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Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund

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Peter brauchte etwas, um einen Vorrat von langen Pfeilen am Gürtel zu tragen. Aus dem Röhrenknochen eines Rabenbeines schliff und bohrte er eine lange Nadel. Damit nähte er zwei handbreit gedehnte und zugeschnittene Eichhörnchenfelle, Haarseite nach innen, der Länge nach zusammen. Eva freute sich, daß er dabei einen Vorteil benützte, den er ihr abgeguckt hatte: Selbst er wäre nicht imstande gewesen, ein Fell aus freier Hand zu zerschneiden, wenn er es nicht über eine Unterlage gespannt hätte. Auch das Nähen machte er Eva nach.

Aus zwei kurzen Eichhornfellen war nun ein langer Köcher entstanden. Andere Bälge an seinem Gürtel dienten als Taschen für Rehkrickel, Fäustel, Steinmesser und Steinsäge — das alles brauchte er auf seinen Streifzügen, denn er wollte die Hände frei haben. Der Gürtel hatte kein geringes Gewicht, schmiegte sich aber fest um Peters Hüften.

Trotz der vorgeschrittenen Tageszeit ging Peter aus.

Während er draußen umherstreifte, begann Eva, für sich einen Gürtel zu flechten, nicht aus Rindenstreifen, sondern aus Bergflachsstengeln, die sie durch Wässern, Dörren und Klopfen von der Rinde befreit hatte. Als der zopfartige Gürtel geflochten war, nähte sie den Schurz aus Vogel- und Eichhornbälgen darunter und ließ es nicht dabei bewenden, sondern nähte Eichelhäherflügel und Spechtbälge daran und schmückte das neue, bis zu den Knien reichende Kleidungsstück mit weißen, blauen, grünen und grellroten Federn.

Nun lagerte sie ihren Bergflachs wieder im Sickerwasser des Baches, legte Weidenruten dazu und deckte Steine darüber. Ein scharf würziger Duft reizte ihre Neugierde. Sie suchte nach der Ursache und stieß auf hohe Stauden mit bläulich-grauen Blütenständen. Daher also kam der Duft! Da hatte sie ja ein wirksames Mittel, um den Gestank der Felle zu übertönen! Mit diesen Blüten wollte sie die Innenseite ihrer Felle so lange einreiben, bis sie nicht mehr rochen. Fröhlich erkletterte sie den Steigbaum und setzte sich in die Lichtluke ihrer Höhle.

Lange spähte sie vergeblich nach Peter aus.

Dann aber sah sie drüben unweit der Grableiten etwas Helles schimmern, es bewegte sich langsam von Busch zu Busch. Doch erst in der Dämmerung tauchte der Ersehnte am Waldrand unter der Höhle auf. Langsam kam er daher und schien verdrossen.

In der Höhle angekommen, legte er eine Blatt-Tüte voll roter Kornelkirschen vor Eva hin, lobte geschwind ihr neues Kleid und fing dann gleich von seinem mißglückten Jagdgang an.

Vorsichtig habe er sich an den Rehbock herangepirscht, der droben bei der Grableiten äste. Ehe er aber zum Speerwurf gekommen sei, habe der Bock herübergeäugt und sei plötzlich auf und davon.

»Er wird dich halt früher gesehen haben«, versetzte Eva, »das war' kein Wunder, mir bist auch von weitem aufgefallen, so hell hat sich dein Leib abgehoben vom grünen Busch und Gras.«

Peter horchte auf. »Ah, du meinst, meine Haut hätt' den Bock g'schreckt?«

Das Abendessen schmeckte weder Peter noch Eva sonderlich, obwohl sie tagsüber nichts Rechtes zu sich genommen hatten. Sie aßen nur, um den ärgsten Hunger zu stillen; ihren Mägen behagte die Kost nicht mehr, alles schmeckte fad. Die Kornelkirschen aber waren noch zu herb und mußten nachreifen. Der Gedanke, das Wild ängstige sich schon von ferne vor seiner Hautfarbe, beunruhigte Peter. Er grübelte so lange, bis ihm einfiel, wie dem Übel abzuhelfen sei. Wie, wenn er seinen Leib mit nassem Lehm bestriche? Das müßte doch seiner hellen Haut eine stumpfe, unauffällige Farbe geben!

