Hate is all I feel

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Z serii: Rydeville Elite #1
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4. KAPITEL

Ich mache noch schnell einen Abstecher zur Schultoilette, bevor der Nachmittagsunterricht beginnt, und treffe dort auf eine aufgebrachte Rochelle. Sie ist umringt von ihren Kumpaninnen, die ihr Bestes geben, um sie zu trösten. Als ich den Raum betrete, wenden mir alle vier ihre Köpfe zu, doch ich ignoriere die Gruppe, gehe auf die Toilette und verziehe keine Miene, als ich mich anschließend an das Waschbecken stelle, um meine Hände zu waschen.

Die Mädchen haben kein Wort miteinander gewechselt, seit ich den Raum betreten habe, ich weiß allerdings, dass sie sich viel zu erzählen haben. Ich spüre ihre Blicke wie Dolche in meinem Rücken, während ich mir die Hände abtrockne. Betont langsam drehe ich mich um, steuere direkt auf Rochelle zu und registriere angewidert die blauen Flecken, die sich über ihren Nacken und ihre Kehle ziehen. Und das sind nur die Male, die von außen sichtbar sind.

Trent ist ein verdammtes Tier. Eine Welle des schlechten Gewissens überkommt mich. Es war eine Erleichterung für mich, ihn gestern Nacht zu ihr zu schicken, doch nun fühle ich mich zum Teil für sie verantwortlich. »Geht’s dir gut?«, frage ich.

»Als würde dich das interessieren!«, gibt sie schnippisch zurück.

»Ich weiß, dass er das nicht das erste Mal mit dir gemacht hat. Warum gehst du immer wieder zu ihm zurück und lässt dir weitere Verletzungen zufügen?«

»Weil ich ihn liebe.« Sie schubst mich gegen die Brust, aber dank des Balletts und der wöchentlichen Einheiten mit meinem Selbstverteidigungstrainer bin ich stark. Ich strauchle nicht einmal.

»Er wird deine Liebe niemals erwidern.«

»Weil du denkst, dass er dich liebt?«, spöttelt sie und schaut mich dabei so herablassend von oben bis unten an, wie ich es zuvor bei ihr getan habe.

»Weil die einzige Person, die Trent liebt, er selbst ist.«

»Wie auch immer, Schlampe. Du bist erbärmlich. Du besorgst es ihm nicht gut genug und hast keine Chance, ihn aus meinem Bett fernzuhalten.«

Ich kann mir das nicht länger gefallen lassen. Hätte dieses Gespräch nur zwischen uns beiden stattgefunden, würde ich es darauf ankommen lassen, aber nicht, wenn Publikum mit im Spiel ist. Ich packe ihre Hand, drehe ihr Handgelenk herum, was sie aufwimmern lässt, und baue mich vor ihr auf. »Lass uns hier mal eins klarstellen. Er war in deinem Bett, weil ich ihm die Erlaubnis dazu gegeben habe, und ich kann diese Erlaubnis so leicht rückgängig machen, wie ich sie erteilt habe.«

Sie braucht nicht zu wissen, dass Trent die Entscheidung bereits selbst gefällt hat. »Es scheint hier ein Missverständnis vorzuliegen, daher werde ich das jetzt mal klarstellen. Ich gehöre zur Elite.« Ich verdrehe ihr Handgelenk noch stärker und sie schreit vor Schmerzen auf. Keine ihrer sogenannten Freundinnen unternimmt auch nur den Versuch, ihr zu helfen, und ich bin froh, dass immerhin ein paar Mädchen dem Kodex gehorchen. »Und die Regeln sprechen für mich. Ich war nachsichtig mit dir, aber das gehört ab jetzt der Vergangenheit an.«

Ich habe schon genug Ärger mit den neuen Typen an der Backe und muss sichergehen, dass Rochelle meine Botschaft kapiert. Ich verdrehe ihr Handgelenk noch etwas stärker und höre schließlich das Knacken ihres Knochens. Tränen quellen aus ihren Augen hervor und im Hintergrund vernehme ich ein schockiertes Keuchen. »Komm mir noch einmal in die Quere und dir wird mehr blühen als nur ein gebrochenes Handgelenk.«

Ich warte gar nicht erst auf ihre Antwort, sondern werfe mein Haar über meine Schulter und verlasse erhobenen Hauptes den Raum.


