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Die Höhlenkinder im Steinhaus

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Evas Wasseruhr

Trübe, sonnenlose Wintertage kamen. Eva, die in der Tageseinteilung vom Wetter unabhängig sein wollte, erfand einen recht einfachen Zeitmesser. Er bestand aus zwei gleich großen Töpfen, von denen der eine mit Wasser gefüllt, auf einem durchlochten Dreifuß, der andere darunter stand.

Die dicken Topfböden hatte sie mit einem Hartsteinsplitter so weit durchbohrt, daß ein Pfropf, aus einem hohlen Hartriegelstab angefertigt, genau in das Loch paßte. Im Markloch des Pfropfes steckte ein dünnes, in vier Abständen gekerbtes Stäbchen. Eva stellte den mit Wasser gefüllten Topf auf den Dreifuß, und wenn an einem sonnigen Mittag der Schatten des linken Türpflockes der Gartentür auf den linken Rand der Stubentür fiel, zog sie das Stäbchen aus dem Pfropf des oberen Topfes und steckte es in den Pfropf des unteren. Tropfen auf Tropfen fiel dann in das untere Gefäß, in dem unmerklich das Wasser anstieg und es bis zum nächsten Mittag füllte. So hatte Eva es mit verschieden weiten Bohrungen erprobt. War der untere Topf zu einem Viertel voll, so stand der Wasserspiegel bei der ersten Kerbe des Stäbchens: Ein Viertel des Tages war verstrichen.

Am nächsten Mittag wechselte sie die Töpfe aus und goß oben so viel Wasser nach, wie aus einem ihr unerklärlichen Grunde geschwunden war. Wohl stellten sich Ungenauigkeiten ein, wenn ein paar Mittage nacheinander der Sonnenschein ausblieb, aber für Evas Ansprüche ging ihre Wasseruhr genau genug; ihr Arbeitstag war eingeteilt.

Der metallische Ton der Bratpfanne rief nicht nur Hansl und Peter zum Essen, auch Schnurri und die Hunde stellten sich ein, die Schweine grunzten, die Ziegen meckerten, und selbst die Enten schnatterten, denn alle waren gewöhnt, ihr Essen vor den Menschen zu bekommen.

An naßkalten Sonntagen pflegte Hansl, von seiner Mutter angeleitet, die Zeichensteine und Wochenstäbe vor sich hinzulegen, aber bald ordnete er sie selbst nach der Reihenfolge der Geschehnisse, von denen sie berichteten. Und dann erzählte er, was die Mutter erzählt hatte. Er begann, mit Rötel oder Holzkohle auf Mergelschiefer die sprechenden Bilder nachzuzeichnen. Je öfter er dies tat, um so einfacher wurden die Bilder, um so reicher aber auch die selbsterfundenen Zeichen. Beine bedeuteten »gehen«, »laufen«, »steigen«, je nach ihrer Stellung; ein Kopf mit einem Bart besagte »Mann« oder »stark«; ein Korb mit Früchten »viel«; eine Wellenlinie konnte »Wasser« bedeuten oder auch »fließen«. Und wenn Hansl »vorlas«, was er gezeichnet hatte, klang es lebhafter und lebendiger. Das wiederum gefiel seinem Vater so gut, daß auch er Bilder für sein Tun und Wollen erfand.

Eva freute sich über die vielen Bildschriften und vor allem, wenn sie hörte, was sie an Gedanken ausdrückten.

Auch in ihr lag ein Schatz verborgen, und Hansl hatte den Schlüssel dazu. Wenn er in der Dämmerstunde drängte und bat: »Mutter, erzähl etwas!« — dann ging die Schatzkammer auf, und Mutter Eva, die Vielbeschäftigte, wurde zur Märchendichterin. Sie lauschte auf etwas Wunderbares, das in ihr raunte und flüsterte, und immer fing es an: »Es war einmal ...« In allem, was aus ihr sprach, siegte das Gute, das Schöne, das rechte Maß. Und Hansl nahm alles in sich auf und vergaß auch in seinem späteren Leben nicht, daß zum Glück des Menschen Güte und Gerechtigkeit gehören.

Der findige Hansl

Der Winter war vorbei. In den Nächten hallte der Wald wider von den schauerlichen Gesängen der Wildkatzen. Schnurri ließ es sich nicht nehmen, Nacht für Nacht in den Wald zu verschwinden, sie mußte beim Singen dabei sein. Die Tage verschlief sie, als ob sie das Spielen verlernt hätte. Nach zwei Wochen aber wurde sie wieder ein munterer Kamerad.