Mit diesem Gedanken schlief er ein.

Salz

Geborgen vor Witterungsunbilden, notdürftig bekleidet, frei von den ärgsten Nahrungssorgen, hätten die Höhlenkinder bei ihrer Arbeit, die ihnen allmählich zu einem behaglicheren Leben verhalf, glücklich sein können. Aber gerade zu Beginn der Herbsternte fühlten sie sich wieder so matt und schlaff wie schon einmal.

Woher kam nur dieses Gefühl, das sie zeitweise so mutlos und verdrossen, so launenhaft und streitsüchtig machte? Sie wußten es nicht. Peter war bei aller Mattigkeit von einer unerklärlichen Unrast erfüllt. Überall stöberte er herum und wußte nicht, was er suchte. Als wieder ein mehrtägiger Regen einsetzte und die beiden zu Hause festhielt, verbrachten sie ihre Zeit meist untätig und verärgert, jeder in seiner Höhle. Wozu arbeiten, es hatte ja doch keinen Zweck! Dabei schaute Peter von seinem Lager aus ungeduldig in den herabströmenden Regen; ein geheimnisvoller Trieb lockte ihn hinaus und hinauf nach unerforschten Höhen.

Eva raffte sich zuweilen auf, besserte an ihren Balgkleidern herum und ärgerte sich dabei mehr als je über ihr wirres Blondhaar, das ihr immer wieder ins Gesicht fiel. Wütend griff sie nach einem Rindenstreifen und band sich ihn als Stirnband um den Kopf. Jetzt mußten die Haare Ruhe geben! Und angeregt durch die Erleichterung, beschloß sie, sich ein schönes Stirnband zu machen. So sehr reizte sie der Gedanke, daß sie ihre Trägheit überwand und Ruten vom Vorrat am Bach holte.

Peter bemerkte das Band über ihrer Stirn. Es gefiel ihm; auch ihm waren seine langen, vorfallenden Haarsträhnen lästig. Er machte sich auch ein Stirnband, nahm aber nicht Weidenrinde, sondern zwei übereinandergelegte Fellstreifen, heftete sie zusammen und steckte drei Geierfedern dazwischen.

Eva sah es nicht ohne Neid und nahm sich vor, ihr neues Stirnband noch schöner zu schmücken.

Am nächsten Tag hatte sie es fertig. Im Geflecht befestigte sie allerlei bunte Federn. Beim Kramen in Peters Allerlei kamen ihr gestreifte Schnirkelschnecken in die Hände, die sich leicht durchlochen und am Stirnband festnähen ließen.

Erwartungsvoll trat sie vor ihn hin: »Peter, was sagst dazu?«

»No ja«, meinte er geringschätzig, »schön bist schon. Zum Jagen wär' das kein Aufzug. Die Farben schreien ja! Die Spechte und die Häher täten's im ganzen Wald rufen, daß da eine herumgeht, die sich mit ihren Federn aufputzt. Da, schau mich an: Ich hab' mich heut schon in aller Früh mit nassem Lehm angestrichen, heut wird sich vor mir kein Bock schrecken.«

In der Nacht hörte der Regen auf. Morgens unternahm Peter gutgelaunt einen Streifgang, und Eva durfte ihn begleiten.

Sie durchwateten an einer seichten Stelle den Klammbach und begannen ihre Bergwanderung über die noch schattenkühle Lehne, die jenseits der Quellgrotte anstieg.

Es wurde Mittag, ehe sie aus dem Bereich der verblühten Alpenrosen in Höhen hinaufdrangen, wo sie noch in voller Pracht standen.

Eva konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich einige der blaßroten Blütensträuße hinter das Stirnband zu stecken.

Peter erlegte ein Steinhuhn. Während er die Beute am Gürtel festband, machte sich Eva ans Einheimsen von Preiselbeeren. Da fand sie schütter im Gras stehenden Bergflachs, dessen Stengel kugelige Kapseln trugen. Eifrig sammelnd stieg sie langsam auf. Peter half ihr bei der Ernte. Dabei erzählte Eva, was sie von der Ahnl her vom Zurichten des Flachses noch wußte: Einwässern wollte sie die Stengel, in der Sonne dörren, mit den Händen brechen und dann aus den Fasern Fäden zwirbeln ...

