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Die Höhlenkinder im Steinhaus

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Brechelbank und Hanslbank

Seit aus dem Inhalt der Taubenkröpfe Getreidehalme und Ackerblumen aufgegangen waren, hatte Eva keinen vollen Taubenkropf mehr auf den Abfallhaufen geworfen. Sie besäte allmählich mit allen darin gefundenen Sämereien einige gut gedüngte Versuchsbeete im Garten und hoffte, auf diese Weise Pflanzen zu erhalten, deren Anbau sich besser lohnte als der von Wildgemüse. Was die Menschen in der großen Welt durch jahrelange Züchtung aus Wildgemüse und von weither stammenden Nutzpflanzen erzielt hatten, wurde ihr vielleicht durch die von Tauben aufgepickten Samen zuteil. Einzelne der in den Kröpfen vorgeweichten Samen gingen noch vor dem Winter auf, auch die Wintersaat grünte, und manches zur Unzeit Gesäte verdarb. Viele Körner aber hatten ihre Keimfähigkeit verloren.

Im nächsten Jahr brachte die Sommersonne manchen der Fremdlinge zum Blühen. Da machte sich zunächst allerlei schönblühendes Unkraut breit, aber auch gefüllte Gartennelken, kniehoher, himmelblau blühender Lein und üppige Stauden grellgelber Ringelblumen. Einzeln und in großen Abständen gesetzt gediehen prächtiger Gartenkohl und Kohlrüben mit kropfig verdickten Stengeln, wie die Ahnl sie einst bei den Bauern für ihre Arzneikräuter eingetauscht hatte. Hirse ging auf, duftendes Dillkraut, großblütiger Gartenmohn, Kletterbohnen, Kornraden und Getreidehalme, dazwischen Möhren mit dicken, gelben, süßen Wurzeln, ja sogar großblätterige Feldrüben und Linsen, Wicken, Erbsen.

Evas Gemüsegarten wurde zu klein. Vater und Sohn fällten zwei Buchen und einen Ahorn, und Eva legte neue Beete außerhalb der Gartenmauer an, die der Wildschweine wegen mit einer starken Dornhecke umzäunt wurden. Hans mußte sein Hirtenamt vernachlässigen und sich auf Bläff und auf das Schlagwerk verlassen. Einmal gelang es ihm, vom Hund herbeigerufen, einen Bartgeier abzuschießen, der sich gerade seiner Beute bemächtigt hatte. Hans hieb dem Geier die Schwingen ab und spannte sie zum Trocknen auf. Der Ertrag der neuen Gemüse war so reich, daß Eva nicht nur genug davon frisch verkochen, sondern auch einen großen Wintervorrat in einer Erdgrube einkellern konnte, die mit Fichtenästen und Rasenflözen vor Frost geschützt war. Groß war ihre Freude an den Hülsenfrüchten, von denen sie drei Körbe voll einheimste. Den geernteten Leinsamen bewahrte sie im ersten Jahr als Saatgut auf, aber schon im nächsten quetschte sie aus den Körben einen Topf voll honiggelben Öls. Als Hans nach einigen Wochen entdeckte, daß Flecken davon, die auf seinem Beinkleid verharzten, farbige Stäubchen festhielten, hatte er im Leinöl das Mittel gefunden, Erdfarben haltbar anzubringen. Von da an blieben die gezimmerten Truhen, Wandbretter und Löffelhalter nicht ohne bunten Schmuck.

Die Flachsstengel waren abgeerntet, Mutter und Sohn freuten sich auf das Einwässern, Darren, Brecheln, Hecheln, Spinnen und Weben, das sie gemeinsam tun wollten. Bisher hatte Eva die Rinde des gedörrten Flachses mühsam mit den Händen gebrochen. Hans unternahm es, ihr eine Brechelbank zu bauen. Diese sollte zwei steile Schalenhölzer tragen, zwischen denen ein langes, auf- und abgehendes Holzmesser die Rinde der quer aufgelegten Stengel knicken sollte. Zuerst mußte er ein brauchbares Schnitzgerät anfertigen. Um die splitterigen, unebenen, von einem Baumstamm abgespalteten Flachhölzer mit dem zweihändigen Schnitzmesser formen und glätten zu können, mußte er jedes zwischen Brust und Boden festklemmen. Das war zu unbequem, er versuchte es anders und legte das Holz auf seine lange Werkbank; der Vater mußte ein Ende des Holzes mit den Fäusten niederhalten, während Hans das Schnitzmesser führte. Dem Vater ging bald die Geduld aus. Da beschwerte Hans das eine Ende mit einem großen Stein, setzte sich rittlings vor das andere Ende seines Werkholzes und führte das Schnitzmesser vom Stein zu sich her über das Holz, daß dünne Späne entstanden. Aber selbst größere Steine gaben dem Zuge nach. Da erinnerte er sich an den Hebel, mit dem sich Bausteine und Baumstämme bewegen ließen, und verfiel darauf, mit einem drehbaren Hakenholz das Werkholz niederzuzwingen, aber noch wußte er nicht, wie er den Hebel anbringen sollte.