Der Rest der Woche vergeht ohne besondere Vorkommnisse. Jackson und Sawyer halten sich bedeckt und gehen uns aus dem Weg. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass meine kleine Rede irgendetwas bewirkt hätte.

Nein.

Sie warten auf den richtigen Augenblick. Darauf, dass Marshall auftaucht und meine Jungs verschwinden. Erst dann werden die Neuen ihren nächsten Schritt unternehmen. Da bin ich mir sicher.

Sie nehmen immer den gleichen Platz in der Cafeteria ein und bleiben unter sich. Niemandem von uns entgehen die verstohlenen Blicke der weiblichen Schülerschaft, die immer wieder in die Richtung der Neuankömmlinge wandern.

Freitag ist der letzte Tag, bevor uns die Jungs für einen Monat verlassen. Gestern Abend haben wir in unserem Haus ein Treffen abgehalten, um zu besprechen, wie alles während ihrer Abwesenheit ablaufen soll. Nun sitzen wir, wie zuvor ausgemacht, in der Cafeteria an Sawyers und Jacksons Tisch und warten dort auf die beiden.

»Ein Willkommenskomitee?« Jackson schlägt sich mit der Hand gegen die Brust. »Für mich alten Herrn? Das wäre doch nicht nötig gewesen.«

»Bist du immer so dramatisch?«, frage ich und verschränke die Arme vor der Brust.

»Immer. Inzwischen interessiert, Süße?«

»Noch nicht mal, wenn du der letzte Kerl auf Erden wärst und der Erhalt der Menschheit davon abhinge«, lüge ich, denn ehrlich gesagt würde ich liebend gern mit ihm ins Bett springen, besäße ich die Freiheit, einen Kerl zu vögeln, auf den ich auch wirklich Lust hätte.

»Autsch«, witzelt Sawyer und lässt dabei seinen tödlichen Charme spielen. »Ich merke, dass die Gerüchte um deine scharfen Krallen einen wahren Kern enthalten.«

»Schluss jetzt«, knurrt Trent. »Wir wollen ein Treffen. Nach der Schule. Westparkplatz. Erscheint pünktlich.«


»Ihr seid zu spät«, sagt Drew, als die beiden Möchtegerns zehn Minuten, nachdem sich der Parkplatz geleert hat, auf uns zugeschlendert kommen.

»Was willst du jetzt dagegen tun?«, stichelt Jackson. »Mich verklagen?«

»Vielleicht wird Abigail noch jemandem einen Knochen brechen«, ergänzt Sawyer und lässt mich auf diese Weise wissen, dass er von dem Vorfall mit Rochelle gehört hat.

»Provozier mich nicht, du Idiot.«

»Das macht mich ehrlich gesagt ziemlich an«, gibt Jackson zurück und stößt seine Hüften nach vorn.

»Gibt es eigentlich irgendwas, das dich nicht anmacht?«, kontere ich.

»Andere Kerle und die Kardashians«, platzt es mit einem gespielten Schaudern aus ihm heraus. »Aber mal abgesehen davon, nicht viel.«

»Wir haben euch nicht für eine Comedy-Einlage herzitiert«, wirft Charlie ein. »Wo ist Camden Marshall?«

Es ist Sawyer, der antwortet. »Warum willst du das wissen und warum zur Hölle sollten wir dir das verraten?«

»Falls du es vergessen haben solltest, diese Schule gehört uns, und wir müssen uns vor niemandem rechtfertigen«, stellt Drew klar. »Also, was ist los mit ihm? Und erzählt uns keinen Scheiß!«

Jackson zuckt mit den Schultern, lehnt sich an die Motorhaube von Trents Wagen und zündet sich einen Joint an. »Er hat Familienkram zu erledigen, wird aber am Montag hier sein. Sonst noch was, Eure Hoheit?«

Ich unterdrücke ein prustendes Gelächter. Sawyer beobachtet mich vorsichtig aus dem Augenwinkel, ihm entgeht nichts. Allein das reicht, um meinem Heiterkeitsausbruch schlagartig ein Ende zu setzen.

