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Die Höhlenkinder im Pfahlbau

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Gebrannte Tonscherben

Mit der Gesundheit kehrte auch Evas Schaffenslust wieder. Unaufgefordert stellte sie in Peters Pfahlhütte den Bodenbelag und die Wandverdichtungen her. Jetzt wartete sie auf eine Gelegenheit, ihr Gelübde zu erfüllen. Auf ihrem plumpen, tiefgehenden Fahrzeug gelangte sie um die Mittagszeit an die Moorbachmündung. Sie eilte, sorgfältig nach allen Seiten spähend, um einer Begegnung mit Peter auszuweichen, zur Brandstätte, wo sie unter der Asche ihren Goldvorrat zu finden hoffte.

Die Asche war auseinandergefegt, der hart und rissig gewordene Bodenbelag aufgewühlt, und in der Grube unter ihrem früheren Lager glänzten nur drei mit Sand zusammengebackene Goldkörnchen. Der Schatz war fort!

Weinend kauerte sie an der Unglücksstätte, während sie den zerwühlten Boden fieberhaft absuchte und mit zitternden Fingern die Lehmstücke des geborstenen Bodenbelags hin und her wendete. Da stutzte sie: Diese Lehmbrocken klangen so eigentümlich! Sie nahm einen, der sich beim Brennen schalenförmig geworfen hatte, und betrachtete ihn aufmerksam. Er war rötlich und hart. Seine nach oben gekehrte Fläche wies die Fingerabdrücke auf, die Eva beim Glattstreichen des Lehmbelags gemacht hatte.

Sie tat die Goldklümpchen in die Schale und eilte heimwärts. Die Lehmscherben in der Höhle ließen ihr keine Ruhe. Immer wieder betrachtete sie das Ding, das sie mitgebracht hatte, dann knetete sie aus einem flachgewalzten Lehmstück ein dünnwandiges, beutelförmiges Gefäß und stellte es zum Trocknen in die Nähe des Herdes. Damit es noch härter werde, ließ sie es zwei Tage später vom Feuer beschmauchen. Beim ersten Kochversuch mußte sie das ungefüge Gefäß durch unterlegte Steine stützen, damit es im Feuer aufrecht stand. Knacks! machte es — das Gefäß war zersprungen.

Ach, sie hätte Peter vorher um Rat fragen sollen! Peter fragen? Nein, der hatte ihr das Gold gestohlen. Vielleicht fand sie es in seiner Hütte. Ihre Suche nach dem Schatz blieb vergeblich; nur Tonscherben fand sie, die er von ihrer Brandstätte eingetragen hatte. Ein tiefes, gewölbtes Stück enthielt eine Masse aus Wachs und Harz, ein anderes stand als Salzschüssel neben seiner Feuerstelle; es war mit rußgeschwärztem Harz eingelassen. Scherben, Wachs, Harz, Salz, nur kein Gold. Er mußte es gut versteckt haben. Und es gehörte doch ihr! Enttäuscht verließ sie seine Hütte.

Eva hatte alles Vertrauen zu Peter verloren. Unabhängig wollte sie werden, nichts von ihm verlangen, was sie sich selbst beschaffen konnte. Was sie von ihm empfing, das wollte sie durch Gleichwertiges vergelten und nie mehr in seiner Schuld stehen. Ihre eigenen Tag- und Wochenzeichen wollte sie haben: für jede Woche einen Stab, darauf für jeden Tag einen Strich. Sie begann sofort damit, auf dem ersten Stab die Striche nachzutragen, für die Tage seit der Überschwemmung der Wohnhöhlen. Für die Ereignisse selbst erfand sie Zeichen, die nur ihr verständlich waren. So stellten ein paar waagrechte Ritze das große Wasser vor, ein paar zungenförmige den Brand; auch den Pfahlbau deutete sie mit wenigen Strichen an, und einige Ringlein standen für die geraubten Goldkörner.

