Mein Weg ins L-ICH-T

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Obwohl es sich bedrohlich anfühlte, war ich mir sicher, dass es so, wie es war, in Ordnung war. Manch anderer hätte einen Notarzt gerufen, was dann für denjenigen bestimmt auch richtig gewesen wäre.

Ich nahm die Herausforderung an und hoffte, dass es sich beruhigen würde. Es war wohl mit einem Mal genügend Energie freigesetzt worden und der Körper regulierte etwas aus. Schließlich war es mein Körper und ich übernahm die Verantwortung.

Meine Mitschülerinnen und auch Dagmar Müller, die Leiterin des Seminarhauses, kümmerten sich rührend um mich. Nach einer Weile ließen die Beschwerden – Gott sei Dank – nach. Ich hatte darauf vertraut, dass ich nur so viel »bekam«, wie ich »nehmen« konnte. Die Vorstellung, dass sich alles »Alte« schichtweise löste – ähnlich wie bei einer Zwiebel –, ließ schon am Anfang vermuten, dass ich eine sehr dicke Gemüsezwiebel gewesen sein musste. Aber nun war wieder eine Schicht gelöst, und das fühlte sich gut an.

Dieses Gefühl nahm ich am nächsten Tag mit nach Hause. Ich hatte alles gut überstanden und war zwar geschafft, aber erleichtert.

Natürlich lief das »normale Leben« – was auch immer das ist – weiter. Arbeit, Haushalt, Familie und so weiter. Ich versuchte möglichst viel von dem, was ich gelernt hatte, an meiner Familie und meinen Freundinnen zu üben und war jedes Mal fasziniert, wie gut es sich anfühlte und welche Reaktionen sich einstellten. Da es sich um ein Entspannungsverfahren handelte, das die Selbstregulation anregte, war es nicht allzu schwierig, jemanden auf die Liege zu bekommen. Jeder nahm es dankbar an, da es kostenlos war. Und ich war froh, üben zu können.

Erstaunlich war für mich, dass ich, obwohl ich mich konzentrieren musste, während der Anwendung selber zur Ruhe kam und nicht nur zur Entspannung des anderen, sondern auch zu meiner eigenen beitragen konnte. Mein Fokus war nicht darauf gerichtet, bei demjenigen eine Verbesserung seiner Beschwerden zu erzielen. Ich wollte zunächst nur üben, damit die Abfolge der Griffe in Fleisch und Blut überging. So erstaunte es mich, wenn Freundinnen später berichteten, was sich alles verändert und was sich definitiv verbessert hatte.

In dem nächsten Seminar kamen Zweifel auf, ob ich das jemals alles kapieren würde. Es kamen so viele neue Griffsequenzen hinzu, dass ich manchmal kapitulieren wollte. Das alte Muster »Perfektionismus« meldete sich zu Wort.

Aber dann nahmen meine Mitschüler mich in den Arm und machten mir Mut. Sie hielten mir meine Entwicklung vor Augen und zeigten mir auf, was sich im Vergleich zu den Anfängen schon alles verändert hatte. Und ja, sie hatten recht. Ich hatte tatsächlich im Laufe der Zeit »ent-schleunigt« und verstanden, dass es auch wichtig sein konnte, etwas langsam und bewusst zu machen. Und ja, ich beherrschte viele Griffe schon wirklich gut. Manchmal war es nicht leicht, die positiven Dinge zu sehen. Wie die meisten Menschen war auch ich daran gewöhnt, erst mal auf das Negative zu schauen.

Sehr interessant war in diesem Seminar außerdem, dass noch zwei weitere Personen teilnahmen. Man hatte die Möglichkeit, einzelne Module gegen Gebühr zu wiederholen und aufzufrischen. Bei einem der Teilnehmer handelte es sich um jemanden, der blind war. Ja, du hast richtig gelesen: blind. Es war enorm, wie er, nachdem er sich die Erklärungen angehört hatte, die Griffe ausführte und durch Tasten und Fühlen schnell die erforderlichen Stellen am Körper fand. Sein Körper schien in der Lage zu sein, einiges auszugleichen, indem er die anderen Sinne »schärfte«.