»Wir werden für eine Weile den Staat verlassen«, kündigt Trent an.

»Wir haben die Info bereits.« Sawyer verschränkt die Arme. »Parkhurst, richtig?«

»Was zur Hölle weißt du über Parkhurst?«, will Trent mit zusammengekniffenen Augen wissen.

»Wir wissen genug.« Sawyer richtet sich auf und lässt seine Arme sinken, während die Anspannung in der Luft weiter zunimmt.

Über die Jahre habe ich vage Erwähnungen von Parkhurst mitbekommen, dem Trainingscamp für die männliche Elite, doch trotz Nachfragen habe ich nie eine klare Auskunft darüber erhalten, welche Art von Camp das ist, geschweige denn, was dort vor sich geht. Alle meine Bestechungsversuche, etwas über diesen sagenumwobenen Ort herauszufinden, scheiterten an der Schweigsamkeit der Jungs. Offensichtlich haben sie einen Eid darauf geschworen, keinerlei Informationen über Parkhurst an Außenstehende durchsickern zu lassen – was die weiblichen Mitglieder der Elite einschließt. Das Thema ist seit Jahren einer der größten Spannungspunkte zwischen uns, keine Ahnung also, wie Jackson und Sawyer davon erfahren haben.

Charlie, Drew und Trent tauschen Blicke aus, aber ich kann nichts aus diesen herauslesen. Jackson schaut amüsiert drein, während Sawyer unter höchster Alarmbereitschaft zu stehen scheint. Er weiß, dass er einen wunden Punkt getroffen hat, und wartet die Reaktionen ab.

Drew räuspert sich. »Abigail führt während unserer Abwesenheit das Kommando.« Er tritt an Sawyer heran. »Wenn irgendeiner von euch ihr Schwierigkeiten macht, werdet ihr nach unserer Rückkehr dafür verantwortlich gemacht.«

»Wir machen uns schon jetzt in die Hosen«, erwidert Jackson, lehnt sich rücklings auf die Motorhaube und bläst dabei Rauchkringel in die Luft.

»Runter von meinem Auto«, blafft Trent.

Jackson drückt sich geschmeidig von dem Wagen ab, schlendert zu meinem Verlobten und hält ihm seinen Joint direkt vors Gesicht. »Du musst mal ein bisschen chillen, Mann.«

»Fick. Dich.« Trent stößt Jacksons Hand harsch beiseite.

»Ich habe euch schon gesagt, dass Männer nicht mein Fall sind. Ich stehe auf Muschis.« Er sendet einen teuflischen Blick in meine Richtung, und ich kann nicht beurteilen, ob er sich mutig oder dumm verhält oder ob es ihm einfach nur scheißegal ist.

»Du musst seinen Schwanz öfter mal reiten, Schönheit. Vielleicht wird er dann ein bisschen entspannter.«

 

»Lauder.« Sawyer bedenkt Jackson mit einem warnenden Blick, der daraufhin beschwichtigend die Hände nach oben hebt.

»Mein Fehler. Abigail trägt das Kommando. Keiner macht sie an. Verstanden.« Jackson grinst und ich frage mich, ob den Kerl überhaupt irgendetwas aus der Fassung bringen kann.

»Sind wir hier fertig?«, will Sawyer wissen.

»Leitet die Nachricht auch an euren Kumpel Marshall weiter«, fügt Charlie hinzu, während Trent meine Hand nimmt und mich in Richtung seines Autos bugsiert.