* * *

Im Moorgrund reiften die Heidelbeeren, und auf der Wiese zwischen dem Fuchsenbühel und den Salzwänden wuchsen noch dichte Bestände von Schwadengras. Um die Körner nicht mehr mit den Händen enthülsen zu müssen, machte sie aus einem Buchenstrunk einen Holzmörser. Mit glühenden Holzkohlen, die sie mit einem Entenflügel fächelte, brannte sie eine tiefe Höhlung aus, die sie zum Schluß mit Granitsplittern glättete. Mit einem Fichtenstößel bearbeitete sie die Körner, die noch in den Fruchthüllen steckten, schüttete sie dann auf einen Tonscherben und blies mit vollen Backen die abgeriebenen Spelzen heraus.

Für den Fischfang ersann Eva eine Art Falle, von der sie sich sicheren Erfolg versprach: drei birnförmig geflochtene Körbe, die so ineinander geschachtelt wurden, daß sie ihre breiten Öffnungen der Strömung zukehrten. Die offene Spitze des vordersten führte in den Bauch des zweiten, die offene Spitze des zweiten in den Bauch des dritten, dessen Endruten sie fest verschnürte. Da Eva nicht wußte, was den Fischen schmeckte, tat sie in die Körbe Brunnenkresse und Nesseln, Wurzeln der wilden Möhre, Beeren, aber auch Regenwürmer und Nachtschnecken. Die so beköderten Fischreusen beschwerte sie mit eingelegten Steinen, schnürte sie fest an eine Stange, hängte das Ganze an einen Strick aus Waldreben und ließ es unter ihrer Hütte ins strömende Wasser sinken.

Schon am nächsten Frühmorgen, Peter schlief noch, sah sie nach den Reusen und fand darin zu ihrem Erstaunen statt Fischen viele zappelnde Steinkrebse, nicht größer als ihr Mittelfinger, aber mit mächtigen Scheren. Einen um den anderen hob sie vorsichtig aus seinem Gefängnis und tat ihn zunächst in einen Korb; später warf sie die Krebse allesamt ins Feuer und bereitete ihnen so einen raschen Tod. Das Braungrün der Tiere verwandelte sich dabei in ein gelbliches Rot. Eva hob sie mit einer Zweiggabel einzeln aus der Glut, zerbrach die Krusten und tat das weiße Fleisch auf einen gebrannten Tonscherben.

Mit ein wenig Salz und Kerbelkraut gewürzt, ergaben die Krebse ein vorzügliches Essen. Evas Selbstvertrauen stieg. Entschlossen ging sie daran, ihren Feuerkorb auszubessern. Als sie ihn umstülpte, fielen die hartgebrannten Bruchstücke des alten Lehmbelags heraus, an der Außenseite geschmückt mit den Abdrücken des Korbgeflechts! Der Bodenscherben war eine harte Schale, etwa eine Handlänge tief. Der könnte ein gutes, dünnwandiges Kochgefäß abgeben! Und so hatte die mühsame Kocherei mit erhitzten Steinen plötzlich ein Ende. Was vorher Plage war, wurde ein Vergnügen. Die Erfahrung, daß geformter, vorgetrockneter Lehm sich im Feuer klingend hart brennen ließ, reizte Eva zu weiteren Versuchen.

Sie knetete neue Gefäße und hielt sich zunächst an bewährte Vorbilder: die hohle Hand, die Schädeldecke des Rehes, den Muldenstein, alles Gefäße mit rundgebauchten Böden. Aus dem Feuerkorb war eine flache Schale gefallen. Was Eva nun aus feuchtem Lehm gestaltete, übertraf alle Vorbilder; denn von Stück zu Stück wurde die Töpferin geschickter.

Peter, von Evas Beispiel angespornt, steckte jetzt bis über die Ohren in Versuchen. Den Brei vermißte er nicht, da er unweit der Goldbachmündung massenhaft halbreife Wassernüsse erntete und im nahen Jungholz genug gelbe Röhrlinge fand. Aus diesen Pilzen und den zerdrückten, kastanienähnlich schmeckenden Nußkernen bereitete er sich in einem Tonscherben sein tägliches Mus; ab und zu briet er Fische und Wasservögel.