Seine Begleiterin, die ihn mit dem Auto hin- und herfuhr und ihn auch sonst unterstützte, war während des Seminar ebenfalls dabei. Sie nahm die Welt noch anders wahr. Während einiger Unterhaltungen bekam ich mit, dass sie »hellsehen« konnte. Ich verspürte Respekt und Neugierde zugleich.

Heute weiß ich, dass all diese Fähigkeiten in jedem von uns stecken und wir sie »erwecken« können. Wir haben so viele Möglichkeiten in uns, dass es manchmal unvorstellbar ist.

Vielleicht spielt auch da die »Macht« der Gedanken eine entscheidende Rolle. Wenn du denkst, dass du etwas nicht kannst, gibst du unbewusst dieser Information Kraft. Denke mal darüber nach, wenn du möchtest.

In der Pause hörte ich, dass diese Frau auch aus der Hand Dinge ablesen konnte. Ich ging zu ihr und sie berichtete mir, dass ich schon seit längerer Zeit Schmerzen hätte und diese noch einige Zeit anhalten, dann aber verschwinden würden. Meine Lebenslinie war wohl ziemlich lang und sie konnte sehen, dass ich zwei Töchter hatte.

Ich war beeindruckt. Eine neue Erfahrung für mich, wie so vieles andere momentan auch. Nach diesem Wochenende fuhr ich bereichert nach Hause.

Aller Anfang ist nicht immer leicht, aber es lohnte sich durchzuhalten. Ich hatte so viele neue Dinge erfahren und wollte mehr davon.

Vielleicht wunderst du dich, dass ich nicht »schwer« geschrieben habe, sondern »nicht leicht«.

Vor einigen Jahren hatte ich einen Termin bei einer Heilpraktikerin. Sie war mir von einer Freundin empfohlen worden. In einem Vorgespräch sollte ich einiges von meinen Beschwerden und aus meinem Leben erzählen. Irgendwann sagte sie mitten im Satz: »Stopp!« Ich verstand es erst nicht, bis sie mich fragte, ob mir bewusst sei, dass in meinen Ausführungen in jedem Satz das Wort »schwer« vorkomme.

Nein, ich hatte es nicht bemerkt. Ich hatte mich so daran gewöhnt, dass es mir nicht bewusst war. Hörte ich mir vielleicht selber nicht richtig zu?

Sie meinte weiter, dass sie mir gerne glaube, wie schwer sich alles, was ich berichtet hatte, anfühle, und riet mir, das Wort »auszutauschen«, denn wenn ich ständig »schwer« hinausschicken würde, käme auch zwangsläufig »schwer« zu mir zurück. Das erschien mir logisch. Und wenn ich nun »nicht leicht« sagte, schickte ich damit »leicht« in die Welt.

Seit diesem Tag achte ich verstärkt darauf, wie ich etwas ausdrücke, natürlich so gut es mir gelingt. Ich nenne es dann gerne »meine Gedanken-Hygiene«.

Du kannst, wenn du möchtest, selbst einmal ausprobieren, wie es sich anfühlt. Spreche den gleichen Satz mit »Es fällt mir schwer« oder »Es fällt mir nicht leicht« aus und spüre hinein. Ich persönlich finde, dass es sich anders anfühlt. Schwer ist eben schwer! Und leicht ist eben leicht! Entscheide selber, was für dich wichtig ist. Ich liebe die Leichtigkeit!

Auf jeden Fall wurde Rom auch nicht in einer Nacht erbaut und ich beschloss, mit der Ausbildung weiterzumachen. So vergingen einige Monate und ich versuchte weiter fleißig zu üben und alles unter einen Hut zu bekommen. Oft ging es mir gesundheitlich richtig mies, aber ich blieb am Ball. Eine innere Kraft trieb mich an und es konnte doch kein »Zufall« sein, dass ich entschieden hatte, diese Ausbildung zu machen, oder?

Ich finde übrigens, dass es keinen Zufall gibt, sondern dass einem etwas »zufällt«. Und entweder man nimmt es auf oder auch nicht.

Klar, manchmal traut man dem Braten nicht oder man hat nicht die Kraft dafür, und dann ist das einfach so, und der nächste »Zufall« kommt bestimmt. Da ich das so sehe, ist es inzwischen natürlich sehr spannend zu erleben, was mir alles »zufällt«.

Noch immer interessierte ich mich für die CDs von Robert Betz und war begeistert von seiner Art, die entsprechenden Themen aufzugreifen.

