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Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund

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Pelztiere

Die Nebeltage vergingen, die Sonne schien wieder. Peter und Eva sammelten, was sie finden konnten, und wieder kam eine regenreiche Woche, aber die beiden mußten weiterernten. Peter fürchtete einen allzu frühen Schneefall. Die nasse Kälte zwang die Kinder, sich jetzt schon in ihre für den Winter bestimmten Tierfelle zu hüllen. Eva trug einen Brustfleck aus dem Fell der Wildkatze; die stark eingefettete Decke der Rehgeiß dagegen benutzte sie — Haare nach innen — als Rückenschutz. Eichelspangen verbanden den Brustfleck über den Schultern und an den Hüften mit dem Rehfell. Jede Eichel war durchlocht und auf eine Darmsaite gefädelt. Mit dieser war sie am Rande des einen Fells befestigt, während sie durch einen Schlitz des anderen gezogen und außen quergestellt war. Die Beinfelle hatte sie zu Streifen aneinandergenäht, mit denen sie die Unterschenkel umwand. Spangen aus Eicheln und gedrehtem Darm hielten die durchlochten Fellränder zusammen.

Die Kleinbälge des schadhaft gewordenen Schultermantels benützte Eva, um ihren Lendenschurz bis über die Knie hinab zu verlängern.

Peters Bekleidung war einfacher. Sie bestand aus den beiden Hälften der alten Steinbockshaut, die von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurden. Das Hasenfell hatte sich Eva angeeignet. Prall mit Moos gefüllt, diente es ihr nachts als Kopfkissen und bei Tag mit der nach innen gestülpten Haarseite als Handmuff, den sie sich an einem Band aus Fellstreifen um den Hals hängen konnte.

In den bitterkalten Nächten machte sich der Luftaustausch zwischen dem Berginnern und den geheizten Wohnhöhlen als scharfer Zugwind bemerkbar, gegen den sich die Bewohner schützen mußten. Peter scharrte sich in der dicken Lehmschicht seiner Höhle eine so tiefe Schlafgrube aus, daß er in seinem Laublager wie ein Dachs versank. Eva, unter deren Lager Felsboden war, errichtete mit Peters Hilfe einen kniehohen Wall aus Felsbrocken, dessen Zwischenräume sie mit Moos verstopfte. Aus den vielen Eichhornfellen wurden zwei Decken geheftet, die die Schläfer vor der kalten Nachtluft schützten. Trotz der Fellkleider, die nur grob zusammengeheftet waren, fürchtete Peter den Bergwinter. Sie brauchten noch andere Felle, rauhhaarige Pelze; Füchse wollte er haben und Wildkatzen — ja, er verstieg sich in seinen Wünschen sogar zu Bärenpelzen!

Das Raubwild aber ließ sich am Köderplatz nicht mehr sehen; der Rauchgeruch in der Umgebung der Menschenhöhlen machte die Tiere mißtrauisch und vorsichtig. Kolkraben und Nebelkrähen waren die Gäste am Köderplatz; ihre Wachtposten hielten benachbarte Baumwipfel besetzt und meldeten jede Annäherung der Menschen. So beschloß Peter, den Bewohnern des Fuchsenbühels ihre Pelze abzunehmen. Der Bau lag ja im felsigen Gelände, die Füchse würden sich also nicht leicht einen Fluchtausgang graben können. Aushungern wollte er sie, zum Verlassen ihres Baues durch diejenige Röhre zwingen, vor der er eine Falle aufstellen wollte. Diese Falle, das Ergebnis nächtelangen Grübelns, konnte nach seiner Überzeugung nicht versagen.

Die notwendigen Vorarbeiten am Fuchsbau kosteten Peter nicht geringe Mühe. Erst schleppte er eine Menge Felsbrocken herbei und verkeilte alle Ausgänge bis auf einen, der, nach den Spuren zu schließen, am meisten befahren war. Diesen Ausgang verlängerte er um gut drei Schritte, indem er aus großen, schweren Steinen zwei gleichlaufende Reihen von halber Kniehöhe herstellte. Der Gang dazwischen war ungefähr eine Handspanne breit. Diesen Aufbau deckte er mit großen, flachen Steinen. Zwei davon stützte er, die Breitseiten nach unten, mit je einem schräg nach außen gestellten Pflock derart, daß die Pflöcke im Weg waren. Der dem Fuchsbau am nächsten liegende Fallstein hatte nur den Zweck, dem Fuchs den Rückweg abzuschneiden, falls er an den Sperrstab stieß und den Stein zum Einfallen brachte. Der zweite, wuchtigere Fallstein aber war einen Schritt weiter so in der Schwebe gehalten, daß er dem darunter vordringenden Fuchs beim Herabfallen das Rückgrat abschlagen mußte. Die Falle war fertig, nun hieß es abwarten. Drei Tage vergingen, ohne daß ein Stein sich gerührt hätte. Gab es noch einen Ausgang, den Peter nicht kannte?