Der Vater baute eine lange Sitzbank, die auf vier gegrätschten Beinen fest und sicher stand. Hansl aber machte sie zu seiner Werkbank. Im Reitsitz saß er darauf und bastelte dies und das. Mutter Eva knetete Ton für neues Geschirr und litt es gern, daß ihr Sohn die Gefäße ausschmückte. Solange sie noch feucht waren, gaben sie dem Druck seiner Finger nach, und naß aufgetragener Ton blieb an ihnen haften. So entstanden Töpfe mit Gesichtern, mit allerlei Tiergestalten und Blumen, schöner, als sein Vater es fertigbrachte.

An der Ziegentränke, die durch einen Wasserstrahl aus der Leitung gespeist wurde, wuchs ein Weidenschößling, von dem ein Zweig so schräg herüberragte, daß seine Blätter vom fallenden Wasser getroffen und niedergedrückt wurden. Sooft er emporschnellte, immer wieder mußte der Zweig hinunter und schlug mit der Spitze klatschend auf einen Stein der Mauerung. Dieses stete Aufschlagen gab Hansl zu denken: Bewegung, Schlag und Schall! Das rinnende Wasser erschien ihm wie etwas Lebendiges, das eine Arbeit leistete. Und er wollte ihm etwas Wichtiges zu tun geben.

Sein halbmüßiges Hirtenbubenleben behagte ihm nicht mehr; lieber hätte er daheim der kränkelnden Mutter geholfen, statt im Ziegengarten auf Geier zu lauern, die sich nur selten zeigten. Und er sann darauf, ein Schlagwerk zu bauen, das, vom Wasser getrieben, seine Bratpfanne immer wieder zum Tönen bringen sollte; dann würden die Geier den unruhigen Ort ganz meiden, und er müßte nicht immer da sein. Sein suchender Blick fiel auf einen abgebrochenen Fichtenwipfel mit vier Astquirlen. Hansl rammte rechts und links vom Wasserstrahl zwei Stäbe in den Boden und legte den Wipfel in die Gabelungen, so daß die Zinken des zweiten Quirls vom fallenden Wasser getroffen wurden; sie machten unter dem Wasserdruck nur einen einzigen Ruck. Nun spaltete er alle Zinken auf und verbreiterte sie durch eingeschobene Brettchen. Jetzt drehte sich das Wasserrad, bis sich der linke Astquirl am Gabelständer spießte. Ihm schnitt Hansl alle Zinken ab und ließ nur einen Knoten übrig. Und nun setzte er den Gabelständer so nahe an den Knoten, daß er das Hin- und Hergehen der Quirlwelle hinderte. So blieben die Schaufeln des Rades immer unter dem Wasserstrahl; das Wasserrad drehte sich unerwartet schnell. Die auf gleiche Länge gekürzten Zinken des dritten Quirls sollten das eine Ende eines Schlaghebels drücken, damit sein anderes Ende in die Höhe ginge und nach dem Loslassen auf die Bratpfanne schlüge.

Aus einem Holunderstab machte Hansl den Hammerstiel und durchlochte ihn in der Mitte der Quere nach; dann durchbohrte er die Gabel eines Standholzes, steckte ein Eisenstäbchen als Achse durch die Gabel und den in ihr ruhenden Hammerstiel. Die Pfanne schob er unter den eingezwängten Hammerstein. Das andere Ende des Stiels, das er verbreitert hatte, mußte von den Zinken des treibenden Quirls getroffen werden.

Hansl hatte sich alles so gut ausgedacht, aber — das Schlagwerk war stumm. Das Wasserrad drehte sich so rasch, daß die Zinken den Schlaghebel viel zu schnell nacheinander streiften und der Hammer nie Zeit hatte, auf die Pfanne niederzufallen. Er wurde auf halbem Wege durch den Druck des nächsten Zapfens wieder gehoben. Da entschloß sich der junge Erfinder, von den fünf Zapfen des Quirls drei zu kürzen, so daß nur der erste und der dritte lang blieben. Und jetzt erlebte er seine Überraschung: Bei jeder Umdrehung des Rades schlug der Hammer erst stark, dann schwach auf die Pfanne: Gunn — gunn — gunn — gunn so klang es ohne Unterlaß. Hans lauschte verzückt und merkte nicht, daß sich alle Ziegen und Zicklein hinter ihm versammelt hatten und erstaunt auf das wunderliche Klingen horchten. In Gedanken versunken stand der Erfinder da. Eine Ahnung dämmerte ihm auf, daß der Druck des fallenden Wassers vielleicht auch noch anderes leisten könnte, als ein Schlagwerk zu treiben.

