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Dein morgendliches, wunderschön erotisches (Selbst)Bild bereitet mir wütend ungeduldige Sehnsucht, deine Hände durch meine zu ersetzen. Vorerst begnüge ich mich, mit meinem Zeichenstift (Anlage: Am Morgen) dir die Hand zu führen und meine im Gleichklang mit dir an mir, und dich von fern erregt zu betrachten.

Ich habe heute einen Tag frei genommen und lange Zeit davon will ich dir geben.

ORPHEE

Während der Überspielung der Bilder, wächst bei mir die Lust, dich jetzt zu verführen. Dir dein Herz und deine im Mondenrhythmus wachsende, saftquellende Frucht zu küssen und dich zu nehmen in einer Situation, in der du „hilflos“ bist, von Menschen umgeben, die dich beobachten, von Aufgaben bestimmt, die dein klares und erfassendes Denken fordern – und so kann ich unsichtbar und unerkannt den leidenschaftlichen Raub vollziehen.

Oh, wie du anschwillst und leis’ dich öffnest, die Blüte, noch eben marmorn kühl, perlt selbstvergessen und erwachend Glanz und Liebestau auf meine Lippen. Ich will dir alles tun.

ORPHEE

Die zehn Gebote Du sollst nicht töten. Du sollst nicht Unkeuschheit treiben! Frage dich stets: Habe ich jemanden zur Sünde verleitet? Habe ich Unkeusches gehört, angesehen, geredet? Kann ich mich beherrschen? Habe ich Unerlaubtes begehrt? Wie begehrt man? Erforsche dein Gewissen! Es ist gut, täglich sein Gewissen zu erforschen! Wenn du nachts nicht schlafen kannst, hast du vermutlich ein schlechtes Gewissen!

vielen dank! in deinen händen liegt etwas von van gogh und schiele, du bist eine ziemlich interessante mixtur aus allem, was ich lieb. o

Du machst mich mit deinem unverdienten Lob hilflos. Du bist es, die erkennend (und sicher im Urteil), mit eigenem künstlerischen Ausdruck zur Schönheit begabt, meinen Bildern die Zuneigung entgegenbringt, ohne die kein Bild von mir wirklich „leben“ würde.

Du bist eine faszinierende Frau.

ORPHEE

liebe mich – wild, blütenzart, gierig, dämonisch, lyrisch und geil, reitend, windend, wie eine Göttin kämpfend und sich ihre vulkanische Lust raubend. Liebe meinen Atem, meine Säfte, meine Berührungen, mein Sehen und meinen Tod im Spiegel und lass mich überquellen von Leben!

ORPHEE

ich weiß, a, aber leider nur virtuell??!! o

Gibt es einen anderen Weg? Kannst du noch warten oder verglühst du in der Zeit?

A.

nein, ich werde nicht verglühen, trotz all der flammen, die um mich lodern. ich werde mich zwischendurch abkühlen (oder ganz profan – in mein schwimmbecken springen). o

Ich würde sehr gern mit dir zusammen künstlerisch arbeiten. Vielleicht stellen wir uns ein gemeinsames Thema, das dann durch unsere Andersartigkeit in Stil und Auffassung eine bereichernde Ausdrucksvarietät erhielte. Noch lieber: die gemeinsame Arbeit mit tausend Liebesakten rauschhaft unterbrechen (natürlich ästhetiktheoretisch zur schöpferischen Inspiration, also sozusagen ein produktives „Muss“).

Ich möchte dich fotografieren, Porträt und Akt – wir nähern uns!

A.

Aber alles unterhalb des Nabels ist Teufelswerk, ist satanisch! Wir be wegten uns nur mit dem Oberkörper. Der Unterkörper darf nur so weit bewegt werden, als es der natürliche menschliche Bewegungsablauf nicht anders zulässt. Das führt zu steifen, unbeweglichen Hüften und erschwert das Erlernen mancher Sportarten, bei denen vor allem die Hüfte arbeitet, wie etwa das Skifahren oder Tanzen und Eislaufen. Oft und oft musste ich äußerst konzentriert meine Hüften bewegen, um nicht in den Verruf eines hüftschwingenden Ungeheuers zu geraten. Ich wirkte dabei steif wie ein Stock, wo andere mit erotischer Geschmeidigkeit einfach und entspannt unterwegs waren.

