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Die Höhlenkinder im Pfahlbau

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Der Feuerbohrer

Eines Tages, es ging auf Mittsommer zu, geschah das Unfaßbare: das Feuer ging aus. Eva hatte vergessen, in der Höhle Holz nachzulegen, und auch Peter war es nicht gelungen, die Glut seines Lagerfeuers zu erhalten. Nach einem schrecklichen Streit schickten sich die Unglückseligen in dumpfer Ergebenheit in den schweren Verlust des Feuers. Zu der Angst vor den Bären gesellte sich die Mückenplage in den rauchlosen Höhlen. Die erzwungene Rückkehr zur rohen Pflanzen- und Tierkost machte Peter und Eva schwer zu schaffen. Es gab kein Bratfleisch mehr, keinen Brei, keine Suppen.

Kein Wort des Vorwurfs fiel mehr, aber auch keines der Versöhnung. Peter taten die harten Worte, die er Eva gegeben hatte, längst leid, er brachte es aber nicht über sich, ihr zu sagen, wie sehr auch er sich schuldig fühlte. Sie kam ihm so ganz anders vor als einst. Jetzt, da er sie stetig beobachtete und auf ein Lächeln wartete, fiel ihm eine Veränderung auf, die sich allmählich an ihr vollzogen hatte: Ihr Gesicht war schmal geworden, ihr Körper hatte sich gestreckt. Mit Unbehagen stellte Peter fest, daß sie um eine Handbreite größer war als er. Auch ihr Gesichtsausdruck erschien ihm anders als sonst, fremder. Es war nicht mehr das Gesicht eines gekränkten Kindes; auf ihren Zügen lag ein Stolz, der ihn zurückstieß. Peter hatte keine Ahnung davon, daß er die entstandene Entfremdung durch seine Art zu leben steigerte. Er sah nicht die verächtlichen Blicke, die ihn streiften, wenn er wie ein Raubtier das blutige Fleisch von den Knochen riß; er sah nicht den Abscheu, den seine schmutzigen Hände mit ihren dunklen Nagelrändern und seine verschmierten Füße erregten. Doch er hatte nicht die Muße, sich Grübeleien hinzugeben. Die nackte Tatsache, daß ihm nicht mehr das qualmende Feuer die Bären vom Halse halten würde, zwang ihn, sich auf unausbleibliche Kämpfe vorzubereiten.

Eine Knorrenkeule versah er mit scharfkantigen Hartsteinsplittern, die er mit Harz und Wachs einkittete. Er nahm alle seine Beile vor, um die stumpfgewordenen Kanten durch Absplittern zu schärfen und locker gewordene Bindungen zu erneuern.

Eines Tages zwang ihn die Dämmerung, die in der Höhle besonders früh eintrat, die Arbeit an den Beilen einzustellen. Statt dessen zerschlug er Hartsteinknollen, um scharfkantige Faustkeile zu erhalten. Bei jedem Schlag bemerkte er an den Schlagflächen der Steine ein Flimmern, das ihm nie aufgefallen war, wenn er tagsüber oder im Schein des Feuers Hartsteine bearbeitet hatte. Ein Erinnerungsbild stieg in ihm auf: der Ähnl, der immer einen grauen Hartstein bei sich getragen und aus dessen Kanten mit Hilfe eines harten Bügels Funken geschlagen hatte. Und die Funken hatte er mit »Zundel« aufgefangen, mit »Zundel« aus Buchenschwamm. Die harte Rinde hatte er weggehackt ... das braune Mark des Schwammes auf einen flachen Stein gelegt ... mit einem Holzschlegel darauf herumgeklopft, bis daraus ein dünner, weicher, lederartiger Lappen geworden war ...