»Genieß deinen Urlaub «, sagt Sawyer. Seine besondere Betonung des Wortes Urlaub sorgt dafür, dass sich die feinen Härchen in meinem Nacken aufrichten.

Dann ziehen sie von dannen, als würde ihnen nichts auf dieser Welt etwas ausmachen.


»Ich werde dich vermissen«, säuselt Trent, während er seine Hose zuknöpft.

Ich dich nicht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Trents Bedürfnisse zu befriedigen bedeutet, jeden Tag vor ihm auf die Knie zu sinken. Aber ich tue, was ich tun muss. Es lässt sich außerdem nicht leugnen, dass er durchaus umgänglicher ist, seitdem ich ihn mit Zuneigung überhäufe. »Ich dich auch. Die Woche war echt schön«, lüge ich, schließe die Arme um seinen Nacken, presse mich ganz fest an ihn und versuche, die dabei in mir aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.

»Denk an das, was ich dir gesagt habe.« Er lässt seine Hände unter meinen Rock gleiten und knetet meine nackten Pobacken. »Ich will Fotos und Videos. Täglich. Ich brauche viel Wichsmaterial.«

Widerlich. »Das habe ich nicht vergessen.« Wenn er tatsächlich denkt, dass ich ihm obszöne Bilder von mir schicke, hat er sich mächtig geirrt. Als würde ich ihm freiwillig Munition liefern, die er später gegen mich verwenden könnte. Auf keinen Fall.

»Wenn es nötig ist, halte dich an die Jungs«, erinnert er mich. »Besonders an Chad. Er wird sich der Situation annehmen.«

»Hör auf, dir Sorgen zu machen. Ich habe alles im Griff«, versichere ich ihm selbstbewusster, als ich mich fühle.

»Sei brav.« Er zieht mich harsch an sich und küsst mich hart, bevor er den Raum verlässt.

Ich sinke rückwärts auf mein Bett und seufze vor Erleichterung auf. Einen Monat keine Blowjobs, keine harten Küsse und kein Vortäuschen. Im Stillen stoße ich eine Siegesfaust gen Himmel.

Janes leises Schluchzen reißt mich aus meiner euphorischen Stimmung. Ich richte mich auf und stütze mich auf meinen Ellenbogen ab, als mein Bruder mit seiner weinenden Verlobten im Arm mein Zimmer betritt.

Arme Jane. Die Vorstellung, Drew einen Monat nicht sehen zu können, ist für sie ähnlich schlimm wie die Amputation eines lebenswichtigen Körperteils. Die beiden kleben aneinander wie Pech und Schwefel, weswegen die Trennung für sie besonders hart ausfallen wird.

Ich springe auf und lege statt beider Arme nur einen um meinen Bruder, weil sich Jane weigert, ihn auch nur eine Sekunde loszulassen. »Ich passe auf sie auf. Versprochen«, versichere ich Drew und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.

»Das weiß ich«, antwortet er und drückt seine Lippen auf meinen Kopf. »Und pass auch auf dich auf. Ich erwarte täglich aktuelle Infos.«

Ich nicke und schäle Jane aus den Armen meines Bruders. Drew küsst sie noch ein letztes Mal und flüstert ihr etwas ins Ohr. Als er geht, fährt er sich mit der Hand durchs Haar. Seine Frustration und Sorgen sind nahezu greifbar.

»Schsch, Süße«, beruhige ich meine Freundin und nehme sie fest in die Arme. »Er ist nicht für immer weg und wird schneller wieder da sein, als du gucken kannst.«

»Du kannst es ruhig aussprechen«, flüstert sie, wischt sich die heißen Tränen aus dem Gesicht und macht sich von mir los.

Ich erstarre. »Was meinst du?«

»Dass ich jämmerlich bin.« Auf meiner Bettkante sitzend lacht sie kurz auf, während ihr langes blondes Haar in dichten Strähnen ihr Gesicht umrahmt.

