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Einige Charaktertypen aus der psychoanalytischen Arbeit

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Ich halte es für unmöglich, hier eine Entscheidung zu treffen. Shakespeares Macbeth ist ein Gelegenheitsstück, zur Thronbesteigung des bisherigen Schottenkönigs James gedichtet. Der Stoff war gegeben und gleichzeitig von anderen Autoren behandelt worden, deren Arbeit Shakespeare wahrscheinlich in gewohnter Weise genützt hat. Er bot merkwürdige Anspielungen an die gegenwärtige Situation. Die »jungfräuliche« Elisabeth, von der ein Gerede wissen wollte, daß sie nie imstande gewesen wäre, ein Kind zu gebären, die sich einst bei der Nachricht von James' Geburt im schmerzlichen Aufschrei als »einen dürren Stamm« bezeichnet hatte1, war eben durch ihre Kinderlosigkeit genötigt worden, den Schottenkönig zu ihrem Nachfolger werden zu lassen. Der war aber der Sohn jener Maria, deren Hinrichtung sie, wenn auch widerwillig, angeordnet hatte, und die trotz aller Trübung der Beziehungen durch politische Rücksichten doch ihre Blutsverwandte und ihr Gast genannt werden konnte.

Die Thronbesteigung Jakobs I. war wie eine Demonstration des Fluches der Unfruchtbarkeit und der Segnungen der fortlaufenden Generation. Und auf diesen nämlichen Gegensatz ist die Entwicklung in Shakespeares Macbeth eingestellt. Die Schicksalsschwestern haben ihm verheißen, daß er selbst König werden, dem Banquo aber, daß seine Kinder die Krone überkommen sollen. Macbeth empört sich gegen diesen Schicksalsspruch, er begnügt sich nicht mit der Befriedigung des eigenen Ehrgeizes, er will Gründer einer Dynastie sein und nicht zum Vorteile Fremder gemordet haben. Man übersieht diesen Punkt, wenn man in Shakespeares Stück nur die Tragödie des Ehrgeizes erblicken will. Es ist klar, da Macbeth selbst nicht ewig leben kann, so gibt es für ihn nur einen Weg, den Teil der Prophezeiung, der ihm widerstrebt, zu entkräften, wenn er nämlich selbst Kinder hat, die ihm nachfolgen können. Er scheint sie auch von seinem starken Weib zu erwarten:

(Akt I, Szene 7):
 
»Du, gebier nur Söhne,
Nur Männer sollte dein unschreckbar Mark
Zusammensetzen.« –  –  –  –  –  –  –
 

Und ebenso klar ist, wenn er in dieser Erwartung getäuscht wird, dann muß er sich dem Schicksal unterwerfen, oder sein Handeln verliert Ziel und Zweck und verwandelt sich in das blinde Wüten eines zum Untergang Verurteilten, der vorher noch, was ihm erreichbar ist, vernichten will. Wir sehen, daß Macbeth diese Entwicklung durchmacht, und auf der Höhe der Tragödie finden wir jenen erschütternden, so oft schon als vieldeutig erkannten Ausruf, der den Schlüssel für seine Wandlung enthalten könnte, den Ausruf Macduffs:

(Akt IV, Szene 3):
 
»Er hat keine Kinder.«
 

Das heißt gewiß: Nur weil er selbst kinderlos ist, konnte er meine Kinder morden, aber es kann auch mehr in sich fassen und vor allem könnte es das tiefste Motiv bloßlegen, welches sowohl Macbeth weit über seine Natur hinausdrängt, als auch den Charakter der harten Frau an seiner einzig schwachen Stelle trifft. Hält man aber Umschau von dem Gipfelpunkt, den diese Worte Macduffs bezeichnen, so sieht man das ganze Stück von Beziehungen auf das Vater-Kinderverhältnis durchsetzt. Der Mord des gütigen Duncan ist wenig anderes als ein Vatermord; im Falle Banquos hat Macbeth den Vater getötet, während ihm der Sohn entgeht; bei Macduff tötet er die Kinder, weil ihm der Vater entflohen ist. Ein blutiges und ein gekröntes Kind lassen ihm die Schicksalsschwestern in der Beschwörungszene erscheinen; das bewaffnete Haupt vorher ist wohl Macbeth selbst. Im Hintergrunde aber erhebt sich die düstere Gestalt des Rächers Macduff, der selbst eine Ausnahme von den Gesetzen der Generation ist, da er nicht von seiner Mutter geboren, sondern aus ihrem Leib geschnitten wurde.