Von ihren Flechtarbeiten her lag es für Eva nahe, größere Gefäße aus aufeinandergelegten Wülsten herzustellen, die sie erst mit dem nassen Finger, dann mit einem rundlichen Kieselstein glatt verstrich. Während dieser Arbeit erinnerte sie sich, welch zierliches Muster das Rutengeflecht auf der Oberfläche der Bodenschale aus dem Feuerkorb ergeben hatte. Und so machte sie sich ans Werk und ritzte kreuzweise Striche und Punkte in den feuchten Lehm. Was sie tat, machte den Topf weder besser noch schlechter; aber ihr gefiel das Muster, sie hatte Freude am Schönen.

Eva zweifelte nicht am Gelingen ihrer Töpferarbeiten und entschloß sich, auch das tönerne Bildstöckl der Ahnl, das an einzelnen Stellen abgesplittert war, durch Brennen zu härten und so vor weiteren Schäden zu schützen. Um den Fußboden ihrer Stube nicht zu gefährden, pflasterte sie die Herdstelle mit einer doppelten Lage flacher Steine und erhöhte den Herdwall zu einer kniehohen Mauer, die das Feuer an drei Seiten umgab; die vierte Seite blieb als Heizloch offen.

Nach einigen Tagen, die Herdmauer war nur oberflächlich trocken geworden, fachte sie ein mächtiges Feuer an, dem sie ihre Töpfereien anvertrauen wollte.

Ängstlich lauschte sie auf das Knistern und Knattern des Lehms der Herdmauer, der in der Hitze trocknete und splitterte. Sie legte Steine in die Flammen und stellte das Bildstöckl der Ahnl und daneben die zwei ersten Schalen darauf. Gespannt sah sie zu, wie die Flammenzungen an den Brennstücken leckten. Wieder knatterte es: Abgesprengte heiße Tonsplitter trafen ihre Schienbeine. Ein scharfer Knall — Asche, Funken und winzige Scherben flogen bis an die Wände. Eine der beiden Schalen, gerade die zuletzt geformte, die schönste, war zerplatzt. Eva griff mit beiden Händen an ihre Schläfen und starrte ins Feuer.

Unversehrt stand das Bildstöckl der Ahnl über den züngelnden Flammen. Eva hielt den Atem an. Ein zweiter Knall — von der ersten, größeren Schale war die obere Hälfte rundherum abgesprungen. Gleich darauf barst auch der Boden des Gefäßes. Das Bild der Ahnl aber war ganz. Eva nahm diesen natürlichen Vorgang als neuen Beweis für die Heiligkeit des Ahnenbildes. In Wirklichkeit war das Figürchen von der Herdhitze längst ausgetrocknet, aber das bedachte Eva nicht.

Am Morgen nach der schlaflosen Nacht, während der sie rund um das Bildstöckl ein starkes Feuer gemacht hatte, sahen ihre schmerzenden Augen das Bild der Ahnl rotgebrannt über der Asche stehen. Aber ihr Eifer für die Topfbrennerei war vorläufig dahin. Sie wollte die übrigen Töpfe und Näpfe nicht auch noch gefährden und beschloß, die Gefäße auf der Herdmauer in der Wärme des Feuers hart werden zu lassen. Eva vergaß nicht, sie von Zeit zu Zeit zu wenden, damit die Wärme alle Seiten erreichte. Wenige Tage später gelang es ihr, einige vorgetrocknete Töpfe vom Rauch eines mäßigen Feuers bestreichen zu lassen und so zu härten, daß Wasser sie nicht wieder aufweichen konnte.

Webstuhl und Quirlbohrer

Eva war im letzten Jahr so in die Höhe geschossen, daß der alte Lendenschurz ihr längst zu kurz geworden war. Schmutzig und unansehnlich hing er an ihr; abgesehen davon gefiel er ihr auch nicht mehr. Sie dachte an ihre Webkünste und machte sich sofort an die Vorbereitungen. Stillvergnügt saß Eva auf einem Reisigbündel vor einem Holzklotz mit Ruten darauf. Mit der Linken drehte sie die Ruten, während die Rechte einen Knüttel schwang. Ihre Augen verfolgten das stille, wechselvolle Leben des Moores. Unterhalb der Hütte, wohin die Strömung die Abfälle des Haushaltes trug, wimmelte es von kleinen Fischen. Ab und zu wurde einer von einer Forelle geschnappt. Die anderen stoben auseinander und suchten sich unter den flutenden Büscheln der grünen Fadenalgen zu verstecken. Die Hartnäckigkeit, mit der die kleinen Allesfresser sich immer wieder zusammenfanden, die Regelmäßigkeit, mit der sich die Überfälle der Forellen wiederholten, brachten Eva auf einen Gedanken: Hier könnte sie sich, wenn sie es richtig anpackte, Fische verschaffen! Man müßte aus dünnen Bastfasern ein langes, sackartiges Netz flechten, Lockfutter hineintun und das Netz in die Strömung hängen... Die kleinen Fische würden sicher hineingehen, und die großen ... die großen würden ebenso sicher folgen.

