Love between us

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Z serii: Between us #2
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Love between us
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Sarah Glicker

Love between us

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Love between us

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Impressum neobooks

Love between us

Sarah Glicker

Sarah Weber

Alter Postweg 31a

48477 Hörstel

Copyright by Sarah Weber

Alle Rechte vorbehalten!

Bilderrechte: www.adobe.com

Cover: Bookcover for everyone

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!

1

Zwei Wochen ist es nun schon her, dass ich Jax verlassen habe. Obwohl man ja nicht einmal richtig sagen kann, dass ich ihn verlassen habe. Schließlich habe ich es ihm nie gesagt. Ich bin einfach abgehauen, auch wenn es vernünftiger gewesen wäre, mit ihm zu sprechen. Ihn zu fragen, was mein Bruder damit meinte. Das weiß ich, doch genau das habe ich nicht getan. Ich bin nicht einmal ans Telefon gegangen, als er mich in den Stunden und Tagen danach versucht hat zu erreichen.

Und dennoch kann man sagen, dass ich ihn verlassen habe. Sonst wäre ich am nächsten Tag hier gewesen, als er die Stadt verlassen hat.

In diesen zwei Wochen habe ich versucht mir einzureden, dass es das richtige ist. Ich habe versucht mir einzureden, dass ich nur eine weitere Frau in seiner langen Liste war und es leider nicht früher bemerkt habe. Und genauso habe ich mir versucht einzureden, dass die Hochzeit mit ihm nur ein dummer Fehler war.

Doch die Wahrheit ist, dass sich in diesem Moment, in dem ich gesagt habe, dass ich ihn liebe, dass ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen will, sich nichts dumm angefühlt hat und auch nicht falsch. Ich war so glücklich, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Und das bin ich auch jetzt noch, wenn ich daran denke, auch wenn ich noch nicht sagen kann, wie es weiter gehen wird. Beziehungsweise, ob es überhaupt weiter gehen wird.

Und das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass es mir seit seiner Abreise immer schlechter ging. Und genauso habe ich mir versucht einzureden, dass es mit der Zeit besser werden wird. Dennoch habe ich seit ein paar Tagen kaum noch etwas gegessen, da die Sehnsucht nach ihm immer schlimmer wird, anstatt besser. Ständig frage ich mich, was er gerade macht, oder mit wem er zusammen ist.

Und genau das ist es, was man mir langsam in jeder Hinsicht auch ansieht. Aber bei jedem Tag der vergeht, denke ich noch mehr an ihn und es scheint nichts zu geben, was ich dagegen unternehmen kann. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass ich bald den Verstand verliere und verrückt werde.

Rund um die Uhr frage ich mich, ob ich nicht falsch reagiert habe. Schließlich habe ich ihn nicht einmal auf diese Unterhaltung angesprochen, die ich mit angehört habe. Doch als ich versucht habe sie zu verarbeiten, schien es mir an einfachsten, nicht mehr mit ihm zu sprechen. Und all das zu vergessen, was zwischen uns vorgefallen ist. So weiterzumachen, als wäre nie etwas geschehen.

Und irgendwann auch die Scheidung einzureichen.

Auch wenn es dazu gehört, so habe ich mir bis jetzt noch keine Gedanken darüber gemacht. Und ehrlich gesagt kann ich das jetzt auch noch nicht.

Seufzend lasse ich mich in die dicken Kissen auf meinem Bett sinken und starre an meine Zimmerdecke. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, wobei ich sagen muss, dass ich das von Anfang an nicht wirklich wusste. Es kommt mir so vor, als würde es nichts geben, was mein Verhalten rechtfertigt, auch wenn es mir noch vor wenigen Tagen als der beste Schritt vorkam, den ich nur machen kann. Seitdem ist diese Gewissheit verschwunden, bis nichts mehr davon übrig geblieben ist.

Ich befinde mich in meiner eigenen Welt, sodass ich das Klingeln meines Handys nur leise wahrnehme. Langsam greife ich danach und werfe einen Blick auf das Display.

Der Name von Lana springt mir beinahe entgegen und hält mir wieder einmal vor Augen, dass es schon ein wenig her ist, dass ich mit ihr gesprochen habe. Aber nicht nur mit ihr hatte ich nicht sehr viel Kontakt.