Angelockt von dem sonderbaren Klingen waren Peter und Eva in den Ziegengarten geeilt. Ihr Sohn bemerkte sie erst, als der Vater ihm die Rechte auf die Schulter legte. »Bub, das hast du gut gemacht! Sag, wie bist du denn drauf gekommen?« Nun erzählte Hansl, warum, wozu und wie er die »Geierscheuche« erfunden hatte. Eva lächelte. Hansls Hilfe daheim war ihr hoch willkommen.

Je weiter der Frühling fortschritt, um so schöner wurde das Leben auf der Sonnleiten. Die im Vorjahr aufgezogenen, gut gefütterten Enten hatten den Winter gesund überstanden. Alle waren zahm, nur der Enterich nicht. Jetzt saßen drei auf den Eiern, und bald wimmelte es auf dem Teich von jungen Entlein. Was die anderen an Eiern legten, verwendete Eva in der Küche. Da gab es Eierfladen auf Speckschnitten geröstet, das schmeckte wunderbar.

Zur Zeit der Erdbeerblüte brachte Schnurri fünf Kätzchen zur Welt. Auch die Fuchshunde hatten geworfen, und bald balgten sich die Jungen im Hofe herum. Kurz nach der ersten Heumahd heizte Peter den Töpferofen an und brannte Evas neues, von Hansl geschmücktes Geschirr. Der Bub aber hatte wieder etwas Neues ersonnen. Um die junge Bläff, die mit dem Namen ihrer Mutter auch alle deren guten Eigenschaften geerbt hatte, zum Ziegenhüten abzurichten, besteckte er ein Holzkreuz mit aufgelesenen Federn. Das band er an eine lange Darmsaite, die er über einen Baumast zog. Diesen »Geier« ließ er vor Bläff auf- und niederschweben und lehrte sie, danach zu schnappen. Die junge Hündin ging mit Feuereifer auf das Spiel ein und kläffte, bis ihr die Stimme überschlug. Und wenn es ihr gelang, dem sonderbaren Vogel eine Feder auszureißen, wurde sie von ihrem jungen Herrn getätschelt und gelobt. Dann hetzte er sie auf herumlungernde Krähen und Häher und freute sich an dem wütenden Gebell des Hundes, dem die Beute immer entschwebte. Vom Schlagwerk verscheucht, vom Hund abgeschreckt, waren die Geier nicht mehr zu fürchten, und Hansl konnte beruhigt der Mutter helfen: volle Futterkörbe herbeischleppen und Brennholz spalten. Oft sah Eva sinnend zu, wie ihr Sohn mit Freuden tat, was für sie zu schwer gewesen wäre. Wie stattlich der Bub heranwuchs, wie flink ihm die Arbeit von der Hand ging!

Hansl griff zur eisenbeschlagenen Mistgabel, um den Ziegenstall zu reinigen. Beim Abladen des Mistes auf dem Dunghaufen fielen ihm die üppigen Grashalme auf, die er trug; viel kräftiger und höher als die Halme des Schwadengrases waren sie! Und mitten unter ihnen wuchsen blaue Blumen, wie er sie vorher nie gesehen hatte. Dunkelblaue Sterne waren es, deren Ränder wieder aus Sternen bestanden. Daneben schaukelten große blutrote Blüten auf schlanken, fein behaarten Stielen. Er pflückte, was er davon erlangen konnte, und brachte sie der Mutter. Kopfschüttelnd betrachtete Eva die fremden Gäste. Peter, der gerade dazukam, nahm ihr den Strauß aufgeregt aus der Hand. »Die blauen sind ja Kornblumen! Kornblumen! Die Ahnl hat sie gesammelt; sie sind gut für hitzige Augen, gut für böse Wunden und wunde Mundwinkel. Und die blutroten da, die hat sie auch gebracht; giftiges Zeug, das die Leute schläfrig macht. Bub, wo hast sie her?« Da führte Hansl den Vater zum Düngerhaufen, und Peter pfiff wieder einmal vor sich hin, wie er das bei besonderen Überraschungen zu tun pflegte. Mit dem Jagdmesser grub er nach und fand an den Wurzeln tief unter der Streuschicht die halbvermoderten Schwungfedern eines Taubenflügels. Jetzt wußte er genug: »Hansl, weißt noch, wie du im vorigen Herbst die Tauben gerupft und ausgenommen hast? Die Federn, das Gedärm und die Kröpfe hast du auf den Mist getragen. Und die Kröpfe waren voll großer, dicker Körner.«

