Phönixliebe

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4


Samanthas Traum erschien ihr so real. Sie lief durch den Garten Eden und betrachtete das wunderschöne Paradies, in dem man ganz offensichtlich keinerlei Sorgen kannte. Am liebsten wäre sie auf ewig hiergeblieben und hätte den Frieden und die Stille genossen. Sie hörte Vogelgezwitscher, lauschte dem Wind in den Bäumen, der die Blätter rascheln ließ, und genoss die Sonnenstrahlen. Ein wahrhaftes Paradies!

So sollte es jedoch nicht bleiben, denn dunkle Wolken zogen auf und Blitze schlugen neben ihr in den Boden. Mit wachsender Angst setzte sich Sam in Bewegung und rannte los. Ihre Beine trugen sie rasch davon, doch das hielt die Blitze nicht auf. Plötzlich stolperte sie und fiel nach vorn.

Eiskaltes Wasser wollte sie ertränken und sie strampelte, um ans rettende Ufer zu kommen. Sie schaffte es jedoch nicht. Etwas wickelte sich um ihre Beine und hielt sie fest. Der Boden war so rutschig, dass sie ebenfalls keinen Halt fand.

›Ich brauche Luft‹, schoss es Samantha noch durch den Kopf, bevor ihr schwindelig wurde. ›Ich sterbe hier!‹

»Halt still!«, brüllte eine ihr vertraute Stimme und sie tat instinktiv ihr Möglichstes, dieser Anweisung zu folgen.

Eine Hand streckte sich ihr entgegen und Finger schlossen sich um ihr Handgelenk. Erleichterung durchfuhr ihren Körper, als sie spürte, dass er es wirklich war. Tobi war gekommen, um sie zu retten. Mit einem kräftigen Ruck zerrte er sie aus dem Wasser. Tobias keuchte, während er sie kurz fest an sich drückte. Samanthas Herz klopfte bei dieser Geste wie verrückt. Sie musste sich beherrschen, ihren Vampirgenen nicht nachzugeben, die auf einmal nach Blut verlangten. Tobis Blut.

»Du bringst mich irgendwann noch ins Grab, Kleines. Bist du in Ordnung?«, erkundigte er sich neben ihr und Sam nickte. Sie setzte sich zitternd auf und rang nach Luft. »Ich bringe dich zurück ins Haus.«

Als sich Tobias dem Herrenhaus zuwandte, erstarrte Sam und stellte sich vor, wie ihre Mutter reagieren würde. Sie durfte auf keinen Fall etwas von Samanthas nächtlichem Ausflug erfahren! Das würde ihr nur noch mehr Sorgen bereiten.

»Tobi, bitte nicht. Könnte ich heute Nacht nicht bei dir bleiben? Mutter wäre sicherlich beunruhigt, wenn sie etwas mitbekommt«, bettelte sie und erspähte, dass seine ernste Miene weicher wurde. Er betrachtete sie eingehend mit den grau-blauen Augen.

»Gehen wir erst einmal rein. Wir holen uns hier noch den Tod. Na ja, zumindest ich.«

Er half Sam auf die Beine und sie gingen langsam nebeneinander her. Samantha hatte dieses Haus immer gemocht. Es war nicht sonderlich groß, kein Vergleich zum Herrenhaus, doch die Einrichtung war geschmackvoll und gemütlich. Sie fühlte sich darin wohl, vor allem, weil es Tobias´ Wesen widerspiegelte.

»Setz dich. Ich hole dir etwas Trockenes zum Anziehen«, raunte Tobi nun und Sam sah an ihrem Körper hinab.

Sie trug ihr rosafarbenes Seidennachthemd, welches nass so gut wie durchsichtig war. An einer Seite hatte es einen langen Riss, der ihre Beine frei zur Schau stellte. Spontan lief sie rot an und versuchte, sich zu bedecken. Eigentlich war es dazu bereits zu spät. Tobi war zwar gut erzogen, aber definitiv nicht blind. Am liebsten wäre Samantha im Erdboden versunken.

Er kam mit einem seiner T-Shirts und einer Boxershorts zurück, sowie einem kuscheligen Bademantel. Tobias reichte ihr die drei Kleidungsstücke und deutete auf die Tür, hinter der sich ein kleines Badezimmer befand.

