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Die Höhlenkinder im Pfahlbau

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Schlangen in der Erdstube

Am nächsten Tag schleppten Peter und Eva ihre ganze Habe aus den Baumnestern ins Zelt und in die Erdstube. Der Speer, der bald als Waffe, bald als Bergstock diente und seit der Höhlenflucht als Zeitmesser auch die eingeritzten Tagmarken aufwies, ruhte jetzt als Tragstock auf den Schultern der beiden hintereinander Schreitenden. Er bog sich unter der Last der Vorräte, die nur wenig leichter waren als beim Auszug aus den Höhlen. Peter, der vorausging, hatte hinter dem Gürtel ein altes Steinbeil, und Eva trug den Feuerkorb, auf dessen Glut sie vermodertes Laub und Gras gelegt hatte; das gab einen dicken Qualm, der die Bären, an deren Höhlen sie vorübermußten, abhalten sollte. Als sie an der Moorbachquelle rasteten, schmückte Eva wie in sorglosen Zeiten ihr Stirnband mit Blumen. Mit Freude stellte sie fest, daß die Erdbeerstauden reichlich angesetzt hatten. Plötzlich fielen ihr die Heiligtümer ein — die waren ja noch in der Höhle! Doch Peter sagte rauh: »Deswegen gehen wir nicht zurück. Überhaupt sind sie dort besser aufg‘hoben als am Moorbach.« Er mochte nicht an den Ort erinnert werden, wo seine durchlochte Steinaxt lag, eine Weihgabe, die er noch nicht verschmerzt hatte.

Eva begann, das neue Heim einzurichten. Sie war bedrückt. Selbstvorwürfe und bange Ahnungen quälten sie. Das war kein Wunder; denn war die neue Wohnung sicher, barg sie nicht unbekannte Gefahren? Die Sonnenscheibe war nicht mehr bei ihnen — wer sollte sie beschirmen, wenn Unheil drohte? Eva beschloß, bald, so bald als möglich eine Kostbarkeit, ein Goldopfer im Heiligtum niederzulegen.

Peter, der seine Zeit zwischen Fischfang, Holzholen und Goldsuchen teilte, wollte verhindern, daß Eva ihm nachgehe. Er brachte ihr einen grob zugehauenen Serpentinkeil, gab ihr das Bohrzeug, eine Bocksblase voll feingeschlagener Quarzsplitter und verlangte barsch, sie solle ihm das Steinbeil durchlochen; ja, er legte ihr zum Schleifen auch schon den Sandsteinblock hin. Widerwillig fügte sie sich. Sooft sie Peter fern wußte, verließ sie die aufgezwungene Arbeit und ging ihren eigenen Aufgaben und Sammelgelüsten nach. Als erstes lagerte sie ein Bündel Schößlinge von Weiden, Erlen und Hartriegel im Moorbach ein, sie brauchte neuen Bast, um ihre schadhaft gewordene Kleidung zu ersetzen; sie schleppte Stangenholz herbei, um ihre Erdstube nach vorn abzuschließen; dann aber machte sie verstohlen Grabversuche im Bachbett. Im Traum hatte sie dort kopfgroße Goldklumpen gefunden. So klein ihre Ausbeute war, sie gab die Hoffnung nicht auf und barg ihre Schätze — recht schlau, wie sie glaubte — auch unter ihrer Liegestatt; sie wußte nicht, daß Peter ein ähnliches Versteck hatte.

Schon reiften die Erdbeeren, und Evas Ahnungen schienen sich als grundlos zu erweisen. Ihr neues Heim, in dem jedes Gerät seinen Platz hatte, gefiel ihr um so besser, je mehr angenehme Nachbarn sie kennenlernte: drüben im Weißdornbusch ein Zaunkönigspärchen, mit seiner Geschäftigkeit und dem überlauten Singsang, der wie ein Tonwunder aus den winzigen Kehlen drang; in einer Astgabel des Haselnußstrauches dicht daneben bauten Zwergmäuse an ihrem kugelrunden Nest. Eva konnte sich an dem entzückenden Treiben der rotbraunen, weißbäuchigen Flechtkünstler nicht sattsehen, wie sie mit zierlichen Pfoten und Nagezähnen die Grashalme darunter und darüber schoben und mit klugen Äuglein das zusehends wachsende Werk von allen Seiten beguckten.

