CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen

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2.3 CLIL im Schweizer Primarschulkontext

Wie bereits angesprochen, geschieht im CLIL-Unterricht das Lernen integral und unmittelbar im Sinne von «learn as you use, use as you learn» und nicht «learn now, use later.» (Mehisto et al. 2008, S. 11). Diese Prämisse der direkten Begegnung mit der Sprache in einem handlungsorientierten Setting ist besonders für die Primarschulstufe von grosser Bedeutung. Kinder lernen Sprache in situativen Kontexten mit bedeutsamer Inhaltsorientierung und hohem Lebensweltbezug (z. B. Piske 2013, S. 30). Im CLIL-Unterricht, in dem das sachfachliche und fremdsprachliche Lernen vereint wird, gelingt diese Verknüpfung von Inhalt und Sprache optimal.

Gemäss dem europäischen Leitgedanken sollen alle Kinder der Primarstufe an den Schweizer Volksschulen zwei Fremdsprachen lernen. Dies erfolgt meist in zwei bis drei isolierten Fremdsprachenlektionen pro Woche. Dieses Setting scheint insgesamt zu wenig erfolgsversprechend (Elsner & Kessler 2013, S. 24). Der Schweizer Lehrerverband (LCH) stellte kürzlich auf Druck aus Politik und Gesellschaft Forderungen auf, welche auf eine Optimierung des Fremdsprachenunterrichts abzielen. Für das Erlernen einer neuen Sprache braucht es genügend Unterrichtszeit, wie auch die Realisierung von vernetztem Sprachenunterricht (LCH 2015, S. 3). Der frühe Fremdsprachenunterricht ist seit geraumer Zeit tatsächlich immer wieder ein viel diskutiertes, politisches Thema in den Schweiz. Diverse kantonale Abstimmungen in den letzten Jahren hatten zum Ziel nur noch eine Fremdsprache auf der Primarstufe als Unterrichtsfach beizubehalten. Die Befürworter dieser Initiativen nennen die Ineffektivität des frühen Fremdsprachenunterrichts als einen der Hauptgründe, um eines der beiden Fremdsprachenfächer auf die Sekundarstufe zu verlegen. In diesem Zusammenhang kann deshalb CLIL als eine mögliche Lösung angesehen werden, mit der man den Fremdsprachenunterricht ungeachtet des Alters oder Schulstufe der Lernenden in der Volksschule effektiv optimieren könnte (Pfenninger & Singleton 2017, S. 207).

CLIL als solches ist an den Schweizer Primarschulen als methodischer Ansatz nicht fremd. Die Primarschüler*innen erlernen teilweise Englisch indem sie Sachwissen aus naturwissenschaftlichen oder musischen Fächern im Englischunterricht thematisieren. Die modernen Englisch-Lehrmittel (z. B. Young World, New World, Explorers) nennen deshalb CLIL als einer ihrer methodischen Ansätze und meinen damit diese themenzentrierten Sequenzen im Fremdsprachenunterricht (vgl. Frank Schmid & Wuthier 2013; Arnet-Clark & Frank Schmid 2018). Auch wenn nicht die gesamte Unterrichtszeit gemäss dieser Art von CLIL verläuft, so sind es doch immer wieder ausgedehntere Unterrichtsblöcke, in denen die Lernenden relevantes fachübergreifendes Sachfachwissen in der Fremdsprache lernen. Diese Ausrichtung von CLIL, bei dem fachübergreifende Inhalte in den Englischunterricht integriert werden, wird wie bereits angesprochen als CLIL-Variante B bezeichnet (vgl. Abbildung 1). Trotz fachübergreifenden Inhalten ist das Erlernen der Fremdsprache das vordergründige Ziel (Massler & Stotz 2013, S. 9).

