Nils Holgerssons wunderbare Reise

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XXXI. Bei den Kirchen

Sonntag, 1. Mai.

Als der Junge am nächsten Morgen erwachte und sich auf das Eis hinabgleiten ließ, konnte er sich eines Lachens nicht erwehren. In der Nacht war eine Menge Schnee gefallen, und es schneite noch immer weiter. Die ganze Luft war voll weißer Flocken, die so groß waren, daß man, ehe sie fielen, gut hätte glauben können, es seien die Flügel erfrorener Schmetterlinge. Auf dem See lag der Schnee mehr als zollhoch, die Ufer waren weiß, und die Wildgänse waren so beschneit, daß sie aussahen wie kleine Schneewehen.

Von Zeit zu Zeit bewegten sich Akka oder Yksi oder Kaksi ein wenig, aber wenn sie sahen, daß es noch immer schneite, steckten sie schnell den Kopf wieder unter die Flügel. Sie fanden wohl, daß sie in einem solchen Wetter nichts Besseres tun konnten als schlafen, und darin mußte der Junge ihnen recht geben.

Einige Stunden später erwachte er von dem Läuten der Rättviker Kirchenglocken. Jetzt hatte das Schneewetter aufgehört, aber es wehte scharf aus Norden, und draußen auf dem See war es schneidend kalt. Er freute sich, als die Wildgänse endlich den Schnee abschüttelten und dem Lande zuflogen, um sich Fressen zu verschaffen.

An jenem Tage war Konfirmation in der Rättviker Kirche, und die Konfirmanden, die rechtzeitig gekommen waren, standen in kleinen Gruppen vor der Kirche und sprachen miteinander. Sie trugen alle die Tracht der Gegend, und ihre Kleider waren so neu und bunt, daß sie förmlich schimmerten. »Liebe Mutter Akka, fliege hier ein wenig langsamer,« sagte der Junge, als die Wildgänse geflogen kamen, »damit ich die jungen Leute sehen kann!« Die Führergans fand scheinbar, daß das ein billiges Verlangen war, denn sie ließ sich so tief hinab, wie sie nur konnte, und flog dreimal um die Kirche herum. Es ist nicht leicht zu sagen, wie es sich in Wirklichkeit verhielt, aber als Niels Holgersen die Knaben und die Mädchen von da oben erblickte, meinte er, nie eine Schar prächtigerer junger Menschenkinder gesehen zu haben. »Ich glaube nicht, daß es feinere Prinzen und Prinzessinnen im Schloß des Königs gibt,« sagte er zu sich selbst.

Es war ziemlich viel Schnee gefallen. In Rättvik bedeckte er alle Felder, und Akka war nicht imstande, auch nur eine Stelle zu entdecken, wo sie sich niederlassen konnte. Da besann sie sich nicht lange, sondern flog südwärts, nach Leksand hinab.

In Leksand waren, wie gewöhnlich im Frühling, die meisten der jungen Leute fortgegangen, um Arbeit zu suchen. Es waren kaum andere daheim im Dorf als die Alten, und als die Wildgänse geflogen kamen, wanderte eine lange Reihe alter Frauen durch die stattliche Birkenallee, die zur Kirche hinauf führt. Sie kamen dahergegangen auf der weißen Erde zwischen den weißstämmigen Birken in schneeweißen Schaffelljacken, weißen Pelzkleidern, gelben oder schwarz und weiß gestreiften Schürzen und mit weißen Mützen, die das weiße Haar fest umschlossen.

»Liebe Mutter Akka,« sagte der Junge, »fliege hier ein wenig langsamer, damit ich mir die alten Leute ansehen kann!« Die Führergans fand scheinbar, daß das ein billiges Verlangen war, denn sie ließ sich so tief hinab, wie sie es nur wagen konnte, und flog dreimal über der Birkenallee hin und her. Es ist nicht leicht zu sagen, wie es sich in Wirklichkeit verhielt, aber der Junge meinte, nie alte Frauen gesehen zu haben, die so klug und milde aussahen. »Diese alten Frauen sehen so aus, als wenn sie Könige zu Söhnen und Königinnen zu Töchtern hätten,« sagte der Junge zu sich selbst.