Den schönen Frühlingstagen folgte anhaltendes Regenwetter; eintönig trommelten die Tropfen auf das Schilfdach. So dicht auch die Balken mit Reisig, Moos und Blättern belegt waren, schließlich konnte die Decke den Regen nicht mehr abhalten.

Das Wasser rann an den sandigen Seitenwänden der Stube nieder. Eva entschloß sich, durch dicht nebeneinander eingerammte und der Quere nach verflochtene Stäbe, an denen ein Lehmbelag halten konnte, die Sandwände vor dem Niedergehen zu sichern. Das abschüssige Dach bedeckte sie dick mit Schilf und legte Steine darauf, damit das Regenwasser durch die abwärts gekehrten Rispen besser abfließen konnte. Den oberen Rand des Daches und das abstehende Erdreich deckte sie fugenlos mit Rasenflözen.

Den Stubenboden belegte sie mit einem zähen Brei aus nassem Gras und Lehm und deckte knöchelhoch trockenes Laub darüber. Dann führte sie gegen den Bach zu eine kniehohe Schutzmauer aus Steinen auf, deren Fugen sie mit Moos und Lehm abdichtete. Mit einem Weidengeflecht verschloß sie den Eingang bis auf eine schmale Öffnung. Über der mit Fellen verhängten Gittertür ließ sie eine Lücke, durch die der Rauch abziehen und Luft und Licht herein konnten.

Je wärmer die Tage wurden, um so unangenehmer machten sich allerlei Nachteile der Erdwohnung bemerkbar. Zecken, Asseln, Skorpione und anderes Ungeziefer stellten sich ein. Vom nahen Moor kamen ganze Wolken von Stechmücken, die besonders abends, wenn das Feuer niedergebrannt war, zur Plage wurden. Peter ging es in seinem Zelt etwas besser; ihn machte die schwere Arbeit an der Trift, wo er Tag für Tag Holz ins Trockene schleppte, so müde, daß er im Schlaf die Stiche gar nicht spürte. Ein weiterer Schutz mochte auch seine rußverschmierte Haut und die streng nach Rauch riechende Fellkleidung sein.

Eva aber litt sehr. Das hohe, aufdringliche Sirren der fliegenden Quälgeister ließ sie lange nicht einschlafen. Es war in der Nacht vor der Sommersonnenwende, als sie sich Selbstvorwürfe darüber machte, daß sie beide seit dem Verlassen der Heiligtümer die gemeinsamen Andachten vernachlässigt hatten. Sie warf sich vor, daß sie Peter wieder verwahrlosen ließ, der vor lauter Arbeit gar nicht dazu kam, sich seiner guten Vorsätze zu erinnern. Die vom Rauch gebeizten Augen auf das niedergebrannte Feuer gerichtet, lauschte sie dem Murmeln des Baches und den geheimnisvollen Lauten des Waldes. Da hörte sie im Dachgestänge ein leises Knistern. Sie hob den Blick und sah im schwachen Schein der Glut den braungelben, schwarzgetüpfelten Bauch einer Sandotter, die langsam durch das Reisig herabschlüpfte. Wie gelähmt folgten Evas Augen den Bewegungen des Tieres. Sie sah es in einer Ritze des Wandbelags zum Boden streben, wo es den aschgrauen, verschlungenen Leib der von der Feuerstelle ausstrahlenden Wärme aussetzte. Eva rührte sich nicht vor Angst, die Schlange zu reizen. Die Mücken wurden zudringlicher, bohrten die Rüssel in Evas Lippen und Augenwinkel, und sie mußte es geschehen lassen. Regungslos verharrte sie auf ihrem Lager auch dann, als sich zwei andere Ottern zu der ersten gesellten. Nun war die Strafe der gekränkten Gottheit für den Undank da! Eva betete ohne Zuversicht um Barmherzigkeit. Keine Flamme erhellte mehr den Raum; das Feuer glühte schwach und schwächer. Evas Angst wuchs in dem Maße, in dem ihre Augen versagten. Schließlich vermochten ihre Blicke die Finsternis nicht mehr zu durchdringen. Sie lauschte angestrengt, hörte das gedämpfte Raunen des Bachs, vernahm das Trippeln und Krabbeln unsichtbarer kleiner Tiere. Vom Walde her klang matt das Kreischen, Pfeifen und Kichern der Eulenvögel. Da! Ein kläglicher Aufschrei, vielleicht einer Wildtaube, die auf ihrem Nest von einem Marder oder einem Uhu gemordet wurde. Wieder das Trappeln kleiner Füße in unmittelbarer Nähe, dann das gereizte Zischen einer Schlange und das Schmatzen eines fressenden Tieres. Räumte ein Igel unter den Schlangen auf?