Erotik ist satanisch, Sinnlichkeit nicht gefragt. Immer schon hatte ich relativ üppige Lippen. „Die mit dem sinnlichen Mund“ hatten sie mich zu Mittelschulzeiten definierend eingegrenzt, wenn jemand nicht wusste, dass von mir die Rede war. Angeblich wussten nach derlei Hinweisen alle, um wen es sich handelte. Nicht so in der Klosterschule. „Mach keinen Schnofel“, hörte ich nahezu täglich von meinen Schwesterlehrerinnen und „Sie küsst schon wieder“ von meinen Mitschülerinnen, obwohl ich vollkommen neutral geschaut hatte. So zwangen sie mich meine Lippen aneinander zu pressen, um niemanden zu brüskieren – weder mit einer beleidigten Miene noch mit erotischer Laszivität.

Dein Bild ist mutig und schön und es verspricht mir so unverhofft vieles. Wie lang hast du während deiner Akademieausbildung AKT gezeichnet? Du solltest es auf keinen Fall aufgeben – deine bildnerische Handschrift und die überraschende Perspektive deines Sehens und deiner Neugierde sind große Talente, denen du in einem fast metaphysischen Sinn, auf jeden Fall aber in künstlerischer Notwendigkeit verpflichtet bist.

A.

deine worte schmeicheln mir, trotzdem stelle ich mit jedem bild, das du mir sendest, fest, dass deine virtuosität für mich uneinholbar ist. und ich will schon wieder etwas wissen: hast du die malerei gelernt oder bist du ein künstlerisches naturtalent? und woher beziehst du die kunst des formulierens? o

Auch mein Ex-Ehemann war ein Meister des Formulierens – ähnlich wie Orpheus war er auch ein klein wenig, mir im Laufe der Zeit im mer mehr zur Last fallend, sexbesessen. Wann immer ich einen Orgasmus vortäuschte, nestelte er beflissen an mir weiter, strahlend wie ein Zweijähriger unter dem Christbaum. Immer wieder stocherte er mit verkrampft gekrümmten Fingern in meinem Geschlecht, in der Meinung die Klitoris gefunden zu haben. So klimperte er auf mir herum wie ein Pianist bei einer missglückten Mondscheinsonate oder er griff forsch und zielstrebig in die Saiten – pizzicato sozusagen. Zum Glück sind diese Zeiten lange vorbei …

Du paradieserfahrene Verführerin! Du schmeichelst mir süß meiner Worte wegen und bist doch selbst so beeindruckend eloquent, mir so weit überlegen in Spritzigkeit und Fabulierkunst. Deine Briefe sind von der Feder einer glühenden Feuerwerkerin geführt, voller Ideen, kreativer Wendungen und lebendig das Eigentliche und auch erfrischend Praktische benennend: „… wir nehmen keine Kondome …“, verschmitzt ironisch und doch immer sehr, sehr liebenswerter Art.

In Herz, Kopf und Schoß bebst du in einer Glut, die zum Ausbruch/Ausdruck drängt – arme, hilflos selbstgefällige Männer, die deine Glut nicht zur lodernden Flamme entfachen konnten.

Zu meinen Bildern: Auch hier nimmst du liebeslustblind (entgegen dem dir eigenen, sichereren Urteil) nur das ein oder andere Gelungene als Ganzes. Ich wäre zutiefst glücklich, wenn mir alle Bilder so gelängen, wie von dir angenommen. Aber dazu später noch mehr, vielleicht im Kontext unserer geplanten gemeinsamen künstlerischen Arbeit.

Dein „Liebespaar“ und manche meiner Zeichnungen haben scheinbar gemeinsame ästhetische Wurzeln – die übermächtige Größe der Künstler unseres Jahrhunderts, wie Klimt, Picasso, Rodin, Schiele und als jüngerer (aber vor wenigen Jahren verstorbener) Horst Janssen, der übrigens vor vielen Jahren eine überragende Ausstellung in der Albertina hatte, diese Größe ist unerreichbar Hintergrund auch deines und meines bildnerischen Wollens. Jetzt muss ich erst einmal enden.