Bald hatten sie zwei große Bündel beisammen, und Peter mahnte zum Weitergehen; er wollte hoch oberhalb der Wohnhöhlen herumgehen und drüben an der Steinschlaglehne niedersteigen. Die Nacht durfte sie nicht in den Felsen überraschen. Inzwischen war es heiß geworden, der Durst meldete sich; immer matter werdend, stiegen die beiden mühsam weiter. Die hohen Kräuter und beerentragenden Stauden hörten allmählich auf. Nur da und dort leuchtete eine verspätete Erdbeere aus dem kurzen Gras.

Bei der schroffen Bergwand über der Schutthalde angelangt, standen die beiden ausruhend still. Die helle Pracht der Talsohle tief unten fesselte den Blick. Mitten durch die grüne Fläche des Steinfeldes, dessen Ecken stumpf abgeschrägt waren, schlängelte sich, von Buschwerk gesäumt, der schmale Klammbach. Wo der Wald aufhörte, umfloß die Wasserader in enger Gabelung den turmartigen Sonnstein, dessen Abbruchsteilen in der Sonne glitzerten. Von der links im Schatten liegenden Grableiten mit ihren Heidelbeerbüschen, Fichten und Birken glitten die Blicke zu den Klammwänden, in deren Spalt der Bach verschwand. Dahinter hoben sich in weiter Ferne drei Hochgipfel vom Himmel ab.

Der südlichste dieser Gipfel hatte die Gestalt eines sanft nach Norden gekrümmten Horns, der nördlichste ragte als steile Spitze empor, während der mittlere einer sitzenden Riesenhenne glich. Peter und Eva stellten fast gleichzeitig diese Ähnlichkeit fest. Vergnügt darüber, daß sie darin einig waren, ließen sie ihre Blicke weiter schweifen. Da sahen sie tief rechts, jenseits des Klammbachs, wo ein schilfgesäumtes Wässerchen ihm zufloß, eine breite Bodenstufe, die sich in ihrem gleichmäßigen Grün vom unruhigen Hintergrund der buschbewachsenen Halden eigenartig abhob. Das Grasland war durchsetzt von kleinen runden, blanken Wasserspiegeln; da und dort standen weißleuchtende Birken, vom Winddruck schräg herübergeneigt, und kleine Gruppen silbrig schimmernder Laubbäume. Das mochten wohl Weiden sein. An der sanften Lehne gegen die Felswand zu stiegen sie in zwei Reihen auf. Von dorther glitzerte zwischen Buschwerk ein Bächlein, das sich im Sumpf der Bodenstufe verlor und später als Bach im Moor sichtbar wurde. Hinter dem Sumpfland zog sich längs der rechten Klammwand eine schmale, mit einzelnen Nadelbäumen bewachsene Halde hin. Rechts oberhalb der Schilf- und Buchenbestände des Moores stieg das Land zu einer breiten Lehne an, die von steilen Wänden abgeschlossen war. Dort floß in weißschimmernden Wasserfällen der Moorbach nieder. Bis zur halben Höhe war die Felswand, aus welcher der Bach kam, dunkelgrau und glänzte matt im Sonnenschein. Darüber hob sich in braunroten und weißen Schichten der aufgelagerte Kalkfels vom unteren Urgestein ab. Während Peter noch die merkwürdige dreifarbige Wand anstarrte, betrachtete Eva die rechts daran anschließende Südwand. Hellfarbig stieg diese im vollen Lichte auf, ihre scharfen Grate leuchteten, und an ihrem Fuße standen mächtige Laubbäume mit rundlichen Kronen.

 

Eva zeigte hinüber: »Schau, Peter, stehen dort nicht die Maronibäume, von denen die Ahnl erzählt hat?«

»Das können nicht lauter Kastanienbäume sein«, bemerkte er, »die Kronen sind ungleich. Buchen dürften drunter sein, vielleicht auch Walnußbäume, vielleicht gar Vogelkirschen oder wilde Birnbäume.«

»Gehen wir schauen, ob die Maroni schon reif sind«, schlug Eva vor.