Es wäre nun durchaus im Sinne der auf Talion aufgebauten poetischen Gerechtigkeit, wenn die Kinderlosigkeit Macbeths und die Unfruchtbarkeit seiner Lady die Strafe wären für ihre Verbrechen gegen die Heiligkeit der Generation, wenn Macbeth nicht Vater werden könnte, weil er den Kindern den Vater und dem Vater die Kinder geraubt, und wenn sich so an der Lady Macbeth die Entweibung vollzogen hätte, zu der sie die Geister des Mordes aufgerufen hat. Ich glaube, man verstünde ohneweiters die Erkrankung der Lady, die Verwandlung ihres Frevelmutes in Reue, als Reaktion auf ihre Kinderlosigkeit, durch die sie von ihrer Ohnmacht gegen die Satzungen der Natur überzeugt und gleichzeitig daran gemahnt wird, daß ihr Verbrechen durch ihr eigenes Verschulden um den besseren Teil seines Ertrags gebracht worden ist.

In der Chronik von Holinshed (1577), aus welcher Shakespeare den Stoff des Macbeth schöpfte, findet die Lady nur eine einzige Erwähnung als Ehrgeizige, die ihren Mann zum Morde aufstachelt, um selbst Königin zu werden. Von ihren weiteren Schicksalen und von einer Entwicklung ihres Charakters ist nicht die Rede. Dagegen scheint es, als ob dort die Wandlung im Charakter Macbeths zum blutigen Wüterich ähnlich motiviert werden sollte, wie wir es eben versucht haben. Denn bei Holinshed liegen zwischen dem Mord an Duncan, durch den Macbeth König wird, und seinen weiteren Missetaten zehn Jahre, in denen er sich als strenger, aber gerechter Herrscher erweist. Erst nach diesem Zeitraum tritt bei ihm die Änderung ein, unter dem Einfluß der quälenden Befürchtung, daß die Banquo erteilte Prophezeiung sich ebenso erfüllen könne, wie die seines eigenen Schicksals. Nun erst läßt er Banquo töten und wird wie bei Shakespeare von einem Verbrechen zum anderen fortgerissen. Es wird auch bei Holinshed nicht ausdrücklich gesagt, daß es seine Kinderlosigkeit ist, welche ihn auf diesen Weg treibt, aber es bleibt Zeit und Raum für diese naheliegende Motivierung. Anders bei Shakespeare. In atemraubender Hast jagen in der Tragödie die Ereignisse an uns vorüber, so daß sich aus den Angaben der Personen im Stücke etwa eine Woche als die Zeitdauer ihres Ablaufes berechnen läßt2. Durch diese Beschleunigung wird all unseren Konstruktionen über die Motivierung des Umschwungs im Charakter Macbeths und seiner Lady der Boden entzogen. Es fehlt die Zeit, innerhalb welcher die fortgesetzte Enttäuschung der Kinderhoffnung das Weib zermürben und den Mann in trotzige Raserei treiben könnte, und es bleibt der Widerspruch bestehen, daß soviel feine Zusammenhänge innerhalb des Stückes und zwischen ihm und seinem Anlaß ein Zusammentreffen im Motiv der Kinderlosigkeit anstreben, während die zeitliche Ökonomie der Tragödie eine Charakterentwicklung aus anderen als den innerlichsten Motiven ausdrücklich ablehnt.