Endlich, am vierten Morgen, lagen beide Fallsteine unten. Als Peter, zitternd vor Aufregung, den ersten Deckstein abhob, lag da nicht, wie er erwartet hatte, ein Fuchs, sondern ein plattgequetschtes Tier, bedeutend größer als eine Katze, mit weißer Stirn und breiten, schwarzen Augenstreifen. Es war ein Dachs. Mit bebenden Händen hob Peter die Beute auf, stellte die Falle möglichst geräuschlos von neuem und trabte heim.

Die nächsten Tage brachten ihm unerwartet reiche Beute. Eines nach dem anderen suchten die ausgehungerten Tiere das Freie und fielen der heimtückischen Falle zum Opfer. Zwei Dachse und fünf bei ihnen wohnende Füchse, von denen drei noch Spuren des wolliggrauen Jugendkleides trugen, waren der Erfolg menschlicher Jägerlist. Vorläufig wurden die Felle ungeteilt, Innenseite nach außen gekehrt, vom anhaftenden Fett freigeschabt, mit Moos prall gestopft, mit Salz, Lehm und Asche eingerieben und in den Rauch gehängt. Aus den Dachsbälgen sollten Winterschuhe, aus den Fuchspelzen Kleider gemacht werden, bestimmte Peter.

Schon wurden die Tage merklich kürzer; das Wetter heiterte sich auf. Auf Morgennebel folgte milder Sonnenschein. Die Höhlenkinder durchstreiften gemeinsam den Heimlichen Grund und trugen ihre Ernte ein. Nur noch eines wünschte sich Peter: Ein ausgewachsenes Wildschwein wollte er erlegen, um Fett zu gewinnen.

In Gelb, Rot und Lila prangten Sträucher und Laubbäume. Die Füße der Kinder furchten die immer höher werdende Schicht des abgefallenen Laubes. Noch einmal unternahm Peter einen gefahrvollen Aufstieg zur Salzlecke, um Vorrat zu holen, und dann hatte er Muße zu weiten Jagdgängen, bei denen er sich so recht als Mann zu fühlen begann. Am achten Sonntag nach der Entdeckung des Feuers, als die Kinder gerade am Grabe der Ahnl ihre Andacht verrichteten, schwebten die ersten Schneeflocken bei völliger Windstille sachte vom Himmel herab. Sie deckten den Boden mit einer dünnen Schicht von zartem Weiß, aus dem die vergilbten Grashalme hervorsahen. Doch schon am Nachmittag war der Schnee vom Talgrund verschwunden. Noch war es Herbst.

Mochte der Winter kommen mit seinen Frösten und Schneestürmen! Die Höhlenkinder hatten ein Heim, sie hatten Felle und Nahrungsvorräte. Behütet und genährt wohnte das gezähmte, Wärme spendende Feuer bei ihnen. Heller als der Mond erhellte ihnen ein brennender Kienast die Höhle im Berge. Und wenn Peter sich mühte, mit seinem Steinmesser harzige Kiefernzweige zu spalten, die als Leuchten dienen sollten, mußte er an den Ähnl denken, wie er an Winterabenden beim Klieben von Kienspänen mit der Ahnl geplaudert hatte.

Beute im Schnee

Als sei der frühe Schnee nur eine Laune des Himmels gewesen, kamen jetzt heitere, wenn auch kühle Wochen. Der Laubfall vollzog sich nur allmählich; noch war kein Frost eingetreten, kein Sturm hatte die Blätter von den Bäumen geräumt. Den herrlichsten Schmuck des Heimlichen Grunds bildeten die leuchtenden Kronen der Ahorne an den Rändern der Waldbestände und auf den Lehnen. Goldgelb schimmerte das Laub der oberen Zweigenden, ging nach unten in Rot über und ergab mit dem Grün der tiefer sitzenden, noch genährten Blätter einen berauschenden Farbendreiklang. Und die weißstämmigen Birken erst! Sie verwandelten ihre Kronen in zarte, blaßgelbe Schleier, die das Düster des Moorgrundes und die Nadelwaldbestände auf der Grableiten mit goldenem Leuchten durchsetzten.

