfen, anzuklemmen, oder nicht? Wie er es sich erdacht hatte, so ging es: Schob er an die sich drehende Sägescheibe einen Baumstamm der Quere nach, so schnitt sie Scheiter oder Scheiben, schob er ihr den Stamm der Länge nach zu, so schnitt sie Bretter. Aber auch das Schieben kostete Zeit! Da baute Hans oberhalb der Säge eine schräge Gleitbahn. Darauf legte er den entrindeten Stamm über Rollhölzer, so daß er sich durch die eigene Schwere auf die Säge zubewegte.

Die fast mühelose Herstellung glatter Bretter, von denen sich nach und nach die schönste Stubenausstattung tischlern ließ, erregte Peters unverhohlene Bewunderung, und aus Evas Augen strahlte die Freude. Doch wenn Hans seine Sammlung betrachtete und die Blicke über den Inhalt der unteren Wandbretter gleiten ließ, wurde er ganz bescheiden. Was hatte der Vater alles vor ihm ersonnen! Mit Vater hatte alles angefangen, ohne ihn wäre nichts von dem geworden, was nun war. Und weilten seine Blicke auf den Kristalldrusen, den Versteinerungen, den Früchten, den Schädeln, den Eiern, den gestreiften Schneckenschalen, dann dachte er an das, was die Mutter gesagt hatte, daß der Allmächtige alles geschaffen hatte. Und seine Ehrfurcht vor dem unsichtbaren Gott wuchs, der nur durch seinen Willen alles hat werden lassen, während er, Hans, doch zu allem die Hände brauchte. Fragen stiegen in ihm auf: Wie ist das geworden? Wie? Und warum gerade so und nicht anders? Was er wußte, was er selbst konnte, wie gering war es im Vergleich zu dem, was er nicht verstand, und zu dem vielen, was er nie und nimmer zu schaffen vermocht hätte! Vor ihm lagen Rätsel über Rätsel, die er lösen wollte, eines nach dem anderen. Ob er lange genug lebte? Jedes Weilchen seines Lebens war ihm kostbar geworden. Keine Gelegenheit durfte er versäumen, um neue Erkenntnisse zu erschauen, zu erlauschen, zu erforschen, zu erarbeiten. Die Menschen draußen in der großen Welt mochten wohl vieles wissen, das er von ihnen erfahren könnte. Und wieder packte ihn die Sehnsucht nach der Ferne und drängte, so daß er sich eiserne Schuhe mit abwärts gebogenen, scharfen Rändern schmiedete. Wie die Steinböcke mit ihren scharfkantigen Hufen, wollte er dann über Fels und Eis klimmen eines Tages, eines Tages ...

Gesäuertes Brot

Gegen Ende des Winters wurde Eva wieder krank, und Hans, der alle Hausarbeit auf sich nahm, verbrachte die meiste Zeit in ihrer Nähe. Ihr zuliebe sang er zum neuen Saitenspiel seine Erzählungen von längst und jüngst geschehenen Taten. Sooft er abkömmlich war, meißelte er heimlich an einem Backtrog, den sich die Mutter längst wünschte.

Im Frühling wimmelte es von Jungtieren, die Erde mußte bearbeitet werden, Frühlingsblumen prangten und dufteten, bunte Schmetterlinge, Hummeln und fremde Bienen kamen auf die Sonnleiten zu Gast. Was aber machten die Hausbienen in ihrem Baumstamm? Noch keine hatte das Flugloch des Stocks verlassen. Und doch war es hohe Zeit, daß sie mit dem Sammeln begannen. Der Honigvorrat Evas ging rascher zur Neige, als die sparsame Hausfrau vorausgesehen hatte. Peter, den Evas Kränklichkeit oft verdroß, kehrte wieder zum alten Brauch zurück, kleine Mengen Honig heimlich mit Wasser zu mischen und den gegorenen Met als Trost- und Labetrunk zu genießen. Nun, da er das Bienenvolk im Garten wußte, sah er keinen Grund, sich den Genuß zu versagen.

