Achtsamkeit für Superfrauen. 5-Minuten-Pausen vom Alltag.

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Kaffee


Trinke deinen Tee langsam und andächtig, als ob er die Achse wäre, um die die Welt sich dreht – langsam und gleichmäßig, ohne in Gedanken in die Zukunft zu stürmen. Lebe den Moment. Nur dieser Moment ist Leben.

Thich Nhat Hanh, buddhistischer Mönch und Lehrer

Als ich vor über einem Jahrzehnt begann, morgens zu meditieren, war ich fest entschlossen, diese erste halbe Stunde des Tages ohne Kaffee, Facebook und Gespräche zu verbringen. Der Wecker klingelte, ich schlurfte ins Bad, spritzte mir eiskaltes (aber irgendwie wohltuendes) Wasser ins Gesicht und war recht schnell wach und einsatzbereit. Trotzdem kam es vor, dass ich den Wunsch verspürte, vor der Meditation eine Tasse Kaffee zu trinken. Aber ich blieb standhaft. Die Regelbefolgerin in mir sagte: Was würden die großen Meditationslehrer davon halten? Also wirklich! Auch wenn ich noch so verschlafen oder mein Terminkalender so voll war, dass ich in aller Herrgottsfrühe aufstehen musste, setzte ich mich diese halbe Stunde ohne Kaffee hin und begab mich erst danach schnurstracks zu meiner geliebten Kaffeemaschine.

Ich gebe es zu: Meine Meditationspraxis hat sich seitdem etwas geändert. Ich bin älter und – hoffentlich – ein wenig weiser geworden und breche diese Regel gelegentlich (manchmal sogar mit einem Anflug von Rebellion). Anfangs war es die reine Notwendigkeit – dringende Aufgaben oder eine schlaflose Nacht. Heute tue ich das, weil es mir Freude macht. Ja! Ich meditiere bei einer Tasse Kaffee. Ich liebe Kaffee. Er hat mir schon oft das Leben gerettet. Deshalb finde ich, dass Kaffee und seine wunderbaren Eigenschaften eine eigene Meditation verdienen. Egal, ob du auch ein Kaffeefreak bist oder lieber Tee trinkst, die achtsame Kaffeepause lässt sich auch mit Tee und/oder koffeinfreien Alternativen umsetzen.

Kaffeepause

Ein Tipp: Bevor du dich noch im Halbschlaf hinsetzt, solltest du einen sicheren Abstellplatz für die Kaffeetasse suchen, damit ihr Inhalt sich nicht über den gesamten Boden ergießt, wenn du sie nach der Übung abstellen willst. Ich spreche aus Erfahrung!

Sitze aufrecht und bequem, auf einem Stuhl oder einem Kissen auf dem Boden. Halte die Kaffeetasse mit beiden Händen, fühle die Wärme und ertaste die glatte oder strukturierte Oberfläche der Tasse. Führe sie langsam zu deiner Nase und rieche den Duft, als wäre es das erste Mal. Stelle fest, welche Gedanken in dir aufsteigen, aber bewerte sie nicht. Beobachte, wie deine Armmuskeln agieren, während du die Tasse zum Mund führst.

Auch wenn dein ganzer Körper nach dem Koffein giert (das hört sich verzweifelt an, aber ich weiß, wovon ich rede), halte einen Moment inne und spüre in dich hinein. Läuft dir das Wasser im Mund zusammen? Ruft alles in dir nach dem ersten Schluck? Stelle es einfach fest. Dann setze mit einer bewussten Geste die Tasse an die Lippen. Jetzt kannst du den ersehnten Schluck nehmen. Behalte das köstliche Getränk einen Moment lang im Mund, um sein Aroma intensiv zu schmecken. Nun schluckst du es herunter und spürst, wie die Wärme sich langsam vom Mund die Kehle hinunter bis in den Magen ausbreitet. Atme einmal ein und aus, bevor du den nächsten Schluck nimmst. Während du das tust, erforschst du, was in deinem Körper vorgeht. Hat sich dein Herzschlag beschleunigt? Fühlst du, wie deine Gehirntätigkeit angeregt wird? Sind die Empfindungen angenehm oder unangenehm? Das bewusste Wahrnehmen dieser körperlichen Reaktionen liefert uns Informationen, die wir sonst übersehen. Vielleicht genießt du den Zustand der geistigen Wachheit. Vielleicht bemerkst du, dass das Koffein innere Unruhe in dir auslöst, und beschließt, künftig auf Kaffee zu verzichten. Die Reaktionen und Empfindungen müssen nicht jedes Mal die gleichen sein. Bleibe wachsam. Bleibe neugierig. Genieße.