Angst hatten die Kinder in der Dämmerung nur vor Wildkatzen. Obwohl es Peter bei der ersten Begegnung mit einem dieser Tiere gelungen war, es zu töten, so zweifelte er doch, ob er sich auf die Treffsicherheit seines Pfeiles verlassen konnte. Die Zeit der früh einbrechenden Dunkelheit war für die jungen Menschen eine Zeit des Grauens und des Bangens. Die sinkende Nacht erfüllte sie mit Ahnungen von Gefahren; es trieb sie nach Hause in die behagliche Sicherheit ihrer Höhlen, die vom Duft des Holzrauchs, der gedörrten Früchte, der würzigen Kräuterbüschel und der Fleischvorräte erfüllt waren.

Als die Schlehen und Kornelkirschen schon überreif waren, stellten sich die ersten großen Schneefälle ein.

Eines Tages watete Peter, dessen Füße wohlverwahrt in eingefetteten Dachsschwarten steckten, bis zu den Knöcheln im glitzernden, stäubenden Neuschnee, um für die Trockenböden, die sich unter der Fülle der Vorräte bedenklich bogen, neue Stützen zu holen. Schon hatte er am Sonnstein junge Ahorn- und Eschenstämmchen aus dem Jungholz am Bachufer neben dem Feuerkorb angehäuft und trug nur noch Tannenreisig herbei, mit dem er das Deckengeflecht verdichten wollte, als sein Blick auf flüchtig verwischte Fuchsspuren fiel. Also gab es noch irgendwo in der Nähe Füchse, deren Bau ihm unbekannt war! Er ging den Fährten nach und bekam zwar nicht die Füchse zu sehen, aber das verendete Stück Rehwild, dem der Besuch der roten Räuber gegolten hatte. Es war ein alter Bock mit einem sonderbar gestalteten Geweih, dessen Wucherungen wunderlich nach allen Seiten abstanden. Peter staunte, daß der Bock um diese Zeit sein Geweih noch nicht abgeworfen hatte. Der Schnee, der das Tier bedeckte, war zum Teil weggescharrt, und aus dem offenen Maul des Bockes, dessen Muffel zerbissen war, hingen die blutigen Reste der Zunge, an der die Füchse gerissen hatten. Peter packte den Bock an dem überstark beperlten Geweih und schleifte ihn zum Feuerkorb. Dabei fiel ihm auf, daß das Tier über Erwarten mager und leicht war. Er beeilte sich, es abzubalgen.

Da der Bock offenbar an einer Krankheit oder an Altersschwäche zugrunde gegangen war und Peter dem Fleisch nicht traute, überließ er es dem Raubwild. Er suchte nun einen Schlittenast, um das Fell, den Schädel und die Holzlast fortzuschaffen. Sein Blick fiel auf zwei junge, aus einer Wurzel wachsende Eschenstämmchen. Ihre Wipfel waren unter der Last einer vom Wind umgelegten morschen Fichte gekrümmt. Der Wurzelballen der Bäumchen ragte zur Hälfte aus dem Erdreich. Gewöhnt, auffallende Dinge und ihre Verwendbarkeit zu prüfen, erkannte Peter in den gebogenen, unten verwachsenen Jungstämmen die Hauptbestandteile eines besseren Beförderungsmittels, als es der einfache Ast gewesen war. Wenn er die in der Erde steckende Wurzel abhieb, die krummen Stämmchen von allen unnützen Ästen und Zweigen befreite und durch Querhölzer verband, hatte er ein tragfähiges Schleppzeug, vielleicht auch für später. Peter machte sich sofort an die Arbeit, hatte aber große Mühe, die Wurzeln aus dem Geröll zu lösen. Als er sie nach eifrigem Graben und ungezählten Hieben mit der Steinaxt bloßgelegt hatte, war er trotz der Kälte in Schweiß gebadet. Seine Geduld war so erschöpft, daß er wie ein Rasender an den im Boden steckenden Wurzeln zerrte.

 