In den letzten Wochen bin ich meinen Freundinnen aus dem Weg gegangen. Wenigstens so gut es ging. Ich weiß, dass ich das nicht ewig machen kann. Früher oder später werden sie hier auf der Matte stehen. Dann werden sie erfahren, wie schlecht es mir wirklich geht und mich fragen, wieso ich mich nicht bei ihnen gemeldet habe. Und diese Frage kann ich nicht beantworten.

Auch wenn ich eigentlich überhaupt keine Lust habe, mich zu unterhalten, und es ist egal, wer dran ist, nehme ich das Gespräch entgegen.

„Hi“, begrüße ich sie.

So gut es geht versuche ich mir meine schlechte Laune nicht anmerken zu lassen, die seit seiner Abfahrt Besitz von mir ergriffen hat. Doch Lana ist nicht umsonst meine beste Freundin. Sie kennt mich zu gut, sodass ich ihr auch nicht ausweichen kann. Und das ist mir bewusst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie etwas merkt.

„Zieh dich an und dann werden wir etwas unternehmen, ich kann mir das nicht mehr länger mit ansehen. Langsam ist es wirklich genug. Die anderen wissen schon Bescheid, wir treffen sie am Pier. Und du brauchst überhaupt nicht mit Ausreden anzukommen. Das ist eine beschlossene Sache, wo du keine Chance hast, dich dieser zu entziehen.“

„Lana“, sage ich, obwohl ich die Entschlossenheit in ihrer Stimme höre und daher weiß, dass ich eigentlich überhaupt keine Chance habe. Dennoch versuche ich es. „Ich habe wirklich keine Nerven dafür. Macht ihr euch einen schönen Nachmittag und wir treffen uns in den nächsten Tagen“, schlage ich vor.

„Ihr hattet zwar eine Hochzeit in Las Vegas ohne uns, so ist er doch dein Ehemann und es ist normal, dass man den vermisst. Vor allem nachdem, was du mit angehört hast, ist es okay, wenn man den Kopf hängen lässt und von nichts und niemanden mehr etwas wissen will. Das kann ich verstehen, wirklich. Irgendwann wirst du mit ihm sprechen müssen, damit ihr das endlich klären könnt. Und du kannst mir glauben, dass ihr das bald machen müsst. Ich finde zwei Wochen Funkstille für ein frisch verheiratetes Paar nämlich sehr viel. Aber davor solltest du dir selber Gedanken über alles gemacht haben. Und das kannst du nur, wenn du den Kopf freihast. Wir wollen dir helfen. Ich bin mir sicher, dass er dich liebt und nicht glücklich darüber wäre, dich so zu sehen.“

Bei ihren Worten kommen mir die Tränen. In den letzten Wochen habe ich genug geweint, sobald er mir auch nur eine Nachricht geschrieben hat, sodass meine Augen mittlerweile geschwollen sind und schmerzen. Am Anfang habe ich sie noch gelesen. Ich hatte die Hoffnung, dass er mir schreibt, dass es ein Fehler war und er die Scheidung einreicht, und es mir so ein wenig leichter macht. Stattdessen stand in jeder Nachricht, wie sehr er mich liebt und dass er mir die Zeit geben will, die ich brauche. Das er mich aber nicht aufgeben wird. Aus diesem Grund habe ich sie irgendwann nur noch gelöscht.

„Okay“, willige ich ein, nachdem darüber nachgedacht habe.

Zum einen möchte ich mich wirklich mit meinen Freundinnen treffen. Ich habe keine Lust noch einen Tag länger in meinem Schlafzimmer zu verbringen. Zum anderen weiß ich aber auch, dass ich keine Chance gegen Lana habe. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie es durch. Auch wenn sie dafür herkommen muss, um mich zu holen. Und ich würde ihr zutrauen, dass sie genau das machen wird.

 

„Gut, dann bis gleich.“ Mehr sagt sie nicht, sondern legt einfach auf.

Ein paar Sekunden schaue ich mein Handy einfach an. Es zeigt mir Nachrichten an, die von Jax und meinem Bruder sind. Doch ich beschließe, dass ich sie erst lesen werde, wenn ich wieder zu Hause bin.