A.

ein grauer trüber arbeitstag ist das unerfreulichste, was das leben zu bieten hat. die wartezeit bis zum abend oder gar bis zum frühen morgen ist viel zu lang. man müsste auch die zeit virtuell verkürzen können. vielen dank für deine lieben zeilen, sie sind balsam für meine seele. du sagst, du willst mich fotografieren – porträt und akt? überleg es dir gut, mein freund, ich bin nicht ganz so jung, wie manchmal mein gesicht es vorzutäuschen pflegt (50), und ich gestehe, ich tu auch alles, um diesen spiegel lang währender jugendlichkeit zu erhalten (z. B. weitestgehende männerabstinenz). dennoch – mein gesicht und mein körper spiegeln doch schon einen großen teil vergangenen lebens wider, kleine altersfältchen da und dort, und obwohl meine beine angeblich sehr hübsch geformt sind, finden sich – nicht nur vereinzelt – äderchen darauf, die nicht sehr fotogen sind. mit einem wort: du hättest eine ganze menge zu retuschieren. ich freu mich auf später, wenn mir niemand mehr beim schreiben über die schulter blinzeln kann. o

Fotogen auszusehen ist für mich stets ein Fulltimejob. Nachdem ich mich entschlossen habe, meinem Aussehen weder durch chirurgische noch durch dermatologische Eingriffe zehn bis fünfzehn Jahre abzuringen, sind die Kräfte der Natur hinsichtlich meines Aussehens kaum bezwingbar. Vom Achselnrasieren, Nägelfeilen und Bauchmuskeltraining rede ich erst gar nicht, das ist mittlerweile zur unliebsamen Alltagsroutine mutiert. Anstrengend sind vor allem die Gesichtsbäder, denen eine dicke Honigmaske folgt, die so lange aufgetragen bleibt, bis die Haut sie entweder eingezogen hat – wozu meistens meine Geduld nicht ausreicht, oder ich, sehr zum Nachteil meiner Figur, mit einer um meinen Mund sich kreisförmig bewegenden Zunge allen Honig wieder weggeleckt habe. Danach folgt die Packung mit einer dicken Lage Creme fraîche, die ich nicht weglecken muss, weil die Haut sie zur Gänze aufsaugt. Die Prozedur des Wimpernfärbens und Augenbrauenzupfens bringt, da die Natur hiedurch schonungslos bekämpft wird, den größten optischen Effekt. Ähnlich wie die Kontaktlinsen, um deren Erfindung ich Gott nahezu täglich danke.

Leider bin ich ein Kind aus der Zeit der Supermodels, die mit Twiggy ihren Lauf begonnen hatte und mir nun täglich vor Augen führt, dass ich eigentlich komplexbeladen und selbstunzufrieden meinen Körper auf keinen Fall sich selbst oder gar der Natur überlassen darf, um einen akzeptablen Anblick zu garantieren (und das alles heimlich!). Denn die Schwerkraft setzt meinem Busen unübersehbar zu und an manchen Stellen meines Körpers gleicht die Hautoberfläche mehr einer Orange als einem Pfirsich.

 

Andererseits: Hat er silikonverstärkte Muskelpakete, einen abgesaugten, glatten, zu einem Waschbrett modellierten Bauch, geschmälerte Hüften, sehnige Schenkel und als Krönung Implantate zur Penisverlängerung? Eben. Folglich: Ich zeige mich ihm einfach so, wie ich bin.

Wem sagst du diese Wahrheiten? Ich bin um viele Jahre älter als du und verberge dir natürlich tunlichst auf meinen Fotografien die kleinen, unleugbaren „Rettungsringe“, die sich ärgerlicherweise immer wieder neu um die Hüften legen, die Falten nach einem anstrengenden Tag und die für eine aufmerksame Beobachterin leicht festzustellende gelegentliche Müdigkeit in den Augen. Nein, meine Verführerin, die Lust entsteht bei mir nicht an der marmornen, das Leben verbergenden Glätte anonymer „Schönheit“. Lebensspuren sind die Zeichen der unverwechselbaren, einmaligen und wirklich schönen Identität eines Menschen, sie sind fein gezeichnete oder auch herb geschnittene Tagebucheintragungen, die das Leben für jeden von uns, unbestechlich und unmerklich im Moment, aber stetig und sichtbar in der Zeit, einträgt.

Ich küsse deinen samtfruchtigen Schoß.

A.

wohin möchtest du, im gegenzug, dass ich dich jetzt küsse? o

Durch deine Lust entsteht die meine. Entscheide für dich!!!