Eines Tages lief ich durch die Stadt und sah ein Plakat …

Vorher war mir sein Name außer auf den CDs nie begegnet, und jetzt wurde in dem Ort, in dem ich wohnte, ein Vortrag mit ihm angekündigt. Natürlich war auch das kein »Zufall«, und natürlich ging ich hin!

Auf dem Parkplatz vor der Stadthalle traf ich zwei Frauen – Mutter und Tochter, wie sich hinterher herausstellte. Wir kannten uns bis dahin nicht, waren aber sofort im Gespräch, als wenn wir uns bereits ewig kennen würden.

Es gibt schon kuriose Begebenheiten. Da trifft man auf Menschen, die man das erste Mal sieht, und es fühlt sich irgendwie so »gewohnt« an. Ich habe in solchen Situationen immer gesagt: »Wahrscheinlich kennen wir uns schon aus einem anderen Leben …« Damals so salopp ausgesprochen, bin ich mir inzwischen sicher, dass da was dran ist.

Im Übrigen sind wir bis heute sehr verbunden und befreundet, und lange sagten wir, wenn jemand fragte, woher wir uns kennen: »Wir sind die Parkplatzbekannten.« Wir mussten jedes Mal lachen, wenn wir daraufhin in fragende Gesichter schauten.

Der Vortrag von Robert Betz gefiel mir sehr gut, denn er hatte eine überzeugende, mitreißende Art und redete Tacheles, packte die Leute also nicht in Watte. Ich war begeistert, wie er durch seine Art die Menschen abholen und mitnehmen konnte. Er traf meiner Meinung nach den »Nerv« der Zeit und kam bei den Zuhörern sehr gut an.

Dieses Interesse meinerseits wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Zwar war ich immer sehr offen für neue bzw. andere Anschauungen, aber den Sinn hinter allem hatte ich da wahrscheinlich noch nicht so recht verstanden. Ich habe schon vor längerer Zeit einige Bücher über all diese Themen gelesen und auch manches umgesetzt, aber im Nachhinein betrachtet besaß es zu der Zeit noch nicht die Kraft, die es gebraucht hätte. Affirmationen einfach nur zu wiederholen oder es bewusst zu tun, macht einen großen Unterschied.

Aber auch das war und ist in meiner Ent-wicklung ein wichtiger Schritt gewesen. Ausprobieren war oft meine Devise, da jeder Mensch anders ist und auf seine Weise auf die Dinge reagiert. Alles war wichtig, jeder einzelne Schritt. Das weiß ich heute, sonst wäre ich diesen Weg nicht gegangen. Positive und negative Erfahrungen gehören zum Leben.

Ich »versuche«, nicht mehr zu hadern, und begebe mich lieber in den Fluss des Lebens, denn jeder Widerstand gegen das Leben kostet wiederum Kraft und Energie. Manchmal gelingt es mir besser und manchmal schlechter, und auch das ist dann gut so, wie es ist.

 

Oft sage ich: »Das Leben ist wie ein Puzzle.« Es gibt bunte und auch graue bzw. schwarze Teile, und alle sind wichtig, damit ein wunderbares Bild entstehen kann. Vielleicht machen gerade die dunklen Teile später das »Ganze« aus und »rund«, wer weiß …

Wenn du ein Puzzle zusammensetzt und nach Teilen suchst, versuchst du es auch oft an verschiedenen Stellen, oder? Manchmal dauert es, bis der richtige Platz gefunden ist. Du suchst und suchst – und plötzlich passt es ganz genau und das Ergebnis sieht toll aus. Natürlich gehört auch etwas Mut dazu, »rumzuprobieren« und nicht zu wissen, ob es passt. Manche Teilchen sehen gleich aus und sind doch verschieden, und nur das »Ausprobieren« bringt dich ans Ziel!

Das Lebens-Puzzle ist schon aufregend und manchmal auch anstrengend. Ich bin mir aber sicher, dass am Ende meines Lebens ein wunderschönes Bild entstanden ist. Denn ich möchte mein Leben so leben, dass ich, wenn es vorbei ist – auch wenn einige traurig sind und weinen –, ein Lächeln auf meinem Gesicht habe. Der letzte »Film«, der vor meinem inneren Auge abläuft, soll mir gefallen und mich erfreuen.