Das Bauholz für den Laubengang war fertig. Evas Bedürfnis nach Sonnenschein sollte bald erfüllt werden. Die Obstbäume, die im Vorjahr zurückgeschnitten und von Wurzeltrieben gereinigt worden waren, zeigten vielfach Kurztriebe mit vielen, auffallend großen Blütenknospen, die einen reichen Ertrag versprachen. Und Eva freute sich schon, daß ihre Hausbienen honigsammelnd von Blüte zu Blüte fliegen würden. Aber noch schienen sie ihren Winterschlaf zu halten. Die Bäume waren verblüht, die Fruchtknoten dick und prall, aber noch immer schienen die Bienen zu schlafen. Hans entfernte in Gegenwart der Mutter das Verschlußbrett an der Rückwand des Bienenstocks. Ein übler Gestank quoll ihnen entgegen. Auf dem Boden der Höhlung lagen die Bienen in Haufen beisammen, regungslos, mit Schmutz besudelt, einzelne von Schimmel überzogen: Das Bienenvolk war tot. Eva hatte Tränen in den Augen, und Peter, der hinzugekommen war, stieß einen Ruf tiefer Enttäuschung aus. Da sagte Eva, was sie ahnte: »Wißt ihr, was da geschehen ist? Verhungert sind sie! Ihr habt ihnen allen Honig genommen; das war ja ihr Wintervorrat. Arme Bienen!«

Peter kehrte wütend in seine Werkstatt zurück. Hans aber fegte den Bienenstock leer und wusch alle Wände mit Aschenlauge. Erst nach Tagen, als die Bienenwohnung vom Winde getrocknet und geruchlos war, fügte er die Hinterwand ein. Während er mit dem Vater am Laubengang baute, grübelte er darüber nach, wie er es anstellen sollte, für seinen Bienenstock ein neues Volk zu bekommen. Indes lockten die blühenden Ränder der Gemüsebeete fremde Bienen um so reichlicher an, je mehr Sommerblüher die Frühlingsblumen ablösten.

Hans verfiel darauf, das Flugloch des leeren Bienenstockes mit Honigwasser zu besprengen, um die Gäste auf die leere Wohnung aufmerksam zu machen. Sie gingen wohl ein und aus, aber keine Biene blieb darin über Nacht. Am hellen Mittag nach der Sommersonnenwende jedoch senkte sich ein schwärmendes Volk zum Stock nieder. Als wimmelnde Traube hing es unter dem Flugloch. Die Sonnleitnerleute beobachteten mit angehaltenem Atem, wie langsam der Einzug vor sich ging, während aus dem Innern des Stockes ein eigenartiges Summen drang, als riefe eine »Stimme« das Volk ins Innere. In der nächsten Woche ließen Peter und Hans ihren Laubengang im Stich und suchten den Wald nach hohlen Baumstämmen ab. Es gelang ihnen, im Garten neben dem besiedelten Klotz noch fünf andere aufzustellen, die Hans mit Bohrer, Meißel und Säge in geräumige Bienenwohnungen verwandelte. Er versah sie mit Querstäben zum Ansetzen der Waben. Zwei Klötze wurden noch im Laufe des Sommers von zugeflogenen Schwärmen besiedelt.

Im Spätsommer bauten Hans und Peter einen Windfang vor die Haustür und darüber für Eva ein Sonnenplätzchen, das durch eine Tür im Obergeschoß zugänglich war. An den Ausbau des Laubenganges kamen die beiden Männer noch nicht.

Zur gleichen Zeit holten sich die Sonnleitnerleute zum ersten Mal eigenen Honig von den Stöcken und beschlossen, den Tierchen das als Wintervorrat zu lassen, was sie noch bis zum Herbst eintragen würden. Bei dieser Gelegenheit schaffte Peter drei Töpfe Honig für sich beiseite, damit ihm der Met nicht ausginge. Da er seinen heiter stimmenden Trank weder mit Hans noch mit Eva teilen wollte, verwahrte er ihn in der Bärenhöhle und schluckte heimlich davon, sooft er auf Fischfang zog, den er lange vernachlässigt hatte.