 

Ihre Gedanken eilten den flink arbeitenden Händen voraus, die den Bast Streifen für Streifen vom Holz lösten und zu langen Strähnen zusammenbanden. Eva dachte an ein dünnes Unterkleid für die Nacht und an ein derberes für den Tag, an Fischnetze, an einen verbesserten Herd und an vieles andere. Vor einem der Gucklöcher ihrer Hütte spann gerade eine Spinne ihr kunstvolles Netz. Eva stand auf und schaute zu, wie die Weberin die Fäden zog und verband. Was das Tierchen durch Aneinanderkleben der Fäden erreichte, mußte Eva durch Verknüpfen erzielen. Das war ihr klar. Die neuen Kleider können warten, wichtiger ist jetzt ein Fischnetz! dachte sie und machte sich ans Werk. Als sie am Spannstab ihres Flechtgerätes die Längsfäden aufgereiht hatte, ärgerte sie sich, daß sie jedesmal, wenn sie den Knoten schlang, an den Kreuzungsstellen den Querfaden in seiner ganzen Länge durchziehen mußte. Das hielt auf! Da besann sie sich auf ihre Flechtnadel, die allerdings in der Erdstube verbrannt war. Sie nahm ein fingerdickes Schilfstück, schabte es an der einen Seite der Länge nach ab und schnitt beide Enden zu einer Gabel. Und nun wickelte sie den Faden zwischen die Kerben und freute sich, daß ihr wieder etwas gelungen war. Vor neuem machte sie sich an die Arbeit am Netz.

Aber sie fand ihr Werk so schlecht und unregelmäßig, so stümperhaft im Vergleich zu dem Spinnennetz, daß sie das häßliche Geflecht herunterriß und wegwarf. Sie holte Waldreben und band daraus drei Ringe: den ersten eine Armlänge, den zweiten kleiner, den dritten nur eine Handspanne im Durchmesser. An den ersten band sie lange Bastfäden, immer zwei und zwei, und zwischen jedem Paar ließ sie einen Daumenbreit Zwischenraum. Dann begann sie zu knüpfen. Jeden rechten Faden des ersten Paares verknüpfte sie mit dem linken des nächsten Fadenpaares und so weiter rundherum. Beim nächsten Umgang knüpfte sie den rechten Faden mit dem zu ihm gehörigen linken zusammen; das ergab eine Rundreihe von rautenförmigen Maschen, einen »Umgang«. Das Ergebnis war ein langes, trichterförmiges, hinten engmaschigeres Netz. Mit der Netznadel flocht sie noch Querfäden ein, die sie an die Knoten des Grundnetzes festband.

Unten mit kleinen Steinen beschwert, oben an Schwimmhölzer gebunden, hing das Netz, reichlich mit Lockspeise versehen, vom Rande des Pfahlbaues in das Wasser hinab. Wie ein weiter Rachen, der auf Beute wartete, gähnte sein kreisrunder Eingang. Neugierig umschwammen die kleinen Elritzen das sonderbare Ding; erst wagten sich einige ganz Kecke zum Eingang, dann bis zum zweiten Reifen, und bald tummelte sich der ganze Schwarm um den Köder, und die schlanken Fischlein schwammen durch die Maschen des Netzes aus und ein, ein und aus. Es dauerte lange, bis auch die Forellen der Meinung waren, das neue Ding sei harmlos. Doch kaum war die erste ins Innere des Netzes gedrungen, als ihr zwei andere folgten. Die Elritzen stoben durch die Maschen wieder hinaus. Und Eva, die sich vor Aufregung nicht länger zurückhalten konnte, riß an der vorderen Aufhängeschnur den ersten Reifen empor, an dessen Unterseite die Schnur befestigt war, und brachte ihn so zum Umschnappen. Im nächsten Augenblick hatte sie das Netz hochgezogen, die Forellen eine nach der anderen unter den Kiemendeckeln gefaßt und durch einen Schlag auf den Kopf getötet.