Erst als die Strahlenbündel der aufgehenden Sonne die Stube erhellten, wagte sich Eva von ihrem Lager. Die unheimlichen Besucher waren fort. Doch lag da nicht der Kopf einer Schlange? Vorsichtig näherte sie sich dem Rest der Igelmahlzeit. Angeekelt wich sie zurück. Ihr war, als hätte sich der Oberkiefer mit dem häßlichen, graubeschuppten Horn bewegt.

Mit einer langen Rute kehrte sie die Asche von den glimmenden Kohlen, schob den Schlangenkopf hinein und streute Reiser und Laub darauf. Als die ersten Flämmchen aufflackerten, trat sie ins Freie. Bis zu den Knöcheln im Bache stehend, wusch sie sich Kopf, Oberkörper und Arme. Die prickelnde Kälte des Wassers tat ihr wohl.

Sie suchte Peter auf und erklärte mit großer Bestimmtheit, sie werde nicht eine Nacht mehr in ihrer Erdstube zubringen, wo sie sich vor Ungeziefer und Schlangen nicht zu retten wisse. Er las die große Angst in ihren Augen und hatte Mitleid mit ihrer Pein. Ein Frösteln überlief seinen Leib. Er stellte sich vor, daß er vielleicht auch Schlangen in seinem Zelt beherbergt hatte und durch eine Bewegung im Schlaf ihre Angriffslust hätte reizen können. Doch als Eva darauf bestand, in ihr verlassenes Baumnest oder in die Höhle zurückzukehren, da schüttelte er den Kopf. Seine Augen waren auf die blinkende Wasserfläche des Moores gerichtet, aus dem die Birken herüberleuchteten. Er hob die Rechte und wies auf die schlanken, weißen Stämme. »Dort werden wir wohnen. Hast du das Vogelnest im Rohr gesehen, hoch über dem Wasser, wo keine Schlange es erreichen kann? Was der Vogel kann, können wir auch, aber wir machen es besser.«

Pfahlbau im Moor

Beim Frühstück sprach Eva den Wunsch aus, Peter solle ihr aus den verlassenen Wohnhöhlen den Muldenstein holen helfen, sie wolle wieder Brei kochen. Er ging nicht darauf ein, sondern schilderte, wie er sich den Nestbau über dem Wasser dachte. Die Birken, die im festen Grund tief unter dem Wasser des ehemaligen Bachgrundes wurzelten, sollten als Pfähle dienen — ähnlich den Schilfhalmen beim Vogelnest. Und in die Gabeln der steil aufsteigenden Äste wollte er, so gut es ging, Traghölzer einlegen, die ein starkes Bodengebälk halten sollten. Die Wände ließen sich aus Flechtwerk herstellen, das mit Lehm und Moos gedichtet werden konnte. Zum Dach wollte er Hakenstäbe und Schilf nehmen. Peter war so zuversichtlich, daß Eva ihm mit weit aufgerissenen Augen lauschte. Sie sah förmlich den Pfahlbau vor sich erstehen.

Da trug der Wind braunen, übelriechenden Rauch von außen ins Zelt. Peter und Eva stürzten ins Freie. Vom Goldbach wälzte sich dicker, brauner Qualm durch das Dickicht herüber. Was war das? Quer durchs Holz lief Peter dem heißer und heißer werdenden Rauch entgegen und Eva ihm nach. Bald hörten sie das Knistern des Feuers und sahen Funken im Rauch. Niedrige Flammen, vom Wind gedrückt, loderten aus Evas Erdstube. Das Dach mit seiner dicken Schicht aus Reisig, Laub, Moos, Gras und Steinen war heruntergebrochen und bildete einen wüsten Gluthaufen. Vom zusammengeschrumpften Fellbehang der Türe stieg ein unerträglicher Gestank auf. Die beiden jungen Menschen gingen aus der Windrichtung und sahen dem Brande zu. Was da verlorenging, war zu ersetzen. Erst als keine Flamme mehr aus der Glut hervorzüngelte, wandten sie sich zum Gehen.