A.

lieber a, verzeih, wenn ich dich im augenblick nur kurz und oberflächlich, fast keusch berühre und auf die lippen küsse, zu viele menschen stürmen heute immer wieder mein büro! und ich bin keine exhibitionistin, ich denke, du auch nicht! o

Hab keine Sorge vor den beobachtenden Blicken der anderen, ich kniee unsichtbar vor dir, die Lippen liebend in deinen Schoß geträumt.

A.

so sehr ich dich genieße, jedoch fällt der erste blick hereinkommender auf meinen bildschirm! ich will dich spüren – mit jeder faser deines wunderschönen körpers, will dich spüren – glutheiß bis hinauf zu meinen haarwurzeln. o

Ich bin übrigens im November geschäftlich wieder in Wien.

A.

du glaubst wirklich, dass wir unsere liebesglut noch so lang kühlen können? o

Nein, wie kannst du das glauben! Aber ich suche einen gangbaren Weg, der meine sehr, sehr komplizierte Situation berücksichtigt. Käme Frankfurt/Süddeutschland für dich in Betracht? Lass uns sehr umsichtig sein um nichts von der dann wahrscheinlich kurzen Zeit für uns zu belasten. Ich bin kein guter, geschweige denn geborener Lügner.

Ich denke nach – bitte du auch.

A.

Er ohrfeigt mich ohne Ende. Hat eine „Beziehung“ und ist mit mir intim! Diese Beziehung kann eigentlich keine glückliche sein, er sucht offensichtlich Ersatz für unerfüllte, träge gewordene Träume. ICH bin seine neue Erfüllung, ICH werde ihn Unglücklichen erlösen. Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob er nicht doch ein ausgezeichneter Lügner ist – zu gern würde ich auch die nicht ausgesprochenen bzw. geschriebenen Gedanken aufspüren …

zum einen hab ich gerade ein angebot zu einer ausstellung in frankfurt bekommen (gemeinsam mit einem klienten aus deutschland), weiß aber noch keinerlei details, süddeutschland, speziell münchen, kenn ich ganz gut, hab einige zeit dort gelebt, es wäre sogar mit dem auto für mich erreichbar. o

Beides: großartig!!!!! Ich darf jetzt nicht aufstehen, weil man mir meine Erregtheit/-ion fatal ansehen würde. Wollen wir vielleicht einmal in Wien gemeinsam unsere geplanten Arbeiten ausstellen (dein sehr früher Vorschlag: du vielleicht Aquarelle und Gouachen und ich Zeichnungen?) – vielleicht können wir sogar eine „Story“ daraus machen. Alles nur erste flüchtige Gedanken.

A.

also bleib ein bisschen sitzen! o

Wie lange soll das dauern? Du unterschätzt das gewaltig und hast gut reden!

A.

es war gestern abend ein intensiv gehegter gedanke von mir, eine story zu machen. woher weißt du, was ich denke? sind wir beide parallelmenschen? o

Das könnte uns ungeheuerlich diabolisches (dir natürlich engelhaftes) Vergnügen bereiten. Und oft ist eine solche „Strategie“ auch noch (fatalerweise) erfolgreich (… was dann??)!

Ein wenig ähnlich scheinen wir uns schon zu sein und glücklicherweise noch so unterschiedlich, dass die Theorie der Polanziehung aufs Lustvollste Bestätigung bei uns findet. Zeichnest du mir einen Akt von dir für heute Abend zum Träumen!!!!?

Und vergiss deinen aufgeschobenen, aber versprochenen Kuss nicht, offen gestanden werde ich dich mit einem nicht auslösen. Jetzt muss ich, so schwer es auch fällt, schließen, die vernachlässigte Pflicht wird übermächtig. Ich kann nur sehr schwer von dir lassen.

A.

Unter welchem Sternzeichen bist du geboren? Deine Ungeduld ist mit der meinen sehr verwandt und ich trage das Feuerzeichen des Widders mit Last und Lust.

A.

ich bin im wasserzeichen des krebses geboren, vertragen sich feuer und wasser? ich wage nicht daran zu denken – ich war zwanzig jahre lang mit einem widder verheiratet! kleine frage noch: kannst du schon wieder aufstehen? o

Kein Kommentar. Auf weiblich spöttische, schadenfrohe Fragen steht Entzug. Da hast du ’s!