Andere Formen des bilingualen Unterrichts, im Sinne der CLIL-Variante A (vgl. Abbildung 1), bei der Englisch als Unterrichtssprache ins Sachfach ausgelagert wird (Massler & Stotz 2013, S. 9), bilden in der Schweiz immer noch die Ausnahme (Brohy 2016, S. 227). Eigentlich ist es erstaunlich, dass in der viersprachigen Schweiz bilinguale Unterrichtsmodelle nicht mehr verbreitetet sind. Auf der Primarstufe ist diese CLIL-Variante in der Schweiz hauptsächlich an privaten bilingualen Schulen anzutreffen, die privilegierten oft aus internationalem Umfeld stammenden Familien bilinguale Bildung anbieten. An den öffentlichen Primarschulen gibt es gemäss einer offiziellen Kantonsumfrage nur entlang der Deutsch-Französischen Sprachgrenze einige immersive oder bilinguale Angebote (vgl. EDK 2017). Zum Beispiel werden im zweisprachigen Kanton Fribourg Primarlehrpersonen mit finanziellen Ressourcen unterstützt, die mindestens 10 % des Unterrichts in der jeweiligen Partnersprache immersiv unterrichten (EKSD 2017). An vereinzelten Schulen oder auf individueller Basis werden projektartige CLIL-Unterrichtseinheiten von innovativen Lehrpersonen durchgeführt. Berichte solcher erfolgsversprechenden bilingualen Projekte existieren, sie wurden jedoch nicht oder nur teilweise empirisch ausgewertet. Um einen Einblick zu gewähren, werden im Folgenden zwei solcher experimentellen Projekte erwähnt, beide jedoch in Verbindung mit der Zielsprache Französisch. Zum einen liegt eine Projektdokumentation sogenannter ‘Îlots immersifs’ vor, in welchen Französischlernende der Fremdsprache in verschiedenen Fachbereichen spielerisch und lustvoll begegneten. Die Stimmen der beteiligten Lehrpersonen und Lernenden sind durchwegs positiv. (Departement Bildung, Kultur und Sport 2014) Zum anderen wurden basierend auf den bereits existieren Projekt explore-it (www.explore-it.org) bilinguale Unterrichtssequenzen entwickelt, mit welchen bei Schüler*innen der 5. und 6. Klasse das Verständnis für technische Alltagsobjekte gefördert werden sollen. Mithilfe vorhandenen Materialschachteln mit Alltagsgegenständen zum Experimentieren und mit Arbeitsanweisungen in der Fremdsprache bauen die Schüler*innen technische Objekte. Dabei setzen sie sich sowohl mit der Zielsprache Französisch als auch mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinander. Erste Auswertungen zeigen, dass das duale Lernen in dieser projektartigen Umsetzung in knapp zwanzig Klassen erfolgreich verläuft: Trotz der fremdsprachlichen Hürde konnten alle Lernenden am Ende der Lerneinheit ein technisches Projekt fertigstellen und erlebten dabei Erfolgserlebnisse beim Fremdsprachenlernen. (Tinner 2018, S. 49–51)

Aufgrund der Tatsache, dass die Umsetzung solcher bilingualen Module in der Volksschule auf individueller Basis von innovativen Lehrpersonen bottom-up getragen wird, gibt es auch keine offizielle Statistik von Primarschulen, die regelmässigen CLIL-Unterricht oder vereinzelte bilinguale Module in den Unterricht integrieren. Deshalb entsteht insgesamt der Eindruck, dass CLIL in dieser Form an Schweizer Primarschulen wenig verbreitet ist. Als Gründe, wieso dieses grosse Potential für das bilinguale Lernen an den öffentlichen Primarschulen nicht mehr ausgeschöpft wird, werden unter anderem finanzielle und administrative Aufwände vorgegeben (Lüdi 2018, S. 17–18).

Indessen hat CLIL im Kanton Zürich eine beachtliche Tradition. Dies hängt mit dem innovativen Schulprojekt 21 zusammen, das neben anderen Themen im Zusammenhang mit der Einführung des frühen Englischunterrichts von 1998 bis 2003 auf der Primarstufe stattfand. In der Anfangsphase noch als ‘embedding’ bezeichnet, wurde in ausgewählten Klassen pioniermässig CLIL-Unterricht durchgeführt, indem fächerübergreifendes Sachwissen auf Englisch unterrichtet wurde. CLIL in dieser Variante A (vgl. Abbildung 1) als Unterrichtskonzept stiess dabei im Schlussbericht auf hohe Akzeptanz (Meuter & Stotz 2001, S. 243–44). Bei der flächendeckenden Einführung von Englisch auf der Primarstufe im Kanton Zürich im Jahr 2005 wurde CLIL jedoch in der Art und Weise des heute verbreiteten inhaltsorientierten Fremdsprachenunterrichts gemäss CLIL-Variante B (vgl. Abbildung 1) vorgezogen. Dies führte zu dem bereits erwähnten Resultat, dass CLIL als ein methodischer Ansatz die nachfolgend entwickelten Englisch-Lehrmittel stark prägte.