Um zu verhindern, dass Lana, Liana und Savannah doch noch hier auftauchen, stehe ich schnell auf, mache mich fertig und fahre zum vereinbarten Treffpunkt. Auch, wenn mir nicht danach ist.

Als ich dort ankomme kann ich meine Freundinnen bereits von weitem erkennen. Als ich registriere, wie ungeduldig sie sich nach mir umsehen überlege ich kurz, ob ich nicht einfach wieder verschwinden soll. Noch haben sie mich nicht entdeckt. Doch genauso schnell, wie mir dieser Gedanke gekommen ist, schiebe ich ihn auch wieder zur Seite.

Ich weiß nicht, ob Jax und ich nochmal wieder ein Paar werden. Da will ich meine Freundinnen nicht vor den Kopf stoßen.

Ein letztes Mal straffe ich die Schultern und atme tief durch. Dann setze ich mich in Bewegung und gehe auf sie zu.

Kaum haben sie mich bemerkt, kommen alle auf mich zu und schließen mich in ihre Arme. Fest umarmen sie mich und machen auch keine Anstalten, sich wieder von mir zu lösen. Ich muss zugeben, dass es mir guttut und mir auch einen Teil meiner Sorgen nimmt. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Denn sofort schummelt sich Jax wieder in meine Gedanken.

„Ich bin mir sicher, dass es sich von ganz alleine regeln wird. Ihr wart ein süßes Paar, auch wenn Mason nichts davon wissen durfte. Und auch wenn ich ein wenig schimpfen muss, weil ich gerne bei der Hochzeit gewesen wäre.“ Savannah sieht mich halb mahnend und halb mitfühlend an.

„Waren?“, erkundigt sich nun Liana und betrachtet Savannah. „Das sind sie noch immer und werden es auch immer sein. Denn wie du schon so schön gesagt hast, es wird sich von alleine regeln. Die beiden gehören einfach zusammen.“

„Würdet ihr vielleicht aufhören euch so zu unterhalten, als würde ich nicht daneben stehen?“, frage ich und schaue sie nacheinander an.

„Entschuldige.“ Liana verzieht das Gesicht. Ich kann ihr das schlechte Gewissen ansehen, doch das muss sie nicht haben.

„Und könnten wir uns vielleicht über etwas anderes unterhalten?“, frage ich nun, bevor sie noch etwas zu diesem Thema sagen können.

Ich bin hier, um mich endlich mal mit etwas anderem zu beschäftigen. Etwas, was nichts mit meinem Ehemann zu tun hat. Auch wenn ich nicht sagen kann, ob mir das wirklich gelingt. Schließlich steht da noch immer dieses Problem zwischen uns und das gefällt mir überhaupt nicht.

„Klar“, erwidert Lana, wobei ich weiß, dass sie sich nicht sicher ist, ob es wirklich die richtige Antwort ist. „Ich dachte mir, dass wir vielleicht shoppen gehen und etwas essen. Die beste Medizin gegen alles.“

„Du kannst uns berichten, wie es zwischen dir und meinem Bruder läuft“, erwidere ich.

Frech grinse ich sie an. Es kommt mir so vor, als wäre es einfacher, mich mit den beiden zu beschäftigen, als mit meinen eigenen Problemen. Auch wenn ich mir sehr wohl darüber bewusst bin, dass die beiden wieder ganz schnell zu meinem Problem werden können, wenn es zwischen ihnen Streit gibt.

„Eigentlich gibt es da nicht sehr viel zu berichten.“ Lana entfernt sich ein paar Schritte und wartet darauf, dass wir ihr folgen. Erst dann spricht sie weiter.

„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Savannah ist nicht überzeugt. Und irgendwie bin ich auch das nicht.

„Es ist wirklich so. Seitdem er wieder weg ist, haben wir ein paar Mal miteinander telefoniert und geschrieben. Und nachher werde ich mich ja auch schon auf den Weg nach San Francisco machen für die nächsten Tage. Ich kann nicht sagen, wann wir uns treffen werden. Mason hat auch nichts gesagt, wann er das nächste Mal in Los Angeles ist.“

Lana zuckt mit den Schultern. Doch ich frage mich, ob sie wirklich so gleichgültig ist, wie es gerade den Anschein macht. Jedoch beschließe ich, dass ich nichts weiter dazu sagen werde. In gewisser Weise kann man nämlich festhalten, dass es zwischen den beiden genauso schwierig ist, wie zwischen Jax und mir. Falls ich nicht einfach viel zu übertrieben reagiert habe.