Aber in Leksand war es nicht besser als in Rättvik. Überall lag hoher Schnee, und Akka sah keinen anderen Ausweg, als die Reise südwärts bis nach Gagnef fortzusetzen.

In Gagaef hatte an jenem Tage vor dem Gottesdienst eine Beerdigung stattgefunden. Der Leichenzug war spät zur Kirche gekommen, und hinterher war das Begräbnis in die Länge gezogen. Als die Wildgänse geflogen kamen, waren noch nicht alle in die Kirche gegangen; verschiedene Frauen gingen noch auf dem Kirchhof herum und sahen nach ihren Gräbern. Sie hatten grüne Taillen an mit roten Ärmeln, und auf dem Kopf hatten sie bunte Tücher mit farbigen Fransen.

»Liebe Mutter Akka, fliege hier ein wenig langsamer,« sagte der Junge, und die Wildgans fand scheinbar, daß das ein billiges Verlangen war, denn sie ließ sich so tief nieder, wie sie es nur wagen konnte, und flog dreimal über den Kirchhof hin und her. Es ist schwer zu sagen, wie es sich in Wirklichkeit verhielt, aber als der Junge die Frauen von dort oben durch die Bäume des Kirchhofes sah, fand er, daß sie den schönsten Blumen glichen. »Sie sehen alle zusammen so aus, als wären sie auf einem Beet in des Königs eigenem Garten gewachsen,« dachte er.

Aber auch in Gagnef war nicht ein einziger Fleck, der frei von Schnee war, und die Wildgänse wußten keinen besseren Rat, als weiter gen Süden nach Floda zu fliegen.

In Floda saßen die Leute in der Kirche, als die Wildgänse geflogen kamen, aber es sollte an dem Tage eine Hochzeit stattfinden, sobald der Gottesdienst beendet war, und die Hochzeitsgesellschaft stand draußen auf dem Kirchenhügel aufgestellt. Die Braut trug eine Goldkrone über dem ausgekämmten Haar und war so mit Schmucksachen und Blumen und bunten Bändern behängt, daß einem die Augen förmlich weh taten, wenn man sie ansah. Der Bräutigam ging in einem langen, blauen Rock, in Kniehosen und roter Mütze umher. Die Bauermädchen hatten Kleider an, die an der Taille wie auch rings um den Rock mit Rosen und Tulpen bestickt waren. Die Eltern und Nachbarn folgten im Zuge in ihren bunten Trachten.

»Liebe Mutter Akka, fliege hier ein wenig langsamer,« bat der Junge, und die Führergans ließ sich so tief hinab, wie sie es nur wagen konnte, und flog dreimal über dem Kirchenhügel hin und her. Es ist schwer zu sagen, wie es sich in Wirklichkeit verhielt, aber so wie der Junge sie von hier oben sah, meinte er, eine so liebliche Braut und einen so stolzen Bräutigam und ein so prächtiges Brautgefolge könne es nirgends anders geben. »Ich möchte wohl wissen, ob der König und die Königin in ihrem hohen Schloß feiner sind,« dachte er bei sich selbst.

Aber hier in Floda fanden die Wildgänse endlich schneefreie Felder, so daß sie nicht weiter zu fliegen brauchten, um Futter zu suchen.

XXXII. Die Überschwemmung

1.-4. Mai.

Mehrere Tage lang raste ein fürchterliches Wetter in der Gegend nördlich von dem Mälarsee. Der Himmel war ganz bedeckt, der Wind heulte, und der Regen strömte herab. Menschen wie auch Tiere wußten, daß das mit dazu gehört, wenn es Frühling werden soll, aber trotzdem fanden sie, daß es kaum zu ertragen sei.