Da entdeckte sein suchender Blick einen armdicken Knüttel. Den schob er unter den Wurzelballen, legte einen Steinbrocken unter den so gewonnenen Hebel und drückte mit aller Kraft auf dessen frei emporragendes längeres Ende. Ein Krach, ein Prasseln von Steinen und Reisig — Peter fiel längelang in den Schnee, und um ihn her lag zerbrochenes Geäst der verdorrten Fichte; sie war im selben Augenblick niedergestürzt, als Peter ihr die Stütze genommen hatte. Mit Entsetzen erkannte er, daß er von dem stürzenden Baum beinahe erschlagen worden wäre. Wie hatte er nur die Fichte außer acht lassen können! Wenn ihm etwas geschehen wäre! Wenn Eva allein zurückbleiben müßte, könnte sie ohne ihn leben? Peter beschloß, in Zukunft besser aufzupassen, umsichtiger zu werden. Aber schon im nächsten Augenblick begann er, seine Schlittenkufen von allem störenden Ast- und Wurzelwerk freizumachen. Querstäbe band er unten in den Winkeln an den nach oben ragenden Ästen fest; diese sollten als Seitenstützen stehenbleiben. Es kam ein schmaler, aber brauchbarer Schlitten zustande. Als Peter seine Ausbeute an Stäben der Länge nach an den Querstangen festgemacht hatte und den Schlitten zu ziehen versuchte, fand er die Last so leicht, daß er von der zerbrochenen Fichte eine ansehnliche Tracht Brennholz dazupackte. Als letztes verstaute er das Fell, den Bockschädel, und obenauf kam der Feuerkorb. Seinen Jagdspeer und den Bogen steckte er zwischen die Hölzer, er selbst stellte sich zwischen die steil aufgebogenen Schlittenkufen.

Wie leicht die Bürde über den Schnee glitt! Nur wo die Holzladung für den Erntepfad zu breit war, spießte sich die Fracht am Gesträuch; aber einige Axthiebe halfen durch. Peter nahm sich vor, den Erntepfad breiter zu bahnen und seine Unebenheiten auszugleichen. Aus dem Pfad mußte ein Fahrweg werden. Schon war die Dämmerung hereingebrochen, als er sich mit seiner Fuhre den hellerleuchteten Wohnhöhlen näherte. Blauer, duftender Holzrauch strich zu ihm herüber.

Peter dampfte vor Anstrengung, als er beim Steigbaum anlangte. Vor dem lodernden Herdfeuer streckte er sich der Länge nach auf den Lehmboden und ließ sich von Eva füttern. Sie reichte ihm erst gebratene Kastanien, dann eine Mergelplatte voll Frischlingsbraten und Preiselbeeren. Mit vollen Backen kauend, erzählte der Heimgekehrte von seinen Erlebnissen und Plänen, wie er erlegtes Wild, Ernteertrag und Brennholz heimbringen wollte.

Am nächsten Tag begann Peter mit dem Bau eines Schutzwalls am Eingang der unteren Höhle; er verstopfte auch die beiden Seitengänge, um die kalte Außenluft abzuhalten. Eva, die gerade das Essen zubereitete, freute sich, daß die Höhle nun viel besser durchwärmt wurde. Der Rauch stieg ruhiger zur Decke auf, wo er sich im Gestänge des Trockenbodens staute, ehe er durch das Loch ins Freie entwich.

* * *

Peter war von seiner Arbeit so in Anspruch genommen, daß Eva sich der Rehdecke annehmen mußte, die auf dem nassen Boden neben dem Schlitten lag. Die Haut zu reinigen und im Bocksgraben bei dem bereits eingelagerten Fell unter Laub und Steinen zu vergraben, war keine appetitliche Arbeit. Sie tat sie aber und entdeckte dabei, daß die früher eingelagerte Haut nicht faulig roch, sondern vom durchnäßten Laub einen herben, nicht unangenehmen Geruch angenommen hatte. Die Haare lösten sich vom aufgequollenen Leder. Eva fröstelte. Beim Arbeiten in der Nässe waren die Murmeltierfelle ihrer Schuhe feucht geworden. Heimgekommen, zog sie sich in ihre Kammer zurück und vergrub sich förmlich im Laub und Moos ihres Lagers.

Kaum hatte sie sich einigermaßen erwärmt, so stopfte sie ihr aufgeweichtes Schuhwerk mit dürrem Moos aus, damit es beim Trocknen nicht einschrumpfe. Dabei stellte sie fest, daß die Sohlen an einigen Stellen durchgerieben waren, während die eingelegte Birkenrinde widerstanden hatte. Also war Birkenrinde zäher. Eva überlegte und beschloß, zur Verstärkung des weichen Leders auf jede Sohle zwei Rindenstücke zu nähen. Das Vorbohren der Nählöcher an den Sohlenrändern mit einem spitzigen Knochensplitter war eine Heidenarbeit und machte sie so ungeduldig, daß sie die Löcher daumenbreit voneinander entfernt anbrachte, nur um schneller fertig zu werden. Als sie daran ging, die trockengewordenen Schuhe mit den neuen Sohlen zu benähen, war sie mit ihrer Kunst am Ende. Was sie auch versuchte, es gelang ihr nicht, die Nadel mit der Darmsaite dort durchzuführen, wo sie es beabsichtigte. Sie mußte die Schuhe auf der Ristseite schlitzen. Aber die Häute waren so mürbe, daß sie keinen Stich hielten. Eva war den Tränen nahe und warf die Arbeit entmutigt beiseite. Dann dachte sie nach und fand einen Ausweg. Sie holte aus dem Bocksgraben eines der eingelegten Rehfelle, reinigte es, schnitt zwei große Lappen heraus und nähte sie so feucht, wie sie waren, zwischen den äußeren und inneren Rindensohlen fest, stellte dann den einen Fuß auf ein inneres Sohlenblatt und faltete über dem Rist die Lappenenden empor, nähte sie über der Fußspitze zusammen und schnitt Überflüssiges weg. Hinter der Ferse zog sie das Leder hoch und nähte an den Seiten die Falten zusammen. An die Zipfel heftete sie breite Lederstreifen, wickelte sie kreuzweise um Fußgelenk und Wade und band sie unter dem Knie fest. Nachdem sie auch den anderen Fuß bekleidet hatte, überließ sie es ihrer Körperwärme, das weiche Leder zu trocknen. Als es einigermaßen hart geworden war, rieb Eva die Außenseite ihrer Schuhe mit einem Gemisch von zerlassenem Wachs und Fett ein, wobei sie besondere Sorgfalt auf das Dichten aller Nähte verwendete.