* * *

Wieder einmal saßen die beiden jungen Siedler einträchtig beisammen und genossen den Feierabend. Die friedliche Stimmung ließ sie jede Andeutung vermeiden, die den Streit um die Goldkörner aufs neue hätte entfachen können.

Peter berichtete von einem neuen Wildwechsel, den er ausfindig gemacht hatte, und versprach, Eva bald mit frischem Fleisch zu versorgen. Sie klagte darüber, daß die Arbeit am Webstuhl in seiner jetzigen Form viel zu zeitraubend sei, solange sie die Längsfäden einzeln abheben müsse. Ja, wenn sie die ersten, dritten, fünften, siebten usw. zugleich und dann die zweiten, vierten, sechsten, achten bewegen könnte und weiter, wenn diese Fäden mit den anderen einmal gleichlaufen und dann wieder sich kreuzen würden — dann, ja dann wäre ihr geholfen.

Peter hatte sofort begriffen: »Aha, du meinst so«, sagte er, legte seine Hände mit dem unteren Teil der Handflächen aneinander, wobei er die Finger voneinander entfernte. »So entsteht das eine Fach, in dem der Querfaden zu liegen kommt.« Dann verschränkte er die Finger der Rechten in die der Linken ... »und jetzt hast du das zweite Fach. Meinst du‘s so?«

Evas Züge erhellten sich. »Ja, genau so hab‘ ich mir‘s ausgedacht.«

»Da mußt du die Fäden in zwei getrennte Rahmen spannen, die sich gegeneinander so verschieben lassen, wie ich‘s mit meinen Händen gemacht hab‘. Weißt, dann kommen die gespannten Fäden nimmer durcheinander. Und schneller geht‘s auch. Ich mach‘ dir Tritte an die Rahmen, daß du mit den Füßen schieben kannst, dann hast du die Hände frei und kannst die Webnadel hin- und herziehen.«

Eva strahlte. In ihrer Freude sprang sie auf, faßte ihn an den Schultern, rüttelte ihn. »Ja, so geht‘s, so muß es gehen!« rief sie und drückte einen herzhaften Kuß auf seine Lippen. Aber Peter, der schon wieder seine Arbeit im Kopf hatte, fuhr hoch: »Herrgott, jetzt ist mir am End‘ gar mein Feuer auf der Moorleiten ausgegangen!« Und schon eilte er in langen Sätzen davon.

Eva seufzte. Daß man mit ihm nie richtig schwatzen, ihn nie um Rat fragen und ein bißchen Lob ernten konnte! Ihre Stunden waren von früh bis spät mit Arbeit ausgefüllt, und was das Leben schön macht, das Feiern und Überdenken des Tagewerks mit einem Lebensgefährten, das fehlte ihr. Sie war einsam.

Eine Hoffnung aber blieb ihr: Einmal mußte Peter fertig werden mit der Tonbrennerei ... ja, aber würde er dann nicht gleich einer neuen Erfindung auf der Spur sein? Und die Jagd und der Fischfang? Alles was recht ist, dachte sie, gesorgt hat er immer für mich, hat die kalte Höhle bewohnbar gemacht, hat die Sintflut überwunden... Sie konnte bei schlechtem Wetter daheimbleiben, er mußte hinaus. Und sein Jähzorn? Oder sollte sie freundlicher sein, ihn umsorgen, wenn er müde heimkehrte? Ja, das wollte sie.