Als es einen Tag geregnet hatte, fingen die Schneemassen im Tannenwalde allen Ernstes an zu schmelzen, und in die Frühlingsbäche kam Fahrt. Alle Wasserlachen auf den Höfen, das stillstehende Wasser in den Gräben, das Wasser, das zwischen den Grasbüscheln im Moor und Sumpf hervorquoll, geriet alles in Bewegung und suchte einen Weg nach den Bächen hinauszufinden, um mit ins Meer hinausgenommen zu werden.

Die Bäche liefen, so schnell sie konnten, nach den Mälarflüssen hinab, und die Flüsse taten ihr bestes, um dem Mälar Wassermassen zuzuführen. Aber dann warfen alle die kleinen Seen in Uppland und im Bergwerkdistrikt an einem Tage die Eisdecke ab, so daß die Flüsse sich mit Eisschollen anfüllten und plötzlich bis an ihre Ufer stiegen. Und so groß wie die Flüsse nun geworden waren, stürzten sie sich in den Mälarsee, und es währte nicht lange, bis soviel Wasser dahinein gelaufen war, daß er auf keine Weise mehr aufnehmen konnte. Der Strom unten am Auslauf wurde stark, aber der Nörrström ist ein enges Fahrwasser, und er konnte das Wasser nicht so schnell, wie es nötig war, hindurchlassen. Obendrein raste ein östlicher Sturm, so daß die Wellen des Meeres in starker Brandung gegen das Land getrieben wurden und sich gegen den Strom stemmten, der süßes Wasser in die Ostsee führen wollte. Da nun die Flüsse dem Mälar unaufhörlich neues Wasser zuführten, und der Strom nicht imstande war, es fortzuführen, blieb dem großen See nichts weiter übrig, als über seine Ufer zu treten.

Er stieg sehr langsam, ganz als sei er unwillig, seinen schönen Ufern Schaden zuzufügen. Da diese aber fast überall niedrig sind und schwach abfallen, währte es nicht lange, bis das Wasser viele Ellen weit ins Land hineingelangt war, und mehr gehörte nicht dazu, um die größte Verwirrung anzurichten.

Der Mälar ist etwas ganz für sich. Er besteht aus lauter engen Föhrden, Buchten und Sunden; nirgends breitet er sich zu großen, sturmgepeitschten Flächen aus, es ist, als sei er nur zu Vergnügungsreisen und Luftfahrten und fröhlichen Fischzügen geschaffen. Und er hat so viele schöne, bewaldete Inseln, Werder und Landzungen: nirgends zeigt er uns kahle, nackte, windzerzauste Ufer; es ist, als habe er sich nie gedacht, daß sie etwas anderes tragen sollten als Lustschlösser, Landhäuser, Herrenhöfe und Vergnügungsorte. Aber vielleicht gerade weil er sich in der Regel so sanft und freundlich zeigt, entsteht so ein Spektakel, wenn er hin und wieder einmal im Frühling sein lächelndes Gesicht ablegt und zeigt, daß er allen Ernstes gefährlich sein kann.

Da es nun so schien, als wolle er eine Überschwemmung veranstalten, wurden alle Boote und Prähme, die den Winter über an Land gezogen waren, in größter Eile gedichtet und geteert, um so schnell wie möglich in den See gesetzt zu werden. Die Waschbrücken wurden an Land gezogen, und die Brücken auf der Landstraße wurden ausgebessert. Die Bahnwärter, die die Aufsicht über die Eisenbahnstrecken am See entlang hatten, gingen ununterbrochen auf den Schienen hin und her und wagten weder Tag noch Nacht zu schlafen.

 

Bauern, die Heu oder dürres Laub auf den flachen Werdern in Scheunen aufbewahrt halten, beeilten sich, es an Land zu schaffen. Die Fischer nahmen ihre Reusen und Netze herein, damit sie nicht von der Überschwemmung weggespült werden sollten. An den Fährstellen wimmelte es von Reisenden: alle, die ausreisen oder nach Hause wollten, beeilten sich, solange sie noch sicher sein konnten, daß die Überfahrt nicht unterbrochen war.