Bei beiden CLIL-Varianten A und B (vgl. Abbildung 1) variieren die Gewichtung des Sach- oder Fremdsprachenlernens stark. Insgesamt schaffen es weder die CLIL-Variante A noch Variante B dem Anspruch des Content and Language Integrated Learning zu gleichen Anteilen gerecht zu werden. Hier setzen Massler und Stotz (2013, S. 10–11) mit ihrer CLIL-Variante C an (vgl. Abbildung 1). Diese neue Stossrichtung gewährleistet die echte Fusion von beiden Fächern und fördert den dualen Kompetenzaufbau. Für den CLIL-Unterricht an der Primarstufe würde das bedeuten, dass sich in einer genuinen Fächerverschmelzung die für diese Schulstufe anstrebenswerte Handlungsorientierung besser umsetzen liesse, als im herkömmlichen themenorientierten Fremdsprachenunterricht. In der vorliegenden Untersuchung werden daher CLIL-Lerneinheiten dieses Typs C in Form von Modulen angestrebt.

Module eignen sich deshalb besonders für die Primarstufe, weil sie sich flexibel, situativ thematisch-passend in den Unterricht integrieren und sich mit relativ wenig organisatorischen Aufwand umsetzen lassen (Bechler 2014, S. 84; Elsner & Kessler 2013, S. 20–21). Sie lassen sich phasenweise nach Kapazitäten ohne Verankerung im Stundenplan umsetzen. Letzterer Aspekt wird als grosser Vorteil gegenüber mehr hochfrequentierten bilingualen Settings betrachtet, weil für deren Umsetzung vorgängig die Unterstützung und Zustimmung auf Ebene der Eltern, Schule und Behörden eingeholt werden müsste (Brohy 2017, S. 1). Auch wenn die eingangs geschilderten positiven Auswirkungen auf das fremdsprachliche, inhaltliche und kulturelle Lernen sich in diesen sporadisch angesiedelten Modulen nicht im gleichen Umfang erreichen lassen (Elsner & Kessler 2013, S. 21), so erhöhen sie trotzdem die Kontaktzeit mit und einen neuen Zugang zur Fremdsprache. Ersteres gelingt deshalb, weil CLIL-Module meist zusätzlich zu den herkömmlichen Fremdsprachenlektionen angeboten werden. Insgesamt können solche Module den vom Schweizer Lehrerverband (LCH) geäusserten Forderungen nach mehr Unterrichtszeit und Vernetzung des Unterrichts Rechnung tragen ohne den bereits vollen Stundenplan weiter zu belasten (LCH 2015, S. 3) oder andere Fächer aus dem Stundenplan zu verdrängen (Berthele 2018, S. 63). Die Primarlehrpersonen in der Schweiz bringen zudem, im Vergleich zu anderen Ländern, die idealen Voraussetzungen als CLIL-Lehrpersonen mit, weil sie die Unterrichtsberechtigung sowohl für die Fremdsprache als auch für weitere Fachbereichen ausweisen (Wolff 2013, S. 22; Lo 2020, S. 17, 21). Infolgedessen können sie die CLIL-Variante C der Gleichberechtigung und voller Integration beider Fächer professionell umsetzen. Sie sind zudem mit den verschiedenen Fachdidaktiken sowie dem fachübergreifenden Lehrplan vertraut, verfügen über die nötigen fremdsprachlichen Kenntnisse und kennen die für diese Zielstufe essentiellen didaktisch-methodischen Konzepte. Ferner sind sie es sich gewohnt die verschiedenen Ausgangsbedingungen und Leistungsgruppen in ihren heterogenen Klassen zu berücksichtigen.

 

Im nachfolgenden Kapitel wird der Schweizer Primarschulkontext unter dem Kontext der dort vorherrschenden Vielfalt genauer beleuchtet und aufgezeigt, wie CLIL diesem hohen Anspruch nach Differenzierung und Individualisierung gerecht werden kann.