Evas Befinden besserte sich wieder ein wenig; Peter verschob den Weiterbau am Laubengang auf das nächste Jahr und widmete sich der Heuernte. Zum Helfer beim Einbringen hatte er sich einen starken Ziegenbock abgerichtet. Der wollte zwar anfangs nicht, aber unter dem Zwang des Riemenzeuges, das ihn an die zwei Zugstangen des Karrens fesselte, und angetrieben vom juckenden Schlag der Weidengerte, fügte er sich in sein Los. Nach dem Getreideschnitt hatte das Zugtier bereits gelernt, daß ein Zungenschnalzer des Lenkers »Los, zieh!« bedeutete und ein »Brr!« soviel wie »Halt!«

In der Speisekammer fehlte es Eva an nichts; leid tat ihr nur, daß es ihr noch nicht gelungen war, lockeres Brot herzustellen, wie sie es aus früher Kindheit in Erinnerung hatte. Ihre Fladen waren hart und nicht selten speckig. Da kam ihr ein scheinbar bedeutungsloses Ereignis zu Hilfe. An einem nebligen Tage, den Peter und Hans zum Einfahren von Brennholz benützten, entdeckte sie in einem Napf auf dem Herdrand einen Teigrest vom Tag vorher. Zu ihrem Staunen war der Teig bis zum Rand des Napfes gequollen und roch eigentümlich säuerlich, aber keineswegs widerwärtig. Eva scheute sich, den Teigrest in den Abfall zu tun. Ohne sich zu besinnen, vermischte sie ihn mit frischem Mehl, knetete das Ganze mit Milch und Wasser durch, gab etwas Salz darein und ein paar Körner Fenchel. Mit diesem Gewürz hoffte sie den vielleicht faden Geschmack des sauer gewordenen Teigs zu vertreiben.

Ehe sie den Kuchen formen konnte, mußte sie die Pfanne, die mit den angetrockneten Teigresten bekleckst war, reinigen und mit einem Brocken Schweinefett über dem Pfannenträger erhitzen. Wie erstaunte sie, als sie zu ihrem Teigklumpen zurückkehrte und sah, daß er viel größer geworden war!

Was sie mit der Hand herausnahm, war auffallend leichter als der Teig, den sie sonst zu verwenden pflegte. Nicht ohne Neugierde, was aus dem wunderlich angewachsenen Teig beim Backen werden würde, legte sie handtellergroße Stücke davon in heißes Fett auf die Pfanne. Die Laibchen wuchsen, und die gelbliche Rinde, die an der Oberfläche entstanden war, bekam Risse; dann wuchsen sie nicht mehr, aber ein köstlicher Geruch verbreitete sich durch den Raum. Eva, die aus dem Duft der neuen Speise voll Zuversicht auf einen ebenso guten Geschmack schloß, wendete die Brote, so daß die blasse Oberseite auch in das heiße Fett zu liegen kam. Gerade als das Gebäck fertig war, verkündeten die höheren Töne der Wasseruhr, daß der Mittag nahe war. Eva öffnete die Tür zu ihrem Sonnenplatz und schlug mit dem Kochlöffel dreimal kräftig gegen den Boden der Bratpfanne: Mittagessen!

 

Die beiden Männer ließen sich nicht lange rufen.

Diesmal wurde ihr das höchste Lob zuteil, das Peter zu vergeben hatte: »Ja, Everl, dein Brot schmeckt ja besser als der Ahnl ihres.« Und nach einigen Bissen setzte er hinzu: »So backen‘s die reichen Leute draußen in der großen Welt.«

»Reiche Leute?« fragte Hans dazwischen.

»Nun ja, Menschen, die mehr haben, als sie selber brauchen.«

Hans aß nachdenklich ... große Welt, schon wieder die große Welt, aus der das Korn gekommen war, die Kornblumen und die Schwalben! Nun war er überzeugt, daß die Menschen dort draußen wohl manches konnten und vieles wußten, wovon er im Heimlichen Grund nichts ahnte.

Als er einige Tage darauf der Mutter zusah, wie sie die halbgaren Brote in der Pfanne wendete, verfiel er auf den Gedanken, den Herd so zu verbessern, daß die Mutter das Brot, ohne es zu wenden, ausbacken konnte. Aus dicken Tonplatten, die zum Ersatz der hölzernen Wasserleitungsrohre gebrannt worden waren, beim Brennen jedoch ihre Wölbung eingebüßt hatten, baute er über die Feuerstelle des Obergeschosses eine Backröhre, die er auf Steinen hohlliegen ließ, so daß die unter und über ihr brennenden Flammen sie von oben und unten, von rechts und links erhitzen mußten. Besser als der tägliche Brei, besser als die Fladen schmeckte den Sonnleitnerleuten das tägliche Brot, eine Erfindung, an der sie sich alle beteiligt hatten.