Freudestrahlend zeigte sie Peter ihr verbessertes Schuhwerk, das keine Nässe durchließ. Noch am selben Tag sah sie mit Genugtuung, daß Peter, der bisher einfach Dachsschwarten um seine Füße gewickelt hatte, sich nach ihrem Muster neue Schuhe machte. Gleich nach dem Abendessen verschwand Eva hinter ihrem Lagerwall und wühlte sich ins Moos und Laub. Sie wollte ungestört nachdenken, wie sich aus der Schwarte des Wildschweins, das Peter bestimmt noch erlegen würde, dauerhafte Schuhe herstellen ließen.

Peter kniete auf dem Boden vor einem Sandstein und führte auf dessen rauher Fläche einen Knochensplitter hin und her, er wollte eine flache, lange und zweischneidige Speerspitze zurechtschleifen. Nach kurzer Zeit tat er die Arbeit beiseite. Seine Augen waren trocken und heiß vor Schlaf, und so legte auch er sich zur Ruhe, ohne einen Block Moderholz auf die Glut zu legen. Zum erstenmal hatte er es vergessen.

Der Föhn

Als die letzte Glut unter der Asche des vernachlässigten Feuers erloschen war, wurde es kühl in den Höhlen. Eva, deren einer Arm bloßgelegen hatte, erwachte im Morgengrauen und stieg fröstelnd über den Steinwall ihres Lagers, um nach dem Feuer zu sehen. Dichter Nebel erfüllte ihre Höhle; die Wände, an denen sie sich hinabtastete, troffen vor Nässe. Draußen schneite es, und der Wind hatte Schnee in die Höhlen geweht. Eva stocherte in der Asche der Feuerstelle. Plötzlich schrie sie auf: »Das Feuer ist aus, ganz aus!«

Peter schnellte auf. Verflogen war seine Schläfrigkeit. Ungläubig kauerte er vor der Feuerstelle im Schnee. Kein Rauch! Kein Fünkchen Glut! Zitternd vor Aufregung und Kälte, hob er die vom Schnee feucht gewordenen angekohlten Holzreste vom Rand der Feuerstelle ab, drehte sie um, blies sie an, sie blieben schwarz.

Vorsichtig streifte er die Asche beiseite, sie war noch lauwarm.

Hoffend und bangend wühlte er weiter. Da schrie er plötzlich auf in Schmerz und Freude. Er hatte sich die Finger verbrannt. Tief unter der Aschenschicht war noch Glut!

Rasch legte er sie bloß und streute trockenes Moos, Wacholderzweige und Fichtennadeln darauf, dann blies er erst vorsichtig und ein wenig später mit vollen Backen von einer Seite hinein und Eva von der anderen.

Kleine Flämmchen schlugen aus der Glut und schlängelten sich an den harzreichen Reisern empor. Das neuerweckte Feuer leuchtete, knisterte, qualmte, reichlich genährt von den beiden Höhlenkindern. Und als die Flammen kniehoch emporzüngelten, da packte Peter Eva an den Schultern und schüttelte sie in einem Übermaß von Freude.

In abgebrochenen Sätzen machte er sich Luft: »Das wär' was g'wesen! Zugrund hätten wir gehen müssen in der Bärenkälte. Das darf nicht mehr passieren! Der Schnee muß draußen bleiben!« Daß er vergessen hatte nachzulegen, verschwieg er. Als er Eva losließ, griff sie sogleich nach ihrem Wurzelbesen und kehrte den Schnee zu einem Haufen zusammen.