 

Es war noch früh am Morgen, und Peter drängte es, den Pfahlbau zu beginnen, mit dem er noch am selben Tag fertig zu werden glaubte. Als er aber von der Triftleiten auf die Fläche des Moorsees niedersah und mit Eva nach geeigneten Bäumen suchte, stellte er fest, daß gerade die Bäume, die er für Pfähle brauchen konnte, weit draußen im tiefen Wasser standen. Dem Moorbach zu, nur einen Pfeilschuß weit vom Rand des schwingenden Bodens, der die Uferböschung säumte, standen vier und weiter oben fünf Birken im freien Wasser nahe genug beisammen. Peter entschied, daß die fünf Bäume Evas Hütte mit der Feuerstelle tragen sollten. Die vier anderen, die so nahe beisammenstanden, daß zwischen ihnen gerade für ein Lager Platz war, wollte er für sich nehmen. Als er seinen Fahrbaum über den schwankenden Moorboden hinweg ins offene Wasser schleifen wollte, brach er nach wenigen Schritten durch die schwimmende Torfschicht bis zu den Knien ein und mußte sich auf den Fahrbaum retten. Erst als er quergeschichtete Traghölzer und Jungstämme auflegte, gelang es ihm, den Sumpfboden zu überbrücken. Mit Evas Hilfe schleppte er den Fahrbaum über den schwankenden Prügelweg ins klare Wasser. Weil er aber nicht nur selbst zu den Pfahlbäumen hinübergelangen, sondern alles zum Bauen Nötige hinschaffen mußte, suchte er einige Stämme aus, verband sie untereinander mit den zähen Ranken der Waldrebe, befestigte sie rechts und links am Fahrbaum und verbreiterte ihn so zu einer Art Floß, das er mit Bauholz und Bindezeug belud. Leider erwiesen sich die Abstoßstangen als zu kurz. Peter legte sich nun bäuchlings auf sein Fahrzeug und versuchte, mit den Händen zu rudern. Das schwerfällige Ding rührte sich kaum von der Stelle. Wenn er statt der Hände etwas Breiteres hätte? Peter fiel das Schulterblatt des Hirsches ein, das in der Höhlenzeit als Schneeschaufel gedient hatte.

Und wirklich: der flache, breite Knochen, mit seinem Gelenksende an ein Erlenstämmchen gebunden, war weit besser als die Hand, weil der lange Stiel die Kraft beider Arme des Rudernden vervielfachte. Durch die schwache Gegenströmung fuhr Peter langsam dahin. Abwechselnd links und rechts rudernd, steuerte er im Zickzack auf sein Ziel los. Stolz, eine große Schwierigkeit überwunden zu haben, langte er bei Evas Baumgruppe an. Zwischen den beiden vordersten Birken schob er sein Floß durch und stand inmitten des länglichen Fünfecks, das die schenkelstarken Bäume bildeten. Das Wasser unmittelbar an den Stämmen ging ihm knapp bis an die Knie; nur in der Stromrichtung des Baches zog sich eine mannstiefe, ungefähr anderthalb Armlängen breite Mulde zwischen jetzt freistehenden Uferbäumen hin: das ehemalige Bachbett. Drei standen drüben und zwei hüben. Peter band sein Floß zwischen den Bäumen fest und benützte seinen Speerschaft als Meßstab. Zu seinem Ärger fand er, daß die beiden Astgabelungen der einzelnen Kronen nicht in gleicher Höhe lagen. Das machte sein Vorhaben schwieriger, als er in der ersten Begeisterung angenommen hatte! Er verstaute das mitgebrachte Bauholz einstweilen zwischen den Pfahlbäumen und fuhr zurück, um noch Langhölzer zu holen. Aus seinem Vorrat wählte er durchweg armdicke Jungstämme. Für den Gegenpfahl des einzeln stehenden fünften Baumes und für die Pfähle, die den Stubenboden innerhalb des Rahmens als Stützen tragen sollten, fällte Peter einige Erlen, die er im Seeboden einrammen wollte. Die Äste schlug er mit seinem Steinbeil ab, lagerte dann die Bäume über zwei rasch aufgeworfene Lehmwälle dicht nebeneinander und ließ Eva erst unter den Wipfeln, dann nahe an den Wurzeln Feuer machen. Über der Flamme fortwährend gedreht, mußten sie an einer Stelle dünn und zugleich spitz gebrannt werden. Um die Stämme selbst vor den fressenden Flammen zu schützen, umwickelte er sie mit Schilf und Moos, das Eva durch fleißiges Begießen feucht halten mußte. Die Spitzen der zurechtgebrannten Pfeile glättete er mit der Granitraspel, band sie dann zu einem Floß zusammen und fuhr mit Eva, die einen Teil seiner Zeltfelle aufgeladen hatte, zum Bauplatz hinüber.