In der Nähe von Stockholm, wo am Ufer ein Landhaus neben dem anderen liegt, war die Geschäftigkeit am größten. Die meisten Villen lagen freilich so hoch oben an Land, daß für sie keine Gefahr vorhanden war, aber bei jeder Villa war ja eine Badebrücke und ein Badehaus, und die mußten in Sicherheit gebracht werden.

Doch nicht nur die Menschen wurden unruhig, wenn der Mälar anfing, über seine Ufer zu treten. Die Enten, die ihre Eier zwischen das Gesträuch am Strande gelegt hatten, die Wasserratten und die Spitzmäuse, die am Ufer wohnten und kleine hilflose Junge im Nest hatten, waren in großer Not. Selbst die stolzen Schwäne wurden ängstlich, daß ihre Nester und Eier zerstört werden könnten.

Und das waren keine unnötigen Sorgen, denn mit jeder Stunde, die verging, stieg der Mälar.

Den Weiden und Erlen, die am Uferrande wuchsen, ging das Wasser schon hoch an den Stämmen hinauf. In die Gärten war das Wasser eingedrungen und wühlte in den Gemüsebeeten auf seine eigene Weise herum, und auf den Roggenfeldern, die so lagen, daß es dahinzugelangen konnte, richtete es großen Schaden an.

Mehrere Tage lang fuhr der See fort zu steigen. Die flachen Wiesen rings um Gripsholm standen unter Wasser, so daß das große Schloß nicht nur durch einen schmalen Graben, sondern durch breite Sunde vom Lande getrennt war. In Strängnäs wurde die schöne Strandpromenade in einen brausenden Fluß verwandelt, und in Vestnås bereitete man sich darauf vor, in Booten durch die Straßen zu fahren. Ein paar Elchen, die auf einem Werder im Mälar überwintert hatten, war ihr Wohnort unter Wasser gesetzt, und sie kamen an Land geschwommen. Ganze Holzlager, Unmengen von Planken und Brettern, eine Masse Braukübel und Wassertonnen waren ins Treiben geraten, und überall waren Leute auf ihren Booten aus um zu bergen.

In dieser beschwerlichen Zeit schlich Reineke Fuchs eines Tages in einem Birkenhain herum, der eine Strecke nördlich vom Mälar lag. Wie gewöhnlich dachte er an die Wildgänse und an Däumling und sann darüber nach, wie er es anstellen sollte, sie zu finden, denn er hatte ihre Spur ganz verloren.

Als er so recht mutlos war, erblickte er die Sendtaube Agar, die auf einem Birkenzweig saß. »Gut, daß ich dich treffe,« sagte Reineke. »Du kannst mir vielleicht sagen, wo Akka von Kebnekajse und ihre Schar sich augenblicklich aufhalten.« – »Es ist ja nicht unmöglich, daß ich weiß, wo sie sind,« erwiderte Agar, »aber ich habe durchaus nicht die Absicht, es dir zu sagen.« – »Es ist auch schließlich einerlei,« entgegnete Reineke, »wenn du ihnen nur einen Gruß überbringen willst, den ich für sie habe. Du weißt, wie schlimm es in diesen Tagen am Mälar aussieht. Da ist eine große Überschwemmung, und das große Schwanenvolk, das in Hjälstaviken wohnt, ist in größter Gefahr, daß seine Nester und Eier zerstört werden. Aber der Schwanenkönig Tagklar hat von dem Männlein gehört, das mit den Wildgänsen reist und das für alles Rat weiß, und er hat mich hierher gesandt, um Akka zu fragen, ob sie nicht mit Däumling hierher nach Hjälstaviken kommen will.«