Ich lasse mich neben sie fallen. »Mach das nicht. Mach dich nicht selbst so fertig. Du liebst ihn und du wirst ihn vermissen. Das ist kein Grund, sich zu schämen.«

»Glaubst du, dass es in diesem Camp auch Mädchen gibt?« Ihre hellblauen Augen glänzen voll unvergossener Tränen.

Ich schüttle den Kopf. »Das Trainingscamp ist nur für Männer.« Dennoch glaube ich, dass es im Camp weibliches Personal gibt, und sicherlich werden auch Nutten und Stripperinnen für diejenigen eingeschleust, die vögeln wollen, so wie Trent. Ich behalte meine Vermutungen jedoch für mich, weil sie Jane nur noch mehr aufwühlen würden. »Warum fragst du?«

Sie schaut mich an, als wären mir gerade zehn Köpfe gewachsen. »Drew ist es gewöhnt, regelmäßig Sex zu haben, und wir waren bis jetzt noch nie eine so lange Zeit voneinander getrennt. Was ist, wenn er in Versuchung gerät?«

»Also erstens, würg. Zweitens, mein Bruder verehrt dich wie verrückt und hat dich noch nie betrogen, also warum sollte er ausgerechnet jetzt damit anfangen?« Versteht sie nicht, dass sie diejenige ist, die all die Macht hat?

Drew liebt Jane. Ich gehe absolut nicht davon aus, dass er diese Liebe leichtfertig aufs Spiel setzen würde. Darüber hinaus braucht unser herzallerliebster Vater aus irgendwelchen Gründen, die ich noch nicht durchschaut habe, die familiäre Verbindung mit den Fords. Er tut nichts ohne Grund oder aus reiner Nächstenliebe. Er würde Drew nicht einfach verheiraten, wenn nicht auch etwas für ihn dabei herausspränge. Ich verstehe noch nicht ganz, warum, aber Drew giert regelrecht nach der Anerkennung unseres Vaters. Er würde niemals etwas tun, was diese Beziehung gefährdet. Da bin ich mir sicher.

»Mir ist klar, dass er mich nie vorsätzlich betrügen würde.« Jane knabbert auf ihrer Unterlippe herum. »Wahrscheinlich verhalte ich mich einfach albern. Aber es stört mich eben, dass wir nicht genau wissen, was dort vor sich geht. Was ist, wenn das Camp eine ausgefeilte Version vom Sexkerker deines Vaters ist und sie deshalb vorgeben, nichts über den Ort sagen zu dürfen?«

Ich würde am liebsten laut loslachen, aber so abwegig ist das nicht. Ich habe mir nie sonderlich viele Gedanken darüber gemacht, was in Parkhurst wirklich geschieht, aber wer weiß, ob Jane nicht recht hat? »Vielleicht ist das so«, gebe ich schulterzuckend von mir. »Allerdings werden wir es niemals herausfinden. Am besten du schlägst dir diese Gedanken einfach aus dem Kopf und konzentrierst dich darauf, dass dich Drew unglaublich liebt. Er würde dich niemals verletzen.«

»Du hast recht«, sagt sie schon etwas zuversichtlicher. »Außerdem gibt es genügend Möglichkeiten, unser Sexleben am Laufen zu halten, auch wenn wir gerade nicht am selben Ort sind.«

Ich stupse sie in die Rippen und sie fällt von der Bettkante. »Das geschieht dir recht«, murmele ich. »Wenn du nicht willst, dass ich mir hier die Seele aus dem Leib kotze, dann verschon mich bitte mit dem Sexleben meines Bruders.«

Sie kichert und kommt wieder zurück aufs Bett.

Bevor sie nach Hause geht, gucken wir noch etwas fern und verabreden uns für den morgigen Tag zum Lunch in der Stadt.