A.

alle begünstigungen gestrichen? nein, bitte nicht doch! o

Die sieben Hauptsünden wurden uns nahezu täglich eingebläut, wie sie da heißen:

Die Hoffart (später, dem Volksschulalter entwachsen, sagten sie „Stolz“ dazu) Die Gier Der Neid Der Zorn Die Unmäßigkeit Die Unkeuschheit Die Trägheit in Beten und Arbeiten Jede Sünde hat gravierende Folgen – für mich und die ganze Welt. Denn: Gott will nur das Gute und bestraft das Böse. Und weil die Menschen böse waren, eben hoffärtig, neidisch, unmäßig, unkeusch und träge im Beten und Arbeiten, schickte er ihnen die Sintflut (Ge nesis 7/7). Auch wir verlieren Gottes Gnade, wenn wir Böses tun – daher sagen wir: Gott ist gerecht.

Um nicht den Hauptsünden zu verfallen, müssen wir die entgegengesetzten Tugenden üben – die da sind:

Demut, Freigebigkeit, Keuschheit, Wohlwollen, Mäßigkeit, Sanftmut und Eifer im Guten.

Und so übte ich eben – so gut ich konnte, Sanftmut und Eifer im Guten, nicht ahnend, wie es etwa zu bewerkstelligen gewesen wäre. Demut und Wohlwollen waren Begriffe, die wir alle erst mit Inhalt füllen mussten. Trotz guten Eifers blieb ich über alle Maßen „unmäßig“. Zu gut schmeckten die Schmalzbrote meiner Großmutter aus selbst zerlassenem Speck. Zu köstlich war ihr Apfelkompott, und sogar ihren Spinat mochte ich. Nicht und nicht genug bekommen konnte ich. Unmäßig war auch mein Ehrgeiz, Papierstreifchen zu sammeln, die für besonders gute Schulleistungen ausgeteilt wurden. Ich musste die meisten haben! Sooo brav und sooo fleißig, sooo begabt, sooo genau wie ich durfte sonst keine gewesen sein. Ich war daher tugendhaft, denn wer die meisten Streifchen hatte, war Gott besonders lieb!

Allerdings hatte ich schon sehr früh in gewisser Weise unkeusche Ge fühle – sie nannten es zumindest so – immer dann, wenn ich bei raschen Bergabbewegungen, etwa beim Schaukeln, ein kleines Lustgefühl durch meinen Unterleib jagen spürte und ich es immer wieder erneut provozierte, dieses „Bauchgefühl“, wie ich es damals in Ermangelung der Kenntnis anderer Begriffe nannte … Ich wusste nur: Ich war unkeusch und unmäßig! Ich musste sehr viel beten, um Gottes Gnade wieder zurückzugewinnen.

guten abend, a! sobald du wieder zuhause bist, werde ich dich ausziehen, ganz ohne rücksicht auf verluste! ich werde meine lippen ohne unterbrechung an deine pressen, will dich spüren, dich erforschen, besitz ergreifen von jedem einzelnen körperteil und dich – in diesem stadium erregter vorfreude – ganz sanft und zart berühren. ich will mit dir verschmelzen. mein becken sei deines – ich schenk es dir …

Erst sehr spät während meiner Schulzeit wurde es üblich, den Schülerinnen den sonntägigen Pflichtbesuch der hl. Messe durch sakrale Schulveranstaltungen während der Woche zu ersetzen. Wir Volksschulkinder mussten jeden Sonntag in die Kirche pilgern – ob wir Lust hatten oder nicht. Lust war überhaupt ein Unwort. Und „andächtig“ mussten wir natürlich auch sein. Ununterbrochen war ich während meiner Gebete damit beschäftigt die Intensität meiner Andacht zu kontrollieren. Und oft genug ertappte ich mich dabei, irgendetwas völlig Messfremdes, Unheiliges gedacht zu haben. Sofort spürte ich die Angst vor Gottes Rache in mir aufsteigen und ich riss mich umso mehr zusammen, richtig andächtig meine Gebete aufzusagen. Das Stufengebet, das Kyrie, das Credo, die Oratio. Oratio reimt sich seltsamerweise auf Fellatio … Pfui, sowas denkt man nicht!