Wie manchmal im Leben kam ihm etwas Unerwartetes zu Hilfe. Mutter Eva wurde krank, und Hans mußte die Hausarbeiten übernehmen. Sobald er die Tiere versorgt und das Essen im Kessel über das Feuer gehängt hatte, rückte er seine Bank ans Bett der Kranken und schnitzte an den Teilen der Brechelbank. In der stillen Stube störte nichts sein Grübeln und Nachdenken. Er unterbrach die Arbeit an der Brechelbank und verbesserte seine Schnitzbank, meißelte in ihr eines Ende einen Durchlaß, bohrte dann die Seiten des Durchlasses und das Hakenholz quer durch und steckte einen Eisenstab als Achse des Hakenholzes durch die Löcher. Wenn er unten mit dem Fuß den Hebelbalken nach vorn drückte, bewegte sich oben der knorrige Kopf nach hinten abwärts gegen das Werkholz und drückte es fest an die Bank. Das Hakenholz war der starke Arm, den Hans gesucht hatte. Er gab dem knorrigen Astkopf die Gestalt einer klobigen Faust. Am Mittag rief Hans durch drei kräftige Schläge auf die Bratpfanne den Vater herbei. Staunend begutachtete Peter die Schnitzbank, die auch er gut gebrauchen konnte. Eva nannte das Gerät »Hanslbank«. Fröhlich führte der Erfinder das Schnitzmesser über das Werkholz, und ehe es Abend wurde, waren die Schalenhölzer der Brechelbank dünn und glatt.

Beim Abendessen aber sagte Eva, die den mit Arbeitsabfall übersäten Stubenboden nicht säubern konnte, sie wolle auf den Dachboden ziehen, damit sie den Wust von Spänen und Werkholz nicht immer anschauen müsse. Ihr Mann sah ein, daß die Wohnküche nicht auch Werkstatt sein konnte und beschloß, über der Küche einen neuen Wohnraum zu bauen, ein Obergeschoß aus festgefügten, mit Eisenklammern verkrallten Baumstämmen. Aber dazu waren große Vorbereitungen nötig, Eva mußte noch Geduld haben.

Hans räumte auf, so gut es ging, rückte am nächsten Morgen die Schnitzbank noch näher ans Bett der Kranken und brachte sie wieder in gute Laune: Er bat sie einfach um ein neues Märchen. Da begann sie zu erzählen und sagte mehr, als sie sagen wollte, und anderes, als sie vorgehabt hatte; es war, als spräche ein Geist aus ihr, dem ihre Zunge gehorchen mußte:

»Es war einmal ein Vater und eine Mutter, die lebten mit ihrem Sohn in einem schönen Tal fern von anderen Menschen. Der Sohn hatte Mutter und Vater so lieb, daß er ihnen das Leben leicht machen wollte. Dem Vater half er beim Schmieden und Schnitzen, beim Bauen und Heuen, der Mutter beim Kochen und Jäten, bei jeglicher Arbeit in Garten und Haus. Er besorgte die Haustiere, daß sie gern seinem Wort gehorchten. Und wenn die nebelgrauen Wintertage Vater und Mutter traurig machten, dann sang und pfiff er wie die Ringamseln und Zaunkönige und machte seine Eltern so fröhlich, als wär‘s Frühling um sie her. Und weil er alles konnte, was er aus Liebe unternahm, nannten sie ihn ›Kannalles‹. Ja, und als Kannalles groß wurde und ein weicher Bart sein Gesicht zierte, waren das Haus und die Gärten ringsumher mit allem versehen, was die drei Menschen zum Leben brauchten; sie hatten sogar mehr, als sie brauchten. Da sann Kannalles darüber nach, was er Neues schaffen könnte. Es fiel ihm aber nichts mehr ein, und er mußte öfter müßiggehen, als ihm lieb war. Da träumte ihm in einer mondhellen Nacht, er sei ausgezogen über leuchtende Firne und grüne Matten in die weite, weite Welt. Dort fand er ein wunderschönes Mädchen, das von einem dummen, bösen Riesen gefangengehalten wurde. Als Kannalles morgens aufwachte, verließ er Mutter und Vater und zog in die Welt hinaus, das schöne Mädchen zu suchen, das ihm Gott im Traume gezeigt hatte.