2.4 CLIL im Umgang mit Heterogenität

Im Bildungskontext beschreibt der Begriff Heterogenität (griechisch ‘hetero’ als Wortbestandteil für ‘anders, verschieden, fremd’) die Vielfalt im Klassenzimmer. Die Lernenden unterscheiden sich nach Intellekt, Verhalten, Alter, Geschlecht, Sprache, Kultur und Interesse (Klippert 2010, S. 300). Gerade im Primarschulalter liegen Kinder mit demselben Jahrgang in ihrem Entwicklungsalter um mehrere Jahre auseinander. Einerseits weil Eigenschaften und Fähigkeiten in jedem Kind unterschiedlich angelegt sind, anderseits weil diese verschieden schnell ausreifen (Largo & Beglinger 2009, S. 19, 22). Die Vielfalt in Bezug auf Begabungen, Verhalten und Interessen sind zu einem grossen Teil anthropologisch bestimmt. «Die Grundgesetzte der Natur sorgen dafür, dass die Menschen unterschiedlich gepolt sind. Verschiedenheit ist die Regel, Ausstattungsgleichheit die Ausnahme.» (Klippert 2010, S. 62). Der produktive Umgang mit der bestehenden Heterogenität in den Schulen ist demnach aus gesellschaftlicher Sicht von Notwendigkeit als auch von Nutzen. Notwendig deshalb, weil sich darin der Respekt gegenüber dem einzelnen Individuum ausdrückt, wie er für eine moderne Demokratie konstitutiv ist. Und nützlich insofern, weil somit die erforderliche Integrations- und Förderarbeit gewährleistet, die den Schüler*innen die Chance eröffnet, den zukünftigen Anforderungen in der Gesellschaft und im Berufsleben zu meistern. Der Umgang mit Heterogenität gehört sozusagen zu den Grundmaximen der Demokratie und ist ein wichtiges Fundament einer funktionierenden Wirtschaft. (Klippert 2010, S. 64)

Jede Klasse ist somit heterogen und die Herausforderung besteht darin, mit dieser Vielfalt im Unterricht konstruktiv umzugehen. Dieser hohe Anspruch wird im Schulalltag generell als belastend und zeitaufwändig wahrgenommen. «Als problematisch werden diese Unterschiede erst dann erlebt, wenn der höchst individuelle Prozess des menschlichen Lernens einer Normierung unterworfen wird. Dies ist beim institutionalisiertem, also auch beim schulischen Lernen, der Fall.» (Hass & Kieweg 2012, S. 14). Eine leistungsorientierte Homogenisierung von Lernenden hat sich jedoch gemäss Auswertung der PISA-Befunde als nicht lernwirksam herausgestellt. Länder, in denen die Kinder ohne Selektion länger gemeinsam, demnach heterogen, unterrichtet werden, schneiden bei den internationalen Leistungstests besser ab. Die positiven Auswirkungen werden damit begründet, dass in heterogenen Lerngruppen die Lehrpersonen gezielter und konsequenter differenzieren müssen und sich dies positiv auf die Unterrichtsqualität auswirkt. Der Umgang mit der Heterogenität und damit verbundenen Anpassungen im Unterricht zur gezielten Förderung und Forderung der verschiedenen Kinder werden dadurch als selbstverständlich wahrgenommen. (Klippert 2010, S. 30)

Anfänglich wurden bilinguale Unterrichtssettings hauptsächlich entweder an privaten Schulen oder als ein selektives Unterrichtsprogramm zum Beispiel an Gymnasien angeboten. Somit konnten nur privilegierte Lernende aufgrund vorgängiger Selektion, einer sogenannten äusseren Differenzierung, von diesen CLIL-Unterrichtssettings profitieren. Solche bilinguale Unterrichtsangebote verfolgten demnach hauptsächlich das Ziel, Kindern aus elitären Kreisen die Fremdsprache, meist Englisch, näher zu bringen. Dank den europaweiten Bestrebungen die Mehrsprachigkeit flächendeckend allen Lernenden zu ermöglichen, ist CLIL-Unterricht in verschiedensten Ausprägungen zunehmend verbreitet und für alle zugänglich an öffentlichen Schulen anzutreffen. (Wolff 2016, S. 27)

Hinsichtlich der Tatsache, dass bilingualer Unterricht zu Beginn vor allem ein Angebot für leistungsstarke Schüler*innen darstellte, könnte man daraus schliessen, dass CLIL lernschwache Kinder überfordert. Diese Tatsache wurde von einigen Lehrpersonen bei der Durchführung von bilingualen Modulen mit Primarschüler*innen bestätigt. Für gewisse leistungsschwächere Lernende stellt der bilinguale Unterricht eine echte Herausforderung dar, der viel an Konzentration und Ausdauer abverlangt. Dabei hängen einige Kinder ab oder verlieren die Lust am Unterricht (Bechler 2014, S. 205).