In den nächsten Stunden schaffen es meine Freundinnen, dass es mir etwas besser geht, als ich wieder nach Hause fahre. Allerdings nur etwas. Meine Hauptaufmerksamkeit liegt nämlich immer noch auf Jax. Und ich bin mir sicher, dass es auch noch eine Weile so sein wird, bis ich endlich mit ihm gesprochen habe. Doch das ändert nichts daran, dass ich es einfach nicht kann.

Irgendetwas hindert mich noch immer daran und das gefällt mir überhaupt nicht. Und das einzige, was mich daran hindert, ist wahrscheinlich die Gewissheit, dass ich nicht weiß, was eine Unterhaltung ergeben wird. Ich habe nämlich Angst davor, dass wir uns trennen.

Als ich vom Parkplatz fahre, überlege ich, wie ich so etwas am besten angehen könnte und vor allem, wann ich das am besten mache. Es wird keine leichte Unterhaltung werden, das steht fest. Genauso wie es keine schnelle Unterhaltung werden wird. Nein, es gibt so einiges, über das wir uns unterhalten müssen. Nur dafür gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt, am Telefon möchte ich das auf jeden Fall nicht machen.

Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich es endlich durch die volle Stadt geschafft habe und in unserem ruhigeren Wohngebiet angekommen bin. Doch in der Sekunde, in der ich über eine der zahlreichen kleinen Kreuzungen fahren will, spüre ich, wie ein Ruck durch meinen Wagen geht.

Er sorgt dafür, dass ich in den Sitz gedrückt werde und mein Kopf nach hinten fällt. Benommen versuche ich herauszufinden, was hier gerade geschieht, doch das kann ich nicht wirklich. Das einzige, was ich mit Gewissheit sagen kann ist, dass mein Wagen noch immer weiter nach vorne geschoben wird.

Als ich realisiere, dass das Auto hinter mir, mich direkt auf einen Baum zuschiebt, der sich auf der anderen Straßenseite an der Ecke befindet, trete ich instinktiv auf die Bremse und versuche stehenzubleiben.

Doch dieser Versuch, die Kontrolle über meinen Wagen wieder zu bekommen, scheitert. Ich schaffe es zwar, die Geschwindigkeit ein wenig zu vermindern, doch er bleibt nicht stehen.

Gleichzeitig wünsche ich mir, dass ich den Fahrer irgendwie auf meine missliche Lage aufmerksam machen kann.

Als ich einen Blick in den Rückspiegel werfe, kann ich ihn nicht richtig erkennen. Was ich erkennen kann, reicht jedoch aus, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

Das Gesicht des Fahrers ist vermummt. Nur ein kleiner Schlitz sorgt dafür, dass er selber etwas erkennen kann. Ich weiß zwar nicht, was hier genau los ist. Doch ich weiß, dass ich ein Problem habe, wenn ich meinen Wagen nicht wenigstens ein wenig abbremsen kann. Dann werde ich nämlich mit voller Geschwindigkeit irgendwo drauf fahren.

Verzweifelt versuche ich mein Lenkrad zur Seite zu ziehen, um ihm zu entkommen. Aber ich schaffe es auch so nicht, auf eine freie Fläche zu kommen, wo mir nichts mehr im Weg steht und ich von hier verschwinden kann.

Mit viel zu hoher Geschwindigkeit krache ich gegen ein parkendes Fahrzeug, was sich auf der anderen Straßenseite befindet. Auch wenn ich versucht habe, mich darauf vorzubereiten, werde ich nach vorne geschleudert.

Obwohl ich angeschnallt bin, werde ich mit so einer extremen Wucht nach vorne gerissen, dass ich mit dem Kopf gegen das Lenkrad knalle. Und das ist der Moment, in dem ich nicht mehr viel mitbekomme. Falls ich überhaupt noch etwas wahrnehme.