Dann holte sie aus dem Allerlei ein Schulterblatt vom Hirsch und beeilte sich, den Schnee, der in der Wärme zu schmelzen begann, über die Steinbrüstung hinauszuschaufeln. Peter schickte sich gleich an, dem Schnee, dem er das Verlöschen des Feuers zuschob, den Zugang zu verwehren.

Erst mußte er die lückenreiche Schutzmauer, die er am Eingang zur unteren Höhle aus losen Steinen kaum kniehoch aufgeführt hatte, zerklauben und daraus eine sichere Unterlage für den Weiterbau schaffen. Da er aber viel mehr Steine brauchte, als er hatte, war er gezwungen, neue herbeizutragen. Draußen lag der Schnee fußhoch. Gleich nach dem Frühstück suchte Peter im Bachbett aus dem groben Geröll die größten Trümmer heraus, verstärkte seinen Schlitten durch aufgelegte Quer- und Längshölzer und führte Steinbrocken herbei.

Als er die meist abgerundeten Steine auf die Grundmauer legen wollte, erwiesen sie sich als untauglich. Besser waren flache, eckige, scharfkantige Bruchsteine, wie sie auf der Salzlehne herumlagen. Dorthin begab er sich. Den Schlitten ließ er auf der rechten Bachseite. Auf den Gangsteinen, die mit ihren Schneehauben weit aus dem seichten Wasser ragten, überschritt er den Bach. Mit Evas Schneeschaufel, die er an einen langen Stiel gebunden hatte, säuberte er einen Fleck der Schutthalde von Schnee und zerrte eine Anzahl Mergelplatten aus dem Gesteins-Schutt.

Da er die Steine einzeln zum Schlitten tragen mußte, wurde ihm vom Schleppen gehörig warm. So arbeitete er tagsüber und nahm sich kaum Zeit, etwas zu essen. Erst in der Dämmerung fiel er über das Fleisch her, bastelte noch ein wenig im Schein des Feuers und schlief dann die Nacht durch. Am Abend des dritten Tages war die Mauer bis zur halben Höhe des Höhleneingangs gediehen.

Nur an der Seite, wo Peter sein Lager hatte, standen die obersten Steine an der Höhlendecke an.

Daneben war eine Lücke als Durchlaß für den Steigbaum, zu deren Verschluß ein aus Ruten geflochtenes, mit Fellen behängtes Türgitter eingefügt werden konnte.

Am Morgen des vierten Tages war es unmöglich, draußen etwas zu unternehmen. Es schneite nicht, aber dicker, gelbgrauer Nebel erfüllte den Talkessel, die Luft schien zu stehen. Matt leuchtete die Sonne als rote Scheibe durch den Dunst, den ihre Strahlen nicht aufzulösen vermochten. So blieb es bis Mittag, dann wurde der Ausblick über den Talgrund frei, die Sonne brach durch die Nebelmassen und verzehrte sie.

Als die Ostseite des Sonnsteins im Schatten lag, schien die Mittagssonne hell in die Tiefe des Heimlichen Grunds. Schneewasser tropfte von allen Zweigen und rieselte glitzernd an Ästen und Stämmen herab.

Peter, der erst aus seiner Schlafgrube gekommen war, als Eva ihn zum Essen gerufen hatte, aß im Stehen und machte sich dann zur Salzlehne auf, um neue Bausteine zu holen. Er stapfte durch Schneematsch. Als er den Bach überschritt, fiel ihm auf, daß die Gangsteine verschoben und leicht überflutet waren. Der Bach rauschte lauter als sonst. Die Luft über dem Talgrund war so klar, daß Peter die Umrisse der drei Gipfel über den Klammwänden — Horn, Henne und Spitz — deutlicher sah als jemals. Über den Zinnen der Grabwände entstanden leichte Wölkchen und lösten sich rasch wieder auf. Dann bildete sich eine lange, massige Wolkenbank, die am Rande der Felsen zu kleben schien.

 

Das alles sah Peter mit Befremden. Von Ahnls Zeiten her wußte er, daß der warme Föhn, der Schneefresser, auf den diese Vorzeichen gepaßt hätten, im Frühling wohl zu fürchten war, wo er große Schneemassen zum Schmelzen brachte. Jetzt aber war es Spätherbst, und es lag wenig Schnee.