Dem gegenüber gibt es verschiedene positive Befunde zum Gelingen von CLIL-Unterricht mit heterogenen Lernenden. Zum Beispiel kommt die in Spanien durchgeführte Studie mit über 2000 Primar- und Sekundarschüler*innen zum Schluss, dass CLIL mit allen Lernenden unabhängig ihres Lernstandes, Vorwissens oder sozial-ökonomischen Status gelingt (Cañado 2019, S. 12). Zudem bringt die an einer deutschen Hauptschule realisierte Untersuchung mit lernschwachen Schüler*innen der 5. und 6. Klasse in Erfahrung, dass trotz den eingeschränkten fremdsprachlichen Kompetenzen die Beteiligung der Lernenden hoch und deren Antworten auf offen formulierte Lehrerfragen recht umfangreich sind. Die mündlichen Beiträge werden von den Forschenden als länger eingeschätzt, als sie im traditionellen Fremdsprachenunterricht an Hauptschulen üblicherweise erwartet werden können (Schwab, Kessler & Hollm 2012, S. 8). Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass CLIL-Unterricht auch auf der heterogenen Primarschulstufe mit Sprachanfängern erfolgreich verläuft, nicht zuletzt, weil Lernende die funktionale, vermittelnde Rolle der Sprache bewusster wahrnehmen und dadurch den Unterrichtsgegenstand tiefer verarbeiten. Ausserdem erfahren im CLIL-Unterricht alle Lernende, was es heisst dem Unterricht zu folgen, wenn man die Instruktionssprache noch nicht vollkommen meistert. Eine wichtige Erfahrung, die sonst nur Lernende mit Migrationshintergrund machen. Im CLIL-Unterricht können dadurch alle Lernende für die sprachliche Heterogenität in der Klasse sensibilisiert werden (Thürmann et al. 2010, S. 15). Ferner zeigt Abendroth-Timmer (2007, S. 181–89) in ihrer Studie durchgeführt in heterogenen Lerngruppen mit Sprachanfängern, dass die teils tiefen fremdsprachlichen Anforderungen keine demotivierende Wirkung auf das bilinguale Lernen haben. Stattdessen befindet sie, dass selbst lernschwache Kinder dank der Verbindung von Sprache und Sachfach für den CLIL-Unterricht motiviert sind. Weitere Untersuchungen kommen zum Schluss, dass die Teilnahme am immersiven oder bilingualen Programmen für Lernende mit unterdurchschnittlichen Schulleistungen keine negativen Auswirkungen auf die allgemeine Schulbildung hat (Genesee 2007, S. 659; Cummins 1984, S. 162). Dies gilt in gleicher Weise auch für Kinder mit Lernschwierigkeiten oder einer Sprachentwicklungsstörung, welche ohne negativen Einfluss auf den Erstspracherwerb oder auf andere schulische Leistungen von der immersiven Lernumgebung profitieren konnten. Die Angst einer Überforderung oder unnötigen Belastung durch eine Teilnahme am immersiven Unterricht von Lernenden mit Defiziten ist somit unbegründet (Schmidt 2016, S. 258). Solche Befunde verdeutlichen, dass Immersions-Unterricht oder bilinguale Programme grundsätzlich für alle Schüler*innen geeignet sind.

Jedoch gilt insbesondere für den CLIL-Unterricht an der Primarschule, wo lernschwächere und lernstärkere Schüler*innen ohne vorgängige Selektion integriert miteinander lernen, dass der grossen Heterogenität eine besondere Beachtung geschenkt werden muss. Lehrpersonen, die tagtäglich mit verschiedenen Lernenden arbeiten, wissen, dass das erfolgreiche Unterrichtsprinzip in einer heterogenen Lerngruppe eine Ausgewogenheit von differenzierten, individualisierten und gemeinsamen Unterrichtsphasen ist (Hass & Kieweg 2012, S. 258; Eisenmann 2019, S. 47). Differenzierung und Individualisierung können als «Kehrseiten derselben Medaille» angesehen werden (Ahlring 2006b, S. 5), welche nicht identisch, sondern komplementär zu betrachten sind: Mit Differenzierung meint man die Bereitstellung von verschiedenen Lernanforderungen und -aktivitäten; unter Individualisierung versteht man die optimale Förderung eines jeden Lernenden auf seinem persönlichen Niveau.