Über Felsenwüsten, Firnfelder und Steinkare, durch Wälder und Sümpfe wanderte er fort, bis er zu einem steinernen Haus kam, umgeben von fruchtbarem Boden und Wiesen, darauf die schönsten Rinder weideten. Dort sah er das Mädchen genauso schön, wie er‘s im Traum gesehen hatte. Es war vor ein schweres Hakenholz gespannt, das ein riesiger, einäugiger Mann in den Boden drückte, um damit die schwarze Erde aufzureißen. Kannalles trat hin vor die beiden und sprach den Riesen an: ›Gib mir das Mädchen! Gott hat es mir im Traum gezeigt; ich will nicht dulden, daß du es quälst.‹ Da streifte das Mädchen die Fesseln ab, die es hielten, richtete die blauen Augen auf Kannalles und trat einen Schritt näher.

›Wer bist du?‹ fragte der Riese und hob den Stab gegen ihn, ›das junge Ding gehört mir!‹ ›Ich bin Kannalles‹, gab der Jüngling zurück, ›Kannalles, der alles kann.‹ ›So, der alles kann?‹ fragte der andere und lachte dumm, ›das sollst du mir beweisen. Siehst du dort die starken Rinder auf der Weide? Keines von ihnen kann ich zwingen, mir das Hakenholz zu ziehen. Kannst du‘s?« Da holte Kannalles Salz aus seiner Wandertasche, trat auf das stärkste Rind zu und hielt ihm das Salz vor; mit der anderen Hand kraulte er es zwischen den Hörnern, strich ihm liebkosend über den Nacken und gab ihm gute Worte. Und siehe da — es leckte am Salz und folgte ihm. Da legte er ihm die starken Riemen an, die das Mädchen abgestreift hatte, band ihm zwei Stränge um das Maul, um es zu lenken, und dann drückte er das Hakenholz in den Boden und trieb das Rind zum Ziehen an. Nun löste ihn der Riese ab. Das Rind zog stärker als das Mädchen. Kannalles aber nahm es bei der Hand und führte es unbehindert durch Wälder und Sümpfe, über Steinkare, Firne und Felsen. Er brachte das Mädchen zu Vater und Mutter. Die empfingen es mit guten Worten, Kuß und Umarmung. Kannalles baute ein neues Haus für sich und sein Weib. Sein Vater wurde alt und schwach, seine Mutter gebrechlich. Kannalles aber und seine Frau sorgten für die alten Eltern und ließen es an nichts fehlen.

Im Haus der Jungen aber wuchsen Kinder heran, pausbackig wie die Äpfel im Sonnenschein. Und zeitlebens hatte Kannalles vollauf zu tun, daß es allen, die er liebte, gut ging. Und so wurde Kannalles ein glücklicher Mann.«

 

In diesem Märchen hatte Eva alles ausgedrückt, was sie im Herzen wünschte. Ihrem Sohn aber hatte sie ein Vorbild in die Seele gesenkt: Er sollte sich als Kannalles erweisen.

Und tatsächlich: Hans sann darüber nach, wie er der Mutter die Arbeit am Webstuhl noch mehr erleichtern könnte. Sie sollte beide Hände für die Führung der Webnadel freibekommen, und der Webkamm sollte sich mit dem Fuße heben und senken lassen. Jetzt, wo Hans mit dem Hebel umzugehen wußte, schien es ihm leicht, Tritthölzer und Hebel so anzubringen, daß der Webkamm, von den Füßen bewegt, sich heben und senken konnte. In wochenlanger Arbeit baute er aus geraden Prügeln ein festes Gestell, das alles zu tragen hatte: den Webrahmen mit den gespannten Längsfäden; den Webkamm mit den Litzen, durch deren Öhre die Zweierfäden gespannt waren; oben den zweiarmigen Hebel, an dessen vorderem Arm der Webkamm hing, während an seinem hinteren Ende die Zugschnur zum linken Trittholz hinabführte. Das rechte Trittholz verband er durch eine Schnur mit dem unteren Rande des Webkammes, so daß dieser durch einen Tritt gesenkt werden konnte. Als alles fertig war, machte der glückliche Erbauer vor Mutter und Vater die Webeprobe. Wie unwiderstehlich der Webkamm dem Zug der Tritthölzer gehorchte, wie genau der Fachwechsel vor sich ging!