»Ich werde mich auch kurz umziehen«, brummte er und verschwand erneut im oberen Stockwerk.

Schnell lief Sam ins Bad und schlüpfte in die trockenen Klamotten. Als ihr Blick in den Spiegel fiel, hätte sie am liebsten geflucht. Sie sah schrecklich aus! Blass und die Haare wild durcheinander. Rasch kämmte sie sich mit den Fingern, um erneut Ordnung in ihre blonden Strähnen zu bekommen. Sam ließ die nassen Kleider zurück und stolperte dann hinaus, um sich erneut zu Tobi zu gesellen, der die Treppe heruntergelaufen war. Ihr Herz klopfte wie wild bei dem Gedanken daran, in seiner Nähe sein zu können.

Tobias stand im Wohnzimmer und warf Samantha einen seltsamen Blick zu, als sie, so im T-Shirt und Boxershorts gekleidet, hereinkam. Was diese Miene wohl zu bedeuten hatte?

»Hast du Hunger? Ich wollte mir gerade etwas zu essen machen«, murmelte er und Sam war dankbar für diesen Vorschlag.

Sie hoffte, nicht mehr ganz so verkrampft zu sein, wenn sie Tobi beim Kochen helfen konnte. Ein kleiner Ausflug in alte Zeiten, denn früher hatten sie viel miteinander unternommen. Wie sehr sie es in ihrer Kindheit geliebt hatte, seine Nähe zu suchen und sich der Aufmerksamkeit des Mannes sicher sein zu können.

»Was gibt es denn?«

»Wie wäre es mit Spagetti? Die mochtest du früher zumindest sehr gern.« Er lächelte und wirkte einen kurzen Moment wie der Tobi von damals.

»Die mag ich noch immer. Spagetti Bolognese?«

»Ja, ich glaube, das kann ich gerade so zaubern«, raunte er.

Tobias hielt ihr wie früher die Hand hin und sie ergriff diese ohne Zögern. Es fühlte sich gut an. Intim und richtig.

›Ob er mitbekommt, wie nervös ich bin? Bitte, lass ihn nicht denken, dass ich immer noch ein verwöhntes Kind bin!‹, ging es Samantha durch den Kopf und erzitterte leicht.

Benediktas Worte fielen ihr wieder ein:

»Ich möchte, dass du heute etwas unternimmst. Es geht so echt nicht weiter.«

Ob sie es tatsächlich riskieren sollte? Aber was, wenn sie dadurch alles verlor?

›Was hast du denn schon? Einen Mann, den du aus der Ferne beobachtest?‹, sagte eine leise Stimme in ihr.

Was hatte sie also zu verlieren?

5


Tobias war durcheinander. Es war einfacher gewesen, Samantha aus der Ferne zu beobachten. Er geriet völlig aus dem Konzept, als sie nun neben ihm stand. Früher hatte ihn das Kind Sam verzaubert. Bereits nach dem ersten Blick auf sie war er verloren gewesen, doch jetzt mit ihren neunzehn Jahren war sie atemberaubend schön. Ihr blondes langes Haar, das sie meist offen trug, die türkisfarbenen Augen und die elfengleiche Art, sich zu bewegen. Sie war etwas Besonderes für ihn.

»Dein Kühlschrank ist vollgestopft mit Sachen, die ich gern esse. Macht mich das zu einer verfressenen Göre oder dich zu einem einseitigen Einkäufer?« Samantha zwinkerte ihm zu, während sie ihn ansah und Tobias fühlte sich auf gewisse Weise ertappt. »Entschuldige, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Es ist mir nur aufgefallen.«

»Ich werde es überleben.«

Er stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd und begann die Zutaten für die Spagetti Bolognese aus dem Kühlschrank zu räumen. Als Nächstes kam das Hackfleisch in die Pfanne. Sam goss währenddessen die passierten Tomaten in einen weiteren Topf und begann diese zu würzen. Obwohl sie die ganze Zeit immer nur bekocht wurde, statt selbst zu kochen, hatte Samantha ein gutes Gespür für die richtige Mischung.