 

»Jaja«, sagte Hansl, »aber wo haben sie denn die Körner geholt?«

Peter beschrieb mit der Rechten einen weiten Bogen nach der Gegend hinter der Klamm: »Von draußen halt, aus der großen Welt.« Er verstummte; vor seinem inneren Auge tauchten blumendurchsetzte Kornfelder auf — Felder, an denen er in ferner Kindheit vorbeigekommen war.

»Die schönen Blumen auch?« fragte aufhorchend der Bub. »Gibt‘s dort draußen in der Welt viele solche Blumen?«

»Wohl, wohl, Bub, die gibt‘s«, bejahte der Vater, ohne der Frage eine Bedeutung beizumessen.

In Hansls Herzen aber erwachte die Sehnsucht nach der geheimnisvollen Ferne, und er fragte sich, ob draußen nicht auch gute Menschen unter den bösen hausten, wie das Korn und die blauen heilkräftigen Kornblumen neben dem giftigen Klatschmohn, der die Leute einschläferte.

Um ihren Sohn vom Grübeln abzulenken, lehrte Eva ihn ein Spiel, das ihr die Ahnl gezeigt hatte: Sie füllte einen Napf mit Seifenwasser und tauchte einen Strohhalm hinein, so daß ein Tropfen daran hängenblieb. Dann blies sie sachte durch den Halm, und es entstand eine hohle, wunderfeine Kugel. Hansl machte große Augen. Ah, wie schön! Wie war das nur möglich? Es gelang ihm, aus der Seifenlösung faustgroße Kugeln zu blasen, die in allen Farben des Regenbogens schillerten. Zum Spiel auf seiner Hirtenflöte und der kleinen Harfe war nun ein Lichtspiel hinzugekommen, das ihn eine andere Art von Schönheit erleben ließ. Die Freude an den herrlichen Farben, die auf der zarten Kugel einen wundersam bewegten, geheimnisvollen Reigen aufführten, war unsagbar. Vor der Schönheit, die die nahe Gegenwart bot, verging das Sehnen nach der großen Welt.

Sehnsuchtsmärchen

Als im Hochsommer schwere Getreideähren, die nicht gleichzeitig reiften, ihre schlanken Halme zur Erde bogen, wurden sie von Peter einzeln gepflückt und von Eva mit den Fingern entkörnt. Es war Weizen und Gerste durcheinander. Eva las das verschiedene Saatgut aus und bewahrte es gesondert in Körbchen auf. Hansl aber bereitete für die Mutter eine Überraschung vor. Er sammelte die Fruchtstände der Blumen, deren Samen er heimlich neben dem Zaun ausstreuen wollte.

Im Herbst, als der Wald rot, golden und erzbraun prangte, gruben Vater und Sohn den trockeneren Teil des Schwadenkornfeldes oberhalb des Saugartens mit neuen, langstieligen Hauen und Spaten um. Sie entfernten sorgsam, was an Rasenflözen darin war und brachten die Flöze auf die Brunnleiten. Dort sollte fortan alles Unkraut, aber auch Erde und Sand zwischen die Geröllblöcke eingeschüttet werden, damit der Boden ebener und grasreicher würde. Den zu festem Kompost verrotteten Dung des Abfallhaufens, in dem die Getreidehalme so üppig gewachsen waren, breiteten sie karrenweise auf dem neuen Acker aus und deckten Walderde darüber. Hansl, der den Rechen führte, glättete damit das lange und breite Beet. Eva teilte es in drei kleinere Beete; in das eine kam Schwadenkorn, in das andere Gerste und in das dritte Weizen. Sie versenkte jedes Samenkorn in ein Grübchen, eines vom anderen eine Handspanne weit entfernt. Jedes Körnchen sollte zum Wachsen Platz haben.