Peter betrachtete lange das gelungene Werk des Sohnes und sagte nichts. Dann sprach er wie zu sich selber: »Viel Arbeit dran, viel saubere Arbeit! Aber — wieviel hat vorher erdacht und gemacht sein müssen, ehe das möglich geworden ist.« »Ich weiß schon, Vater«, sagte Hans bescheiden. »Angefangen hat‘s die Mutter, und die ersten Werkzeuge sind von dir.«

Bald darauf machte Peter seinem Sohn eine große Freude mit einem Steinblock, den er beim Erzsuchen aus dem Urgestein gelöst hatte. Er bestand aus ungewöhnlich großen Glimmerplatten. Peter wußte nichts damit anzufangen. Hans aber bemerkte an den abgestoßenen Rändern des Blocks, daß sich die Platten in hauchdünne, durchsichtige Blätter spalteten. Vorsichtig löste er Schicht um Schicht ab, paßte sie in Rahmen und ersetzte damit die gespannten Tierblasen in den Fensterluken. Nun drang das Licht von außen voll in die Stube.

Die Mühle am Bach

Die Schnitzbank hatte Hans beim Zurichten der Hölzer für den neuen Webstuhl gute Dienste geleistet. Er sah sich im Hause um, was er wohl noch schnitzen könnte. Jener plumpe Wassereimer, den der Vater aus einem hohlen Baumstamm gefertigt hatte, war arg rissig geworden. Für die vielen Vorräte waren die vorhandenen Körbe zu klein; Kübel und Truhen wollte die Mutter haben, und zum Geschirrwaschen breite, niedere Gefäße. Hans ging auf alle Wünsche der Mutter mit Feuereifer ein. Jeder Regentag war ihm als Basteltag hoch willkommen. Die an sich recht brauchbare Hanslbank erwies sich beim Zurichten der ungleich langen Flachhölzer für die Wände der verschieden hohen Holzgefäße als verbesserungsbedürftig. Zunächst meißelte Hans am Sitzende zwei neue Schlitze in die Bank, brachte darin ein verstellbares und verkeiltes Widerholz so an, daß das Werkholz unter der Klemmfaust nicht nach hinten abgleiten konnte; dann machte er die Klemmfaust selbst verstellbar, indem er die Achsenlöcher des Hebels vermehrte. So konnte er die Flachhölzer auch auf der Schmalseite aufstellen und die Kanten schräg schnitzen, damit sie sich zu gekrümmten Gefäßwänden zusammenfügen ließen. Weil aber das Werkholz auch in verschiedener Höhe bearbeitet werden mußte, meißelte er unterhalb der Klemmfaust einen dritten Schlitz durch die Bank, so daß er dort einen verstellbaren Lagerbock feststecken konnte. Nun ließ sich das Werkholz so weit heben, daß er sich während der Arbeit das Bücken ersparen konnte. Jetzt war die Schnitzbank so, wie er sie haben wollte! Und nun brauchte Hans noch einen Hohlmeißel, mit dem er die Innenseiten der Brettchen höhlen konnte, und zum Antrieb des Meißels einen Schlegel.

Da ihm das Kämmen der Flachsfasern zu lange dauerte, trieb Hans mehrere Reihen Eisenstäbchen in einen Holzblock; so entstand eine Kammbürste, deren Zähne in die Höhe starrten. Zog Eva das Faserbüschel kräftig durch diese Hechel, dann verfingen sich die gebrochenen Rindenstückchen mit etwas Werg an den Nägeln, während die golden glänzenden Flachsfäden in ihrer Hand blieben.