»Den Gruß kann ich ja überbringen,« sagte Agar. »Aber ich begreife freilich nicht, wie der kleine Knirps den Schwänen sollte helfen können.« – »Das weiß ich auch nicht,« sagte Reineke, »aber er übernimmt ja alles mögliche.« – »Es wundert mich auch, daß Tagklar seinen Gruß an die Gänse durch einen Fuchs entsendet,« wandte Agar ein. – »Du hast ganz recht, wir sind ja sonst Feinde,« sagte Reineke mit sanfter Stimme. »Aber wenn die Not so groß ist, muß man einander helfen. Trotzdem ist es wohl besser, wenn du Akka nicht erzählst, daß du den Gruß durch einen Fuchs erhalten hast, denn sie ist mir gegenüber ein wenig mißtrauisch.«

Die Schwäne in Hjälstaviken

Die sicherste Zufluchtsstätte für Schwimmvögel am ganzen Mälar ist Hjälstaviken, der innerste Teil der Ekolsundbucht, die wiederum eine Erweiterung des Norra Björkofjords ist, der nächstgrößten von den langen Fären, die der Mälar nach Uppland hinein sendet.

Hjälstaviken hat flache Ufer, niedriges Wasser und eine Menge Röhricht, ganz so wie der Tåkere. Die Bucht ist lange nicht so groß wie der berühmte Vogelsee, aber trotzdem ist sie eine gute Heimstätte für Vögel, weil sie seit vielen Jahren für unverletzlich gilt. Sie ist nämlich der Aufenthaltsort für ein großes Schwanenvolk, und der Besitzer der alten Königsburg Ekolsund, die in der Nähe liegt, hat alle Jagd auf der Bucht verboten, damit die Schwäne nicht gestört und geängstigt werden.

Sobald Akka Nachricht erhalten hatte, daß das Schwanenvolk ihrer Hilfe bedürfe, eilte sie nach Hjälstaviken. Sie langte mit ihrer Schar eines Abends dort an und sah sofort, daß ein großes Unglück geschehen war. Die großen Schwanennester waren losgerissen und trieben in dem starken Sturm auf der Bucht. Einige waren schon auseinandergefallen, ein paar waren umgestürzt, und die Eier, die darin gewesen waren, lagen auf dem Grunde des Sees und schimmerten durch das Wasser.

Als sich Akka in der Bucht niederließ, waren alle Vögel, die dort wohnten, am östlichen Ufer versammelt, wo sie im besten gegen den Wind geschützt waren. Obwohl sie sehr durch die Überschwemmung gelitten hatten, waren sie viel zu stolz, um ihre Betrübnis zu zeigen. »Es hat keinen Zweck zu trauern,« sagten sie. »Hier sind reichlich Röhrichtfasern und Stengel. Wir können uns bald neue Nester bauen.« Keins von ihnen hatte es sich träumen lassen, Fremde um Hilfe zu rufen, auch hatte niemand eine Ahnung davon, daß Reineke nach den Wildgänsen geschickt hatte.

Da waren mehrere hundert Schwäne, und sie hatten sich nach Rang und Stellung hingelegt; die jüngsten und unerfahrensten zu äußerst im Kreise, die alten und klugen mehr in der Mitte. Ganz im Innersten lagen Tagklar, der Schwanenkönig und Schneefried, die Schwanenkönigin, die älter waren als alle die anderen, so daß die meisten von dem Schwanenvolk ihre Kinder und Kindeskinder waren.

Tagklar und Schneefried konnten von den Tagen erzählen, wo Schwäne ihres Stammes nicht irgendwo in Schweden wild lebten, sondern nur in zahmem Zustand auf Schloßgräben und Teichen gefunden wurden. Aber dann waren ein Paar Schwäne der Gefangenschaft entronnen und hatten sich in Hjälstaviken niedergelassen, und von den beiden stammten alle die Schwäne ab, die dort wohnten. Jetzt nisteten in vielen der Mälarbuchten wilde Schwane ebenso wie auf dem Tåkern und dem Hornbörgasee. Alle diese Ansiedler waren von Hjälstaviken gekommen, und die Schwäne, die dort wohnten, waren sehr stolz darauf, daß ihr Geschlecht sich so von See zu See ausbreitete.