* * *

Als Peter das Steinesammeln wieder aufnahm, bemerkte er, daß der Schnee zusehends schwand, und unter seinen Füßen und ringsumher raunten und rieselten Wässerchen. Von den einzeln stehenden Bäumen fielen große Tropfen wie nach einem Platzregen. Peter brauchte die Schaufel nicht mehr, die Steinplatten sahen naßglänzend aus dem Geröll hervor. Er nahm auf, was er heben konnte, und schleuderte es die Lehne hinab. Dabei wurde ihm sonderbar heiß. Noch schrieb er die Wärme seiner Anstrengung zu; aber eine seltsame Niedergeschlagenheit erfaßte ihn, eine angstvolle Unrast und Mattigkeit, die er nicht zu deuten wußte. Plötzlich horchte er auf: Ein gewaltiges Brausen ging durch die Luft. Und die Wolkenbank dort drüben am Rande der Grabwände hatte sich in Fetzen aufgelöst, die, vom Sturm gedrückt, über die Wandränder niederfegten zum Grund, wo sich noch kein Blatt regte.

Dann stieß ein heißer Windstoß herab, der die Eschen und Fichten wie Schilfhalme bog; da und dort stürzte krachend ein Baum. Peter stand wie gelähmt. Gebannt sah er die rasende Bewegung der Wolkenfetzen, die der brausende Sturm von den Grabwänden zum Talgrund niederjagte und dann an der Südwand emporriß.

Der Schnee um ihn her war ganz verschwunden. Plötzlich erschütterte ein donnerartiges Getöse, dem ein Prasseln und Knattern folgte, die Luft. War eine Lawine, ein Steinschlag niedergegangen? Ungewiß, ob nicht auch über ihm todbringende Massen in Bewegung geraten seien, stürzte Peter in langen Sätzen abwärts, durchwatete den stark angeschwollenen Bach und hastete nach seiner Höhle. Dort angekommen, hockte er sich hinter die Mauer ins Laub seines Lagers. Jetzt erst fühlte er sich geborgen. Eva kauerte sich schluchzend neben ihn. Er starrte wie betäubt vor sich hin. Draußen wuchs das Sausen und Brausen des Sturmes, der sich breit und massig auf den Urwald geworfen hatte. Bebend lauschten die beiden dem Krachen abgestorbener Äste, dem Niederwuchten toter Baumriesen.

Über die niedere Schutzmauer drangen Sturzwellen der bewegten Luft in die Höhle ein, wirbelten die Asche der Feuerstätte hoch, zerstreuten die glimmenden Holzreste, fachten die Glut zu Flammen an und ließen die Feuerzungen gierig über den Boden lecken. Da fuhr Peter aus seiner Betäubung auf: Das Feuer durfte sich nicht ausbreiten, durfte die Stützen des Trockenbodens nicht ergreifen!

Mit dem Wurzelbesen fegte Eva die verstreuten Kohlen gegen die Schutzmauer, kehrte sie auf ein Häuflein, bedeckte sie mit abgebrannten Stücken von Moderholz und beschwerte diese mit aufgelegten Steinplatten.

Als Peter an der Mauer vorbei in seinen geschützten Winkel zurückkehren wollte, warf ihn ein Windstoß zu Boden.

Er blieb liegen, stützte sich auf die Ellbogen und schaute, unbekümmert um den warmen Sturm, der in seinem Haar wühlte, hinaus in das Wogen der Baumkronen.

Er sah geknickte Äste und Baumwipfel dahinfliegen, er lauschte dem Sausen, Klingen und Brausen des Sturmes, er hörte das grobe Bruchholz zur Erde stürzen.

Da überkam ihn plötzlich eine Freude: Der Schneefresser arbeitete für ihn, schaffte ihm neue Vorräte an Brenn- und Werkholz, ersparte ihm unzählige Axtschläge! Was die Borkenkäfer an Bäumen getötet hatten, brach der Sturm nieder.

Der Föhn tobte nicht lange. Unvermittelt trat wieder Ruhe ein. Die Bäume standen regungslos. Unten im Bocksgraben, wo die zwei Häute unter Laub und Steinen lagen, schoß gelbes Wasser dem Klammbach zu. Die Felle mußten gerettet werden!

Trotz der Sorge, ein Steinschlag könnte ihn treffen, eilte Peter hinunter, fand die Felle noch unter den Beschwersteinen und kam mit ihnen heil zu Eva zurück. Während sie angstvoll warteten, was noch kommen würde, und in die unheimliche Stille des Grundes hinauslauschten, sahen sie den Bocksgrabenbach anschwellen. Bald schoß das lehmgelbe Wasser in der Höhe des Grabenrandes dahin. Es führte Rasenstücke und Schwemmholz dem Klammbach zu, aber auch ertrunkene Waldmäuse, Vogelleichen, Schneckenhäuser, Stauden von Alpenrosen und Heidekraut, Wurzelstöcke und ausgewaschene Zwiebeln. Peter litt es nicht mehr in der Höhle. Blitzschnell war er unten im neuen Rinnsal und fing alles auf, was er brauchen konnte.