Eine möglichst breite Palette von differenzierten Angeboten mit vielseitigen Lerntätigkeiten im kognitiven, sozialen, kommunikativen und motorischen Bereich erhöht die Chancen, dass möglichst viele Lernende entsprechend ihren individuellen Lernvoraussetzungen profitieren können (Klippert 2010, S. 52; Ahlring 2006b, S. 5). Dabei wird ein handlungsorientiertes Arbeiten, bei dem die Lernenden unter Einbezug der verschiedenen Sinne den Lerngegenstand aktiv konstruieren, als besonders wertvoll angesehen (Eisenmann 2019, S. 68). Neben den verschiedenen Sinnen sollen in einem heterogenitätsfreundlichen Unterricht auch unterschiedliche Lerntypen angesprochen werden. Gardner entwickelt in den frühen 1980er Jahren die Theorie der ‘Multiple Intelligences’ und geht davon aus, dass alle Individuen unterschiedliche Talente haben (Gardner 2006, S. 84). Wie die Abbildung 3 verdeutlicht, unterscheidet er zwischen acht Intelligenzbereichen. «As the name indicates, I believe that human cognitive competence is better described in terms of a set of abilities, talents, or mental skills, which I call intelligences.» (2006, S. 13 Hervorhebung im Original). Gemäss Gardner besitzen alle Individuen diese verschiedenen Intelligenzen, jedoch sind sie bei jeder Person unterschiedlich ausgeprägt. Auch wenn seine Theorie empirisch umstritten ist (vgl. Woolfolk 2014, S. 123–24), unterstreicht sie einmal mehr die Tatsache, dass jeglicher Unterricht breit abgestützt und vielgestaltig ausfallen sollte, damit den Lernenden vielfältige Zugänge zu den Lerninhalten geboten werden können (Gardner 2006, S. 145).

Im CLIL-Unterricht in der Fächerkombination Englisch und Bildnerisches Gestalten, wo handelndes, kreatives und räumliches Lernen auf linguistisches, soziales Lernen zusammentreffen, können mehrere dieser acht Intelligenztypen beispielhaft vereint werden: «Gestaltet man Lernangebote so, dass sprachliche oder analytische Talente in einem didaktischen Geflecht mit bewegungsbetonten, visuellen und musischen Dispositionen interagieren können, sind positive Effekte auf das Lehren und Lernen wahrscheinlich.» (Gehring 2017, S. 17). Zudem fördert diese spezifische Fächerfusion das holistische Lernen mit verschiedensten Sinnen. Dadurch dass das Lernen über den auditiven, visuellen und haptischen Sinn passiert, werden erneut verschiedene Schüler*innen samt ihren unterschiedlichen Talenten angesprochen (Klippert 2010, S. 61; Eisenmann 2019, S. 68). Die dabei begleitenden kommunikativen Handlungen, die im CLIL-Unterricht eine hohe Stellung einnehmen, leisten als Versprachlichung des Wahrgenommenen und Gelernten beim gemeinsamen Austausch einen wichtigen Beitrag für die Behaltensleistung. Davon profitieren erneut die lernschwächeren als auch lernstärkeren Schüler*innen (Klippert 2010, S. 68) – vorausgesetzt Lernende mit basaler Sprachkompetenz werden im CLIL-Unterricht mit entsprechendem Scaffolding begleitet (Bonnet 2016, S. 41–42). Da zudem Bilder die fremdsprachliche Rezeption als auch Produktion erleichtern, kann die Heterogenität ohne aufwändige Differenzierung gut berücksichtigt werden (Rymarczyk 2015, S. 194). Schliesslich verspricht gerade der bilinguale Zeichnungs- und Kunstunterricht ein hohes Mass an «Individualität der persönlichen Kreativität» (Rymarczyk 2003, S. 122). Das bedeutet, dass die Lernenden dank der Anwesenheit von Bildernischen Gestalten während längerer Phasen selbstständig und autonom arbeiten können. Dies vereinfacht den Umgang mit der Heterogenität zusätzlich, weil die Lehrpersonen in solchen Phasen die Möglichkeit erhalten Lernende individuell zu fördern und zu begleiten.

Abbildung 3:

 

Übersicht über die acht Intelligenzen nach Gardner

Nachdem die Passung von CLIL für den Kontext der Schweizer Primarschule mitsamt der dort vorherrschenden Heterogenität dargelegt wurde, wird im folgenden Kapitel aufgezeigt, wieso sich CLIL-Unterricht in Verbindung mit dem Fachbereich Bildnerisches Gestalten – zusätzlich zu den eben aufgezeigten Vorzügen im Zusammenhang mit der Heterogenität – besonders eignet.