Nach fünf Minuten hielt sie ihm einen Löffel unter die Nase und hauchte lächelnd:

»Probier.«

Tobias beugte sich zum Löffel hinunter und öffnete den Mund, um ihrer Aufforderung nachzukommen. Ihre türkisfarbenen Augen glitzerten, als er zu ihr aufblickte. Die Soße schmeckte köstlich, doch Tobias wäre es nun weniger nach etwas Würzigem, sondern mehr nach dieser Süßen vor seiner Nase gewesen. Er räusperte sich. Solche Gedanken musste er sich wirklich verkneifen. Erstens war sie die Tochter vom Boss, zweitens hatte sie nicht das richtige Alter und drittens war er nicht ihre Liga. Was sollte ihr der Chauffeur der Familie bieten können?

»Zu scharf?« Sie wirkte verunsichert, entspannte sich jedoch gleich, als er den Kopf schüttelte.

»Nein, es ist gut«, raunte er und bemerkte, wie er Sams Anblick in sich aufsog.

Ihre zarte Gestalt war auch unter dem T-Shirt, das ihr mehrere Nummern zu groß war, ohne Probleme zu erkennen. Tobi wurde es verdammt heiß und er beschloss, etwas dagegen zu unternehmen.

»Entschuldige mich bitte kurz. Ich habe etwas vergessen. Bin gleich zurück.«

Samantha ließ den Arm sinken, wirkte enttäuscht. Sie nickte, doch es war nur ihre gute Erziehung, die sie dazu veranlasste, das wusste er. Ob sie dieses spießige Leben genauso hasste? Wäre es für Tobias nicht unerträglich gewesen, Sam allein im Haus und ohne Schutz zu lassen, hätte er vermutlich eine neue Bleibe gesucht, nachdem er erfahren hatte, dass er kein Auserwählter war. Für Samantha wäre es sicherlich das Beste gewesen. Ihr hätte kein Mann gefehlt, der immer älter und eigenartiger wurde. Sie verdiente jemanden, der sie auf Händen durchs Leben trug und das machte schon allein Tobias´ Rücken nicht mehr mit.

Tobi ging aus der Küche und machte seinen üblichen Rundgang durchs Haus. Er achtete stets darauf, die Türen abzuschließen und nach den Fenstern zu sehen. Es war eine Angewohnheit, die ihn beruhigte. Nach der Kontrolle marschierte er ins Badezimmer und ließ sich kaltes Wasser über den erhitzten Kopf laufen, um sich abzukühlen. Er musste unbedingt bei Verstand bleiben. Samantha war verletzlich und stand vermutlich noch unter Schock. Schließlich war sie fast ertrunken! Und doch hatte sie sich mehr Sorgen um ihre Mutter gemacht und deren Angst um Sam im Sinn gehabt. Das Mädchen war in vielerlei Beziehung ein Engel.

»Alles okay?«, hörte er irgendwann ihre Stimme aus dem Flur. Tobias erwiderte, es ginge ihm gut. »Ich habe den Tisch gedeckt. Möchtest du ein Glas Wein dazu?«

 

»Gern.«

Samantha war weg, als er in den Flur trat, doch ihr Duft lag noch in der Luft. Sie roch nach Vanille. Er nahm den Geruch tief in sich auf und seufzte frustriert. Wieso konnte sie nicht einfach nach Teich riechen? Dann wären ihm diese durchgeknallten Emotionen vielleicht erspart geblieben.

›Oh Mann! Ich werde definitiv mehr brauchen, als meinen Kopf unter kaltes Wasser zu halten.‹

Er war verloren. Im Grunde war Tobi es gewesen, nachdem er ihr das erste Mal begegnete.

Tobias hatte einst einen Vampir im Blutrausch erleben müssen. Das war beunruhigend gewesen und hätte ihn das Leben kosten können. Sollte sein Boss irgendwann imstande sein, Tobis Gedanken zu lesen, wäre er ein toter Mann.