Die Wildgänse hatten sich zufällig an dem westlichen Ufer niedergelassen; als Akka aber sah, wo die Schwäne lagen, schwamm sie sogleich auf sie zu. Sie war selbst sehr erstaunt, daß sie nach ihr geschickt hatten, aber sie betrachtete es als eine Ehre und wollte keinen Augenblick vergeuden, wenn es sich darum handelte, ihnen zu helfen.

Als Akka in die Nähe der Schwäne kam, hielt sie mit dem Schwimmen inne, um zu sehen, ob die Gänse, die ihr folgten, in gerader Linie und mit gleich großen Zwischenräumen hinter ihr drein schwammen. »Schwimmt jetzt schnell und hübsch!« sagte sie. »Starrt die Schwäne nicht an, als wenn ihr nie etwas Schönes gesehen hättet, und kümmert euch nicht darum, was sie zu euch sagen!«

Es war nicht das erstemal, daß Akka die alten Schwanenherrschaften besuchte, und sie hatten sie immer mit der Aufmerksamkeit aufgenommen, auf die ein so weitbereister und angesehener Vogel Anspruch erheben konnte. Aber sie mochte nicht zwischen alle die Schwäne hineinschwimmen, die ringsum sie herumlagen. Sie fühlte sich nie so klein und so grau, als wenn sie zwischen die Schwäne kam, und es konnte wohl geschehen, daß der eine oder der andere von ihnen ein paar Worte fallen ließ von gewissen Leuten, die grau und häßlich waren. Das klügste aber war, so zu tun, als höre man es nicht, und schnell weiter zu eilen.

Diesmal hatte es den Anschein, als wenn alles ungewöhnlich gut gehen sollte. Die Schwäne glitten ganz still zur Seite, und die wilden Gänse schwammen gleichsam durch eine Straße, mit den großen, weißschimmernden Vögeln zu beiden Seiten. Es war sehr hübsch zu sehen, wie sie dalagen und die Flügel wie Segel ausspannten, um einen guten Eindruck auf die Fremden zu machen. Sie machten nicht eine einzige Bemerkung, und Akka war ganz erstaunt. »Tagklar hat früher von ihren Ungezogenheiten gehört und ihnen gesagt, daß sie sich wie gebildete Tiere benehmen sollen,« dachte die Führergans.

Aber als die Schwäne sich so recht bemühten, gute Lebensart zu zeigen, erblickten sie den weißen Gänserich, der in der langen Reihe der Gänse als der letzte geschwommen kam. Da ging ein Brausen der Verwunderung und der Empörung durch die Schar, und mit einem Schlage war es vorbei mit dem feinen Wesen.

»Was ist das?« rief einer von ihnen. »Wollen die wilden Gänse jetzt weiße Federn haben?«

»Sie bilden sich doch wohl nicht ein, daß sie deswegen Schwäne werden!« schrien sie von allen Seiten.

Sie riefen alle durcheinander mit ihren klangvollen, starken Stimmen. Es war nicht möglich, ihnen zu erklären, daß es eine zahme Gans sei, die mit den Wildgänsen gekommen war.

»Das ist wohl der Gänsekönig selbst, der da kommt,« spotteten sie.

»Ist das eine bodenlose Unverschämtheit!«

»Es ist ja gar keine Gans, es ist nur eine zahme Ente!«

Der große Weiße gedachte Akkas Befehl, sich nicht an das zu kehren, was sie zu hören bekämen. Er schwieg ganz still und schwamm so schnell er konnte, aber es half ihm nichts; die Schwäne wurden immer zudringlicher. »Was für eine Kröte hat er da auf dem Rücken?« fragte einer. »Sie glauben wohl, wir können nicht sehen, daß es eine Kröte ist, weil sie wie ein Mensch gekleidet ist.«

Die Schwäne, die bisher in einer so hübschen Ordnung dagelegen hatten, schwammen nun in der wildesten Verwirrung bunt durcheinander. Alle drängten sich vor, um die weiße Wildgans zu sehen.