Pendeln


Oft ist der Weg das Ziel. Wir entscheiden uns für ein Verhalten und legen damit fest, wer wir sein werden. Der Weg, den wir wählen, um an unser Ziel zu kommen, bestimmt, wie es sein wird, wenn wir es erreichen.

Seth Godin, Autor und Unternehmer

Autos, Busse, Züge ...! Bluetooth, Podcasts, Kindle ...! So viele Angebote, um uns abzulenken. Die Berufspendelei kann uns einen beträchtlichen Teil unserer Lebenszeit kosten. Doch auch wenn es sich nur um eine siebenminütige Fahrt handelt (wie bei mir), kann man diese Zeit klug nutzen. Ich lade alle dazu ein, sie mit achtsamer Stille zu beginnen. Dadurch können wir den Moment bewusst wahrnehmen und unsere Gedanken zur Ruhe kommen lassen. So lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf das, was vor uns liegt.

An Tagen, an denen ich versuche, so viel wie möglich zu erledigen, schwinge ich mich auf den Fahrersitz und schalte die Nachrichten ein. Wenn sie mich nicht sofort in ihren Bann schlagen, suche ich alle paar Sekunden hektisch nach einem neuen Sender. Eine Art Hypernervosität erfasst mich; ich suche dieses berauschende Gefühl, eine sensationelle Meldung oder einen skandalösen Ausschnitt aus einem Interview zu hören. Zum Glück kenne ich mich inzwischen gut genug, um rechtzeitig einzugreifen. Ich schalte das Radio aus, widerstehe dem Drang, es sofort wieder einzuschalten (ich könnte ja etwas Wichtiges verpassen), atme tief ein und lasse mich in der Stille nieder. Dieses Innehalten macht uns bewusst, wie sehr wir von dem Drang besessen sind, jede Leere zu füllen. Wir lernen, unsere Umgebung wahrzunehmen – den Sonnenaufgang, die Landschaft, die Ruhe. Wir bemerken, dass unser unablässig rotierendes Gehirn mit einem Körper verbunden ist; wir können Verspannungen aufspüren und sie lösen. Wir erinnern unseren Körper daran, dass keine Gefahr vorliegt, die eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion erfordert. Dann, und nur dann, sind wir fähig, unsere Pendlerroutine sinnvoll zu gestalten und bewusst zu entscheiden, wie wir unsere kostbare Aufmerksamkeit und Energie einsetzen. Anstatt die Zeit in einem kaum bewussten Automatismus zu verdämmern, nutzen wir sie, um wach und erholt am Arbeitsplatz anzukommen, bereit für den neuen Tag.

Achtsamkeit auf dem Arbeitsweg

Widme zumindest einen Teil deines Wegs der Stille – idealerweise beginnst du ihn damit. Das fühlt sich vielleicht erst einmal unangenehm an, denn da ist dieser starke Drang, die Stille zu füllen: mit Musik, einem Podcast oder, wenn dich etwas stark beschäftigt, auch mit einem Selbstgespräch. Dieser Drang ist normal und wird mit der Zeit verschwinden. Nachdem diese Anfangsphase überwunden ist, finden fast alle die Stille überraschend erholsam. Gönne sie dir. Je länger, desto besser.

Beende die Phase der Stille mit einer Absichtserklärung, die zu diesem Tag passt. Zum Beispiel: Ich will geduldig sein. Ich will vorurteilsfrei zuhören. Ich will den ganzen Tag daran denken, tief durchzuatmen. Ich will gut drauf sein. Ich will Negatives an mir abgleiten lassen.

Nachdem die Stille dein Bewusstsein geweckt hat, kannst du den Rest deines Wegs nach Lust und Laune gestalten. Höre ruhig Musik, Nachrichten, einen Podcast oder ein Hörbuch, aber triff eine bewusste Wahl.

Überprüfe, was deine Wahl bewirkt. Bist du aufmerksam und entspannt? Oder hat sich wieder Ruhelosigkeit eingeschlichen? Verändere dein Verhalten entsprechend.

Du bist am Ziel. Wie fühlst du dich? Auf welchem Level stehen deine Energie, deine Stimmung, deine Achtsamkeit? Beglückwünsche dich und nimm den Tag in Angriff.