6


Er will nicht in meiner Nähe sein‹, ging es Sam durch den Kopf, während sie die Flasche Wein öffnete und zum Atmen in eine Karaffe schüttete. ›Ich hätte in mein Bett zurückgehen sollen. Wieso war ich nur so dumm und habe ihn darum gebeten, hier schlafen zu dürfen?‹

Die Angst vor diesen Träumen war jedoch zu groß gewesen. Sie konnte sich nie sicher sein, wo sie am nächsten Tag aufwachte, wenn sie schlafen ging. Das Schlafwandeln hatte in ihrer Pubertät begonnen und war, wenn sie Benediktas Aussage Glauben schenken durfte, eine unterbewusste Suche. Ihre beste Freundin war sogar noch weiter gegangen und hatte behauptet, Samanthas Unterbewusstsein würde sie zu Tobi führen, da sich Sam am Tag dagegen wehrte. Jetzt war sie endlich bei ihm und fühlte sich fehl am Platz. Er hielt sie bestimmt für eine durchgeknallte Göre.

»Hey.« Sie drehte sich zur Tür um, in der er gegen den Türrahmen gelehnt stand und erkannte, dass er lächelte.

Tobi schien wieder etwas Lockerer zu sein, was sie freute. In ihrem Inneren flogen Schmetterlinge auf und ab, wenn sie dieses Lächeln erblickte. Trotz seiner mittlerweile zweiundvierzig Jahren sah er umwerfend gut aus. Samantha würde vermutlich sterben, wenn sie ihn nicht irgendwann küsste. Dieses Verlangen schien sich stetig zu steigern. Sie träumte so oft von ihm, sogar am Tag. Es war lächerlich, wie extrem sie von ihm schwärmte, aber dagegen etwas zu unternehmen, fiel ihr ebenfalls schwer.

»Wollen wir?«, erkundigte sich Tobias, wobei er das Essen meinte, und Sam nickte hastig.

Sie aßen schweigend, als wäre ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen. Ob es an der Tatsache lag, dass Samantha fast gestorben wäre, oder daran, dass sie seit Tagen nicht viel Blut zu sich genommen hatte – das Essen machte sie nicht satt. Sie ertappte sich sogar dabei, wie sie Tobis Halsschlagader anstarrte und sich vorstellte, ihre Fänge darin zu versenken. Sie schluckte angespannt und rieb sich die Stirn.

›Reiß dich zusammen!‹, schimpfte sie mit sich selbst und drängte die Fänge zurück, die sich bereits einen Weg bahnen wollten.

»Bist du müde? Du siehst abwesend aus«, stellte Tobias fest und Sam zuckte mit den Schultern.

Sie war unschlüssig, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte oder nicht. Seine blauen Augen betrachteten sie prüfend. Er hatte sie einst so gut gekannt.

»Brauchst du Blut?«

»Das muss jetzt nicht sein. Es reicht morgen früh«, schüttelte sie augenblicklich den Kopf.

Sie wollte aufstehen und ihren Teller wegräumen, doch ihre Beine begannen plötzlich zu zittern. Samantha ließ sich zurück auf den Stuhl fallen. Ihr Magen krampfte zusammen und die Vampirsinne ließen sich nicht mehr unterdrücken. Verdammt! Wieso konnte sie nicht einfach eine ganz normale Frau sein? So wäre dieser ganze Schlamassel vermutlich niemals passiert!

»Wann hast du das letzte Mal etwas zu dir genommen?«

Tobias hatte in den Jahren, denen er ihrer Familie zu Diensten gewesen war, gelernt, was genau sie waren, und kam zum Glück damit klar. Wie würde er allerdings reagieren, wenn sie ihm gestand, dass sie es auf sein Blut abgesehen hatte? Sie sehnte sich so sehr danach, dass sie die Beutel schlichtweg ablehnte. Kaltes Blut war für Vampire nicht sonderlich schmackhaft, wenn sie stattdessen frisches, warmes Blut von einer derart verlockenden Quelle erhalten konnten.

»Es war heute Morgen. Ein Beutel.«

Es war viel zu wenig, das wusste sie, doch sie hatte seit Monaten kein Verlangen mehr nach Blut gehabt. Schon einen Beutel in sich hinein zu zwängen war schwierig gewesen.