Der Winter machte den Arbeiten im Freien ein Ende, Hans konnte sich wieder ungestört dem Basteln widmen. Aber kaum hatte er den runden Boden eines Kübels fertig, den Rand schräg zugeschnitten, um ihn in die Kerben der Seitenwandhölzer einzulassen, da hatte Eva schon eine neue Aufgabe für ihn. Sie kauerte vor ihrer flachen Quetschmühle, die noch aus der Pfahlbauzeit stammte, und schrotete Weizenkörner. Hans sah, wie oft die Mutter ermüdet innehielt und nicht recht vorankam. Solange es wenig Körner zu schroten gegeben hatte, mochte die Quetschmühle genügt haben; aber jetzt war das anders. Suchend blickte Hans sich in der Stube um, ob irgendein Ding ihm Rat gäbe, sah dem Vater zu, wie dieser mit Hammer und Stahlmeißel eine Granitplatte in einen schweren Wirtelstein umzuwandeln suchte, der ihm beim Antrieb eines großen Bohrers dienen sollte. Peter wollte nämlich in die Balken des Obergeschosses Holznägel eintreiben. Nichts fiel ihm ein, dem Hans, er nahm seine Schnitzerei wieder auf. Sooft er ein Seitenbrettchen des Wasserkübels fertig hatte, legte er es so zum runden Bodenbrett, daß sie sich sternförmig aneinander reihten.

Als Eva beim Aufräumen die sorgfältig zueinandergepaßten Brettchen durcheinanderbrachte, mußte Hans sie am nächsten Tag mühsam wieder in die wohlbedachte Reihenfolge bringen. Diesmal bezeichnete er sie, damit sie nicht noch einmal durcheinandergerieten. Da er an den Fingern seiner Hand das nächstliegende Mittel zum Zählen hatte, ahmte er durch Striche erst die Finger, dann die Hand nach: auf das erste Brettchen ein Strich, auf das zweite zwei und so weiter, alles mit dem Meißel. Das fünfte Brettchen versah er mit einem groben Abzeichen einer Hand; vier Striche nebeneinander stellten die Finger vor, ein schräg abstehender den Daumen. Das zehnte Brettchen wurde mit zwei aneinandergefügten Handbildern gezeichnet. So hatte Hans ganz nebenbei einfache Zahlenbilder erfunden, die ihm von nun an bei allen seinen Arbeiten als Ordnungsmittel dienten.

Peter, der an der Hanslbank ebensoviel Freude hatte wie ihr Erfinder, versah dessen Schnitzmesser, den Flach- und den Hohlmeißel mit schrägen Schnittkanten, damit »der Bub« sich leichter täte; bald aber verdrängte er Hans von der Schnitzbank. Ihm war nämlich gelungen, die Granitscheibe kreisrund zu meißeln, und nun ging er daran, aus starken weißbuchenen Astgabeln das Gestell des Bohrers zu schnitzen. Hans hob den Wirtelstein auf. Prüfend führte er seine Hand über die grobkörnige Oberfläche und zuckte zurück: Die war ja brauchbar zum Zerkleinern der Getreidekörner!

Wochenlang mühte er sich, aus sehr hartem Sandstein einen in der Mitte durchlochten Mahlstein herzustellen, der sich als Läufer auf einem kegeligen Bodenstein drehen und so das Korn zerreiben sollte. Nach einem mißglückten Versuch gelang es ihm, den Bodenstein mit einer Randrinne zu versehen, die das Mehl aufnehmen sollte, das über eine Schnabelrinne in eine Schüssel abfallen konnte. Aber das schwerfällige Gerät erforderte Kräfte, die Mutter Eva nicht hatte. Als Hans das Korn auf der Handmühle mahlte, wurde er bald müde. Da dachte er an sein vom Wasser getriebenes Schlagwerk im Ziegengarten. Wäre es nicht möglich, auch das Mühlwerk vom Wasser treiben zu lassen, am unteren Moorbachfall zum Beispiel, wo die Strömung so stark war?

Er machte sich an die Arbeit. Sie war alles andere als leicht. Wie konnte die drehende Kraft der liegenden Achse des Wasserrades auf die stehende Achse des Mahlsteins übertragen werden? Wieder halfen Astquirle weiter: Der steile Quirl des Wasserrades sollte mit seinen Zähnen die Zähne des liegenden Quirls an der steilen Achse des Steins schieben. Da die Quirläste die Trägheit des schweren Steines nicht überwinden konnten, mußten sie durch eiserne Zähne ersetzt werden, die wiederum nur an eisernen Achsen sitzen konnten. Um das Mahlgut einzuschütten, mußte das Loch im Läufer trichterförmig erweitert werden.