Peter warf die Hartsteine ins Allerlei und verließ die Höhle. An der alten Buche auf dem Fuchsenbühel wußte er einen erreichbaren Holzschwamm, der eine halbe Armlänge breit war. Den schlug er vom morschen Stamm und brachte ihn heim. Das Abschälen aber schien fast unmöglich; selbst die schärfsten Steinbeile versagten, prallten von der harten, federnden Rinde ab. Es wurde dunkler. Da riß Peter, zornig und ungeduldig, einen fast kopfgroßen Steinbrocken aus der Höhlenvermauerung und hämmerte damit wie besessen auf den Buchenschwamm ein, bis ihm der Schweiß von der Stirn rann. Der Schwamm wurde rissig und nach und nach polsterig weich.

Eva kam neugierig herab: »Was machst du denn?« — »Zundelschlagen wie der Ähnl.« Und schon zupfte er vom Pilzklumpen ein zwei Finger breites Läppchen los, legte einen Hornsteinsplitter darauf und begann dessen Kante mit einem Jaspisknollen zu schlagen. Beide sahen das schwache Leuchten an den Schlagstellen, ein eigenartig brenzliger Geruch wie von angebrannten Haaren stieg ihnen in die Nase, ja, einmal behauptete Peter sogar, er habe einen wirklichen Funken herausspringen sehen — aber alles Schlagen blieb vergeblich, der Zundel wollte nicht glimmen. Erschöpft und hungrig verkroch sich der Entmutigte in seiner Schlafgrube.

Eva hielt die Steine an ihre Nase: Ja, sie rochen brenzlig! Sinnend betastete sie den stellenweise so wohlig weichen Pilzknollen. War er auch als Zunder nicht brauchbar, sie wollte ihn noch weicher klopfen und im Winter als warme Einlage in ihren Schuhen tragen. Und außerdem — vielleicht gelang ihr, was Peter nicht gelungen war? Fest klemmte sie den Hornstein mit dem untergelegten Zunder zwischen Daumen und Zeigefinger der Linken, faßte mit der Rechten einen scharfen Jaspissplitter und begann damit zu schlagen. Schon beim ersten Hieb hatte sie den zu weit vorgeschobenen Daumen angeschnitten. Das Blut tropfte auf den Rand des Feuerschwamms und wurde von ihm gierig aufgesogen. Da umwickelte sie den verwundeten Daumen mit dem Buchenschwammlappen, und die Blutung hörte auf. Das Feuerschlagen hatte sie versucht, und ein blutstillendes Mittel hatte sie gefunden! Eva ertastete im Finstern eine Handvoll roher Kastanien und nahm sie mit in ihre Kammer.

Die Angst vor einem Winter ohne Feuer machte die Höhlenkinder ernst. An einem regnerischen Tage besserte Peter an seinen Waffen herum, zerschlug große Bergkristalle und Zitrine und erhielt nicht nur eine Anzahl sehr scharfer Pfeilspitzen, sondern auch zwei lange, dünne, haarscharfe Splitter, die ihn durch ihre Gestalt zu einer besonderen Verwendung anregten. Den einen, dessen Kante splitterig war, versah er mit weiteren Kerben und schattete ihn mit der Rückenkante der Länge nach in ein daumendickes Stück Waldrebe, das beim Austrocknen einen Längsriß erhalten hatte. Mit der so gewonnenen Säge schnitt er, nur um ihre Leistungsfähigkeit zu prüfen, nicht ohne Mühe eine Zinke von dem im Vorjahr gefundenen Hirschgeweih ab. Da das innere Knochengewebe des handlichen »Hirschhorns« im Vergleich zur harten Außenseite auffallend locker war, ließ es sich leicht bohren, und das neue Stück bot sich förmlich zur Schäftung des zweiten Splitters an, der als Messer verwendbar war. Mit warmgeknetetem Wachsharz, das beim Erkalten hart wurde, sorgfältig eingepicht, saß die Messerklinge im Hirschhornschaft fest. Peter hatte an den neuen Geräten so viel Freude, daß er damit zu Eva eilte, er wollte ihr Lob haben. Aber die Art, wie sie die gelungenen Werkzeuge nach einem flüchtigen Blick zurückgab, hatte etwas Demütigendes, er kam sich wie ein abgewiesener Bettler vor.

Ein feuchter Serpentinbrocken, der sich mit dem Schlagstein über Erwarten gut bearbeiten ließ, machte ihn den Verdruß vergessen; vielleicht gelang es ihm, daraus ein durchlochtes Beil herzustellen!