Der Hochsommer war da, die Sonne ging am Sommerspitz unter, und die langen Tage waren bis zum Rande mit Arbeit ausgefüllt. Der Bau dieses Webstuhls kostete viel Zeit. Schon das Zurichten der Hölzer mit Feuer, Granitraspel und Säge dauerte eine kleine Ewigkeit. Und erst das Bohren der Löcher ins Grundholz, das als wuchtiger Fuß den Webrahmen tragen sollte! Darin mußten ja zwei Stäbe feststecken, in deren Gabeln oben der Tragstab zu liegen kam. Wie oft riß die Saite des Bogens, der den Drillbohrer antrieb; wie oft sprang der Bohrer aus dem Bohrloch! Es war zum Verzagen. Statt Peter um Hilfe zu bitten, dessen Feuer seit zwei Tagen drüben an der Moorleiten qualmte, suchte Eva in seinem Allerlei nach gegabelten Hölzern, die den Bohrer zwingen sollten, beim Drehen an einer Stelle zu bleiben. Sie fand eine verkrüppelte Staude mit dickem Stamm und aufsteigenden, gegabelten Ästen. Eva sah sofort, daß schon der erste schrägaufsteigende Ast mit seiner Gabelung für die Führung des Bohrers geeignet war; sie brauchte nur die Gabelzweige mit einem Querstäbchen zu einem Dreieck zu verflechten, in dem der mit den Händen gequirlte Bohrstab sich drehen sollte. Schon beim ersten Versuch zeigte sich, daß der Bohrer auch unten eine Führung brauchte; dazu dienten zwei andere Gabeläste, die Eva kreuzweise über dem Stammstück festband. Als sie das überflüssige Zweigwerk absägte, stieg ihr ein angenehmer, herbwürziger Duft in die Nase, der sie an die verräucherte Küche der Ahnl erinnerte. So hatten die Blätter gerochen, mit denen die alte Frau das Wildbret gewürzt hatte: Lorbeer! Wo gab es im Heimlichen Grund Lorbeer? Am Fuße der warmen Mittagswand, auf der Sonnigen Leiten, wo die Sonnenstrahlen den Südhang besser erwärmten als jede andere Stelle des Heimlichen Grunds und wo der Winter milder war?

Da die einzelnen Teile des Bohrergestells nicht wackeln durften, verband Eva sie mit halbtrockenen Darmsaiten. Dann befestigte sie ein Holzstück auf dem Gestellfuß, schabte eine Vertiefung ins Holz, tat Quarzsplitter hinein, senkte den Bohrstab von oben durch die beiden Führungen und begann, ihn mit beiden Händen zu quirlen. Damit sie nicht erst den Bohrstab mit Hand und Druckstein ins Bohrloch drücken mußte, hängte sie unten, zwischen den beiden Führungen, Steine an, die ihn durch ihr Gewicht niederdrücken sollten.

Eine Weile tat das neue Bohrgerät seinen Dienst so gut, daß Eva innerlich jubelte; dann aber lockerte sich die Bindung der unteren Führungsstäbe und mußte erneuert werden. Eva plagte sich redlich, es gelang ihr aber nicht, diesen Übelstand ein für allemal zu beheben. Als sie daran ging, mit dem Gerät für die Stützen ihres Webrahmens Standlöcher in den plumpen Holzblock zu bohren, der den Fuß ihres Webstuhles bilden sollte, erschrak sie: Es war unmöglich, den Block unter die untere Führung des Bohrers zu bringen — das Bohrgerät war unbrauchbar! — Nicht doch: sie brauchte es nur rittlings auf den Block zu setzen, dann ließ die untere Gabelung den Bohrer durch.