Die Sonne stand schon tief, es galt rasche Arbeit zu tun, wenn Eva eine Schlafstätte für die kommende Nacht haben sollte. Mit ihrer Hilfe trieb er vom Fahrsteg aus drei Pfähle mit einem wuchtigen Schlagstein in den schlammigen Grund des Sees und merkte, daß sie darin wenig Halt hatten. Er sah sich deshalb gezwungen, ihnen durch Steintrümmer, die er rund um jeden Pfahl häufte, mehr Standfestigkeit zu geben. Mühsam brachen sie die Steine aus den Uferwänden oberhalb der Moorbachmündung. Endlich hatten sie genug beisammen, und Peter bestieg einen Baum nach dem anderen, Eva reichte ihm die Bodenbalken zu, die er so in die Astgabeln einlegte, daß die Enden zwei gute Armlängen weit über die Eckbäume hinausstanden. Die Bodenbalken ruhten auf Holzklötzen, die Peter in tieferliegende Astgabeln gelegt und dort festgebunden hatte. Der entstandene Balkenboden lag so hoch, daß er ihn von seinem Fahrsteg aus mit den Händen gerade noch erreichen konnte.

Eva belegte ihren zwar nicht ganz ebenen, aber festen Hüttenboden mit Reisig, Laub und Moos, so daß für ihr Nachtlager gesorgt war. Peter holte vom Zelt noch zwei Felle und einige Armvoll Moos und Laub. Das eine Ende seines Fahrzeuges belegte er mit Schilf, nassem Lehm und Steinplatten, schichtete Reiser und Laub darauf und fachte ein Schutzfeuer gegen die lästigen Mücken an. Es knisterte und knatterte im Lehm, der unter dem Feuer rissig wurde, aber Peter fühlte sich auf seinem Floß sicher. Er band es als Schlafstelle zwischen zwei Pfählen unter Evas Hüttenboden fest und hatte auf diese Weise sogar ein Dach über dem Kopf, dann aß er behaglich eine Forelle und schlief gleich darauf ein.

Eva verbrachte zum erstenmal eine Nacht unter freiem Himmel; langsam verzehrte sie ihr Essen und sah dann völlig wach den ziehenden Wolken zu, denen die Wunderwelt der Sterne entgegenzuschweben schien. Vom Wasser stieg es kühl herauf; sie fror, obwohl sie auf Fellen lag und sich in Felle hüllte. Schlaflos lauschte sie den ungewohnten Stimmen der Wasservögel, das ab und zu die Stille unterbrach. Erst gegen Morgen schlief sie ein, wurde aber von einem prasselnden Regen geweckt und wickelte sich fester in ihre Decken.

Peter war es nicht besser ergangen. Als der Morgen graute, hielt er es nicht mehr aus. Ihn fror erbärmlich. Unwiderstehlich zog es ihn zur warmen Schlafmulde im Zelt. Er verließ sein feuchtgewordenes Lager über dem Wasser und ruderte in der sanften Gegenströmung längs des Ufers so schnell er konnte der Stelle zu, wo der Moorbach in den See mündete.