Als das geschehen war, begann für Peter und Eva die Pilz- und Wildobsternte im Wald; Hansl mußte unterdessen das Haus hüten und das Essen bereiten. Ihn reizten die leeren Flächen neuer Töpfe, die Eva zum Vortrocknen an den Herd gestellt hatte. Aber sein Zierat aus feuchtem Ton fiel vom trockenen Grund ab; da rührte er geschabten Rötel, mit dem er auf Mergelschiefer zu zeichnen pflegte, mit Kalkmilch zu einem hellroten Brei an und betupfte die Töpfe mit Blumenbildern. Für Blätter und Stengel zerklopfte er die grünen Steine aus Vaters Erzvorräten und zerrieb sie auf der Quetschmühle. Gemahlene Blausteine gaben die blaue Farbe für die Kornblumen ab. Besonders schön wurde ein Topf, den er erst mit Kalkmilch geweißt und dann mit den feuchten Farben betupft hatte.

Groß war Evas Entzücken über den Farbenjubel auf ihren Töpfen. Um der Pracht Glanz zu verleihen, befeuchtete sie die übertrockneten Töpfe mit Salzwasser und hoffte, daß nach dem Brand die Farben unter der Glanzschicht besonders schön leuchten würden. Als Peter ihrem Drängen nachgab und die Töpfe brannte, erlebten Eva und ihr Sohn eine große Enttäuschung. Die Farben waren teils abgeblättert, teils hatten sie sich verändert — aus dem Blau der Kornblumen war ein schmutziges Grün geworden. Dennoch waren beide stolz auf das Neue, von dessen Vervollkommnung sie sich viel versprachen.

Das obere Staubecken am Moorbachfall bekam eine niedere Steinmauer und eine Decke aus Baumstämmen; das Wasser sollte nicht gefrieren. Das schöne Wetter hielt an. Peter beschloß daher, den Röhrenbrunnen grottenartig zu überbauen und die gewölbte Brunnstube durch eine Tür in der Hausmauer mit der Wohnküche zu verbinden, damit Eva im strengen Winter trockenen Fußes zum Brunnen gelangen konnte. Aber für den Bau der Wölbung konnte er die Steine nicht so verwenden, wie sie im Neuen Steinschlag lagen, sondern mußte sie an Ort und Stelle keilförmig zurichten. Die Schmalseite unten, die Breitseite oben, wurden sie über Holzstützen von den Steinmauern aufwärts übereinandergelegt, immer näher zur Mitte, wo die Schlußkeile durch ihr Gewicht der Wölbung Halt gaben.

Es kamen kalte Tage, der Wind wurde schneidend, die beiden Maurer aber setzten den Bau der Brunnstube fort und waren nicht wenig stolz, als ihr Gewölbe fertig war. Es gab auch dann nicht nach, als sie die hölzernen Stützen wegnahmen — ja, als sich beide daraufstellten, hielt es sogar ihr Gewicht aus. Noch vor dem ersten Schneefall wurden sie mit dem Beschütten der Grotte fertig, in der nun auch Milch, Fleisch und anderes aufbewahrt werden konnte.

Jahre vergingen. Reicher wurde Peter an schmiedbarem Eisen, reicher Eva an buntem Geschirr, und reicher Hans an Kunstfertigkeit, schöne Dinge zu schaffen, der Mutter zuliebe und zur eigenen Lust. Dem Borstenpinsel, den die Mutter zum Weißen der Stubenwände benützte, hatte er viele kleine Pinsel aus Ziegenhaaren nachgebildet, mit denen er auf dem Tongeschirr seine Erdfarben auftrug und versuchsweise bald dieses, bald jenes zerriebene Gestein beimengte. Den schönsten Glanz erhielten seine Töpferfarben, wenn er den Erdfarben mehlig zerriebenen Quarzsand zusetzte. Und er kam darauf, daß keinem Farbenbrei das Kieselmehl fehlen durfte.

So ernst Hans es mit seinen Versuchen nahm, in seinem Herzen war er noch ein Kind, obwohl schon ein leichter Bartflaum seine Oberlippe dunkel färbte. Noch immer lauschte er Evas Märchen und dichtete sie für sich um. Wenn sie Kampfmärchen erzählte, war er der Held, der die Kämpfe bestand und die Furcht nicht kannte. Und gab‘s in der engen Welt des Heimlichen Grunds auch keine Feinde mehr zu besiegen, sein Geist suchte sie draußen in der großen Welt jenseits der Klammwände, wo die hartherzigen Menschen hausten und wo in wogenden Ährenfeldern Wunderblumen blühten. Vor dem Einschlafen dichtete er sich sein Lieblingsmärchen: Aus den Händen böser Riesen befreite er ein Mädchen, ein blauäugiges, das seiner blonden Mutter glich.