Der Hunger zwang Peter, die Arbeit in der Höhle zu unterbrechen und auf Jagd zu gehen. Wie gewohnt, umwickelte er beim Herumstreifen den schußbereiten Pfeil der Länge nach straff mit der Sehne und umklammerte ihn mit der Hand, während er den Bogen rechts geschultert trug. Die Entdeckung, daß die gespannte Sehne, sobald er den Griff der Hand lockerte, den Pfeil in drehende Bewegung versetzte, brachte ihn auf einen neuen Gedanken: Wenn er den quer zum Bogen gestellten Pfeil mit der Sehne umwickelte und seine Steinspitze als Bohrer auf Holz oder Stein stützte, während er das untere Ende niederdrückte und so den Bohrer in der senkrechten Lage erhielt? Dann mußte sich der Pfeil durch Hin- und Herziehen des Bogens immer rascher drehen lassen, oder nicht? Der Versuch gelang! Nach drei Tagen hatte er das Serpentinbeil so weit bearbeitet, daß er mit dem Bohren des Schaftloches beginnen konnte. Aber die neue Bohrvorrichtung bewährte sich erst, nachdem Peter den Stein, aus dem das Beil werden sollte, in einer Vertiefung des Lehmbodens festgelegt und dem Bohrer zwischen gegabelten Stäben eine Führung gegeben hatte. Aber so schnell, wie Peter gehofft hatte, ging‘s auch nicht. Die schräg im Boden steckenden Führungsstäbe gaben bald nach, er mußte sie tiefer eintreiben; dann zersprang die Bogensaite und mußte erneuert werden. Die Linke mit dem schalenförmig vertieften Speckstein als Druck am oberen Ende des Bohrpfeiles, die Rechte am Bogen, hockte Peter denkbar unbequem auf der Erde und drillte unverdrossen so lange fort, bis er einen Wadenkrampf hatte.

»Eva, sei so gut, lös mich ab!« Ungewohnt klang das.

Wortlos nahm sie seine Arbeit auf.

Und er reckte die steifgewordenen Glieder, griff nach seinem Jagdzeug und ging.

Eva hielt die Arbeit in der Weise, wie Peter sie betrieben hatte, nicht lange aus. Der Bohrer lief erst kreischend, dann leise quietschend im Bohrloch. Nein, so kam nicht viel dabei heraus! Sie sah den Bohrer genau an und fand, daß der Bohrstein in den Schaft geglitten war und ihn gesprengt hatte. Eva mußte sich einen neuen Bohrer richten und verwendete dazu einen hartgetrockneten Holunderstab. Um dem Beilstein mehr Halt zu geben, verkeilte sie ihn im Riß eines Holzstrunks. Da sie keinen Bohrstein fand, der genau in das Markloch des Bohrstabs gepaßt hätte, streute sie scharfkantige, winzige Quarzsplitter unter den Bohrstab. Um beide Hände zur Führung des Bogens freizubekommen, preßte sie den Druckstein mit den Zähnen gegen den Bohrstab. Und nun begann sie zu drillen, es knirschte hart, ein Beweis, daß die Quarzsplitter gut eingriffen. Dabei spürte sie das Prellen des holprig arbeitenden Bohrers so stark, daß ihr der Kopf brummte. Sie ersetzte den Druckstein durch ein Stück Holz, an dem ein Astloch rundherum vernarbt war. Ihre Zähne griffen in die Holzfasern, und die Vertiefung im Astloch nahm das Stabende auf. Im Eifer der Arbeit schwand ihr Zorn auf Peter. Der sollte staunen! Schneller und schneller drillte sie den Bohrer in den Beilstein. In heftigem Atem bewegten sich ihre Nasenflügel. Da — was war das? Ein feiner Rauchgeruch stieg ihr in die Nase, und vor ihren Augen kräuselte sich ein blaues Fädchen in die Luft: Holzrauch. Holzrauch!