Ich nehme eine Dusche, ziehe mir meinen Pyjama an, spähe in den Flur und informiere Louis, dass ich kaputt bin und noch etwas fernsehe, ehe ich ins Bett gehen werde. Sein Blick bleibt einen Moment zu lang an meiner BH-freien Brust hängen, und ich stelle fest, dass sich einige Dinge wohl nie ändern werden. Dabei sollte man denken, er hätte inzwischen dazugelernt. Seine Vorliebe, jüngere Mädchen zu vögeln, ist schließlich der Grund, warum ich mich während seiner Schicht davonschleichen kann, wann immer ich will. Als ich herausfand, dass er ein Perverser ist, habe ich ihm eine Falle gestellt. Ich trommelte ein paar Mädchen aus dem inneren Zirkel für eine Übernachtungsparty zusammen und arrangierte es so, dass zwei von ihnen ihr Interesse an Louis offenkundig zeigten. Louis ist nicht wirklich alt. Mitte oder Ende zwanzig, schätze ich. Er ist auch ziemlich gutaussehend, wenn man auf Typen mit kurz geschorenen Haaren, Sixpack und nichts in der Birne steht. Ich habe bewusst zwei Mädchen ausgesucht, die auf ältere Typen abfahren, damit sie sich auf die Sache einlassen würden. Ehrlich gesagt, war es ein Kinderspiel. Sogar viel leichter, als ich vermutet hatte.

Louis war so damit beschäftigt, die beiden Mädchen zu vögeln, dass er gar nicht mitbekam, dass ich von meinem Versteck im Schrank aus Fotos von dem ganzen Treiben schoss. Nun wedele ich mit den Schnappschüssen vor seiner Nase herum, wann immer es nötig ist. Beide Mädchen waren noch minderjährig, sodass er nicht nur seinen Job verlieren, sondern auch in den Knast wandern würde, käme es heraus. Er hasst mich nun wie die Pest, aber das könnte mir nicht gleichgültiger sein. Mir ist nur wichtig, dass er wegsieht, wenn ich es für nötig befinde.

Louis ist ein Dreckskerl. Ich habe nicht den Funken eines schlechten Gewissens, ihm diese Falle gestellt zu haben. Er hat es ganz einfach verdient.

Oscar zu erpressen, finde ich nach wie vor furchtbar. Oscar ist der nettere von den beiden Bodyguards, die mir zugeteilt wurden. Er ist Mitte vierzig, verheiratet, hat zwei Kinder und ist ein aufrichtiger Familienmensch. Dieser Job bedeutet ihm alles, zumal er eine Krankenversicherung sowie Fortbildungsmaßnahmen beinhaltet. Nichts davon würde er leichtfertig aufs Spiel setzen. Ich kann also mit Sicherheit davon ausgehen, dass er niemals Details von dem Abend preisgeben würde, an dem meine Tante beerdigt wurde. Damals schlich ich mich heimlich aus dem Haus und kam erst in den frühen Morgenstunden heim. Er hat keine Ahnung davon, wo ich war. Er weiß weder, dass ich mir das Leben nehmen wollte, ehe mich ein heißer Unbekannter davor bewahrte, noch, dass ich diesem Unbekannten meine kostbare Jungfräulichkeit schenkte.

Dennoch ist ihm bewusst, dass es ein Kündigungsgrund wäre, mich über sechs Stunden aus den Augen zu verlieren. Damit habe ich ihn bei den Eiern. Ich fühle mich nicht gut dabei, aber manchmal muss man einfach tun, was nötig ist.

Nachdem ich meine Schlafzimmertür von innen abgeschlossen habe, drehe ich den Fernseher auf volle Lautstärke und tausche den Pyjama gegen schwarze Skinny Jeans, ein schwarzes Top und einen dünnen schwarzen Kapuzenpullover. Ich schnüre mir meine Turnschuhe zu, binde mir die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und stülpe die Kapuze über meinen Kopf, bevor ich den Geheimgang betrete, der hinter meiner Wand verborgen ist.

Ich habe den Tunnel rein zufällig vor vierzehn Monaten entdeckt. Nach einem üblen Streit mit meinem Vater schlug ich wütend gegen die Wand und erwischte dabei einen versteckten Hebel, der die Wandvertäfelung zurückzog und eine steile Treppe offenbarte.