An den Zweigen der Ufergebüsche zog er den Fahrsteg stromaufwärts und befestigte ihn unweit seines halb ausgeräumten Zeltes an einer Erle. Der Anblick seines Vorrates an geräucherten Forellen erinnerte ihn an seinen Hunger. Er aß gierig, verkroch sich dann in der laubgefüllten Schlafmulde und sank in einen leichten Schlummer. Ihm träumte, daß er von einem glatten Birkenstamm des Baues ins kalte Moorwasser rutschte. Da erwachte er. Es regnete durch das halb abgetragene Zelt auf seine Laubdecke. Ernüchtert ging er trotz des Regens daran, zwei junge Lärchen zu fällen, die er als Steigbäume für sich und Eva an den Pfahlhütten anbringen wollte. Die harte Arbeit tat ihm wohl. Dann stutzte er die Astquirle, band die neuen Steigbäume an seinen Fahrsteg, den er nun mit Gerät und Mundvorrat belud, und ließ ihn in der Strömung treiben. Ruhig glitt er in den See und auf den begonnenen Bau zu.

Eva saß, in feuchte Felle gehüllt, als Gefangene auf dem Balkenboden und begrüßte Peter als Befreier. Der ließ ihr kaum Zeit zu einem Imbiß. Sie mußte mit ihm ans Land. Ein zweites Floß aus Bauholz und Bindezeug wurde hergestellt und zum Neubau gefahren. In die Kronen der Birken legten sie ein wenig über Kopfhöhe einen Dachrahmen ein, nach der Wetterseite geneigt, und banden ihn fest. Darüber kam in die Wipfel der im Osten stehenden Bäume ein Firstbalken; er sollte die mit ihren Asthaken aufgelegten Sparrenhölzer tragen. Eva, die Sparren und Querbänder festbinden mußte, kletterte im Gerüst herum, während Peter Schilf herbeischaffte, mit dem er das Dach decken wollte. Das Binden der Rohrbüschel ging ihm so schnell von der Hand, daß Eva mit dem Anflechten kaum nachkam; aber am Abend war das Dach doch fertig.

Am nächsten Tag schien die Sonne. Gut gelaunt gingen die beiden Pfahlbauer wieder an die Arbeit. Peter machte mit seinem etwas kleineren Bau rasche Fortschritte. Kaum hatte er seine Behausung so weit, daß sie ihm zur Not als Schlafstelle dienen konnte, nahm er sein unstetes Jäger- und Fischerleben wieder auf, ihn lechzte nach frischer Nahrung. Nie kehrte er von seinen Ausfahrten heim, ohne Reiser, Schilf oder Lehm für die Hüttenböden mitzubringen. Eva war wieder oft allein, hatte aber so viel zu tun, daß sie die Einsamkeit kaum merkte. Sie machte aus Weidenstäben, Waldreben und Lehm Wände für ihre Stube; eine, sie war Peters Hütte zugekehrt, bekam eine breite Öffnung für eine geflochtene Tür, deren Angelpfosten sich in Weidenringen drehen sollten.

In den anderen Wänden ließ sie nur je ein viereckiges Gucklock frei — nicht viel größer als ihr Gesicht — und verschloß es mit einer gespannten Tierblase. Der Fußboden wurde mit einer dicken Breischicht aus Lehm und Gras belegt; auf die geflochtene Falltür, die das Abfall-Loch deckte, kam ein Fell, das die vom Wasser aufsteigende Kühle abhalten sollte. Die Feuerstelle wurde mit Steinplatten und Lehm bepflastert und mit einem Erdwall umgeben. Ein neuer Kehrbesen aus Birkenreisig, Trinkhörner und anderes Gerät bildeten die Ausstattung des Raumes. Auf die Enden der Querhölzer band Eva Stangenholz und baute so einen Gang, der um die ganze Pfahlhütte führte und vom vorspringenden Dachrand gedeckt wurde. Auf der Klammseite stapelte sie das Brennholz auf und hatte so einen haltbaren Windschutz. Als Gegenleistung für das Herbeischaffen von Nahrung und Baustoff verlangte Peter, daß Eva ihm seine Hütte fertigmache; dazu baute er auf zurechtgebrannten Pfählen zwischen beiden Hütten einen Steg, der später zum Werkplatz erweitert werden sollte.