Über diesen schwierigen, genauen Arbeiten verging der Sommer. Die Getreideernte war so üppig, daß es Hans unmöglich dünkte, die Ähren wie in früheren Jahren mit der Hand auszuklauben. Das mußte anders gehen! Mit Lederriemen band er einen kurzen Knüttel an einen langen Stock, breitete auf dem reingefegten Lehmboden des Hofes die Getreidegarben aus und schlug mit seinem Flegel die Körner aus den Ähren. Peter machte für sich und Eva auch je einen Dreschflegel, und nun schallte es im Dreischlag durch den Heimlichen Grund: »Tipp-tapp-tapp, tipp-tapp-tapp...«

Aber noch schöner hörte sich das Schlagen der Zapfen an, als die Mühle am Moorbach, vom fallenden Wasser getrieben, für die Menschen die Arbeit tat. An dieser ersten Bachmühle, die noch mancherlei Mängel hatte, besserte Hans so lange herum, bis sie zuverlässig arbeitete.

Alle Eisenteile wurden mit Fett vor Rost geschützt. Und dann baute sein Vater einen Schuppen darüber, denn weder Regen noch Sonne sollten das kostbare Mahlgut verderben.

Das Obergeschoß

Eva drängte zum Umbau. Bisher hatte sie mit den Junghunden Geduld gehabt. Allmählich aber war es ihr unerträglich, mit ihnen samt deren Ungeziefer in der Stube zu hausen. Auch Hans sehnte sich nach einer eigenen Stube im Obergeschoß, wo er seine Funde aufheben und neue Werkzeuge, vor allem seine Erfindungen unterbringen konnte.

Volle zwei Jahre vergingen, bis die vielen Baumstämme gefällt, behauen, angekohlt und gekerbt waren, die den Blockbau des Obergeschosses auf der ganzen Länge des steinernen Unterbaues und des Stalles bildeten. Sein Bodenrahmen war im Steinbau eingemörtelt, Block an Block mit eisernen Klammern festgekrallt, damit kein Föhnsturm das Gefüge lockere. Dann verging noch ein halbes Jahr, bis der gewonnene Raum in Mittelstube, Vorratskammer und Sammelstube für Hans aufgeteilt und mit dem Notwendigsten ausgestattet war.

Als geschickter Zeugschmied und Schnitzer schuf Hans nach und nach für jede Art von Arbeit das richtige, kräftesparende Werkzeug. Seine Küchenmesser waren dünn und lang, die Schnitzmesser kurz an dickem Stiel; sein breites Beil zum Behauen des Bauholzes hatte einen nach rechts angebogenen Stiel, es taugte zum seitlichen Behacken der Werkhölzer, aber nicht zum Spalten von Brennholz. Auch an Meißeln hatte er eine reiche Auswahl: breite, schmale, schief- und rundschneidige. Seine Baumsägen waren grobzähnig und weitgeschrägt, seine Werksägen für Hartholz feinzähnig und schmalgeschrägt; weitaus feiner aber waren jene kleinen, aus gehärtetem Stahl gefertigten Spannsägen, mit denen er Knochen und Metall bearbeitete. Seine neuesten Werkzeuge waren eine Feile, ein gewundener Bohrer und ein Nageleisen. Die Feile hatte er aus einem glühenden Flacheisen mit einem harten Meißel behauen und dann gehärtet; den Bohrer verdankte er einem verunglückten Bohrversuch. Er wollte einen Balken mit einem angeglühten Eisenstab durchbohren und drehte ihn ab, als dieser erkaltet und brüchig geworden im Holz stecken geblieben war. Zuerst war Hans wütend, aber dann betrachtete er das gezwirbelte Stück Eisen genauer, pfiff durch die Zähne, holte seine Feile und begann, die Kanten der Windungen zu bearbeiten. Zum Schluß härtete er das Ding und hatte nun einen Bohrer, der, an einem gebogenen Holzgriff gedreht, sich rasch ins Holz fraß. Peter, der die Werkzeuge seines Sohnes bewunderte, dachte oft an die Zeiten, als er mit ein und demselben Hartstein graben, schaben und schneiden mußte. Er begann, seinen hochaufgeschossenen Sohn, der so viel von der Mutter hatte, zu schätzen und hörte auf seinen Rat. Und Eva merkte mit Freude, daß Hans, von seinen Arbeiten und Erfindungen abgelenkt, immer seltener an die »große Welt da draußen« dachte.

