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Die Höhlenkinder im Pfahlbau

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Der Pfahlbau des Rohrsängers

Gegen Mitternacht schlug der Wind um. Von Osten kommend, fegte er zerrissenes Gewölk vor sich her. Groß und strahlend wurden einzelne Sterne sichtbar, dann der blanke Mond. Von der Wohnhöhle drang das Rauschen des Wasserfalls schwächer und schwächer herüber, endlich verstummte es ganz. Oben hatte die Schneeschmelze aufgehört. Eisig strich der Wind aus dem Winkel zwischen den Salzwänden und dem Neuen Steinschlag nieder zum neu entstandenen See im Talgrund. Da dröhnte von der Klamm her ein fernes Tosen stürzender Wassermassen. Wie ein mächtiger Stromfall donnerte es fort und fort.

Peter strengte seine Augen an; er spähte zum Ahornbäumchen hinüber, dessen Krone unter dem Wasser schon bemerkbar war. Jetzt wurden einige Zweige sichtbar und teilten die darüberströmende Flut. Wippend und schwingend tauchte die Krone auf, dann schnellte sie, vom ziehenden Wasser sich lösend, empor.

»Das Wasser fällt!« Peter schrie es zu Eva hinüber. In abgerissenen Sätzen erklärte er, was er vermutete. Im kalten Wind hatte oben die Schneeschmelze nunmehr aufgehört. Die in der Klamm gestauten Wasser hatten die Höhe des Hindernisses erreicht; jetzt stürzten sie darüber hin und rissen gewiß die stauenden Steine mit sich fort.

Das Wasser sank zusehends. Noch vor Mittag stieg Peter zum Boden der Insel nieder, der mit Lehm, Geröll, Schwemmholz und unzähligen Schneckenhäusern übersät war.

Während er den Wasserstand ablas, sank die Flut vor seinen Augen um Fingerbreite. Das Dröhnen des Klammfalls dauerte fort. Auch Eva war von ihrer Fichte heruntergestiegen. Sie machte sich sofort ans Feuerbohren. Aber so sehr sie sich plagte, es wollte und wollte ihr nicht gelingen. Der Zunder war feucht geworden.

Peter watete über das Wiesenland, um in den Wohnhöhlen nachzusehen, was das Wasser verschont hatte. An der Lehne unter der Salzwand drang er zu den Höhlen vor. Der Steigbaum war nicht mehr da, auch die Schutzmauer war fort. Peter lehnte den nächstbesten der im Bachbett angeschwemmten Bäume in die Felsrinne und kletterte daran empor. Die untere Höhle war leer, als ob niemals Menschen darin gehaust hätten; nur die Tagmarken an der Wand und die verrußte Höhlendecke erinnerten an die Vertriebenen. Bis zu den Knöcheln watete Peter in einer Schicht angeschwemmten Lehms. Er stieg zu Evas Kammer hinauf. Funkelnd strahlte ihm das Bild der Sonne entgegen, unberührt standen die Bilder der Ahnen, und dahinter lehnten die Zeichensteine. Das Wasser hatte vor dem Heiligtum haltgemacht! Peter erschauerte. Evas Lager, ihr Arbeitstisch vor der Lichtluke, alles war so, wie sie es verlassen hatte.

Freudig erregt eilte Peter zurück: Eva mußte es wissen, Eva mußte mitkommen! Und als sie vor dem Heiligtum niederkniete, da war es ihr, als käme ihr vom Feuerkorb in der unteren Nische eine leichte Wärme entgegen. Hastig hob sie den rohen Buchenschwamm, den sie am Abend vor der Überschwemmung auf die Glut gelegt hatte: ein feiner, bläulicher Rauchfaden löste sich aus dem Inneren des heißen Schwammes. Sie zerschlug ihn mit einem Stein und schrie auf. Inwendig hatte er einen Glutkern! Da entnahm sie ihrem Lager trockenes Moos und Reisig und entfachte vor dem Hausaltar ein knisterndes Feuer. Wortlos knieten die Geretteten vor ihren Heiligtümern. Als Eva ihren Gefährten an sein Gelübde erinnerte, legte er zögernd das durchlochte Steinbeil zu den Zeichensteinen unter das Bild der Sonne. Dann füllte er Evas Feuerkorb mit Glut und Moder und wandte sich zum Gehen. Auf dem Rückweg zu den Wohnbäumen fragte Eva, wann sie in die Höhlen zurückkehren würden. Peter aber schüttelte den Kopf: »Nie mehr! Den Eiswassern ist nicht zu trauen.«