»Du lieber nicht«, versetzte Peter nachdenklich, »dahinter ist's nicht geheuer. Siehst du die Höhlen in der Südwand? Dort dürften die Bären hausen, die ich am Steinschlag getroffen hab'. Schau, rechts davon ist die Geröllhalde, wo sie den Rumpf von meinem Bock aufg'fressen haben. Wo mögen die Steinböcke sein?«

Als erfahrener Hirtenbub erwartete Peter, irgendwo scheckige Nachkommen der weißen Ziege und eines braungrauen Steinbocks zu entdecken, und sei es auch noch so hoch in der Wand.

Von der sonndurchglühten Felswand, an der sich die Kinder zur Rast niedergelassen hatten, ging eine Hitze aus, die ihr Durstgefühl noch steigerte. Und der Boden unter ihren Füßen war trocken, nirgends eine feuchte Stelle, die eine Quelle verriet.

Die beiden brachen wieder auf. Die Augen auf den Boden gerichtet, schritt Peter voran, an der Wand entlang, dem schwindelerregenden Absturz zu, unter dem die Quellhöhle des Klammbachs und die Wohnhöhlen lagen. Plötzlich kauerte er sich nieder, um etwas zu untersuchen, das da vor ihm lag.

Aufgeregt winkte er Eva heran: »Kennst du die Losung?« flüsterte er, und seine Augen leuchteten.

»Von Geißen, glaubst?« fragte sie unsicher. »Oder von Steinböcken«, versetzte er eifrig, »und weit können's nicht sein, die Losung ist frisch. — Du bleibst da!« befahl er in der Art, die keinen Widerspruch zuließ.

Dann schlich er vorwärts, die Rechte tastend an der Wand, in der Linken den Speer, die Augen suchten den Boden ab. Da — zwei eng zusammenstehende Hufspuren und noch ein Paar — und jetzt mehrere Paare nebeneinander! Der Bruchsand war hart am Felsen zu einem schmalen Wildpfad niedergetreten, und die vertieften Spitzen der frischen Hufabdrücke deuteten alle nach vorn. Die Bodenstufe wurde breiter. Peter folgte erregt den Spuren. Auf einmal hörten sie im Sande auf. Und wieder war es die Losung der Tiere, die dem Jäger den weiteren Weg wies. In einer Felsenritze, fußhoch über der Lehmstufe, lagen braune Bohnen, und die vorspringenden Steine an der Wand waren glattgeschliffen von Huftritten. Also da hinauf ging der Wechsel! Peters Durst, seine Mattigkeit waren vergessen. Um ungehindert klettern zu können, legte er Korb und Bogen ab und klomm die Wand schräg hinan, wobei ihm der Speer als Bergstock gute Dienste leistete, wenn es galt, einen Felsspalt zu überspringen. So gelangte er an einen waagrechten, breiten, stufenartigen Vorsprung, der wieder leicht zu begehen war.

Eine feuchte, zähe Lehmschicht, die hier den Boden bedeckte, wies zahlreiche Hufspuren auf, und der Fels zeigte, von Sickerwasser verursacht, eine dunklere Färbung. Die Stufe verbreiterte und senkte sich zu einem seichten Becken. Von der überhängenden, naß glänzenden Wand tropfte Wasser. Peter, der während des Steigens nur an die Steinböcke und andere Wildziegen gedacht hatte, verspürte beim Anblick des Wassers wieder Durst. Er legte sich flach auf den nassen Boden und sog mit gespitztem Munde das Wasser aus einer Mulde. Im ersten Augenblick schmeckte es erfrischend kühl, dann aber — salzig!

Beinahe hätte er aufgeschrien, erinnerte sich aber rechtzeitig der Wildziegen. Schweigend spähte er nach vorn, sah hinunter in die schwindelnde Tiefe und die Felswand empor.

Was er dort oben erblickte, ließ ihn das gesuchte Wild vergessen. Weiße, eisähnliche Krusten zogen sich in Streifen an der überhängenden Wand herab und glitzerten im Sonnenschein. Unten aber war der nasse Fels dunkel und glatt; Peter stand an einer vielbesuchten Salzlecke des Wildes, das vor langer Zeit die Stelle entdeckt haben mochte, wo das Salzwasser aus dem Berginnern sickerte. Mit der Steinspitze seines Speeres schlug er ein Stück des weißen Belags vom Fels los und fing es auf. Er leckte daran. Es war Salz — reines, köstliches Salz!