Zwei Alpenhasen warf er ans Ufer, eine Menge Lauchzwiebeln, einen Haufen Holz und Moos. In seinem Sammeleifer war es ihm entgangen, daß der Himmel sich verfinstert hatte. Erst als ein schwerer, lauer Regen auf seinen Rücken fiel, schaute er auf.

Er schaffte das Erbeutete eiligst zur Höhle, wo es von Eva mit Jubel entgegengenommen wurde.

Draußen rauschte der Regen. Eva trug dem Feuer neue Nahrung zu und umbaute es mit einer niederen Steinmauer. Dann bereitete sie das Essen, und Peter stellte das Schwemmholz zum Trocknen auf. Rings um die Feuerstelle stapelte er die nassen Knüttel, die bald zu dampfen begannen. Den Rest des Holzes schichtete er an der Schutzmauer und über sie hinaus bis zur Höhlendecke. Nur einige Lichtluken und den Eingang ließ er frei.

Eva, die fleißig Scheiter und Zweige zugereicht hatte, zog sich, als die Dämmerung hereinbrach, müde in ihre Schlafkammer zurück. Peter aber arbeitete beim Licht eines brennenden Föhrenastes weiter. Er stäubte die glitschigen Rehfelle, deren Haardecke vielfach losgegangen war, tüchtig mit Asche ein und schnitt Ruten zu, um so bald wie möglich eine Trennungswand zwischen dem Herdraum und seiner Schlafstelle aufzurichten. Er wollte endlich vor der Rauchplage ein wenig geschützt sein. Bevor er seine Schlafgrube aufsuchte, zog er den Steigbaum herauf, versorgte das Feuer und schloß den Höhleneingang und den Aufgang zu Evas Kammer ab. Der eintönig niederrauschende Regen schläferte ihn ein.

Als Peter am nächsten Tag die zwei geretteten Rehfelle am Bach schwemmte, fiel ihm ihr herber Rindenduft auf, der den üblen Fäulnisgeruch verdrängt hatte. Daß die Holzasche alle Haare glatt weggebeizt hatte, war für ihn eine nicht minder wertvolle Erfahrung. Das ältere Fell spannte er ans Gestänge des Trockenbodens; für das neuere vertiefte er einen aufgefüllten Tümpel.

Schon am Nachmittag desselben Tages war der Bocksgrabenbach stärker angeschwollen und brachte viel Kleinholz, aber auch Baumstrünke mit, die Peter rasch einheimste.

Als das nasse Holz in der Höhle zum Trocknen ausgebreitet war, füllte sich der ganze Raum mit Dampf, der sich an den Wänden zu Wasser verdichtete. Unbehaglich war's in den Höhlen. Ihre Umgebung war ungangbar, da der Bocksgrabenbach über seine Ufer getreten war. Die Höhlensiedler arbeiteten daheim und zankten sich. Peter ärgerte sich, daß viele getrocknete Beeren verschimmelt waren. Auch die gedörrten Pilze waren verdorben, sie rochen abscheulich. Vieles, was sie mit Mühe eingetragen hatten, mußte weggeworfen werden. Für den langen Steigbaum war die Höhle zu niedrig, und Eva mußte, auf Peters Schultern stehend, sich mit der einen Hand am Trockenboden festhalten und mit der anderen herumräumen. Peter, dem das zu langsam ging, verlor die Geduld.

Er entschloß sich, einen der Baumstrünke aus dem Bocksgrabenbach zum Daraufsteigen zu richten, um nicht immer von Evas Hilfe abhängig zu sein. Das Zurechtzimmern des hüfthohen Strunkes, von dem die abstehenden Wurzeln abgehackt werden mußten, kostete Peter viel Zeit. Besonders hielten ihn die immer wieder notwendigen Ausbesserungen seiner Steinbeile auf, deren Schäftung mangelhaft war: Die Bindung lockerte sich während der Arbeit. Das Zurichten der Steinbeile war eine Nebenarbeit, die ihn von seiner Hauptaufgabe so ablenkte, daß er mehr Zeit auf das Ausprobieren neuer Bindungen verwendete als auf die Zimmerarbeit selbst. Endlich, nach zwei Tagen angestrengter Tätigkeit, war der Trockenboden in Ordnung. Das Flechten der Trennungswand, die den Rauch von den Schlafstellen abhalten sollte, konnte Eva allein besorgen. Inzwischen war das Schwemmholz halbwegs trocken geworden, und Peter begann mit der Verarbeitung.