 

Ihre Blicke irrten durch die Höhle. Plötzlich sprang die durchgeriebene Bogensaite, erschrocken ließ Eva das Druckholz aus den Zähnen fallen. Da sah sie, daß der zarte, blaue Rauchfaden aus dem geschwärzten Loch des Druckholzes stieg. Sie drehte es um, beroch das von der Reibung angekohlte Grübchen, betastete es: Es war heiß! Ein Freudenschauer lief durch ihren Körper. Mit dem angekohlten Holzstück sprang sie hinauf in ihre Kammer, legte es vor die Ahnenbilder und warf sich auf die Knie. Sie bat Gott und die guten Geister, ihr einen Gedanken einzugeben, wie sie dem Brandgrübchen das Feuer entnehmen könnte. Lange lag sie auf den Knien. Dann kehrte sie in die untere Höhle zurück. Sie suchte nach etwas Zartem, leicht Brennbarem, das sich zum Auffangen der Glut verwenden ließe. Ihr Blick fiel auf den Buchenschwamm, den sie vor einer Woche zu einem weichen braunen Lappen geklopft hatte und der jetzt ganz trocken war und als Zunder dienen konnte. Sie versah den Bogen mit einer neuen Saite, drehte sie um den Bohrstab, stemmte den Bohrer gegen das Grübchen im trockenen Holzklotz und umklammerte diesen mit den Fußsohlen. Dann preßte sie mit der Linken eine Specksteinschale gegen das obere Ende des Bohrstabes, faßte den Bogen kräftig mit der Rechten und mühte sich voll Zuversicht, das Feuer zu erbohren.

Sooft ein dünnes Rauchwölkchen aufstieg, beeilte sie sich, die Glut, die sie im Bohrloch vermutete, mit dem Zunder aufzunehmen. Nach einigen vergeblichen Versuchen kam sie darauf, daß sie erst eine starke Rauchentwicklung abwarten, den Zunder sachte niederdrücken und gleich anblasen mußte. Zitternd vor Freude legte sie endlich den glimmenden Feuerschwamm an trockenes Torfmoos und fächelte die Glut mit einem Entenflügel. Flämmchen züngelten auf! Sie entzündete daran ein Wacholderreis, legte den Brand zwischen die kalten Herdmauern, tat Reisig darauf, und bald loderte ein helles Feuer.

Dann suchte sie die Fleischbrocken, die noch von Peters letzter Mahlzeit übrig waren, salzte und würzte sie, steckte sie der Reihe nach an einen grünen Stab und begann diesen Bratspieß über dem Feuer zu drehen. Nach getaner Arbeit kauerte sie im Lichtkreis des Feuers und genoß seine wohlige Wärme. Darüber wurde es Abend.

Vom unerwarteten Feuerschein angelockt, hastete Peter heim. Als er den Steigbaum emporeilte, roch er den Duft von Rauch und Bratfleisch. Mit offenem Munde, die Augen weit aufgerissen, blieb er am Eingang der Höhle stehen. Seine Beute — drei junge Holztauben — ließ er sprachlos zu Boden fallen. Eva weidete sich an seinem Staunen. Als er sich endlich soweit gefaßt hatte, daß er fragen konnte: »Ja sag, wie ist das gekommen?« gab sie ihm die geheimnisvolle Auskunft: »Mit dem Feuerbohrer hab‘ ich‘s erbohrt und aus dem Bohrloch genommen. Gott und die guten Geister haben mir das so eingegeben.« Gott und die guten Geister! Mit einer an Ehrfurcht grenzenden Scheu sah Peter zu, wie Eva dem Feuer glimmendes Holz entnahm, es in den Feuerkorb tat, mit trockenem Moderholz zudeckte und den Glutkorb in ihre Kammer hinauftrug, wo sie ihn unter die Ahnenbilder stellte. Peter folgte ihr schweigend.