Peters Nägel waren anfangs nur langgespitzte Eisenstäbchen, deren dickeres Ende nach dem Einschlagen umgebogen werden mußte, wobei das spröde Metall meist an der Bugstelle brach. Hans bog die Nägel um, solange er sie glühend unter dem Hammer hatte, aber auch das war nicht das richtige:

Beim Eintreiben in das Holz verbogen sie sich erst recht. Nun versuchte er, das obere Nagelende kopfartig auseinanderzuschlagen. Es ging, aber jeder Schlag wurde von der Klammer, mit der die Linke das Eisenstück festhielt, auf den Arm übertragen, ein fortgesetztes Prellen, das wehtat und müde machte. Gezwungenermaßen erfand Hans ein Nageleisen. Es war nichts anderes als eine schwachfedernde, plumpe Klemme aus breitem Eisenband, zwischen deren dicken Backen der Nagel in einer Rille festgehalten wurde, während ein Reiterchen, aus einem umgebogenen Eisenstab geformt, die Backen aneinanderzwang, so daß sie nicht nachgeben konnten, wenn der Hammer den Nagelkopf breitschlug.

 

Wieder waren Erd- und Himbeeren reif. In ihren Duft mischte sich der süße Geruch von Heu. Die drei Oberstuben waren notdürftig eingerichtet. Darüber lag der geräumige Dachboden, in den, vom Herd des Obergeschosses ausgehend, die Räucherkammer hineinragte.

Im Fußboden der Mittelstube war ein viereckiger, mit einer Falltür gesicherter Durchlaß, zu dem von unten eine schmale Bohlenstiege heraufführte; sie war ein bißchen zu steil, nahm aber dafür der unteren Stube wenig Raum weg.

Die Mittelstube im Obergeschoß, wo unter der Räucherkammer und über der unteren Feuerstelle der neue Herd stand, war Mutters Reich; die rechte Kammer über dem verbreiterten Stall war eine Vorratskammer; die linke, mit der Aussicht auf die Brunnleiten, gehörte Hans. Sein Vater, der sich in seiner Werkstatt am wohlsten fühlte, war froh, die untere Stube zu behalten, wo er den Herdwinkel als Schmiede einrichtete und die linke Hälfte, wo sein Bett stand, zur Holzwerkstatt machte.

Noch im Herbst machte Hans den Dachboden durch eine Türluke, vor die er außen eine Leiter lehnte, von der Stallseite aus zugänglich, um so das Heu leichter auf den Boden schaffen zu können. Die alte Vorratskammer wurde mit dem Stall vereinigt, so daß auch die Ziegen mehr Platz hatten. Peter versah den Stall mit einem Boden aus hochliegenden Balken und brach für die abfließende Jauche in der vorderen Mauer eine Lücke aus, damit das Dungwasser dem Garten zugute käme.

Kaum war das starke Dach mit Steinen beschwert, der Dachboden mit Heu und Streu aufgefüllt, als die ersten Schneestürme losbrachen.

Evas Herdfeuer brannte nicht so gut, wie es in der unteren Stube gebrannt hatte. Da schuf Peter mit Hans eine vollkommenere Nachahmung des Herdrostes der Geißenhöhle. Jener hatte aus länglichen Steinen bestanden; der neue aber wurde aus fingerdicken Eisenstäben geschmiedet und kniehoch über dem Stubenboden in die Mitte des gewölbten Aschenraumes eingebaut. Nun konnte die Luft von unten her dem Feuer zuströmen. Zum Schluß überbaute Peter die Feuerstelle so, daß der Rauch abgefangen und in die Räucherkammer geleitet wurde, über die er einen gedeckten »Rauchfang« errichtete.

Peter suchte alle Überbleibsel seiner fast aufgebrauchten Eisenvorräte zusammen und wendete die nächsten Wochen daran, neues Eßzeug und für Eva eine neue Herdausstattung zu schmieden: einen Pfannenhalter, einen Kesselgalgen, einen Bratspieß mit Kurbel und Spießhaltern, Feuerzange und Schürhaken. Statt der einzelnen spitzen Stäbchen zum Aufspießen des Fleisches schäftete er je zwei Eisenspitzen in Holz und schuf so die erste Eßgabel der Familie. Es glückte ihm, noch vor der Wintersonnenwende mit seinen Schmiedearbeiten fertig zu werden.