Im Laufe der gesamten Ausbildung hatte ich immer noch keine konkrete Vorstellung davon, ob ich mein neues Wissen »nur« für die Familie gebrauchen wollte oder ob ich womöglich mehr damit anstellen konnte.

In meinem Job lief es schon länger nicht mehr rund, durch die gesundheitlichen Einschränkungen wurde es zusehends schwieriger. Um meine Arbeit machen zu können, mussten immer mehr Tabletten her. Selbst mein Arzt war der Meinung, dass das so nicht weitergehen konnte. Das alles ließ mich natürlich unzufrieden werden. Zudem machte ich mir mit meinen neuen Sichtweisen an meinem Arbeitsplatz auch nicht unbedingt Freunde. Ich achtete mehr auf mich und packte nicht mehr einfach zu, ohne Rücksicht auf Verluste. Und wenn die Schmerzen zu heftig wurden, nahm ich mir auch mal einen »Krankenschein«. Lange Zeit hatte ich mir das nicht erlaubt, doch jetzt war es an der Zeit, für »mich« zu entscheiden.

Die Ausbildung war fast zu Ende und die Prüfung stand an. Schon Tage vorher war ich sehr nervös. Ich hatte viel geübt und immer wieder in den Lehrbüchern gelesen. Ein altes Muster namens »Prüfungsangst« meldete sich. Meine Kinder hatten mir eine Karte geschrieben und mir ein silbernes Glücksschweinchen geschenkt, das ich an mein Armband hängen konnte. Ich war sehr gerührt.

Am ersten Abend nach dem Seminar ging es mir körperlich gar nicht gut und die Kollegin, die das ganze Wochenende begleitete, kümmerte sich um mich. Sie behandelte mich und machte eine Art Meditation mit mir. Es schien in meinem Leben wohl auch darum zu gehen, dass ich nicht unbedingt ein Wunschkind gewesen war und ich mich dadurch immer wie in der zweiten Reihe gefühlt hatte. Vielleicht wollte das jetzt gesehen werden …

Oft hatte ich aufgrund der Äußerungen meiner Mutter als Kind das Gefühl gehabt, dass sie sich nach meiner älteren Schwester lieber noch etwas Zeit mit einem zweiten Kind gelassen hätte. Aber da war ich wohl schon unterwegs gewesen. Vielleicht speichert sich so etwas tiefer ab, als man es annimmt.

Nach dieser Anwendung und dem Gespräch ging es mir besser. Die Prüfung konnte kommen, und wenn ich ehrlich sein soll, dann ist das ganze Leben doch eine »große Prüfung«, oder?

Die Nervosität wuchs, aber als ich in der Prüfungssituation war, fiel die Anspannung von mir ab. Ich meisterte alles gut und war zufrieden mit mir.

Nachdem ich bestanden hatte, bekam ich viel Lob und hörte die Worte: »Mach dir bewusst, dass dein ›neues Leben‹ jetzt beginnen kann.« Wow, ich war so stolz auf mich!

Klar hörte sich das gut an, aber ich hatte noch keine Vorstellung davon, wie es weitergehen sollte. Ich war erst mal froh, dass ich es geschafft hatte, und klopfte mir selbst auf die Schulter. Meine Familie freute sich mit mir – ich hatte es wirklich geschafft!

Ich werde wohl nie vergessen, dass mich die Reaktion mancher Menschen in meinem Umfeld sehr erstaunte. Aussagen wie diese waren keine Seltenheit: »Dass du noch so viel lernst in deinem Alter!« Oder: »Was willst du denn jetzt noch damit anfangen?«

Ich jedoch fühlte mich nicht zu alt, um etwas Neues zu lernen – weder jetzt noch in der Zukunft. Ich war offen und neugierig und hatte wohl das Talent, mich trotz Schmerzen und zahlreicher Abstürze immer wieder an die Wasseroberfläche zu befördern und zu schauen, was es für Möglichkeiten gab. Oft musste ich lange »paddeln«, aber ich hielt durch, obwohl es Energie kostete. Selten verlor ich den Mut, und wenn es geschah, dann nur kurzfristig.