Nach zweitägiger Bohrarbeit saßen die Ständer des Webgestelles schon fest in den Löchern des Fußblocks und hielten in ihren Gabeln den Tragstab für die Längsfäden. Während Eva sie anknüpfte, um nach ihnen den beweglichen Rahmen einrichten zu können, kam Peter unvermutet heim, verrußt, aber in guter Laune. Eva weidete sich an seinem Staunen. Sie brauchte ihm nichts zu erklären; mit einem Blick erfaßte er die Güte und Zweckmäßigkeit des neuen Bohrers. Sofort legte er einen scheibenförmigen Kalkstein unter die Führung. Gewohnt, einen Bohrer mit der Bogensaite zu drillen, holte er sich ein Stück, wickelte es um den Bohrstab und spannte ihn mit den Händen. Beim Hin- und Herziehen der Saite tanzte der Bohrer unverrückbar an einer Stelle rechtsherum und linksherum. Die Quarzsplitter griffen kreischend in den Kalkstein, und ehe Peter müde wurde, hatte er eine ansehnliche Vertiefung erbohrt. Jetzt ließ er nicht mehr locker. Vergessen hatte er, warum er heimgekommen war, und nach kurzer Rast arbeitete er weiter, bis die Bohrerspitze durch die dünne Scheibe des weichen Steins gedrungen war; daß er den Bohrstab zweimal mit Wasser hatte anfeuchten müssen, damit er nicht glimme, war eine wichtige Nebenwirkung des verbesserten Geräts: Es war auch ein rasch und zuverlässig arbeitender Feuerbohrer! Die durchlochte Kalksteinscheibe aber bot sich förmlich als Wirtel an, der die beim raschen Drehen lockergewordenen Gewichtsteine am Bohrer ersetzen konnte. Während Peter wieder einmal von Evas Schwadenbrei aß, lobte er das neue Werkzeug.

Am nächsten Tag hängte Eva zwei Langstäbe mit Asthaken links und rechts an den Tragstab ihres stehenden Webrahmens und ließ sie in ein stärkeres Querholz ein, das als Kammstab mit ihnen zusammen den Innenrahmen zum Hin- und Herbewegen der Zweierfäden abgeben sollte. Dann aber kam eine neue Geduldsprobe: Für die Zinken des Schiebekammes, an deren Enden jeder zweite Faden gespannt werden sollte, mußten viele kleine Löcher in diesem Kammstab gebohrt werden. Die Zinken selbst durften anderthalb Finger lang sein. Eva bezeichnete die Länge durch eine tiefe Kerbe, und dort brach sie das Stück, das sie brauchte, ab. Dann hielt sie sein eines Ende vorsichtig in die Flamme und schabte und schliff es so lange auf einer Schieferplatte, bis es genau in das vorgesehene Bohrloch paßte. Endlich war der erste Rahmen für die geraden Fäden fertig und bespannt. Jetzt kam der zweite Rahmen für die ungeraden an die Reihe. Damit ging‘s schon schneller. Und wieder fiel ihr eine Verbesserung ein. Sie wickelte einen Teil des Fadens um die Stäbchen und konnte so ein längeres Webstück anfertigen. Beide Rahmen versah sie mit nach unten gerichteten Asthaken, so daß sie mit den Füßen bedient werden konnten; auf diese Weise hatte sie die Hände frei für die Führung der Webnadel.

 

Diese Webnadel bestand aus Schilf und hielt nicht viel aus. Darum bastelte Eva aus einem fingerdicken Holunderstab etwas Dauerhafteres. Die neue Nadel war länger, als das Gewebe breit werden sollte, und vor allem kräftiger. Sie lag auch gut in der Hand. Gehöhlt, abgeschliffen und gewachst ließ sich ein sehr langer, geknüpfter Faden bequem aufwickeln. Von der einen Hand geschoben, von der anderen gezogen, unter und zwischen den gekreuzten Fäden dahin, glich sie einem flinken, langen und schmalen Schiffchen — einem Webschiffchen.

Evas Tag war genau eingeteilt. Frühmorgens untersuchte sie Krebsreuse und Fischnetz, nahm die Beute heraus, bereitete das Essen für den ganzen Tag, und was an Fischen übrig war, salzte sie ein und hängte es in den Rauch des Herdfeuers. Sie lüftete ihr Lager, kehrte die Stube, bestieg ihr längst verbessertes Floß und holte einen Topf voll Trinkwasser aus einem Quellbach, der in den Moorbach mündete. Auf dem Rückweg nahm sie mit, was sie an Beeren und Wildgemüse fand. Hatte sie so ihr Haus bestellt, dann trug sie den Webstuhl und den Sitzschemel, den Peter aus einem kurzen Baumstamm zurechtgehauen hatte, auf die Schattenseite ihres Randbodens und ließ das Webschiffchen durch die Fäden gleiten. In das gleichmäßige, leise Schlagen der Schiebrahmen mischte sich das Summen unzähliger Hummeln und Bienen, von den fernen Bachfällen klang gedämpftes Rauschen herüber.