Ein Gefühl wundersamer Erquickung durchrieselte ihn. Und jetzt ließ Peter einen Juchzer erschallen, daß es weithin hallte von Wand zu Wand: »Juhuhuhuu! — Huhuu!« Was lag ihm nun an den Wildziegen! Die mußten ja wiederkommen. Das Salz war's gewesen, das ihm und Eva gefehlt hatte!

Begierig stocherte er mit der Speerspitze so viel Salzsinter herab, wie er erlangen konnte, las jeden Splitter auf und stopfte davon in die Gürteltaschen, soviel hineinging. Die Pfeile steckte er unter den Gürtel.

Als er zu Eva zurückkehrte, trug er einen Salzvorrat bei sich, der einige Wochen lang reichen konnte.

»Wo sind die Ziegen?« Mit dieser Frage wurde er empfangen.

Eine wegwerfende Handbewegung: »Ach was, Ziegen! Ich hab' was Besseres.« Und er reichte Eva auf der hohlen Hand einige Salzkörner. »Kost' einmal!«

Sie berührte die weißen Körner mit der Zungenspitze. Ihre Züge verklärten sich. Salz! »Das liebe Salz«, hätte die Ahnl gesagt. Und Peter erzählte von seiner Kletterei und von seinem Trunk an der Salzlecke.

Trotz ihres Durstes stiegen die Kinder froh und eilig zu ihrem Heim hinab. Erst am Klammbach hatten sie Gelegenheit zum Trinken. Als die Sonne zwischen Henne und Horn hinter der Klamm sank und die Felsen oberhalb der Südwand mit zartem Rot überhauchte, wurden sie sich ihres neuen Glücks erst richtig bewußt.

Voll Dank gegen Gott, den die Ahnl vor ihrem Tode angerufen hatte, sagte er, dem sinkenden Sonnenball zugewandt: »Ich dank' dir schön, du lieber Gott, daß du mir den Wechsel der Geißen gezeigt hast und daß du mich den Weg hast finden lassen zur Salzlecke. Gelt, du hilfst auch weiter?« — »Und dank' dir schön für den vielen, vielen Flachs, ich werd' ihn schon verarbeiten«, fügte Eva hinzu.

In der langen Dämmerung des Sommerabends wurde das Abendessen bereitet und verzehrt.

Wie schmeckte das weichgeklopfte Fleisch des erlegten Steinhuhns, gewürzt mit Salz, Gundelkraut und Lauch! Dem Salz aber wurde auf einer großen Mergelplatte ein reines Plätzchen bereitet. Es war ein Schatz, der behütet werden mußte.

Jagd im Moor

Ehe Peter am nächsten Morgen zur Jagd aufbrach, kauerte er vor dem Salzvorrat, um seine Augen an der Fülle dieses kostbaren Gewürzes zu weiden. Doch was war das? Am Rande des Salzhaufens waren ungezählte Tröpfchen und rund herum nasse Flecken auf dem Stein! Peter versuchte einen Tropfen — es war Salzwasser. Auch Eva versuchte — ja, es war Salzwasser. Also hatten die Salzkörnchen den Morgentau angezogen und waren in ihm zerflossen. Wie sollte das im Winter werden, wenn der ganze Vorrat zerging? Peter war entsetzt. Aber Eva nahm die Sache leichter.

»Tun wir halt das Salz in einen Korb; wir können ja große Blätter unterlegen.«

»Da rinnt's durch!« sagte Peter.

»Muß aber nicht! — Wir können ja die Körb' mit irgendwas ausstreichen, mit Lehm — oder so was«, meinte Eva.