Datei: stehender liebesakt.jpg es ist schon spät und ich bin ziemlich müde, habe bis jetzt durchgearbeitet, um die arbeitsversäumnisse des heutigen tages aufzuarbeiten. wie schaffst du das eigentlich, bis spät in die nacht auf und frühmorgens schon wieder? Und dazwischen auch noch in einer großorganisation werkeln? sei mir nicht gram, wenn ich schon schlafe, jetzt, wo du endlich da bist und sag mir bitte trotzdem alles, was du mir sagen möchtest. gute nacht – ich werde von dir träumen! o

stehender Liebesakt

Nun endlich Zeit für dich – ach, ich bin oft so müd, wie du mir heut von dir schreibst.

Doch du hast vor dem Kuss der schlafbringenden Nacht noch meinen Kuss, den lockenden, gekostet, der nicht von deinen Lippen wich und dir, schon sanft hinüberträumend, die Lust in deinen Schlaf versenkte. Und deine Küsse, die wie Rosenblüten sich entfalten, will ich dir aus deinem Munde trinken. Ich will dich in deinen Küssen lieben, deine Wildheit steigern, doch vor dem Öffnen aller schönsten Quellen dich zärtlich quälen und dich sanft verschließen um dann von neuem neue Wege mit dir zu reisen – unbekannte, dunkel-süße Lüste dir auf deinen Leib zu malen, bis deine Glut, unendlich stärker als meine Verbote, dir die erfüllendste Erlösung schenkt.

Gute Nacht!

A.

guten morgen! unruhig und schlaflos erregt habe ich jetzt das handtuch – besser gesagt, die bettdecke – geworfen um gierig jedes deiner worte aufzusaugen, mit den augen wegzuschlürfen. ein bisschen traurigkeit und schwermut begleiten mich heute an diesem kalten regnerischen sommertag – ich weiß nicht, ob es am draußen liegt oder an dem, was ärzte trocken und uneinfühlsam „prämenstruelles syndrom“ nennen. ich empfinde jedes mal diesen eigenartigen schmerz des loslassens beim drücken der „enter“-taste – immer, wenn der kontakt zu dir hergestellt werden soll, dabei jedoch unterbrochen wird. erlegt die liebe verbote auf? hebt die liebe verbote auf? dir, mir, uns? hat irgendjemand anspruch auf nur einen kleinen teil von dir oder mir? wir können uns nur verschenken an den, der uns des geschenkes würdig erscheint, und mit aller dankbarkeit das geschenk des anderen annehmen. anspruch und/oder verpflichtung in liebesdingen wird es – denke ich – niemals geben. genug der philosophischen schwermut – können wir vormittag wieder ein bisschen plaudern? schreibst du mir am morgen noch einen brief? o

Jetzt, wenn du erwachst, will ich mit deiner sich zart öffnenden Lust spielen wie mit einer goldnen Liebesharfe, und süße Töne perlen zu einer kleinen Morgenmusik aus deinem Schoß. Ich werde heute nach Düsseldorf reisen und mich deshalb erst gegen Abend melden – wenn ich dann schon einen Brief von dir vorfände?

A.

PS. deine expressive Zeichnung von gestern Abend ist dir hervorragend gelungen!

Er fährt nach Düsseldorf! Genau, wie stets mein Ex-Mann es getan hat, allerdings ist er geflogen.

was hast du mit mir angestellt? wie hast du es nur fertig gebracht – ich, erwachsene frau, geb. 1948, bin seit urdenklichen zeiten wieder einmal unendlich verliebt, meine gedanken kreisen um einen mann, den ich nie persönlich zu gesicht bekommen habe (nur schwarz-weiß-verschwommen), von dem ich nicht weiß, welche fragen ich ihm stellen darf und welche nicht – ohne eine virtuelle krise vom zaun zu brechen –, von dem ich nicht weiß, wie frivol-neugierig sich meine gedanken auf ihn stürzen dürfen und wo er die intimbarrieren zieht, um nicht verletzbar zu werden. dabei hab ich mir ganz fest vorgenommen, mich nie wieder zu verlieben, das ganze schon um der verräterisch negativen vorsilbe „ver“ wegen. es ist die liebe, die ich wollte. beginnt sie immer mit „ver“ oder ist sie einfach da (es ist, was es ist)? ich kann nicht mehr klar denken, bitte hilf mir, unterstütze mich, meine wirren gedankenflüchte zu ordnen – sofern das noch möglich ist. ich will dich sehen, dir in die augen blicken, in denen ich glaube, einige traurig-resignative züge erkannt zu haben – genauso wie bei mir. fortsetzung folgt o