Was in der kurzen feuerlosen Zeit an Angst vor Kälte und Not in seiner Seele gewesen war, fiel von ihm ab. Der Feuerbohrer sicherte den Höhlensiedlern für alle Zeit ein behagliches, mückenfreies Heim, Bratfleisch und — den täglichen warmen Brei. An Stelle des Feuers, dem vom Blitz entzündeten Baum entnommen und dann mit viel Aufwand an Holz und Mühe genährt, diente ihnen nun ein Werkzeug, das sie selbst erdacht hatten: der Feuerbohrer!

Das Sonnenbild

Mit einem neuen, von Eva geflochtenen Feuerkorb ausgerüstet, bezog Peter wieder seinen Fischplatz und fuhr fort, den Vorrat an geräucherten Forellen zu mehren, während Eva Beerenobst zur Breibereitung und zum Dörren eintrug. Regentage verbrachte sie meist in der unteren Höhle, wo sie webte. Weil sie keinen Baum hatte, an dessen Ast sie die Längsfäden hätte aufreihen können, stellte sie sich einen plumpen Webrahmen auf. Er bestand aus einem Holzklotz, den sie an seinen Enden mit dem Holunderstab und untergelegten Steinsplittern angebohrt hatte, und aus zwei in die Bohrlöcher eingelassenen, oben gegabelten Stäben, die den Tragstab hielten. An diesem hingen die einzelnen Längsfäden mit ihren Spanngewichten. Es war ein klobiges Webgerät, aber es tat seinen Dienst. Dauerte das Regenwetter allzu lange, dann verließ Peter seinen Fischplatz und stellte sich in der Höhle ein, um an seinem Beil weiterzubohren. Draußen regnete es in Strömen, in der Höhle aber ging vom Feuer eine wohlige Wärme aus, während das gleichmäßige Schnurren des Drillbohrers und das leise Aneinanderschlagen der Webgewichte die Stille in der Werkstätte belebten. Die beiden aufeinander angewiesenen Menschen teilten sich in die Arbeit; jeder machte das, wozu er besonders taugte. So war es auch in ihrem Denken: Peter dachte an gute Jagd, an Vorräte von Fleisch und Fellen, die er beschaffen wollte. Eva stellte sich vor, wie sie das Heim einrichten, wie sie gutschließende Kleider herstellen könnte, die vor Nässe und Kälte, vor Mückenstich und Sonnenbrand schützen sollten.

Mußte sie Gott nicht Dank dafür sagen, daß er ihr geholfen hatte, den Feuerbohrer zu erfinden?

Sie grübelte darüber nach, wie sie sich der tröstlichen Nähe Gottes versichern könnte. Sie suchte nach einem Sinnbild des erahnten Allmächtigen, das seine Kraft und Güte veranschaulichen sollte. Und sie fand nichts Mächtigeres als die Sonne, nichts, von dem Leben und Gedeihen so sichtbar abhing wie von der Sonne. Licht spendete sie und belebende Wärme; wenn sie entschwand, kam das Dunkel, kam die Kälte.

Sie traute es Peter zu, dieses Bild zu schaffen, das ihre Gedanken emporheben sollte aus den Kleinlichkeiten des Alltags.

* * *

Der Regen hörte auf, es wurde warm und schön. Überall um den Fuchsenbühel sprossen gruppenweise Milchreizker, die für Peter und Eva schon roh genossen Leckerbissen waren. Diese Pilze, mit Mehl- und Elsbeeren, mit Markfett, Kümmel und Salz gemischt, ergaben eine kräftige, wohlschmeckende Suppe. Die Sonne war an der Henne, dem Markstein der Tagundnachtgleiche, vorbeigekommen und näherte sich beim Untergehen mehr und mehr dem Winterhorn: die Tage wurden kürzer, und die Wälder und Hänge des Heimlichen Grunds flammten in vielfarbiger Pracht.

Die Kastanien-, Nuß- und Birnenernte brachte reichen Ertrag. Eva hatte auch einen großen Vorrat an Schwarzwurzeln und Lauchzwiebeln in Sand eingelegt. In großen Büscheln hingen am Gestänge des Trockenbodens die Würzkräuter: Wildkümmel, Wacholder, Gundelkraut. Es kamen die Dauerregen des Spätherbstes und nach ihnen die Schneestürme.