Zur Ausbildung gehörten gewisse Pflichtstunden, die man als Quereinsteiger nachweisen musste. Dafür war es nötig, nach Bayern zu fahren, da sie dort vermittelt wurden. Im Jahr zuvor war es mir weder zeitlich noch finanziell möglich gewesen, deshalb holte ich es jetzt nach. Es handelte sich um die Themen »Anatomie«, »Pathologie« und »Physiologie«.

Die meisten Teilnehmer aus meiner Ausbildungsgruppe brauchten die Stunden nicht abzuleisten, da sie entweder Heilpraktiker oder Physiotherapeuten waren. Sie waren froh, nicht daran teilnehmen zu müssen. Und ich erkannte erst Monate später, was für ein großes Geschenk es war, dass ich dort hinfahren musste.

Eine Kollegin aus meiner Lerngruppe, mit der ich inzwischen befreundet war, hatte bereits den ersten Teil absolviert. Sie berichtete, dass es sehr interessant gewesen sei. Ihrer Meinung nach waren die beiden Seminarleiter zwei bemerkenswerte Menschen. Ich war sehr gespannt, was mich dort erwartete.

Ein paar Wochen später fuhren wir gemeinsam mit dem Zug zum Seminar. Wir verstanden uns gut und redeten während der ganzen Fahrt.

Dort angekommen, körperlich ziemlich angeschlagen, fand ich eine Seminargruppe vor, mit der ich sofort vertraut war. Ich fühlte mich wohl, irgendwie gar nicht fremd – schon kurios.

Zwei Heilpraktiker, Georg und Thomas Hartig, unterrichteten uns dort, es waren Vater und Sohn. Vom ersten Moment an waren sie für mich besonders. Ich konnte es nicht beschreiben, aber sie waren mir fremd und doch so vertraut. Ich mochte sie direkt, in dieser Form hatte ich so etwas bisher noch nie erlebt. Was sie lehrten, berichteten und uns vermittelten, war für mich absolut stimmig. Sie waren so authentisch, so herzlich und sehr direkt.

Natürlich stellte ich Fragen zu den Themen, die wir besprachen, und auch persönliche, zu meiner eigenen Krankengeschichte.

Georg antwortete meistens nicht, sondern stellte Gegenfragen, und das irritierte mich anfangs sehr. Ich suchte doch nach Antworten und wollte mir nicht das Hirn zermartern.

Heute weiß ich, wie wichtig es ist, sich selbst Gedanken zu machen, selbst auf die Idee zu kommen. Und auf vieles hatte ich, wenn ich es beleuchtete, bereits eine Antwort. Die eigenen Ideen sind oft die kraftvollsten, du musst ihnen nur trauen.

Auf all meine Bedenken, wie es weitergehen sollte und ob mein Körper überhaupt in der Lage sei, alles, was auf dem Weg durch mein bisheriges Leben »kaputt gegangen« war, wieder hinzukriegen, hörte ich die Antwort, die mir in der Tat Flügel verlieh: »Alles ist möglich!«

Dieser entscheidende Satz ließ mich nicht mehr los. Wie oft hatte ich in den letzten Jahren von der Schulmedizin und auch von Freunden gehört: »Was kaputt ist, ist kaputt.«

»Finde dich endlich damit ab«, sagten die einen. »Nimm es an, das ist eben im Alter so«, meinten die anderen. Damit müsse »man« eben leben. Wenn zum Beispiel, wie bei mir, so einige Bandscheiben, das Schultergelenk und das Knie verschlissen seien, dann könne man das nicht ändern.

Ich dachte: Okay, »man« vielleicht nicht, »ich« aber schon.

So war ich ja auch aus der Reha entlassen worden, »aus-therapiert« und mit Schmerzen, die für immer bleiben würden.

Plötzlich keimte wieder neue Hoffnung in mir auf, dass eine Besserung in Sicht war. Ich möchte der Schulmedizin da wirklich nichts unterstellen, sie ist ein wichtiger Bestandteil im Gesundheitssystem. Sie handelt nach ihrem Wissen. Mir hatte sie allerdings allen Mut genommen, und den gewann ich jetzt plötzlich wieder zurück. Das war ein riesiges Geschenk für mich!

Die neue Sichtweise, dass »krank« nach den Gesichtspunkten der »Neuen Medizin« auch Heilung und Lösung bzw. den Weg zur Gesundheit bedeutete – all das machte mir Mut. Die Schmerzen waren zwar momentan die gleichen, aber irgendwas war anders. Mein Körper rebellierte munter weiter, und trotzdem fühlte ich mich auf dem Weg – auf meinem Weg.