Das war ein guter Gedanke: die Körbe ausstreichen — ja, aber nicht mit Lehm! überlegte Peter, Lehm würde ja das Salzwasser noch gieriger aufsaugen als der Stein. Da fielen ihm die halberhärteten Harzklumpen ein, die er im Allerlei aufbewahrte. Sofort klaubte er sie hervor und versuchte, sie durch Anhauchen und Kneten weich zu machen. Eva mußte ihm dabei helfen. Nun nahm er einen plumpen Flachkorb und begann, ihn mit Harz auszustreichen. Als Spatel diente ihm das Schulterblatt eines Eichhorns.

Das Fertigmachen überließ er Eva und ging auf die Jagd. Im Weggehen rief er ihr noch zu, er sei wieder zurück, wenn ihre Seite des Sonnsteins im Schatten liege. Heute reizte es ihn, den Bären zum Trotz zur Südwand hinüberzugehen, wo der große Laubwald stand. Vielleicht gelang es ihm, die Edelkastanien zu finden, deren Früchte zur Winterszeit die Hauptnahrung abgeben sollten. Aber nicht durch den morastigen Urwald wollte er gehen. Lieber machte er den Umweg über das offene Steinfeld, das in lachendem Sonnenglanz vor ihm lag.

Schon auf dem Pfad zum Sonnstein hatte er Glück. Sein Pfeil holte eine Elster mit blaugrünem, langem Stoß aus dem Geäst eines Bergahorns. Mit dem schönen Vogelbalg wollte er Eva eine besondere Freude machen.

Als er unterhalb des Felsens auf der kleinen Insel dahinging, fiel ihm der glitzernde feine Sand auf, der, soweit das Wasser spülte, die Landzunge säumte. Er betrachtete ihn genau und sah darin winzige Blättchen schimmern.

Wozu die wohl gut sein mochten, und woher sie kamen?

Ein kantiges Steinstück, auf das er getreten war, gab ihm Auskunft.

Die weißen, glitzernden Blättchen staken ja auch im Stein. Er betrachtete ihn näher: Das war ein Gemenge von wasserhellen und gelblichen Hartsteinen und Glimmerblättchen. Er hatte ein Bruchstück sehr feinkörnigen Granits vor sich.

Die frischen Verwitterungsabbrüche am Sonnsteinfels zeigten die gleiche Zusammensetzung.

Peter betastete die glitzernden Bruchflächen. Unter seinen Füßen zerbrachen klirrend abgesplitterte Steinplättchen. Da bückte er sich und hob einige der größeren auf.

Sie waren dünn, ihre Flächen hartkörnig — die waren ja brauchbar zum Abschleifen von Holz und Knochen! Auf allen vieren kriechend, musterte Peter die Bruchsteine. Herrliche Keile gab es darunter, zum Wurzelgraben verwendbar, so wie sie dalagen, andere brauchten höchstens einige Zurichtschläge!

Am Ufer des rechten Bacharmes machte er eine andere Entdeckung. Zahlreich waren hier paarweise, dreieckige Grübchen im feinen Wellsand eingedrückt, deren Spitzen nah beisammenstanden. Spuren waren es, Wildspuren, schmäler und zarter als die von der Salzwand. Die konnten nur von Rehen herrühren. Also hatte das Rehwild hier eine Tränke. Peters Jagdeifer erwachte. Leise setzte er seinen Weg fort, von Busch zu Busch, immer auf Deckung bedacht, nach allen Seiten spähend. Es verdroß ihn, daß er es morgens unterlassen hatte, seine Haut mit Lehm zu bestreichen. Er wollte das nachholen. Das Wild hatte ihn gewiß längst eräugt.

Jetzt hob sich der Grund zu einer mit üppigen Kräutern bestandenen Erdwelle; der nur wenig sichtbare Boden war nicht mehr schotterig, sondern bestand aus feuchtem, fettigem, oben völlig wassersattem, blaugrauem Ton. Mit dem bestrich er sich den Leib, soweit dieser nicht von Fellen bedeckt war. Den tonigen Wall emporsteigend, gelangte Peter zu den silbrigen Weiden am Rande des Sumpfes, dessen zahlreiche Wasserspiegel gut zwei Mannslängen hoch über der Talsohle lagen.

Vor ihm dehnte sich hochgelegenes Moorland, das in Schilf und Busch überging. Rechts davon stieg eine breite Halde sanft zur dreifarbigen Felswand an, die er von der Salzlehne aus gesehen hatte.