Auf dem Fuchsenbühel nahm Eva von ihrem dürren Nestreisig, zündete ein Feuer an und suchte dann Holz zusammen, um es daran zu trocknen. Peter ergriff Speer und Feuerkorb und setzte seinen Entdeckungsgang zur Südwand fort. Von der Steinschlaglehne aus konnte er einen Teil des Grundes überblicken. Das Steinfeld unter dem Sonnstein lag noch unter Wasser. Drüben an der Grablehne bezeichnete ein gelber Lehmstreifen an den Bäumen, wie hoch das Stauwasser gestiegen war. Wo das Grab der Großmutter sein mußte, schimmerte eine Lehmbank herüber, die flach im Wasser verlief. Nur die drei Opferbäumchen, die schräg über dem überdachenden Stein hervorwuchsen, bezeichneten die geweihte Stätte.

Vorsichtig setzte Peter seinen Weg fort, vorüber an den Bärenhöhlen. Verstreute Fraßreste und der grüne Rasen am oberen Saum des Laubwaldes ließen erkennen, daß das Wasser nicht bis an die hochgelegene Halde gelangt war. Die sonnige Leiten, über der die Bärenhöhlen lagen, war also der sicherste Ort im Heimlichen Grund.

In der Umgebung der Moorbachquelle und am ganzen Oberlauf des Baches war von Hochwasser nichts zu sehen. Die Wasserfülle des Moorbachs war nicht anders als nach einem starken Regen; nur an seinem Unterlauf fanden sich Spuren der gesunkenen Flut. Vorüber am Lagerplatz, vorüber an den zerstörten Fischreusen und am verschobenen Baumsteg gelangte Peter zum Hochmoor.

Aus dem jungen Grün der Riedgräser ragten große, blendend weiße Windröschen. Nirgends eine Spur von Lehm auf den Pflanzen. Die Überschwemmung hatte das Moor nicht erreicht, wenn auch das schwere Wasser draußen die Moorwässer am Abfluß gehindert und sie aufgestaut hatte.

Als Peter seine Blicke nach links wandte, da dehnte sich vor ihm, etwas tiefer als das Binnenwasser, ein großer See, der das Steinfeld bis zur Grableiten und zum Sonnstein bedeckte. Eine weite Bucht griff zwischen Laubwald und Lehmleiten herüber. Der obere Teil des Steinfelds, der Urwald und die Salzleiten waren schon wasserfrei. Auffallend still war es geworden, obwohl Peter dem Klammfall nähergekommen war! Verwundert lauschte er hinüber. Es war kein Irrtum. Nicht mehr so laut wie in der Nacht fielen dort die Wasser. War es ihnen nicht gelungen, die sperrenden Felsmassen ganz wegzuräumen, dann blieb der vom Klammbach durchflossene See bestehen. Gut, daß wenigstens der Wald und die Lehnen trocken waren. Nachdenklich betrachtete Peter das langsam ziehende Wasser dieses neuen Klammbachsees. Wie oft mochte der Seegrund schon vorher mit Wasser bedeckt gewesen und wieder frei geworden sein? Wälder mochten hier begraben liegen unter angetragenem Erdreich. Jetzt mußte ja wieder alles Jungholz zugrunde gehen, das sich auf der Heide angesiedelt hatte.

Alles, was auf dem Wasser schwamm, Holz und Tierleichen, trieb, langsam einer Gegenströmung folgend, die Lehmleiten aufwärts, der Moorleiten zu und staute sich im Winkel der Bucht, wo viele morsche Fichten festlagen, die das Hochwasser aus dem Urwald geräumt hatte. Auf dem starren Geäst und den brüchigen Wurzelresten der angeschwemmten Bäume saßen krächzend Rabenkrähen, Kolkraben und Nebelkrähen, und mitten unter ihnen, schwer vom aufgenommenen Aas, drei Geier. Träge blinzelten sie zum Menschen herüber.