Solange die Arbeit drängte, merkte Eva nicht, daß sie immer weniger Appetit verspürte. Alles schmeckte so fade. Das wenige aus den Höhlen gerettete Salz war von Peter beim Räuchern der Forellen verbraucht und noch nicht ersetzt worden; Eva hatte in den letzten Tagen fast ausschließlich von Kastanien gelebt. Aber der Vorrat ging zu Ende, viele Früchte waren verschimmelt. Sie mußte sich nach Ersatz umsehen, und sollten es Grassamen sein. Wie lange war‘s doch noch bis zur Herbsternte! Brei mußte sie kochen, den Muldenstein wiederhaben, aber der steckte unter dem eingeschwemmten Lehm in Peters früherer Wohnhöhle! Da sein Floß tagsüber meist im Moorbach festlag, baute Eva aus Holz- und Schilfresten ein kleines, plumpes, tiefgehendes Floß, flocht dazu ein mehr als zwei Handflächen breites Ruder und fuhr zur Triftleiten hinüber. Hier entdeckte sie unter mancherlei Gräsern auch Schwadengras, das sie von der Ahnl her kannte; leider trugen erst die untersten Rispen Samen. Die Ahnl hatte die Rispen in ein gestieltes Sieb gestreift; Eva hatte kein Sieb und mußte die erst halbreifen Körner mit den Händen einsammeln. Wenn sie Brei kochen wollte, brauchte sie unbedingt den Muldenstein aus der verlassenen Höhle! Peter, den es auch nach Brei gelüstete, holte ihn endlich. Als die Schwadenernte ergiebiger wurde, stellte Eva aus einer gebogenen Rute und einem Lappen aus Rehleder einen Beutel her, mit dem sie die Grassamen abstreifte.

Diese wurden geröstet und im Muldenstein zu einem groben, mit Spreu durchsetzten Schrotmehl zerrieben. Zwar reichte das so erhaltene Schrot nicht aus, gab aber dem mitgekochten Wildgemüse die breiige Bindung. Die Pfahlsiedler hatten wieder ihre mehligen Kräutersuppen. Eva, die sich wieder einmal nicht wohl fühlte, bat Peter, sie nach den alten Höhlen zu führen; sie wollte dort um Genesung beten. Da er Salz brauchte, entschloß er sich zu einem Gang nach der Salzkammer im Berge. »Wenn du willst, dann komm mit!« schlug er vor.

 

Schon am nächsten Morgen machten sich die beiden auf den Weg. Damit sie das schwere Floß nicht aus dem Moorsee in den Klammbachsee hinüberzuschaffen brauchten, band Peter aus vier trockenen Stämmen seines Holzvorrates ein neues Floß, das als ständiges Fahrzeug für das Außenwasser in der Triftbucht ankern sollte, während das erste Floß im Innenwasser blieb. Er fuhr mit Eva zum Sonnstein hinüber, ließ sie in den Wohnhöhlen warten und ging allein in das Berginnere, um eine Rehhaut voll Salz zu holen.

Eva kniete vor dem Sonnenbild und den Ahnengestalten und gelobte, für ihre Genesung die Goldkörner zu opfern, die sie aus der Asche ihrer Brandstätte hervorholen wollte. Ihr Vertrauen auf die Wirkung des Gelübdes war so groß, daß sie sich auf dem Heimweg schon kräftig genug fühlte, Peter zu helfen, der außer dem Salz den Hirschschädel sowie den Bären- und den Bockschädel mitnahm. Eva nahm die Bildstöcke der Ahnen, sie sollten in der Nähe der Feuerstelle in ihrer Pfahlhütte einen neuen Ehrenplatz finden. Während sie andächtig das tönerne Bildnis der Ahnl betrachtete, dessen tröstlichen Anblick sie lange entbehrt hatte, bat sie die Verstorbene um Rat, was sie tun solle, um wieder kräftig und gesund zu werden. Als ihr dabei der Gedanke kam, in den ledernen Schlagbeutel Wasser und Schafgarbenblüten zu tun und einen erhitzten Stein hineinzulegen, um so einen Heiltrank zu bekommen, nahm sie an, Gott und der Geist der Ahnl hätten ihr dies geraten. Sie kochte sich also im Ledergefäß den würzigen Trank und schlürfte ihn warm. Und wirklich — ihr wurde besser, und nun glaubte sie erst recht an eine übernatürliche Hilfe.