Die Sehnsucht nach der weiten Welt hatte sich des jungen Sonnleitners bemächtigt; er sann auf Mittel, die enge Heimat des Felsenkessels zu verlassen.

Doch sooft seine geheimen Wünsche, von denen er wußte, daß sie Mutter und Vater betrüben würden, ihn vorsichtig und wie absichtslos fragen ließen, ob denn kein Weg aus dem Heimlichen Grund hinausführe in die weite Welt, erfuhr er immer wieder: Nein, kein Weg führt hinaus. In der Klamm braust und gischtet die Ache, und Bergteufel lauern auf den Höhen — die haben den Ähnl im Steinschlag getötet!

Hans konnte das Träumen nicht lassen. Hatte nicht die Mutter erzählt, daß Menschen in Vögel und Fische verwandelt worden waren? Warum sollte das nicht wieder möglich sein? Alles war möglich. Er mußte nur die rechten, die zauberkräftigen Worte finden! Und aus seinen Wünschen wurden erträumte Erlebnisse. Als mächtiger Adler mit großen, weitausladenden Schwingen erhob er sich über die Höhen der Klammwände; hinter ihnen schimmerten die Eisfelder der Henne, des Sommerspitzes und des Winterhorns; weithin dehnten sich Bergwiesen mit Rindern und Schafen; aus der Tiefe tauchten bewaldete Hügel auf. Und seine Adlerfittiche trugen ihn darüber hinaus zu den Kornfeldern voll übergroßer, weitleuchtender Blumen.

Schlug nicht der Adler, der hoch über dem Gebirge schwebte, die Luft mit den Schwingen? Was der Adler konnte, warum sollte er, Hans, es nicht können?

Oh, einen Adler wollte er töten, seine Schwingen sich an die Arme binden, in die Lüfte wollte er sich erheben und über die Höhen schweben, hinüberschweben in die Welt, wo es noch etwas zu erkämpfen gab...

Wenn Hans singend und plaudernd bei der webenden Mutter saß, achtete er unwillkürlich auf die Bewegung ihrer Hände.

Daß die Zweierfäden sich mit Hilfe der Kammschlingen nur heben, aber nicht senken ließen, verdroß ihn. Er wollte der Mutter die Arbeit erleichtern und nahm sich vor, einen besseren Webekamm zu machen, mit fadendünnen Zinken, damit die Webe möglichst dicht würde. Ja, und starr müßten die Zinken sein, daß sie die Zweierfäden nicht nur heben, sondern auch hinunterdrücken könnten. In einer stillen Stunde beim Ziegenhüten begann Hans, das neue Gerät zu basteln und fand eine einfache Lösung der schwierigen Aufgabe: Er brauchte nur dünne Doppelfäden als Kammzinken der Quere nach über einen schmalen Rahmen zu spannen und in der Mitte jedes Doppelfadens zwischen zwei Knoten ein Öhr für den Zwischenfaden zu lassen — so mußten, wenn dieser Kammrahmen gehoben oder gesenkt wurde, alle durchgefädelten Zweierfäden gleichzeitig mitgehen. Damit aber das Loch für den Faden sich nicht verenge, mußten die Fadenzinken mit einem heißen Gemisch aus Harz und Wachs eingelassen werden, das beim Erkalten steinhart wurde. Wie erdacht, so gemacht: Der neue Webekamm tat den erwarteten Dienst. Durch das Harzwachs waren auch die Knoten und Fäden glatt geworden, so daß die Einserfäden in den Schlitzen zwischen den Zinken sich nicht merklich rieben. Das Garn hatte Hans vor dem Bespannen des Webrahmens nicht mit Kastaniensuppe, sondern mit einem Absud von Kornmehl vorbereitet, so daß es nach dem Festtrocknen des Kleisters noch glatter geworden war. Die spitz zugezwirbelten Zweierfäden ließen sich leicht durch die Öhre der Kammzinken fädeln.

Die lange, flache Webnadel war an den Kanten geschärft. So taugte sie nicht nur zum Durchziehen des Arbeitsfadens durch die Fächer, sondern auch zum Anschlagen der neuen Querfäden an die fertige Webe. Die zeitraubende Verwendung des Anschlagkammes entfiel.

Mutter Evas Augen strahlten, als die Erfindung ihres Sohnes sich so gut bewährte!