Peter kehrte zum Moorbach zurück, überschritt den Stegbaum und versuchte, den oberen Rand des Moores abzugehen. Da sah er hüfthoch über dem Wasser im Röhricht ein sonderbares Nest. Einige dürre, vorjährige Schilfhalme waren sehr geschickt mit Gräsern durch- und umflochten; ihre nahe zueinandergezogenen Blätter und Blütenrispen deckten das luftige Heim des Rohrsängers gegen den Regen und gegen die Blicke der Raubvögel. Das Nest wollte Peter haben, um es Eva zu zeigen. Aber der zähe, schlammige Boden gab unter seinen Füßen nach, und er mußte zurück. In weitem Bogen stieg er durch ein Gewirr von Brombeerranken und Waldreben die Halde oberhalb des Moors hinauf und stieß auf einen knietief ausgewaschenen Graben mit sandigem Grund, über dem das Wasser rostgelb schimmerte.

Dieses Bachbett war ein bequemer Weg. Er führte aufwärts. Als Peter unter den Kieskörnern der sandigen Uferhänge abgerollte Granate schimmern sah, dachte er an Eva und bückte sich, um für sie einige der rotleuchtenden Steinchen aufzulesen. Wie staunte er, als er dicht daneben ein hellgelbes, undurchsichtiges Steinchen von wunderbarem Glanze fand, nicht größer als ein Lindennüßchen. Er suchte weiter, aber es dauerte lange, bis er ein zweites von gleicher Schönheit in der Hand hielt. Wie schwer diese gelben Steinchen waren! Eine Erinnerung aus dem früheren Leben in der großen Welt stieg in ihm auf. So ein gelbes, schweres Klümpchen hatte auch in Ahnls Alraunkästchen gelegen, ein Goldkorn, das der alte Mann gefunden und seinem Alraun geopfert hatte.

Im Laubwald erlegte Peter zwei Eichhörnchen. Müde und hungrig langte er bei Eva an, drückte ihr die mitgebrachten Granate und Goldkörner in die Hand und begann, die Hörnchen abzubalgen. Dabei erzählte er eifrig vom schönen Moorsee mit seinen Baumgruppen, vom Treibholz, von den Raben und Geiern. Mit Entzücken schilderte er ihr das kunstvolle Nest des Rohrsängers, das unzugänglich für Schlangen und Marder, geborgen vor den Blicken der Raubvögel, auf hohen Stützen wie auf Pfählen über dem Wasser schwebte.

Eva saß verträumt neben ihm und konnte ihre Blicke nicht abwenden vom gleißenden Gold auf ihrem Handteller. Ein Begehren stieg in ihr auf: »Gibt es dort noch mehr davon?«

Gold!

Die nächsten Tage waren sonnig. Eva besserte heiter die beiden Wohnnester aus. Sie schnürte die Bodenstäbe mit Waldreben an den Ästen fest, durchflocht die Wände mit biegsamen Ranken, polsterte die Lager mit Moos aus, das sie zuvor an der Sonne getrocknet hatte, und vergaß auch nicht, Büschel von gelbem Steinklee und Stinkender Nieswurz einzulegen, die das Ungeziefer fernhalten sollten. Peter trieb sich meist draußen herum. Er war schon zweimal zur großen Brandstätte im Urwald gegangen, wo er von den angekohlten Baumriesen Brennholz brechen konnte. Jetzt drang er zu der Stelle vor, wo er im Gerbtümpel seine großen Fellvorräte eingelagert hatte. Nur an den Bäumen erkannte er den Ort wieder. Der Tümpel lag voll Lehm, Sand und Geröll, das der Klammbach aus seinem Bett herübergeräumt hatte. Ob die Felle darunterlagen?

 

Mit beiden Händen begann er zu wühlen; ungefähr in Kniehöhe traf er auf die Beschwersteine. Seine tastenden Füße fühlten die weich aufgequollenen Häute. Aber der nachdringende Schlamm füllte die Grube wieder. Peter mußte die Felle lassen, wo sie waren, bis der Wasserspiegel sich gesenkt hatte. Im seichten Bocksgrabenbach säuberte er sich Hände und Füße. Dann eilte er zu Eva. Er fand sie neben der Feuerstelle damit beschäftigt, eines der Goldkörner mit einem Jaspissplitter zu durchbohren.