Auf einem der nächsten Weidenbäume im Moor erspähte Peter ein unförmiges Nest aus vielen durcheinanderliegenden Zweigen. Er wollte ganz herankommen, doch im weichen, moosigen Wiesengrund sanken seine Füße ein. Die Spuren füllten sich sofort mit bräunlichem, trübem Wasser. Je weiter er ging, desto nachgiebiger wurde der moosige Grund. Peter war auf schwingendem Moorboden.

Um nicht einzusinken, legte er sich flach ins Gras und kroch auf Knien und Ellbogen vorwärts. Dabei scheuchte er unversehens zwei langschnäbelige Brachvögel auf, die sich schneller davonmachten, als er den Pfeil auf den Bogen legen konnte.

Die abfliegenden Vögel stießen ihr warnendes »Krii« so grell aus, daß sich im nächsten Augenblick eine Schar anderer Vögel aus dem Sumpfe hob, darunter Reiher und ein Flug Wildenten.

Der zu spät aufgelegte Pfeil verletzte den linken Flügel einer Ente, sie fiel ins Gras. Aber trotzdem suchte sie sich watschelnd und laut schreiend durch eilige Flucht zu retten.

Das war nun ein Wettlaufen auf dem schwankenden Boden! Peter, der sich beim Schuß ein wenig aufgerichtet hatte und dabei fußtief eingesunken war, wagte nicht, sich wieder zu erheben; auf Händen und Knien kriechend, folgte er seiner Beute und hatte sie beinahe eingeholt, als der verwundete Vogel sich plötzlich in einen klaren Tümpel fallen ließ, dessen Wasserspiegel vor den Augen des Jägers durch Schwertlilien verdeckt gewesen war.

Blitzschnell tauchte die Ente unter das Wasser. Und Peter, der durch die klare Flut jede ihrer Bewegungen beobachten konnte, lauerte mit gespanntem Bogen auf ihr Emportauchen. Sein zweiter Pfeil traf den Kopf des Vogels und blieb darin stecken. Leblos trieb die Ente auf der Wasserfläche. Schon wollte sich der Jäger nach einem Gegenstand umsehen, die kostbare Beute herzuholen, als er wahrnahm, daß eine stetige Strömung die Ente ans Ufer trieb. Vorsichtig kroch er der Stelle zu, wo sie ankommen mußte.

 

Während er geduldig wartete, bis der Vogel angetrieben wurde, durchforschten seine Augen den Tümpel. Dunkelbraungrüne, rotgefleckte Forellen schwammen auf einer Seite unter der Torfdecke hervor, durchquerten das klare Wasser und verschwanden auf der anderen Seite in schwarzer, unterirdischer Finsternis.

Endlich konnte Peter den Vogel packen. Zwei aufgekräuselte Bürzelfedern kennzeichneten ihn als Enterich.

Den Weiden folgend, kam Peter zum Schilfbestand des oberen Moorrandes. Er näherte sich dem gegen die Südwände ansteigenden Hinterland. Der Boden wurde allmählich fester, und der Bub konnte wieder aufrecht gehen. Jetzt war auch der Bach, der das Moor unter der Torfdecke durchfloß, zwischen den Weiden frei sichtbar, und Peter folgte ihm am linken Ufer stromauf.

Zu den Weiden gesellten sich Erlen, Haseln, Weißdorne und Birken. Auf dem sanft ansteigenden lehmigen Gelände stellte sich erst spärlich, allmählich aber dichter werdend, der Laubwald ein.

Peter suchte nach den Kastanienbäumen, wurde aber durch gestürzte, wirr bewachsene Baumleichen behindert. Ohne es zu wollen, kehrte er im Bogen wieder zum Bach zurück. Er hätte seine Nachforschung rechts zur Südwand hin wieder aufgenommen, wenn da nicht ein umgefallener Erlenstamm quer über den Bach geführt hätte, eine natürliche Brücke. Peter betrachtete zuerst das Wurzelgewirr der Erle, wie es aus dem unterwaschenen und dann niedergegangenen Ufer emporstarrte. Dann drängte er sich durch und betrat den Stegbaum, der sich unter seiner Last nur wenig senkte. Und weil der neue Weg sich als gangbar erwies, so schritt Peter auf ihm über das still ziehende, kaum knietiefe Wasser, in dessen flutenden, dunkelgrünen Fadenalgen Jungfische spielten, dem anderen Ufer zu.