Diese Treppenstufen tapse ich nun hinunter. Das Licht im Gang leuchtet automatisch auf, als ich die untere Stufe erreiche. Die hölzerne Wandvertäfelung schließt sich hinter mir, und ich wandle zielgerichtet über den Granitboden.

Als ich diesen Ort das erste Mal entdeckte, war ich fasziniert. Ich hatte einen verstaubten, feuchten und heruntergekommenen alten Tunnel mit von Spinnenweben durchzogenen, vermoderten und bröckelnden Wänden erwartet – schließlich stammt unser Haus aus dem achtzehnten Jahrhundert. Mir wurde schnell klar, dass dieser Tunnel eher ein moderner Anbau war – mit glatten Steinwänden, Granitboden, automatischer Beleuchtung und elektronischen Schließmechanismen.

Unser weitläufiges Anwesen ist seit Generationen im Besitz der Familie Manning. Nach dem Tod ihres Vaters, wurde es meiner Mom vererbt; wir waren damals noch Kinder. Moms einzige verbleibende Verwandte war ihre Schwester Genevieve, die jedoch nach ihrem Collegeabschluss aus dem Familiengeschäft ausstieg. Sie ließ sich ihren Anteil am Gesamtvermögen auszahlen und zog nach Alabama um. Dort baute sie sich eine Kette von Floristikgeschäften auf, ehe sie vor fünf Monaten verstarb. Die Verantwortung für die Bewahrung der Familientradition fiel daher auf meine Mutter.

Heute ist mir klar, dass sie wie ich keine andere Wahl hatte. Ihre Heirat mit meinem Vater war sehr ungewöhnlich, denn seine Familie gehörte nicht denselben Kreisen an. Mom starb, als ich sieben war, also war sie nie in der Lage, mir die ganze Geschichte aus ihrer Perspektive zu erzählen. Ich habe mir jahrelang Gedanken darüber gemacht, warum mein Großvater ausgerechnet Michael Hearst als den zukünftigen Ehemann seiner Tochter auserkor. Ich weiß, dass die Ehe meiner Eltern keineswegs glücklich war; ich hörte regelmäßig Moms Schreie, als der Dreckskerl sie schlug. Bis heute sind so viele Fragen unbeantwortet geblieben. Wie zum Beispiel die, wer diesen Tunnel baute und warum.

 

Tante Genevieve vertraute mir auf ihrem Totenbett ein paar Dinge an. Sie erzählte mir von ihrem Verdacht, dass mein Vater den Autounfall inszeniert hatte, der meiner Mom das Leben kostete.

Genevieve drängte mich, fortzugehen.

Zu entkommen.

Sie hatte Angst, dass mir ein ähnliches Schicksal bevorstehen könnte. Ihre Theorien und ihr Tod veranlassten mich in jener Nacht dazu, ins Wasser zu gehen. Ich schäme mich sogar vor mir selbst, das zuzugeben, schließlich hat sie mir nicht nahegelegt, mich umzubringen. Sie gab mir die Informationen, um mich zu schützen. Wenn ich mich tatsächlich an diesem Abend umgebracht hätte, wäre ihr Vertrauen in mich ad absurdum geführt worden.

Vor der Tür beuge ich mich hinab, löse den lockeren Stein in der Wand und finde die Kiste wieder, die ich dort versteckt habe. Ich gebe den Code auf der digitalen Tastatur ein und der Deckel springt auf. Dann nehme ich das Prepaid-Handy aus der Kiste und versende eine Nachricht an Xavier, in der ich ihm mitteile, dass ich in zwanzig Minuten am Treffpunkt sein werde. Ich stecke das Handy in die Tasche meines Kapuzenpullovers, schnappe mir ein bisschen Bargeld und meine Waffe. Nachdem ich kontrolliert habe, ob sie gesichert ist, verstaue ich sie im Bund meiner Hose. Anschließend trete ich nach draußen in die dunkle Nacht.