Für den Heimweg gelten dieselben Anweisungen. Jetzt erleichtert die achtsame Pause den Übergang von der Arbeitswelt ins Privatleben. Spürst du so etwas wie Vorfreude? Schüttle alles Negative des Tages ab. Sei dankbar, dass ein freier Abend, Zeit zu Hause und mit der Familie vor dir liegen.

Das Dreieck des Bewusstseins


Wenn wir ein Ziel anstreben oder uns weiterentwickeln wollen, starten wir immer da, wo wir gerade stehen. Wenn wir unseren Standort nicht kennen, gehen wir vielleicht nur im Kreis.

Jon Kabat-Zinn, Achtsamkeits- und Meditationslehrer

Lisa, eine 36-jährige Englischlehrerin an einer turbulenten Highschool im Stadtzentrum, buchte bei mir ein Achtsamkeits-Coaching, um besser mit Überforderung, Reizbarkeit und Fokussierungsproblemen umgehen zu können. Sie erinnerte sich an Zeiten, in denen sie ihren Job liebte, seine Vielseitigkeit genoss und sich beim Aufwachen darauf freute, in einem Klassenzimmer zu stehen, das vor Energie und den Hormonen der Jugendlichen nur so vibrierte. Aber mittlerweile war ihr Arbeitstag ein permanentes Chaos aus Überstimulation und Notfallmaßnahmen. Zu Hause gelang es ihr kaum, genug Gelassenheit aufzubringen, um mit ihren beiden unermüdlich Aufmerksamkeit fordernden Kindern fertig zu werden.

 

Durch den Mangel an Energie, Zeit und Geduld bauten sich Spannungen auf, die sich auf Lisas Verhalten gegenüber ihren Schülern und ihrer Familie übertrugen. „Ich kann mein Gehirn nicht abschalten. Es läuft nonstop“, klagte sie. Besonders stark machte sich das bemerkbar, wenn sie abends erschöpft ins Bett fiel und ihrem Körper zum ersten Mal an diesem Tag erlaubte, zur Ruhe zu kommen. Sie hatte das Gefühl, kaum den Kopf über Wasser halten zu können. Aber sie wusste nicht, was sie dagegen unternehmen sollte. Mit hängenden Schultern und Tränen in den Augen gestand sie mir, dass allein der Gedanke, sich auch nur die geringste weitere Aufgabe aufzuladen, abschreckend und lähmend war – selbst wenn eine solche sie davor bewahren würde, unterzugehen. Ich wusste, welche Pause der Achtsamkeit ihr Rettungsanker sein würde.

Wir betrachteten ihr Leben im Hamsterrad und ich erklärte ihr, dass die Pausen der Achtsamkeit nicht unbedingt zusätzliche Zeit oder Energie erfordern. Sie sind vielmehr eine Unterbrechung, um unsere Aufmerksamkeit auf den Moment zu lenken. Lisa war bereit, es mit der Pause „Innerer Dreiklang“ zu versuchen.

Sie legte drei Zeiten am Tag fest, in denen sie den Dreiklang praktizieren wollte: morgens an ihrem Pult, noch vor dem Abrufen der E-Mails und dem Eintreffen der Schüler. Zu Beginn der Mittagspause, bevor sie – mit den Gedanken schon wieder woanders – ihr Sandwich vertilgte. Und nach dem Unterricht, wenn die Schüler weg waren, sie ihre Sachen gepackt hatte und bereit für den Heimweg war.

Zwei Wochen später kam Lisa wieder in meine Praxis und berichtete erleichtert von den positiven Änderungen, die sich eingestellt hatten. „Der Dreiklang kommt mir genau im richtigen Moment zu Hilfe. Nämlich dann, wenn mir der Kopf schwirrt, wenn ich Angst verspüre vor dem, was auf mich zukommt, wenn ich mich verzweifelt frage, wie um Himmels willen ich das alles schaffen soll. Wenn ich dann innehalte und ein paarmal tief durchatme, erinnere ich mich daran, meine Muskeln zu entspannen. Ich fühle, wie sich Ruhe in mir ausbreitet. Es gibt immer noch viel zu tun. Aber es gelingt mir, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken und mich selbst davon zu überzeugen, dass alles klappen wird.“

Dadurch, dass Lisa einen Weg gefunden hatte, mitten in einem stressigen Arbeitstag zur Ruhe zu kommen, entschleunigte sich ihr Gedankenkarussell. Sie konnte abends viel entspannter zu Bett gehen. Sie konnte auf die Anforderungen von Schülern und Familie gelassener reagieren. Spaß und Leichtigkeit kehrten in ihr Leben zurück. Sie empfand Belastungen nicht mehr als so schwer und ihre allgemeine Belastbarkeit nahm wieder zu.