Benommen hebe ich ihn und versuche mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Ich versuche nach jemanden Ausschau zu halten, doch weit und breit gibt es keine Menschenseele. Am helllichten Tag und mitten auf der Straße bin ich auf mich alleine gestellt.

Ich versuche mich auf einen Punkt zu konzentrieren, den Gurt zu öffnen und auszusteigen, schaffe es jedoch nicht. Es dauert nicht lange, bis ich merke, wie ich das Bewusstsein verliere. Es ist egal, wie sehr ich dagegen ankämpfe.

Das einzige, was ich für einen kurzen Augenblick noch wahrnehme, ist der Qualm, der vom Motor aufsteigt.

2

Schmerzen.

Unerträgliche Schmerzen.

Das ist das einzige, was ich in dieser Sekunde spüren kann. Sie sorgen dafür, dass ich nicht in der Lage bin meine Augen zu öffnen, geschweige denn mich zu bewegen. Es ist das, was ich gerade am meisten machen will. Ich will erfahren, wo ich bin. Ich will erfahren, was passiert ist. Ich will erfahren, wieso ich mich nicht bewegen kann.

Beinahe verzweifelt versuche ich meine Augenlider wenigstens ein Stück zu öffnen, egal was für Schmerzen ich empfinde. Doch je mehr ich es versuche, umso schlimmer werden sie.

Als ich spüre, wie sich etwas auf mich legt, zucke ich erschrocken zusammen. Doch alleine das sorgt dafür, dass die Schmerzen noch schlimmer werden, auch wenn ich das überhaupt nicht für möglich gehalten habe. Dies ist nur für den Bruchteil einer Sekunde der Fall. Dann verschwinden sie. Zwar nicht schnell, aber ich bin einfach nur froh darüber, dass sie etwas nachlassen.

Sanft bewegt sich etwas auf mir und vertreibt sie, sodass es nicht lange dauert, bis ich mich besser fühle. Doch das ändert nichts daran, dass es mir noch immer schwerfällt die Augen zu öffnen. Eine noch nie da gewesene Müdigkeit hat von mir Besitz ergriffen. Doch ich zwinge mich dazu. Schon alleine um zu erfahren, dass ich das alles nur geträumt habe. Auch, wenn das ein ziemlicher Alptraum gewesen wäre. Doch ich muss es einfach wissen.

Ein letztes Mal atme ich durch, bevor ich noch einen Versuch unternehme. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis mir das endlich gelingt. Nachdem ich es geschafft habe, sie ein winziges Stück zu öffnen, werde ich von einem gedämpften Licht empfangen. Es blendet mich nicht, sodass ich sie noch ein Stück öffnen kann. Suchend blicke ich mich nach rechts und nach links um. Soviel kann ich leider nicht erkennen, da ich liege. Es ist aber genug um festzustellen, dass ich mich in einem Krankenhauszimmer befinde. Diese trostlosen Wände und der Geruch können nur zu einem Krankenhaus gehören.

Ich weiß nicht so genau, ob ich froh darüber sein soll oder nicht. Zum einen bedeutet es, dass ich in Sicherheit bin, zumindest hoffe ich das. Zum anderen aber auch, dass dieser Unfall wirklich geschehen ist. Ich habe ihn nicht geträumt. Und das wiederum ist etwas, was mir überhaupt nicht gefällt. Es bedeutet nämlich, dass mich wirklich ein anderes Auto von der Straße geschoben hat.

Seufzend schließe ich wieder die Augen, um die Kopfschmerzen unter Kontrolle zu bekommen, die sich erneut melden. Doch es bringt nichts. Es dauert nicht lange bis es mir vorkommt, als würde mein Kopf in tausend Teile zerspringen.

Wieder spüre ich, wie etwas sanft über mich fährt. Dieses Mal schaue ich auf die Stelle und erkenne eine Hand, die mich streichelt. Doch sie sorgt nicht dafür, dass ich in Panik verfalle. Nein, es ist eher das Gegenteil der Fall. Ich entspanne mich und sie nimmt mir die Panik, die über mich kommen will.

Ich schaue das Tattoo an, welches sich darauf befindet und werde noch ruhiger. Denn ich weiß, wem sie gehört.

Jax.