 

sag: wenn wir mit dem gedanken am ball bleiben, unsere story zu schreiben – müsste ich dann nicht auch mit jenen briefen herausrücken, die ich im zorn geschrieben und nicht abgeschickt habe, um einen virtuellen konflikt nicht eskalieren zu lassen? die müsste ich ja klammheimlich einbauen!! o

Nach einem langen Tag wieder daheim. Ein goldgerändertes flammendes Abendrot glüht tief am Horizont, und es verspricht, eine laue, stille Sommernacht zu werden.

Ich habe alle deine Briefe des Tages gelesen. So viele Fragen danach an dich …

A.

Immer wieder glaube ich, emotionale Barrieren in unseren Gesprächen aufzuspüren. Männer verstecken sich so gerne hinter Logik und Formulierung, wenn einmal gefühlsbetonte Reaktionen angebracht wären … Vor meinem inneren Auge türmen sich die Schuhkartons gefüllt mit Liebesbriefen, die ich als junges Mädchen meinen jeweils aktuellen Flammen geschrieben habe. Flehend, beteuernd, gefühlsstrahlend und enttäuscht. Manche habe ich weggeschickt, viele nicht, alle jedoch habe ich in Kopie aufbewahrt – auf so genanntem Durchschlagpapier, über das man Blaupapier legen und durchschreiben musste.

Und ich sehe nun, dass ich nie aufgegeben habe, den Traum von der einzigen, großen, leidenschaftlichen Liebe, von Einswerdung und Verschmelzung in völliger Verblendung aus meiner Fantasie in die Feder fließen zu lassen. Leider nur in die Feder – ich bin offensichtlich nicht lernfähig hinsichtlich des Erkennens meiner Fehleinschätzungen. Dabei wäre ich jetzt alt und erfahren genug zu begreifen, dass meinen Fantasiekonstrukten kein Mann gewachsen sein kann, alt genug um zu sehen, dass derlei Briefe allenfalls ein Vehikel für emotionalen Missbrauch liefern. Irgendwie spüre ich auch jetzt den leisen Anflug eines solchen Missbrauchs.

Dennoch ist die Versuchung zu groß, die Illusion zu verführerisch – ich öffne mich mehr und mehr. Wird mein Glaube an das große endgültige Liebesglück belohnt? Oder wartet schon ein Messer hinter meinem Rücken, drohend, mein Herz zu durchbohren? Irgendein Autor hat einmal geschrieben, er habe lieber den Pfau auf dem Dach als den Spatzen in der Hand …

ein wunderschönes bild, das du mir da geschickt hast – wie alle anderen auch. ich trau mich fast nichts mehr zu malen, bekomme schon leichte künstlerische minderwertigkeitsgefühle. o

1 Lass deinen Zorn der ungeschriebenen Briefe ruhig auch in deine Zeichnungen eingehen.

2 Wie soll ich nicht eitel werden, da du mir so schmeichelst und dich selbst so völlig ungerechtfertigt schmälerst?

Ein wenig mehr Selbstvertrauen, meine Dame!!! Deine letzte Zeichnung „Liebende“ halte ich für ausgesprochen gut. Stark im Ausdruck, wild und doch die Form haltend, ist sie ein schöner Spiegel des Liebesaktes.

A.

zunächst – ich schmeichle nicht und jeder, der dich durchschnittlich zu nennen vermag, begeht verrat an der fülle deiner seele, und außerdem dank ich dir für dein vertrauen, ich werde mich bemühen ein bild von dir in form und farbe auszudrücken. ich kenne das, an die hundert exemplare werde ich vorher zerreißen, ehe ich mich mit einem mehr schlecht als recht zufrieden gebe. aber aufgeben werde ich nicht! o

Du schmeichelst ungewollt. Ich möchte so gern, während du zeichnest, dir über die Schulter schauen und dein helles Haar wie daunige Federn an mir spüren, die frauliche Schlankheit deines Halses berühren und meine Blicke an dem weichen Rund deiner schönen Brüste erregen.