»Nur einen Beutel? Das sind zwei Beutel zu wenig!«, klang Tobis Stimme tadelnd und er kam auf sie zu. »Ich packe dich jetzt erst einmal ins Gästebett und danach hole ich dir ein paar Blutbeutel von drüben. In Ordnung?«

Samantha ergriff erneut Panik. Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Was, wenn ihre Mutter mitbekam, dass Tobias durch das Haus schlich, um für sie Blutbeutel zu besorgen? Sie nahm sonst auch jedes Geräusch im Haus wahr und würde es nicht dulden, dass Sam in Tobis Nähe blieb. Es war ein Wunder, dass sie von ihrem nächtlichen Ausflug nichts mitbekommen hatte. Ein heftiges Zittern schüttelte ihren Körper und Samantha japste nach Luft. Ihre Fänge wuchsen, der Durst wurde beinahe übermachtig und ihr Magen zeigte Sam deutlich, was er von ihrer Blut-Abstinenz hielt. Wie sehr sie es hasste, diese Schwäche zu haben!

»Sam?«, brachte Tobi erschrocken heraus.

Verzweifelt drückte sie sich an ihn, als er in ihre Nähe kam. Sie atmete tief ein. Sein natürlicher Körpergeruch war schon immer beruhigend für sie gewesen. Sie brauchte jetzt diese Ruhe, um nicht durchzudrehen. Nur ein paar Sekunden, vielleicht Minuten in diesen starken Armen, dann würde es ihr besser gehen.

»Bitte, lass mich nicht allein«, brachte sie gerade noch heraus, bevor ihr langsam die Sicht vor den Augen verschwamm.

»Keine Sorge, Kleines, ich bin hier.«

Ihr Herz flatterte vor Aufregung. Er stieß sie nicht von sich, blieb tatsächlich an ihrer Seite. Am liebsten hätte Samantha vor Freude geweint. Wie war es nur dazu gekommen, dass sie sich fühlte, wie eine Gefangene, die endlich einmal wieder die Sonne auf ihrer Haut spüren durfte?

»Hier können wir nicht bleiben. Ich bringe dich an einen Ort, an dem du dich ausruhen kannst«, raunte er und Sam ließ sich fallen.

7


Tobias hob Samantha hoch. Sie war ein Fliegengewicht, wog so gut wie nichts, was ihn im ersten Moment erschreckte. Konnten auch Vampirfrauen an Magersucht leiden? Sam hatte eben gerade zwar einen guten Appetit gehabt, aber wer wusste, ob das Essen normalerweise in ihr drin blieb. Oder lag es an dem Blut, das sie versäumt hatte, zu sich zu nehmen? Falls ja, nahm sie schon länger viel zu wenig Blut zu sich! Was bezweckte sie damit? Wollte sie sich etwa umbringen?

Er lief, Sam in den Armen haltend, schnurstracks in sein eigenes Schlafzimmer, statt ins Gästezimmer. Er wollte sie bei sich haben, auf sie aufpassen. Sie sollte nicht allein sein, wenn sie aufwachte. Natürlich wusste er, dass es auch eine selbstsüchtige Tat war, denn so konnte er ihre Nähe ebenfalls genießen.

Ein Stöhnen drang aus ihrer Kehle. Sie hatte offensichtlich Schmerzen. Er ließ sie aufs Bett sinken und fühlte ihren Puls. Samantha war geschwächt und brauchte dringend Blut. Bis zum nächsten Morgen würde sie vermutlich nicht durchhalten.

»Tobi«, keuchte sie und er reagierte instinktiv.

»Öffne deinen Mund«, befahl er Sam, die tat, was er wollte.

Ihre Fänge waren bereits voll ausgefahren und Tobias drückte sein Handgelenk dagegen. Sie brauchte Blut und er hatte ihr damals oft welches gegeben. Was war also Besonderes dabei?

Als der erste Tropfen ihre Lippen benetzte, begann Sams Körper erneut zu zittern. Diesmal schien es allerdings vor Verlangen zu sein und sie sog das Blut aus seinem Körper, bis ihm allmählich schwindelig wurde. Das Gefühl war unbeschreiblich! Es war pure Ekstase, wenn ein Vampir Blut aus der Vene saugte. Es kam ihm besonders bei Samantha sehr erotisch vor, wenn sie mit ihren vollen Lippen an seinem Handgelenk trank. Erst, als Tobias leise stöhnte, ließ sie von ihm ab, wahrscheinlich aus Angst, ihm Schaden zuzufügen. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Sein Körper fühlte sich an, als hätte er einen Sexmarathon hinter sich und er sehnte sich nach mehr. Das musste er sich jedoch verkneifen.