Sein Name ist der einzige, der mir gerade durch den Kopf geht. Obwohl das nicht einmal richtig ist. Er ist nicht nur der einzige Name, sondern allgemein das einzige, woran ich gerade denken kann. Das einzige, an das ich denken will. Das Gesicht meines Ehemannes erscheint vor meinem inneren Auge und sorgt dafür, dass mir wärmer wird.

Seine Hand liegt auf meiner und streichelt mich immer wieder. Ich begutachte sie. Erst dann drehe ich meinen Kopf in seine Richtung.

Jax liegt direkt neben mir. Sein Gesicht ist meinem so nah, dass ich ihn ohne Probleme küssen könnte. Doch das mache ich nicht. Ich weiß nicht genau, was es ist, doch irgendetwas hindert mich gerade daran. Unter anderem auch die Tatsache, dass ich mich keinen Zentimeter bewegen kann, ohne vor Schmerzen zu stöhnen.

Seine Augen sind geschlossen und seine Atmung ist ruhig, sodass ich nicht mit Gewissheit sagen kann, ob er schläft oder wach ist. Ich kann nicht einmal genau sagen, ob er wirklich hier ist oder ich es mir nur so sehr wünsche, dass ich es bereits träume.

Doch gerade ist das nur nebensächlich. Sollte ich träumen, will ich noch eine ganze Weile schlafen, denn die Schmerzen, die er mir nimmt, sind echt. Und wenn er wirklich bei mir ist, will ich die Nähe genießen. Die Nähe, nach die ich mich in den letzten Tagen und Wochen so sehr gesehnt habe. Die Nähe, die ich noch zu keinem anderen Mann gespürt habe.

 

Die nächsten Minuten schaue ich ihn einfach an. Alles an ihm sauge ich in mir auf, da ich nicht weiß, wann er wieder verschwindet. Beziehungsweise ich versuche es. Die Wahrheit ist nämlich, dass Jax es zwar schafft, mir einen Teil meiner Schmerzen zu nehmen, doch leider nicht alle.

Die nächsten Sekunden scheinen ewig zu dauern. Doch dann beobachte ich ihn, wie er die Augen öffnet und langsam registriert, dass ich wach bin. Ein sanftes Lächeln erhellt sein Gesicht, während er mich betrachtet.

„Hi“, flüstere ich so leise, dass ich es selber kaum verstehen kann. Meine Stimme ist brüchig und mein Mund trocken. Dennoch will ich nicht schweigend neben ihm liegen.

„Hi“, gibt er genauso leise zurück. Jax streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Wieso hast du mich nicht geweckt?“

Ich erkenne die Besorgnis in seiner Stimme und habe direkt ein schlechtes Gewissen. Doch sie zeigt mir auch, dass er wirklich bei mir ist. Und alleine dieses Wissen lässt all meine Schmerzen in den Hintergrund treten.

Nachdem ich ihn prüfend beobachtet habe, erkenne ich, wie fertig er aussieht. Um genau zu sein sieht er so aus, wie ich mich fühle. Sein Gesicht ist blass, als hätte er schon lange nicht mehr richtig geschlafen. Sein Blick wirkt verloren und gleichzeitig auch unsicher.

„Ich ...“, beginne ich, breche aber schnell ab. Ihm zu sagen, dass ich mir nicht sicher war, ob er wirklich hier ist oder nicht, ist in meinen Augen total kindisch. Ich ziehe es vor den Mund zu halten.

Sanft streicht er mir über die Stirn und stützt sich auf dem Ellbogen ab, um mich besser betrachten zu können. Ein freches Grinsen erhellt sein Gesicht, was mir eindeutig schon besser gefällt.

„Lass mich raten, du wusstest nicht, ob ich wirklich hier bin“, stellt er mit einem leichten Schmunzeln fest. Mehr als ein Nicken bekomme ich nicht zustande.

Sanft lächelt er mich an und küsst mich dann. Dieser Kuss weckt alles in mir. Obwohl das nicht der richtige Ausdruck ist. Anders kann ich es aber nicht beschreiben.

Mit nur einer einzigen Berührung schafft er es, dass es mir vorkommt, als hätte es die letzten zwei Wochen nicht gegeben. Ich muss mir in Erinnerung rufen, dass es sie gab. Auch, wenn ich es nicht will.