A.

du würdest viele flüche hören, wenn du dies tätest, nicht weil es nicht ganz besonders angenehm wäre, dich hinter mir zu spüren, ich würde mich ganz ungewöhnlich unter druck gesetzt fühlen, dir unbedingt mit dem, was ich gerade tu, gefallen zu wollen. es ist nicht sosehr klugheit, die mich ziert – ich bin mindestens so eitel wie du! o

Willkommen, kleiner, fluchender Pfau. Ich bin ebenso gespannt auf deine Flüche wie dein Zeichnen – ein wenig, eine angedeutete Nuance „erotisch ordinär“ darfst du schon sein. Mir scheint zudem, dass dein Ehrgeiz noch um vieles größer ist als deine vorgebliche Eitelkeit?!

A.

Eitelkeit ist ebenfalls so eine Sünde, wenngleich auch eine lässliche. Keine Hauptsünde, somit auch keine Todsünde. Jede Woche einmal ließen uns die Schwestern unsere Seelen zeichnen – so ungefähr 2 x 3 Zentimeter. Von unglaublichem Psychovoyeurismus getrieben, ordneten sie an, unsere Seelenkästchen je nach Art und Umfang der begangenen „Sünden“ gelb auszumalen (dies galt als sündenfrei) oder mit kleinen oder größeren Punkten zu versehen (lässliche Sünden) oder aber eben SCHWARZ auszumalen, falls wir eine Todsünde (Hauptsünde) begangen hatten. Zu diesen „Todsünden“ zählt natürlich auch ein verspäteter Messbesuch, keine Frage.

Eitelkeit hinterließ große schwarze Flecken auf dem gelben Seelenrechteck. Dem jedoch nicht genug, mussten wir auch Rede und Antwort stehen, wofür wir die schwarzen Pünktchen gezeichnet hatten. Dabei wurden wir auch angeleitet den einen oder anderen Punkt zu vergrößern oder zu verkleinern, meist jedoch wurden die Punkte vergrößert. Es handelte sich um den Frühbeginn eines kindlichen Lauschangriffs durch die Schwestern! Ich war eine der Frömmsten, ich hatte zwar sehr oft viele schwarze Flecken auf meiner Seele und auch oft eine ganz schwarze Seele (zu spät in die hl. Messe gekommen) –, aber ich hatte immer alles pünktlich gebeichtet und Buße getan!

je länger ich das bild betrachte, umso mehr will ich mich voll tanken mit dem elixier deiner dich erfüllenden lust. ich möchte mich von dir verwöhnen lassen bis zur völligen erschöpfung. wahrscheinlich ist es die vergänglichkeit deiner liebkosungen, die sie für mich zur großen kostbarkeit werden lassen. o

Träum dir das Schönste aus. Ich werde dir ein Band um Hals und Hand legen und dich mit verbundenen Augen durch heilige Pforten in den unsichtbaren Garten der Lüste führen und – wenn du mit mir einverstanden bist – dein Meister und Geliebter sein.

A.

Ich bin schockiert! Vor meinem inneren Auge erscheint ein ganz in Schwarz gehülltes, satanisch grinsendes, weißgesichtiges männliches Ungeheuer und ich fühle mich bereits als verabscheuungswürdige Buhlschaft des Teufels. Da helfen nur noch die Werke der geistlichen Barmherzigkeit:

Den Zweifelnden recht raten Die Unwissenden belehren Die Sünder ermahnen Die Betrübten trösten Beleidigungen verzeihen Unangenehme Menschen geduldig ertragen Für alle Menschen, vor allem Feinde, beten

Was aber, wenn dies alles nicht möglich ist? Wenn ich auf verlorenem Posten bin?

ich fürchte, band um hals und hand wird mir einen guten teil der lust rauben! o

Nein, denn es sind ebenso imaginäre wie psychisch reale Bänder, die nicht schnüren, aber dich an mich binden und uns in den unsagbar schönen Garten hinüberführen, den wir nur erreichen, wenn wir gemeinsam in den Spiegel treten, in die andere Seite der Welt.

A.

dennoch verspür ich unbehagen bei dem gedanken, gefesselt zu sein, hab ich doch ein leben lang daran gearbeitet, die fesseln abzustreifen. o

Du hast Recht, auch Metaphern treffen auf einen realen Lebenshintergrund, der Bilder im Licht der erlittenen Erfahrung umfärbt. Zeig mir mehr von deinem Weg der Träume!!!! Es geht mir um dich, nicht um einen flüchtig hingeworfenen Gedanken.

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