Welches aber diese Motive sein können, die in so kurzer Zeit aus dem zaghaften Ehrgeizigen einen hemmungslosen Wüterich und aus der stahlharten Anstifterin eine von Reue zerknirschte Kranke machen, das läßt sich meines Erachtens nicht erraten. Ich meine, wir müßten darauf verzichten, das dreifach geschichtete Dunkel zu durchdringen, zu dem sich die schlechte Erhaltung des Textes, die unbekannte Intention des Dichters und der geheime Sinn der Sage hier verdichtet haben. Ich möchte es auch nicht gelten lassen, daß jemand einwende, solche Untersuchungen seien müßig angesichts der großartigen Wirkung, die die Tragödie auf den Zuschauer ausübt. Der Dichter kann uns zwar durch seine Kunst während der Darstellung überwältigen und unser Denken dabei lähmen, aber er kann uns nicht daran hindern, daß wir uns nachträglich bemühen, diese Wirkung aus ihrem psychologischen Mechanismus zu begreifen. Auch die Bemerkung, es stehe dem Dichter frei, die natürliche Zeitfolge der von ihm vorgeführten Begebenheiten in beliebiger Weise zu verkürzen, wenn er durch das Opfer der gemeinen Wahrscheinlichkeit eine Steigerung des dramatischen Effekts erzielen kann, scheint mir hier nicht an ihrem Platze. Denn ein solches Opfer ist doch nur zu rechtfertigen, wo es bloß die Wahrscheinlichkeit stört3, aber nicht, wo es die kausale Verknüpfung aufhebt, und der dramatischen Wirkung wäre kaum Abbruch geschehen, wenn der Zeitablauf unbestimmt gelassen wäre, anstatt durch ausdrückliche Äußerungen auf wenige Tage eingeengt zu werden.

Es fällt so schwer, ein Problem wie das des Macbeth als unlösbar zu verlassen, daß ich noch den Versuch wage, eine Bemerkung anzufügen, die nach einem neuen Ausweg weist. Ludwig Jekels hat kürzlich in einer Shakespeare-Studie ein Stück der Technik des Dichters zu erraten geglaubt, welches auch für Macbeth in Betracht kommen könnte. Er meint, daß Shakespeare häufig einen Charakter in zwei Personen zerlegt, von denen dann jede unvollständig begreiflich erscheint, solange man sie nicht mit der anderen wiederum zur Einheit zusammensetzt. So könnte es auch mit Macbeth und der Lady sein, und dann würde es natürlich zu nichts führen, wollte man sie als selbständige Person fassen und nach der Motivierung ihrer Umwandlung forschen, ohne auf den sie ergänzenden Macbeth Rücksicht zu nehmen. Ich folge dieser Spur nicht weiter, aber ich will doch anführen, was in so auffälliger Weise diese Auffassung stützt, daß die Angstkeime, die in der Mordnacht bei Macbeth hervorbrechen, nicht bei ihm, sondern bei der Lady zur Entwicklung gelangen4. Er ist es, der vor der Tat die Halluzination des Dolches gehabt hat, aber sie, die später der geistigen Erkrankung verfällt; er hat nach dem Morde im Hause schreien gehört: Schlaft nicht mehr, Macbeth mordet den Schlaf und also soll Macbeth nicht mehr schlafen, aber wir vernehmen nichts davon, daß König Macbeth nicht mehr schläft, während wir sehen, daß die Königin aus ihrem Schlafe aufsteht und nachtwandelnd ihre Schuld verrät; er stand hilflos da mit blutigen Händen und klagte, daß all des Meergotts Flut nicht reinwasche seine Hand; sie tröstete damals: Ein wenig Wasser spült uns ab die Tat, aber dann ist sie es, die eine Viertelstunde lang ihre Hände wäscht und die Befleckung des Blutes nicht beseitigen kann. »Alle Wohlgerüche Arabiens machen nicht süßduftend diese kleine Hand.« (Akt V, Szene 1.) So erfüllt sich an ihr, was er in seiner Gewissensangst gefürchtet; sie wird die Reue nach der Tat, er wird der Trotz, sie erschöpfen miteinander die Möglichkeiten der Reaktion auf das Verbrechen, wie zwei uneinige Anteile einer einzigen psychischen Individualität und vielleicht Nachbilder eines einzigen Vorbilds.

 
1Vgl. Macbeth (Akt III, Szene 1): »Auf mein Haupt setzten sie unfruchtbar Gold,Ein dürres Zepter reichten sie der Faust, Daß es entgleite dann in fremde Hand,Da nicht mein Sohn mir nachfolgt. – – –
2J. Darmstetter, Macbeth, Edition classique, p. LXXV, Paris 1887.
3Wie in der Werbung Richards III. um Anna, an der Bahre des von ihm ermordeten Königs.
4Vgl. Darmstetter l. c.