Ich will mich auf ihn konzentrieren, auf die Gefühle, die er in mir wach ruft. Und nicht auf das, was zwischen uns war. Dennoch kann ich es nicht verhindern.

„Du bist meine Ehefrau. Wieso sollte ich nicht hier sein? Ich liebe dich und will überhaupt nicht woanders sein. Und erst recht jetzt nicht, wo du einen Unfall hattest.“ Eindringlich sieht er mich an. Jax lässt keinen Zweifel daran, dass er es genauso meint, wie er es sagt.

Er hat noch nicht einmal ausgesprochen, als ein paar Tränen über meine Wangen laufen. Ungehindert rinnen sie mir übers Gesicht und suchen sich einen Weg, bis sie das Kissen erreicht haben. Ich will es nicht, kann es aber auch nicht verhindern. Es kommt mir so vor, als würden all die Emotionen, die sich angesammelt haben, endlich herauskommen. Dabei ist es egal, ob es gute oder schlechte sind. Auch wenn ich gedacht habe, dass ich nicht noch mehr weinen kann, als ich es bereits gemacht habe. Der einzige Unterschied ist, dass ich jetzt nicht einmal sagen kann, wieso ich eigentlich genau weine.

„Ich habe nicht gedacht, dass du herkommst.“

„Als ich von deinem Unfall erfahren habe, habe ich Panik bekommen. Ich habe mir gewünscht, dass ich in dem Auto gewesen wäre und nicht du. Und als ich auch noch erfahren habe, dass du bewusstlos bist, hatte ich Angst, dass ich dich verliere. Schließlich wusste ich nur das, was ich von Mason erfahren habe. Und der wusste selber nicht sehr viel.“

Seine Stimme bricht. Mir wird klar, dass ich ihm unrecht getan habe. Ich weiß, dass wir zwar noch darüber sprechen müssen, doch ich weiß, dass die letzten zwei Wochen alleine meine Schuld waren. Hätte ich mich nicht so verhalten, wären wir nicht in dieser Lage gelandet und vielleicht würde ich auch nicht hier liegen.

Diese Feststellung sorgt nicht unbedingt dafür, dass es mir besser geht. Doch es ist die Wahrheit.

Jax liebt mich. Er würde mich nicht verletzen, denke ich.

„Nicht weinen“, versucht er meine aufgebrachten Nerven zu beruhigen.

„Ich liebe dich“, wispere ich mit von Tränen erstickter Stimme.

„Ich glaube, wir müssen einiges besprechen. Aber das werden wir nicht jetzt und nicht hier machen. Ein Krankenhaus ist definitiv nicht der geeignete Ort. Jetzt zählt nur, dass wir wieder zusammen sind und du schnell wieder gesund wirst. Irgendwann werden wir die nötige Ruhe dafür haben.“

Liebevoll sieht er mich an. Es gibt einige Dinge, die mir durch den Kopf gehen. Ich will mich bei ihm entschuldigen, dass ich nicht auf eine seiner zahlreichen Nachrichten geantwortet habe. Ich will mich bei ihm entschuldigen, dass ich ihm nicht gesagt habe, was ich mit angehört habe. Vor allem will ich mich aber dafür entschuldigen, dass ich ihn nicht schon viel eher darauf angesprochen habe.

Doch Jax hat recht. Es kann warten, bis es mir wieder besser geht und ich hier wieder raus bin. Gerade will ich mich nur an ihn lehnen und die Schmerzen vergessen, die mich wieder fest im Griff haben.

„Ich werde einen Arzt holen, damit er dich untersuchen kann“, sagt Jax und will aufstehen. Bevor er das machen kann, greife ich aber nach seinem Handgelenk und hindere ihn so daran.

„Nein“, sage ich bestimmt. „Bleib bei mir. Ich will gerade mit keinem Arzt sprechen. Erzähl mir lieber, was genau bei diesem Unfall passiert ist. Es war doch ein Autounfall, oder?“

Er kann einen Dickkopf haben. Doch den habe ich auch. Und das weiß er auch. Und ich weiß wiederum, dass er hin- und hergerissen ist. Doch nun bin ich es, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie es ernst meint. Bevor ich mich mit einem Arzt auseinandersetze, der wahrscheinlich noch weitere Untersuchungen macht, will ich wenigstens die Kopfschmerzen vorher ein wenig verloren haben.