Das Dreieck des Bewusstseins besteht aus unseren körperlichen Wahrnehmungen, unseren Gedanken und unseren Gefühlen. Diese drei Bereiche beeinflussen sich permanent gegenseitig. Indem wir uns dieses Dreieck bewusst machen, kehren wir in das Hier und Jetzt zurück. Das hilft uns in Situationen, in denen wir auf Autopilot laufen, uns wegen der Zukunft Sorgen machen oder über die Vergangenheit grübeln. (Mehr über das Dreieck des Bewusstseins findest du im Abschnitt „Achtsamkeit – was ist das überhaupt?“ Bei Zeit- und Energiemangel kannst du diese Pause der Achtsamkeit einsetzen, um dich für einen Moment aus dem Chaos herauszuholen, das dein überfordertes Gehirn zu überwältigen droht. Du kannst den Reset-Knopf drücken, deinen Fokus finden und dich bewusst auf den Moment einlassen – mit der freundlichen Ermahnung, dich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und eins nach dem anderen zu erledigen, anstatt alles auf einmal abarbeiten zu wollen.

Innerer Dreiklang

Halte ein, hole tief Luft und lenke deine volle Aufmerksamkeit auf die drei Punkte des Dreiecks des Bewusstseins (egal, in welcher Reihenfolge):

Körperliche Wahrnehmungen. Taste im Geiste deinen ganzen Körper ab. Beginne mit den Füßen. Beobachte, was du in dir spürst. Suche nach verkrampften Muskeln und lockere sie. Am Anfang ist es vielleicht schwierig, überhaupt etwas zu spüren. Aber mit etwas Übung wirst du sensibler und stellst beispielsweise fest: Ich spüre einen dumpfen Schmerz hinter der Stirn, den Augen und im Nacken. Meine Augen brennen, die Lider sind schwer. Meine Beine fühlen sich erschöpft und schwer an, vor allem die Waden. Oder aber: Ich fühle mich leicht und voller Energie. Ich spüre, dass meine Mundwinkel zu einem Lächeln hochgezogen sind, und habe ein Gefühl von Wärme in der Brust.

Gedanken. Was denkst du gerade? Planst du etwas, stellst du dir die nahe oder ferne Zukunft vor? Oder fragst du dich, ob das, was du hier tust, sinnvoll ist? Überlegst du, wie um alles in der Welt diese Achtsamkeitssache funktionieren soll? Stelle fest, ob du Dinge bewertest, verdrängst oder dich in etwas verstrickst. Du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen, weil du beurteilende Gedanken hast. Aber ordne sie bewusst in diese Kategorien ein, ohne dich in eine Endlosschleife aus Warum? und Wie nur? ziehen zu lassen. Du denkst vielleicht: Ich spüre meinen Körper nicht wirklich. Was ist los mit mir? Kriege ich nicht einmal diese Übung hin? (wertender Gedanke). Oder: Ich habe Hunger. Oje, auf dem Heimweg muss ich noch Gemüse einkaufen (planender Gedanke). Oder: Ich muss noch die Agenda für das Meeting morgen schreiben. Stopp! Außerhalb der Arbeit nicht an die Arbeit denken! Bewerten, planen und grübeln vermeiden!

Gefühle. Nimm eine wohlwollende, neugierige Haltung ein und beobachte, welche Gefühle in dir vorhanden sind. Manche sind vielleicht neutral oder nur sehr schwach und deshalb umso schwerer zu identifizieren. Neulinge machen oft den Fehler, Gedanken und Gefühle zu verwechseln. „Ich hätte das lieber nicht sagen sollen“ halten sie für ein Gefühl. Aber es ist ein Gedanke. Er kann Gefühle auslösen, zum Beispiel Scham oder Bedauern. Das Gleiche gilt für „Ich wollte nur noch raus“. Auch das ist ein Gedanke, aber aus Gefühlen wie Angst oder Wut geboren. Du musst also sorgfältig unterscheiden, was Gedanken und was Gefühle sind. Manchmal kämpfen verschiedene Gefühle miteinander. Es ist nichts Ungewöhnliches, gleichzeitig Liebe, Dankbarkeit und Trauer oder Wut, Enttäuschung und Eifersucht zu fühlen. Beurteile oder rechtfertige deine Gefühle nicht. Sie steigen in dir auf, du stellst sie fest und akzeptierst sie, so gut du kannst. Wie du mit ihnen umgehst, kannst du später entscheiden.