»So ein weißer Gänserich sollte sich schämen, sich vor uns Schwänen sehen zu lassen.«

»Er ist, weiß Gott, ebenso grau wie die anderen. Er hat sich nur auf einem Bauernhof in einen Milchkübel getaucht.«

Akka war gerade bis zu Tagklar gelangt und wollte ihn eben fragen, womit sie ihm helfen könne, als er auf die Erregung aufmerksam wurde, die unter dem Schwanenvolk entstanden war. »Was ist denn da los? Habe ich nicht befohlen, daß sie höflich gegen Fremde sein sollen?« sagte er und sah sehr unzufrieden aus.

Schneefried, die Schwanenkönigin, schwamm hin, um ihre Leute in Ordnung zu halten, und Tagklar wandte sich wieder an Akku. Da kam Schneefried zurück und sah sehr erregt aus. »Kannst du sie nicht zum Schweigen bringen?« rief ihr der Schwanenkönig entgegen.– »Da ist eine weiße Wildgans,« erwiderte Schneefried. »Das ist doch wirklich ein Skandal. Es wundert mich nicht, daß sie empört sind.«

»Eine weiße Wildgans?« sagte Tagklar. »Das ist zu arg. Das gibt es ja gar nicht! Du mußt dich geirrt haben!«

Das Gedränge um den Gänserich Martin wurde immer größer, und die anderen Wildgänse versuchten, zu ihm hin zu schwimmen, aber sie wurden hin und her gepufft und konnten nicht an ihn heran gelangen.

Der alte Schwanenkönig, der der stärkste von ihnen allen war, setzte sich jetzt schnell in Bewegung, schob alle die anderen zur Seite und bahnte sich einen Weg zu dem Weißen. Aber als er sah, daß da wirklich eine weiße Gans auf dem Wasser lag, wurde er ebenso zornig wie alle die anderen. Er fauchte vor Wut, ging geradeswegs auf den Gänserich Martin los und riß ihm ein paar Federn aus. »Ich will dich lehren, du Wildgans, so aufgeputzt zu uns Schwänen zu kommen!« sagte er.

»Flieg', Gänserich Martin, flieg'!« rief Akka, denn sie sah ein, daß die Schwäne dem großen Weißen jede Feder ausrupfen würden. Und »flieg'! flieg'!« rief auch Däumling. Aber der Gänserich lag so zwischen den Schwänen eingeklemmt, daß er keinen Platz bekommen konnte, um die Flügel zu heben. Und von allen Seiten streckten die Schwäne ihre starken Schnäbel vor, um ihm die Federn auszurupfen.

Der Gänserich Martin verteidigte sich nach besten Kräften, er biß und schlug, und die anderen Wildgänse gingen auf die Schwäne los. Aber es war klar, wie das Ende hätte ausfallen müssen, wenn sie nicht ganz unerwartet Hilfe bekommen hätten.

 

Da war ein Rotschwänzchen, das hatte gesehen, daß die Wildgänse zwischen den Schwänen in die Klemme geraten waren, und es stieß sofort den scharfen Warnungsschrei aus, dessen sich die kleinen Vögel bedienen, wenn es gilt, einen Habicht oder einen Falken in die Flucht zu schlagen. Und kaum war der Ruf dreimal ertönt, als alle die kleinen Vögel der ganzen Umgegend auf blitzschnellen Schwingen in einem großen, lärmenden Schwarm nach Hjälstaviken hinabschossen.

Und diese armen, schwachen Kleinen warfen sich über die Schwäne. Sie kreischten ihnen in die Ohren, sie versperrten ihnen die Aussicht mit ihren Flügeln, sie machten sie ganz verwirrt mit ihrem Flattern, sie brachten sie ganz außer sich, indem sie riefen: »Schämt euch, ihr Schwäne! Schämt euch, schämt euch, ihr Schwäne!«

Der Überfall der kleinen Vögel währte nur wenige Augenblicke, aber als sie fort waren und die Schwäne wieder zur Besinnung kamen, da sahen sie, daß die Wildgänse sich davon gemacht hatten und auf die andere Seite der Bucht hinübergeflogen waren.