„Okay“, stimmt er schließlich zu, scheint sich jedoch nicht sicher zu sein, ob es wirklich die richtige Antwort ist. Darauf gehe ich allerdings nicht ein. Glücklich darüber lächle ich ihn an und lasse mich noch tiefer in die Kissen sinken. „Aber bist du dir sicher, ob du dich darüber unterhalten willst?“

„Ich brauche ein wenig Ablenkung von den Schmerzen.“

„Woran kannst du dich noch erinnern?“

Wieder habe ich die Bilder vor Augen, wie ich gegen einen anderen Wagen geschoben werde. Es waren nur wenige Augenblicke, doch mir kamen sie eindeutig länger vor. Und das ist auch jetzt noch so.

„Nicht mehr viel. Ich weiß noch, dass ich versucht habe den Wagen auf eine freie Fläche zu bringen, irgendwo auf die Straße. Doch er ist zur Seite gedrückt worden, sodass ich gegen einen Wagen gefahren bin. Wahrscheinlich war das auch gar nicht so schwer, da die Kreuzung sehr klein ist und ich nur etwas abgebremst habe.“

Bei meinen Worten kann ich beobachten, wie Jax sich anspannt. Seine Lippen bilden eine dünne Linie und der Kiefer ist angespannt. Seine Hand ballt sich sogar kurz zur Faust. Als er merkt, dass es mir aufgefallen ist, entspannt er sich schnell wieder. Dennoch weiß ich, dass es ihm schwerfällt.

Ich komme nicht drum herum mir vorzustellen, was ich machen würde, wenn er hier liegen würde. Ich wäre durchgedreht.

„Konntest du den Fahrer erkennen?“ Seine Lippen bewegen sich nicht, während er spricht.

Ich habe das Gefühl, als würde ich ihn enttäuschen, wenn ich Nein sage. Obwohl es die Wahrheit ist. Dennoch will ich ihm eine Antwort geben. Ich schüttle den Kopf und verziehe ein wenig das Gesicht. So zeige ich ihm, dass ich mir darüber bewusst bin, dass ich keine große Hilfe bin.

„Die Polizei versucht ihn zu finden. Doch da du ihn auch nicht erkannt hast, stehen die Chancen wohl nicht sehr gut, dass er auch wirklich wieder auftaucht.“

Ich spüre, dass ihm das nicht gefällt. Und dem kann ich mich nur anschließen. Zu gerne würde ich erfahren, wem ich es zu verdanken habe, dass ich hier liege. Dennoch ziehe ich es vor, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Ich will mich jetzt nicht mit dem Mann befassen. Zumal ich eh nicht sagen kann, wer er eigentlich ist.

„Woher weißt du das alles?“, erkundige ich mich stattdessen.

„Das ist wirklich eine interessante Geschichte, die ich dir nicht vorenthalten möchte. Deine Eltern haben es versucht, also etwas in Erfahrung zu bringen. Allerdings gab es da ein kleines Problem. Die Polizisten durften ohne mein Einverständnis nichts herausgeben. Durch die Hochzeit bin ich dein nächster Angehöriger geworden. Was soll ich sagen? Auf diesem Weg haben sie dann auch gleich erfahren, dass wir verheiratet sind.“

Schlagartig macht sich ein schlechtes Gewissen in mir breit. Mal abgesehen von meinen Freundinnen, habe ich niemanden von der Las Vegas Hochzeit erzählt. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass es sich nie ergeben hat und dann war Jax schon weg und ich war mit meinen Problemen beschäftigt, von denen meine Mom dann erst Recht nichts wissen sollte. Ich bin mir sicher, dass sie sich bereits gedacht hat, dass etwas passiert sein muss.

„Und Mason wahrscheinlich auch.“

„Ja, das ist die nächste interessante Geschichte.“

„Oh Mann“, seufze ich.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen will, was als Nächstes kommt oder nicht. Doch ich bin mir sicher, dass ich es wissen muss, um meinem Bruder gegenüber treten zu können.