›Reiß dich am Riemen!‹, ermahnte er sich und schaute hinab auf die zufrieden daliegende Samantha.

»Alles in Ordnung, Kleines. Schlaf jetzt«, raunte er und ließ die Finger durch Sams lange, blonden Haare gleiten.

Sie schnurrte leise und fiel daraufhin in den erhofften Tiefschlaf. Tobias legte sich neben sie und beobachtete die junge Vampirfrau, wie sie mit einem sanften Lächeln auf den Lippen dalag. Er überlegte, was er tun sollte.

Neunzehn ... Sie war süße neunzehn Jahre alt und noch so unschuldig. Er dagegen war definitiv zu alt für sie! Mit seinen zweiundvierzig Lebensjahren sah er bereits wesentlich älter aus, als jeder Vampir, den er je getroffen hatte. Die wirkten, wie Samanthas Vater Thomas, als wären sie maximal Anfang dreißig. Ziemlich frustrierend und total inakzeptabel, dass Tobias auch nur den Gedanken hatte, mit Sam eine Zukunft zu wollen. Da gab es keine!

Alles, was die Zukunft für Tobi bereitstellte, war Sehnsucht, das Träumen von mehr und am Ende das Sterben. Das Einzige, was er in der Zwischenzeit tun konnte, war, die kleinen Momente mit Samantha zu genießen. Er beobachtete sie, schien im Kopf sämtliche Veränderungen der letzten Wochen in sich aufzunehmen. Dieser blonde Engel hatte einen guten Mann verdient. Wieso schmerzte ihn der Gedanke so? Sein Herz musste doch mittlerweile erkannt haben, dass es töricht war. Leider blieb es stur und bekam regelmäßig erhöhtes Klopfen, wenn er ihr Lächeln sah.

Samantha wandte ihm plötzlich den Rücken zu, rutschte rückwärts, bis sie nah bei ihm lag. Er lächelte, denn diese Angewohnheit hatte sie als Kind bereits gehabt. Tobi hatte sie daraufhin behütet in den Armen gehalten und sie konnte beruhigt schlafen. Jetzt kam es ihm jedoch anders vor. Sie passte zu perfekt an ihn. Ihre Körper schienen förmlich füreinander gemacht zu sein. Ihr Kopf legte sich auf seinen Arm und Tobias seufzte. Er spürte, dass sich seine Männlichkeit zu regen begann, schob die Decke zwischen sie, um sich wenigstens nicht an ihr zu reiben. Auch, wenn er die meisten seiner guten Vorsätze über Bord geworfen hatte, diesen würde er einhalten!

»Bitte halt mich fest«, hauchte Sam beinahe bettelnd.

Er legte den rechten Arm über ihren Körper, zog sie noch etwas näher an sich heran. Im Kopf begann er das Mantra vor sich hin zu sagen. Samantha schnurrte wie ein Kätzchen und Tobias spürte erneut die tiefe Sehnsucht nach dieser wunderschönen jungen Frau in den Armen. Der verführerische Vanillegeruch brachte ihn weiterhin aus der Fassung.

Es kostete ihn all seine Energie, diesen Wunsch zu unterdrücken und sie nur festzuhalten. Das Letzte, was Samantha nach dem gerade Erlebten, noch brauchen konnte, war unangebrachtes Verhalten des Chauffeurs ihrer Familie. Das Vertrauen Sams in eine heile und gute Welt würde er auf keinen Fall zerstören.

So lag Tobias eine kleine Ewigkeit hinter ihr, bis ihn endlich die Müdigkeit einholte und er einschlief. Im Traum durchlebte er noch einmal den Unfall, das gemeinsame Essen und den seltenen Moment ihrer Nähe. Er hoffte, dass diese Nacht niemals enden würde, denn zumindest in seiner Traumwelt konnte er Samantha nah sein.

Seinem blonden Engel ...