Bewundernd sah Peter die neue Welt ringsum drüben, jenseits des Baches, den Laubwald und hüben das grünende Moor, zwischen dessen Weiden, Erlen und Birken die runden Wassertümpel als »Mooraugen« flimmerten.

Weit jenseits des Urwaldes mochte Eva in der Lichtluke ihrer Höhle stehen und warten. Sie sah ja, daß ihre Seite des Sonnsteins schon im Schatten lag; die Mittagszeit war vorüber.

Er durfte nicht länger säumen. Für diesmal gab er es auf, den Standort der Kastanienbäume im Laubwald zu suchen. Er hielt quer über das Steinfeld auf den Sonnstein zu und eilte dann auf dem Erntepfad heimwärts.

Tief stand die Nachmittagssonne über den Klammwänden und leuchtete grell ins Innere der Höhlen.

Peter, der geglaubt hatte, Eva werde ihn von ihrem Guckloch aus begrüßen, hatte sich getäuscht. Auf ihrem Lager fand er sie ausgestreckt, die Ellbogen im Laub und das Gesicht in den Handflächen. Sie weinte. Auf seinen Gruß gab sie keine Antwort. Diesmal brauste er nicht auf. Er ahnte, welche Angst er ihr durch sein langes Ausbleiben verursacht hatte.

Stumm legte er seine Beute vor ihr aufs Laub und setzte ihr die mitgebrachten Brombeeren und Kornelkirschen auf einer Steinplatte vor.

Er merkte wohl, daß sie neugierig durch die Finger blinzelte, und so begann er denn erst ruhig, dann lebhaft von seiner Wanderung zu erzählen.

Und als er erst noch beteuerte, wie eilig er heimgekehrt sei, da faßte sie seine Hand: »Morgen nimmst mich mit zum Moorbach, gelt? Und morgen ist Sonntag, da gehen wir auch zur Großmutter!«

»Gern«, stimmte Peter zu,»und wir erzählen ihr alles.«

Verschwunden war die Angst, verschwunden waren Trotz und Groll. Während Eva die mitgebrachten Beeren verzehrte, erzählte sie, was sie erlebt hatte: Eine Katze, eine richtige graue Katze hatte sie gesehen; die hatte sich am hellichten Tage vom Köderplatz die ausgelegten Überreste des Steinhuhns geholt. Keck war sie aus dem Walde gekommen, und keck war sie mit der Beute fortgetrabt, als hätte sie gewußt, daß der Jäger ausgegangen war.

Die Nachricht verblüffte Peter. Eine Katze? Nein, das glaubte er nicht. Immerhin freute er sich, daß das Raubzeug sich an den Köderplatz gewöhnte. Das gab gute Aussicht auf brauchbare Bälge.

Während Eva erzählte, häutete Peter Enterich und Elster ab. Das Fleisch der Vögel bereitete ihnen wenig Genuß, die Elster war zähe, und das von Fett durchzogene Fleisch des Enterichs schmeckte widerlich. Mehr Freude hatten sie am prächtigen Gefieder. Die blauen Spiegelfedern und das grünschillernde Halsgefieder des Enterichs bekam Eva, die geringelten Bürzelfedern aber befestigte Peter an seinem Stirnband, als Andenken an die glückliche Jagd über der drohenden Tiefe des Moores.

Den Elsterbalg spannte er über einen Reifen, sagte aber nicht wozu; das sollte eine Überraschung werden für Eva.

Als Peter seinen Gürtel ablegte, entdeckte er, daß die Eichhornbälge, die als Werkzeugtaschen daran hingen, durch die anhaftenden Salzreste geschmeidig geworden waren, ohne den Geruch feuchter Felle zu haben. Da sie aber auch glitschig waren, rieb er sie mit trockenem Lehmstaub ein. Vor dem Einschlafen nahm er sich vor, von jetzt an alle frischen Bälge auf der Fleischseite zu salzen und dick mit Lehmstaub zu bestreuen.