»Was willst denn damit?«

»Auffädeln will ich‘s, um den Hals will ich‘s tragen; schau, es läßt sich bohren.«

Da griff er danach und machte große Augen. In feinen Spänen kräuselte sich das Metall an der Bohrstelle auf. Das war ja weich! Peter wendete das Korn hin und her, legte es dann vorsichtig auf sein Steinbeil und drückte kräftig mit einem Fauststein darauf. Eine Narbe war entstanden. Es gab dem Druck nach! Und dann begann er es zu klopfen, unbekümmert um Evas Einwände: »Es gehört mir, du hast mir‘s geschenkt, du darfst es nicht zerschlagen!«

Schon nach wenigen Schlägen war das Korn flach geworden. Jetzt hämmerte Peter darauf los. Er war etwas Neuem auf der Spur. Und sooft Eva ihm in den Arm fiel, schob er sie beiseite. In seinem Kopfe drängten sich die Gedanken. Wenn das Gold sich flachschlagen ließ, konnte man ja daraus machen, was man wollte! Erst als er es zu einem Blättchen geschmiedet hatte, so groß wie sein Daumennagel, hörte er auf. Dann durchbohrte er es mühelos mit seiner Pfeilspitze und reichte es Eva hin: »Da, häng‘s dir um.« Die zahllosen Narben glitzerten und flimmerten, entzückt fädelte Eva das Schmuckstück neben das Fingerknöchelchen der Ahnl auf die Halsschnur. Dann gab sie Peter das andere Goldkorn und machte sich ans Kochen. Er war jedoch nicht zu bewegen, ihr noch weiteren Halsschmuck zu schmieden, und erklärte rundweg, das Korn gebe er nicht mehr her. »Erst hast‘s mir g‘schenkt, und jetzt nimmst es wieder!« warf Eva ihm vor, er aber lachte und behielt es — er war ja der Stärkere.

Noch mehr Goldkörner wollte er suchen, nußgroße, wenn möglich oder gar faustgroße Klumpen. Daraus ließe sich eine wuchtige Keule oder eine Trinkschale herstellen oder — etwas anderes. Seine Phantasie spiegelte ihm eine goldene Zeit vor, die jetzt kommen mußte. Wie behext von diesem Edelmetall, das sich kalt schmieden ließ, hielt er es für unbegrenzt verwendbar. Eva verlegte sich aufs Bitten; das Goldkorn gehörte ja ihr. Und als sie mit Bitten nichts ausrichtete, begann sie zu schimpfen und zu weinen; sie versuchte sogar, ihm das gelbe Korn zu entreißen. Die starke Faust, die das Gold umklammert hielt, stieß Eva zurück, daß sie taumelte.

Mit dem Gold war ein unguter Geist ins Leben der beiden jungen Menschen gekommen: die Besitzgier.

Zelt, Erdstube und Fahrbaum

Eva wollte versuchen, selbst Gold zu finden. Peter hatte keine Zeit, sich um Evas Stimmung zu kümmern. Seine nächste Sorge galt den Fellen, die aus der Grube mußten. Aus einer starken Astgabel und einem Asthaken machte er sich die notwendigen Werkzeuge, um die Beschwersteine fortzuschaffen und die Felle aus dem Schlamm zu ziehen. Der Versuch gelang.

Als Peter die Felle im Klammbach reinigte, gingen die Haare ab, aber das aufgequollene, braungewordene Leder selbst war brauchbar. Es war geschmeidig, es roch herb, aber nicht widerlich, wie rohe Häute sonst riechen. Und Peter nahm sich vor, von nun an nur einen Teil seiner Felle zu räuchern, die anderen aber in einer Grube zwischen Laub und Rinde einzulegen.

Da er sich mit dem Gedanken trug, näher bei der Fundstelle des Goldes zu siedeln, schaffte er nach und nach seinen ganzen Ledervorrat an den Lagerplatz vom Vorjahr, bei den wiederhergestellten Fischreusen, wo er sich abermals eine Feuerstelle eingerichtet hatte. Die Felle legte er zum Trocknen über Sträucher. Als ihn dabei ein Platzregen überraschte, schlüpfte er unter das überdachte Gezweig und freute sich, daß er einen so guten Regenschutz hatte. Kaum hatte der Regen aufgehört, ging Peter daran, vor dem Felsen, der sein Lagerfeuer schützte, ein dauerndes Obdach herzustellen. Er bog zwei junge Eschen nieder, die vor dem schmalen Felsvorsprung in der Nähe seiner bisherigen Feuerstelle wuchsen, und kürzte die Kronen. Dann rammte er noch vier Jungfichtenstämmchen in den Boden, bog die Enden aller Stangen mit einem Asthaken gegeneinander und band die Wipfelstummel mit gedrehten Weidenruten zusammen. Auf das kegelförmig zusammenlaufende Gerippe heftete er das noch nasse, schmiegsame Leder und beschwerte die auf dem Boden aufliegenden Ränder mit Steinen. Das Zelt war entstanden!