Der achtsame Dreiklang kann als Reset-Knopf dienen, wenn du dich überfordert fühlst (so wie Lisa, als sie zu mir kam). Er kann dir helfen, den ganzen Tag über ruhig und fokussiert zu bleiben. Je nachdem, wie viel Zeit du hast und in welcher Umgebung du bist, kann schon eine 20-Sekunden-Pause viel bringen. Oder du entscheidest dich dafür, dir volle zwei Minuten zu gönnen, um den inneren Dreiklang herzustellen. Wenn dir das gelungen ist, nimm dieses Bewusstsein mit in den nächsten Tagesabschnitt.

Bodyscan


Dein Körper formt deinen Geist. Dein Geist formt dein Verhalten. Dein Verhalten formt deine Zukunft.

Amy Cuddy, Sozialpsychologin

Jeder Körper reagiert auf seine Weise auf Stress. Bestimmte Muskeln verkrampfen sich, bestimmte Körperregionen sind verspannt. Bei manchen äußern sich Angstgefühle in einem stechenden Druck, als ob ihr Kopf in einen Schraubstock geklemmt würde. Andere klagen über permanente Schmerzen in Schultern und Nacken. Wieder andere leiden unter Magenbeschwerden und verschwinden auf die Toilette, sobald die Probleme überhandnehmen. Mit einigen Symptomen sind wir bestens vertraut, andere sind nicht so auffällig oder treten seltener auf, wir müssen regelrecht nach ihnen fahnden.

Kurz nachdem ich mit meiner Achtsamkeitsarbeit anfing, stellte ich im Bereich des unteren Rückens und des Gesäßes Verspannungen fest, sobald ich mich entmutigt und überfordert fühlte. Ich hatte Schmerzen wie bei einem Muskelkater. Hätte mir das wenigstens einen knackigen Po beschert, hätte ich vielleicht nichts gesagt. Aber nein. Die einzige Folgeerscheinung waren chronische Ischiasbeschwerden, die mich gnadenlos piesackten. Erst nach Jahren praktizierter Achtsamkeit begann ich zu realisieren, dass wachsender Stress mich dazu brachte, unbewusst meinen linken Wadenmuskel anzuspannen. Eines Morgens nach einer besonders anstrengenden Paartherapiesitzung wunderte ich mich, warum meine linke Wade so kraftlos war und schmerzte. Es dauert noch einige Zeit und einige ähnliche Situationen länger, bis ich erkannte, dass dies meine ureigene körperliche Reaktion auf Stress war. Inzwischen hat sich das Phänomen Richtung Schultern und Nacken verschoben – da machen sich wohl die vielen Stunden des Lesens und vor dem Computer bemerkbar. Es hört eben nie auf.

Vielleicht fragst du jetzt: Ist es wirklich notwendig, solchen Malaisen Beachtung zu schenken? Gute Frage. Danke für deine konstruktive Mitarbeit. Dass zwischen Körper und Geist komplizierte Wechselwirkungen bestehen, ist unbestritten, auch wenn viele von uns aus Bequemlichkeit dazu neigen, diese Tatsache zu ignorieren. Für unser körperliches und geistiges Wohlbefinden ist es daher unbedingt notwendig, diese Vorgänge zu beobachten. Und dafür gibt es den Bodyscan am Schreibtisch, der drei Ziele verfolgt.

Erstens: Er holt uns aus dem Autopilot-Modus zurück in die momentane Situation und lässt uns zur Ruhe kommen. Wir können klar denken und vernünftige Prioritäten setzen. Stell dir vor, wie viel offener, entspannter und kreativer du in die nächste Sitzung gehst, wenn du vorher einen Moment innehältst und deinen Körper entspannst. (Noch besser: wenn alle Mitarbeiter*innen das täten.)

Zweitens: Der Bodyscan lenkt unsere Aufmerksamkeit auf unsere körperlichen Empfindungen. Mach dir, deinem vollen Terminkalender zum Trotz, bewusst, was in diesem Moment in deinem Körper vorgeht. So wirst du daran erinnert, dass dein intellektueller, schöpferischer Kopf tatsächlich auf einem Körper ruht. Einem Körper, den wir oft vernachlässigen, vergessen oder schlichtweg ignorieren. Du erkennst, wie sich die Empfindungen aufbauen, und stellst vielleicht fest, dass sie im Laufe der Zeit wandern – wie bei mir von der Wade zu den Schultern.