Mit Eifer und Begeisterung ging Peter nun daran, ein Abbild der Sonne zu schaffen. An der Längswand von Evas Kammer, ihrem Lager gegenüber, baute er aus großen Quadern und Lehm zwei Säulen bis zur Höhe seiner Hüfte auf; darüber legte er eine große, längliche Sandsteinplatte, die er auf die gleiche Breite von zwei Handspannen zugehauen hatte. Dann setzte er die Säulen fort bis zur Höhe seines Scheitels, wo er sie mit zwei Mergelplatten dachartig abschloß.

So waren zwei Nischen entstanden. In die untere stellte er einen fast würfelförmigen Steinblock, der ein Glutbecken tragen sollte. Evas Glaube, daß die wärmespendende Sonne eine Dienerin Gottes sei, ließ Peter auch das Feuer, das zur Winterszeit die Höhlen wärmte, als einen Diener Gottes empfinden. Hatte er doch selbst gesehen, wie es vom Himmel niedergefahren war!

Die Stirnwand der oberen Nische war für das Bild der aufgehenden Sonne bestimmt, vor dem er die Ahnenbilder aufstellen wollte. Das Schwierigste war die Herstellung des Sonnenbildes. Leuchten sollte es trotz der Dämmerung des Raumes. Da genügte nicht das Gelb des lehmigen Ockers und nicht das Rot des Rötels. Blinkende Steinsplitter sollten es sein, die er an der Felswand festkleben wollte. Mit einem Faustkeil aus Hartstein zerschlug er gelbe Zitrine, wasserhelle Bergkristalle, veilchenblaue Amethyste, dunkelrote Granate und grüne Serpentine. Himmelblaue und saftgrüne Kupfererze, deren Wesen und Namen er nicht kannte, die er aber um ihrer schönen Farben willen gesammelt hatte, zerkleinerte er zu fingernagelgroßen Splittern und bereitete aus Lehmstaub, Wachs und angewärmtem Harz einen Brei, mit dem er sie festkleben wollte. Aber der Kitt haftete nicht an der feuchten Felswand. Peter wußte sich auch da zu helfen. Ein dünnes Geflecht aus Reisern, deren Enden zwischen den Säulen und der Wand eingeklemmt wurden, ergab eine rauhe Fläche, in deren Lücken das Klebmittel haften mußte. Mit dem Schulterblatt eines Hasen strich er die vorgewärmte Harzwachsschicht glatt und begann bedächtig, die farbigen Steine einzusetzen. Da sie in kaltem Zustand nicht haften wollten, wärmte er Splitter für Splitter in der heißen Asche vor und drückte sie tief in den Kitt.

Erst setzte er grüne Malachit- und Serpentinsplitter ein, bis eine dunkelgrüne Fläche belegt war, die nach oben in grobe Zacken auslief und bewaldete Berge darstellte. Dann kamen kahle Hochgipfel aus braunem Jaspis und darüber schimmernde Eiskuppen aus Bergkristall. Und von einem der Gipfel überschnitten, der steilaufragend an den Sommerspitz erinnerte, entstand der Feuerball aus Zitrin- und Granatsplittern: eine gelbrote Sonne, von der Strahlenbündel ausgingen. Den Himmelsraum zwischen Strahlenbündeln und Umrissen der Eisgipfel säumten Splitter von Kupferlasur, von dessen ruhigem Blau sich leuchtend das Tagesgestirn abhob. Als das letzte Steinchen eingesetzt war und der Kitt sich gefestigt hatte, stellte Peter die Ahnenbilder vor das Bild der Sonne. Zuletzt holte er das Glutbecken, stellte es in die untere Nische auf den Block, warf ein paar Wacholderbeeren und Fichtenharzperlen auf die Glut und legte den Feuerbohrer daneben. Dann erst holte er Eva.

Schräg fielen die Strahlen der untergehenden Sonne auf das Heiligtum und brachen sich im bunten Gefüge der hellen Steine. Wie verklärt sanken die beiden jungen Menschen auf die Knie. Sie ahnten die Schönheit der Schöpfung.