Einen Lederlappen, der ihm den Einschlupf schließen sollte, versah er mit Randlöchern, um ihn leicht festmachen zu können. Im sandigen Lehmboden unter dem Zelt hob er eine Schlafmulde aus. Die Erde warf er nicht achtlos beiseite, sondern häufte sie rings um seine Schlafstätte zu einem kleinen Wall auf. Dann holte er Reiser, Laub und Moos. Peters Zelt sollte zwar nur vorübergehend benutzt werden, trotzdem war es recht wohnlich. Das Goldkörnchen tat er in eine Muschel, die er unter seine Liegestatt schob.

Die nächsten Tage galten dem Fischfang und dem Sammeln starker Schilfhalme zu neuen Pfeilen. Wieder stand Peter vor dem Nest des Rohrsängers und dachte darüber nach, wie gut es wäre, wenn auch er und Eva ihre Nester hoch über dem Wasser hätten, das ihnen die Bären vom Leib halten oder wenigstens deren Abwehr erleichtern würde. Freilich müßten Bäume und nicht Schilfhalme die Menschen-Nester tragen. Vorläufig genügte ihm das Zelt, aber der Gedanke an ein sicheres Heim nach Art des Rohrsängernestes ließ ihn nicht mehr los.

Beim Schilfschneiden stöberte er ein sonderbares Tier auf. Es hatte ein braunes, glänzendes Fell und eine geschmeidige Gestalt — er hielt es für eine Art Marder und täuschte sich nicht: es war ein Fischotter. Deutlich sah er, daß der Braune, Schlanke eine zappelnde Forelle in der flachen Schnauze trug. Da hatte er ja einen Fischräuber entdeckt, dem er fortan nachstellen wollte, schon um Eva einen glänzenden Pelz zu schenken!

Wohl ging Peter auf dem im Röhricht gebauten Pfad unbewußt zu der Stelle, wo er das Gold gefunden hatte, und kam dabei vom Moorufer ab, seine Gedanken aber kreisten unaufhörlich um die neue Wohnmöglichkeit: eine Hütte, ein Nest, wie der Rohrsänger es hatte. Erst als er, im Bachbett aufsteigend, einige winzige Goldkörner in der Böschung glitzern sah, kam er auf andere Gedanken. Langsam und bedächtig begann er die goldführende Sandschicht mit seinem Hartsteinfäustel zu schürfen. Die Körnchen, die im rieselnden Sand schimmerten, waren nicht größer als die Samenkörner des Wegerichs, aber er sammelte sie gierig auf und grub weiter. Schließlich arbeitete er, vom Erfolg angestachelt, mit einem Eifer fort, der ihn alles andere vergessen ließ. Als spät nachmittags der Hunger ihn zwang, die Arbeit zu unterbrechen, hatte er eine tiefe Nische in die Böschung gegraben. Unter dem Sand war er auf Lehm gestoßen, der noch von der Nässe der Schneeschmelze durchdrungen schien und nicht die geringsten Spuren von Gold zeigte. Peters Ausbeute an gelbem Metall war gering. Aber es war Gold, schönes, reines, kostbares Gold!

Von den Forellen, die er morgens gefangen hatte, briet und verspeiste er nur zwei, die übrigen hängte er in den Rauch. Er übernachtete im Zelt. Eva wußte er im Schutz des Feuers, und da sie schon im Vorjahr wochenlang allein ihre Nahrung gefunden hatte, machte er sich um sie keine Sorgen. Außerdem hatte sie ja noch genug von den Wintervorräten übrig.

Bei Eva war es anders. Sie bangte um Peter. Ihre Angst um ihn war stärker als ihr Zorn.