Drittens: Der Bodyscan macht uns mit den Reaktionen unseres Körpers auf Stress bekannt. Wie das Beispiel mit der Wade zeigt, ist das nicht immer gleich offensichtlich. Nur wenn wir achtsam sind, können wir etwas für uns tun. Wenn meine Schultern schmerzen, ist das eine Aufforderung, sie sinken zu lassen, tief einzuatmen, mich aufrecht hinzusetzen und etwas zu dehnen, etwa, indem ich den Kopf in den Nacken lege und an die Decke schaue. Es ist außerdem eine Gelegenheit, innezuhalten und in den Körper hineinzuhören auf der Suche nach weiteren Symptomen, die meinen momentanen Stresslevel anzeigen. So erhalte ich Informationen, die mir helfen, kleine, aber wirkungsvolle Korrekturen vorzunehmen.

Bodyscan am Schreibtisch

Je nach Umgebung und Situation kannst du diese Pause der Achtsamkeit mit offenen oder geschlossenen Augen praktizieren. Sitze aufrecht. Stell dir einen unsichtbaren Faden vor, der von deinem Steißbein aus an deiner Wirbelsäule entlang über den Hinterkopf bis zur Decke reicht, dich nach oben zieht und dabei deinen Rücken und deinen Nacken streckt. Senke die Schultern und lass die Hände auf den Armlehnen deines Bürostuhls oder in deinem Schoß ruhen. Konzentriere dich zunächst auf deine Füße: Sind sie warm oder kalt? Gibt es Stellen, an denen die Schuhe drücken? Nimm interessiert wahr, wie sich deine Knöchel, Waden, Knie, Oberschenkel anfühlen. Verweile in jedem Körperbereich ein paar Sekunden. Wenn sich Gedanken aufdrängen (Ach ja, ich brauche noch Schuhe für die Hochzeit meines Cousins! Wann kümmere ich mich darum? Meine Hose kneift. Ich sollte mal wieder ins Fitnessstudio. Kein Dessert heute Abend! Apropos ... ich habe Hunger. Wo wir wohl heute zu Mittag essen?), schiebe sie sanft zur Seite und bringe deine Aufmerksamkeit zurück zu dem Körperbereich, wo dein Scan stehen geblieben ist. Lass deine Aufmerksamkeit langsam den Rücken hochwandern und weiter zu den Schultern, den Armen und den Händen. Versuche, die Körperteile, die du gerade scannst, komplett zu entspannen. Betrachte sie, als ob du sie noch nie gesehen hättest. Nun sind Bauch, Brust, Hals und Kinn an der Reihe, danach Wangen, Lippen, Mundhöhle und Zunge. Konzentriere dich auf Augen, Augenbrauen, Stirn und Kopfhaut. Dann versuchst du, deinen Körper als Ganzes zu erfassen, wie er ruhig(er) dasitzt. Nimm dieses Körpergefühl mit in den nächsten Tagesabschnitt. Wann immer dir danach ist, kannst du mit einem Bodyscan zu deinem Körper zurückkehren, der dir jedes Mal ein bisschen vertrauter wird.

 

Passe den Ablauf des achtsamen Bodyscans an die Zeit an, die du zur Verfügung hast (vom 30-Sekunden-Schnelldurchgang bis zur entspannten, fünfminütigen Pause). Auch die Umgebung spielt eine Rolle. Zu Hause im Bett oder in deinem Auto auf dem Parkplatz hast du mehr Privatsphäre als am Schreibtisch im Großraumbüro. Dort setzt du dich ruhig hin und blickst ins Leere, daran wird sich niemand stören. Deine Kolleg*innen werden deine Pause der Achtsamkeit für ein intensives Brainstorming halten – was das positive Ergebnis voraussichtlich bestätigen wird. Mit der Zeit wirst du auch kleinste körperliche Empfindungen wahrnehmen und deine stressanfälligen Zonen genau kennenlernen. Bedanke dich für die Botschaften deines Körpers und lerne daraus. Komm zur Ruhe. Sei achtsam. Dehne dich. Erhole dich. Bewege dich. Atme. Dein Körper und dein Geist werden es dir danken.

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