Evas Wangen röteten sich, als sie am Heiligen Abend die kostbaren Geräte unter dem Lichterbaum fand. Aber ihre Freude wurde fast übertroffen von der Freude, die Vater und Sohn empfanden, als sie die wahren Wunder an Handarbeit sahen, die Eva vollbracht hatte: hohe, leinengefütterte Pelzmützen aus Hundefellen, warme Fäustlinge aus Katzenfellen und gut schließende Pelzjacken. Worüber sich aber die beiden Männer am meisten verwunderten, das waren sackartige, nahtlose Fußbekleidungen aus einem wolligen Garn, das durch Zusammenspinnen von Flachs- und Ziegenhaaren entstanden war. Das war Evas große Überraschung! Schon lange hatte sie versucht, ein rundherumgehendes Geflecht oder Gewebe herzustellen, was auf dem Webstuhl nicht möglich war. In der warmen Jahreszeit hatte ihr der Garten nie Muße für erfinderische Gedanken gelassen. Erst im Winter, als dank den Vorräten an Mehl, Fett und Fleisch ohne lange Vorbereitungen gekocht werden konnte, hatte sie Zeit gefunden, sich etwas auszudenken. Sie umwickelte erst einen, dann einen zweiten glattgeschabten Weidenrutenring mit einem gedrehten Faden — Strickel nannte sie ihn — und verflocht je zwei Wickelmaschen mittels eines zweiten Strickels, das sie mit einer groben Knochennadel führte. Dann zog sie den unteren Ring aus der Maschenreihe, umwickelte ihn, setzte ihn oben auf und flocht das Strickel an die Maschen darunter. So mühsam diese Flechterei gewesen war, so unbrauchbar erwies sich das Geflecht. Das erste so entstandene Säckchen verzog sich, die Wicklungen streckten sich. Erst als Eva nach vielen, vielen Versuchen von den zwei Strickeln abkam und das Lockerwerden der Wicklungen dadurch vermied, daß sie den oberen Faden unter der Nadel kreuzte, wurde das Geflecht dichter. Um das Strickel zu spannen, klemmte sie es zwischen zwei Finger der linken Hand und wickelte es um den Zeigefinger, den sie wie eine Kunkel abspreizte. Mit einer langen Holznadel in der Rechten stach sie durch eine Masche, fing mit der Nadelspitze den gespannten Faden ein und zwang ihn durch die untere Masche, die sie von der linken Nadel auf die rechte schob. So schlang und hob die Nadel eine neue Masche nach der anderen ab. Anfangs ging das Strickeln recht langsam, bis Eva ihre zwei langen Nadeln durch fünf kürzere, glattgeriebene aus Elsbeerholz ersetzte und die Finger mit der Zeit von selber wußten, was sie zu tun hatten. Von nun an klapperte das Strickelzeug so rasch, daß der gestrickelte »Säckel« zusehends wuchs. So waren die ersten zwei Paare entstanden, kleine fersenlose Säcke, die sich aber den Füßen anschmiegten und sie warm hielten.

Eva nützte den milden Nachwinter, um eifrig zu spinnen, zu weben, zu stricken und zu nähen, was sie und die Männer brauchen konnten: Säckel und Hemden — mindestens zweifach für jeden, damit gewechselt werden konnte. Und die Männer hielten mit ihrem Lob nicht zurück. Eva, die schon seit langem wieder kränkelte, gefiel es, im Lehnstuhl sitzend zu arbeiten, die schnurrende Katze im Schoß. Sie brauchte ja nicht aus dem Haus zu gehen und sich dem naßkalten Wetter auszusetzen. So blieb sie denn in der warmen, aber ungelüfteten Stube und wurde von Tag zu Tag bleicher und matter. Als der Frühlingsföhn die Schnee- und Steinmassen donnernd zu Tale schickte, konnte Eva vor Schwäche nicht mehr aufstehen. Eine unbeschreibliche Sehnsucht nach frischer Luft, nach Sonne ergriff sie. Sie, die in den Wohnräumen keinen Zug duldete, litt nun an Lufthunger. »Am liebsten möcht ich durch die Wand hinaus ins Freie!« Lächelnd stieß Peter seinen Sohn an: »Hans, mir scheint, wir werden mit dem Bauen nie fertig — die Mutter will durch die Wand ins Freie.« Er nahm Evas Rede wörtlich: Eine Türöffnung wollte er in die Mittelwand sägen und rund um das Haus einen luftigen Laubengang bauen, dessen Stützen vom Erdboden bis zum Dachrand ragen sollten. Dann konnte Eva zu jeder Tageszeit die Sonne aufsuchen, die ihr vielleicht Heilung brachte. Hans schilderte der Mutter die Aussicht über den ganzen Heimlichen Grund, wie er sie vom Dach aus genossen hatte. Da leuchtete ihr Gesicht vor Begeisterung: »Ja, ja, baut nur den Laubengang, das wird schön!«