Nach einer durchwachten Nacht, in der sie die Lockrufe der Eulen aus unheimlicher Nähe gehört hatte, schlief sie im Morgengrauen endlich ein und erwachte erst, als ihr die Sonnenstrahlen durch eine Fuge der Nestwand steil ins Gesicht schienen. Peter war noch nicht zurück! Sie ging ihn suchen. Erst durchschritt sie das verschlammte Grasland und Buschwerk oberhalb des Fuchsenbühels und überquerte dann die mit verblühten Huflattichen übersäte Steinschlaghalde. Vorsichtig umging sie den Laubwald an der Südwand und lief an den Bärenhöhlen vorbei zum Alten Steinschlag und zur Moorbachquelle. Dann stieg sie im Bachbett abwärts. Schneller als sie gedacht, langte sie an Peters Lagerplatz an. Er war nicht da. Staunend besah sie sein Zelt und dessen Einrichtung. Daß sein Lagerfeuer glomm, beruhigte sie.

Plötzlich fuhr ihr ein Gedanke durch den Kopf: Im Goldgraben ist er, darum die Heimlichtuerei! Sie wußte nicht, wo der Graben lag, darum blieb ihr nichts anderes übrig, als dem von Peter getretenen Pfad im Busch und Schilf zu folgen. So kam auch sie an das Nest des Rohrsängers, war aber viel zu sehr von der Absicht eingenommen, Peter beim Goldsuchen zu belauschen, als daß sie sich langen Betrachtungen über den Pfahlbau des Vogels hingegeben hätte. Der Pfad führte sie zum Graben, wo sie die Spur verlor. Also im Bachbett weiter! Kalt drang das Wasser durch die löcherigen Sohlen der Fußwickel, sie achtete nicht darauf. Mit gierigen Blicken suchte sie den glimmerreichen, in der Sonne glitzernden Sand beider Ufer nach Goldkörnern ab.

Als es ihr glückte, ein winziges Körnchen zu finden, hätte sie aufjubeln mögen. Aber sie hielt an sich. Jedes Geräusch vermeidend, drang sie bachaufwärts. Und unbemerkt stand sie plötzlich hinter Peter, der, auf einem Sandhaufen kniend, mit einer Muschelschale vorsichtig an einer Seitenwand der Sandkammer schabte. Eva hielt den Atem an. Obwohl sie vermutete, daß er nach Gold grub, hielt sie es für klüger, ihm nicht zu verraten, daß sie ihn durchschaut hatte. In ihrer Begierde nach dem blitzenden Metall beschloß sie, dem Goldgräber die Fundstelle abzulisten.

»Peter!« rief sie so freundlich, als läge nichts zwischen ihnen. Da fuhr er herum: »Was machst du da?« Und sie fragte scheinheilig: »Wird das eine Stube für mich?« Einen Augenblick schaute er ihr verdutzt ins Gesicht. Und dann begann er umständlich auszumalen, was erst ihre Frage in ihm angeregt hatte: »Ja, wenn‘s dir so recht ist. Es fehlt nimmer viel, dann brauchen wir nur oben ein paar feste Stangen darüberzulegen und Reiser und Schilf und Rasen drauf; den Boden machst dir schön eben, an der Rückwand kannst dir die Liegestatt richten und vorn die Feuerstelle, daß dir kein Bär hineingeht. Das Wasser ist weit genug weg, die Schneeschmelze ist vorbei, ich glaub‘, da kannst du recht gut hausen; wenigstens den Sommer über. Ja.«

Eva nickte verblüfft. Jetzt wußte sie erst recht nicht, wie sie daran war. Und unvermittelt bat sie um eine Forelle.

Da fragte er lauernd: »Warst du auf meinem Lagerplatz?«

»Ja«, antwortete sie einfach, ohne den Argwohn in seiner Frage zu bemerken. Er wies sie an, einstweilen den Boden ihrer neuen Stube zu ebnen, und dann lief er fort; in der linken Faust hielt er die neue Ausbeute an Goldkörnern. Der Verdacht, sie habe auf seinem Lagerplatz nach dem Gold gesucht, trieb ihn zum Zelt.

Alles war unberührt. Beruhigt tat er die neue Ausbeute dazu und vergrub den Schatz tiefer, bevor er seine Liegestatt darüber in Ordnung brachte. Mit drei Forellen eilte er zu Eva zurück, machte aber nicht den Umweg über den Schilfboden, sondern bahnte sich quer durchs Dickicht einen neuen, geraden Pfad hinüber und war überrascht, wie nahe die künftige Erdstube Evas bei seinem Lagerplatz lag. Einträchtig schmausend, wie in alter Zeit, saßen sie auf dem Boden des neuen Heims und beeilten sich mit dem Essen, um möglichst bald mit dem Erweitern und Decken der Erdstube beginnen zu können. Ohne Verzug machte sich Peter daran, das notwendige Holz heranzubringen, während Eva Rasenflöze beschaffte und damit den Stubenboden erhöhte. Als Peter zu lange ausblieb, folgte sie ihm zur Holztrift.

Wie staunte sie über die unerschöpfliche Menge angetriebener Baumstämme und Strünke! Die Geier und Raben, die sie nach Peters Schilderung an der Stelle erwartet hatte, waren nicht mehr zu sehen. Dafür wimmelte es im Wasser von Fischen, die sich an Aasresten gütlich taten. Viel Wassergeflügel trieb sich zwischen dem Schwemmholz herum, Bläßhühner und Enten mit ihren Jungen, Zwergreiher und Rohrdommeln. Langbeinige Reiher standen unbeweglich lauernd im Seichten; ab und zu stieß einer den spitzen Schnabel ins Wasser. Sie fischten. Das Federvolk des Heimlichen Grunds hatte aus der Welt da draußen Zuzug erhalten, der neuentstandene See hatte die darüberstreichenden Wandervögel angelockt. Erst als Peter ins Wasser watete und aus den kreuz und quer gestauten Hölzern Jungstämme zu ziehen begann, erhoben sich die Reiher und ließen sich auf den Bäumen am Waldrand nieder. Enten und Bläßhühner aber blieben.

 

Peter stieg von Baumstamm zu Baumstamm, brach da ein Aststück ab, zerrte dort ein Jungstämmchen hervor und warf es Eva zu. Kühner werdend, drang er zum äußeren Teil der Trift vor, wo sich, vom tieferen Wasser getragen, einzelne Stämme wiegten. Das schwimmende Holz reizte ihn; er konnte nicht mehr widerstehen und setzte sich rittlings auf das Stammstück einer Fichte, die vom Waldbrand entästet worden war. Es tauchte unter seiner Last tiefer, rollte nach links herum und warf ihn ab. Eva schrie entsetzt auf. Geistesgegenwärtig griff Peter ins Geäst eines anderen Baumes und setzte sich darin fest. Langsam trug die Strömung ihm den angekohlten Stamm wieder zu. Peter brach sich zwei lange, handgerechte Stangen und setzte sich wieder rittlings auf das widerspenstige Stammstück.

Tastend ließ er die Stangen bis zum Grunde niedergleiten und spürte, daß sie nicht mehr auf Lehm stießen, sondern bereits auf den Schotter des Steinfeldes. Eva beobachtete sein Tun mit steigender Angst. Jetzt wendete er den Baum. Erst langsam und schwankend, dann schneller und sicherer fuhr er dahin, und jauchzend vor Freude durchquerte er die seichte Bucht fast bis zum Sonnstein. Durch die Strömung des tieferen Klammbachs wagte er sich nicht. Bei der Rückfahrt schoß er schon tollkühn dahin und ließ seinen Fahrbaum auf der Lehmböschung des Ufers auflaufen. Kaum hatte er das Fahrzeug festgemacht, eilte er in sein Zelt, wo er sich, zähneklappernd vor Kälte, im Moos des Lagers vergrub.

Eva aber schleppte mühsam das Deckholz zu ihrer Erdstube, legte es auf und versah es mit einer schräg nach vorn abfallenden Schicht aus Schilf, Reisern, Rasenstücken und Steinen. Todmüde kam sie gegen Abend zu Peters Zelt und wollte Glut für ihre neue Feuerstelle holen, doch sie fand es leer.

Wartend schürte sie das Feuer. Da kam er schon vergnügt vom Fischplatz und trug an einem Stock aufgefädelt vier schöne Forellen und ein braunes Tier von Katzengröße: den Fischotter, in dessen Nacken noch der Pfeil steckte. Evas Entzücken über das glänzende Fell, ihr Staunen über die Schwimmhäute des schlanken Räubers, ihre unverhohlene Bewunderung für den Jäger machten Peter stolz. Und als Eva von ihrer Erdstube anfing und Peter für den guten Einfall dankte, nahm er diesen unverdienten Dank nicht nur an, sondern schmückte seinen nicht gehabten Einfall sogar kräftig aus. Einträchtig saßen sie beieinander und waren sich nicht bewußt, daß der Gier nach dem Gold die Lüge gefolgt war.