Nach einem netten, lustigen Abend mit einigen Seminarteilnehmern ging es nachts erst richtig los mit meinen körperlichen Problemen. Die ganzen alten Muster wie Angst und Sorge meldeten sich zu Wort. Mir ging es wirklich elend und mein Vertrauen wurde auf die Probe gestellt. In der Vergangenheit wäre ich mit diesen Symptomen wahrscheinlich in die Ambulanz des nächsten Krankenhauses gefahren. Aber auch das hatte mich zuvor nicht weitergebracht. Ob es jetzt angebracht war, konnte nur ich entscheiden.

Also wollte ich es so versuchen. Damit übernahm ich, vielleicht in diesem Moment noch unbewusst, für meinen Körper wieder die Verantwortung, die ich viele Jahre lang anscheinend abgegeben hatte. Irgendwann auf meinem Weg durch die Schmerzen hatte ich das »Zepter« aus der Hand gegeben, und nun war es an der Zeit, Stellung zu beziehen. Endlich spürte ich wieder meine Eigenverantwortung und Handlungsfähigkeit.

Gott sei Dank hatte ich in dieser Nacht Unterstützung und ich fühlte mich nicht allein. Meine Kollegin, mit der ich mich bereits während der Ausbildung in Wetter angefreundet hatte, stand mir zur Seite. Dafür war und bin ich ihr sehr dankbar.

Am nächsten Tag war ich zwar fix und foxi, aber da ich es gewohnt war, mich trotz Beschwerden aufzuraffen, »hielt ich durch« und das Seminar baute mich wieder auf.

In der Mittagspause brauchte ich nach dem Essen etwas frische Luft und ich ging mit Georg nach draußen. Er trug eine Cordjacke mit Lederknöpfen, das weiß ich noch ganz genau … Eigentlich nichts Besonderes, aber mich erinnerte das an meinen Vater.

Ich hakte mich bei ihm ein und wir liefen ein Stück. Die alten Erinnerungen holten mich ein und ich musste weinen. Wie sehr hätte ich mir das mit meinem Vater gewünscht. Wie sehr wollte ich immer nur »Ruhe und Frieden« in meiner Familie. Obwohl ich Georg kaum kannte, war die Situation sehr vertraut und so, wie sie war, völlig in Ordnung. Georg spürte, dass es wohl gut und auch wichtig für mich war, meinen Tränen freien Lauf zu lassen, und wir gingen ohne Worte weiter. Er hinterfragte die Situation nicht, sondern ließ es geschehen. Es war traurig und schön zugleich und fühlte sich absolut stimmig an. Auch für diese Situation bin ich sehr dankbar.

Dankbarkeit wurde wieder ein Bestandteil meines Lebens, sie war mir auf meinem bisherigen Weg irgendwo verloren gegangen.

Der Umgang von Vater und Sohn, auch während des Seminars, beeindruckte mich sehr. Ich spürte ihre Verbundenheit und es war so schön, miterleben zu können, wie beide miteinander harmonierten und wie viel Spaß sie zusammen hatten – einfach genial. Obwohl ich mir so ein Miteinander in meiner Familie oft gewünscht hatte, schien es doch nicht möglich zu sein.

Ich durfte Dinge erleben, die ich auf diese Weise nicht für möglich gehalten hätte. Die Menschen, die ich dort kennenlernte, waren mir so vertraut, obwohl ich sie vorher noch nie gesehen hatte. Ich lernte die Seminarkoordinatorin kennen, die ich bisher nur vom Telefon und von den E-Mails kannte, und wir fühlten uns sehr verbunden. Es war der Beginn einer schönen Freundschaft. Da sie in der Umgebung wohnte, kam sie jeden Tag nach Seminarende und wir verbrachten die Abende zusammen.

Ich nenne diese neuen Verbindungen gerne »Herzverbindungen«. Jeder hat das vielleicht schon erlebt, dass es Menschen gibt, die man schon lange kennt und auch mag, dass es aber auch andere Menschen gibt, die man neu kennenlernt, und es fühlt sich irgendwie anders an – als wenn »der Blitz eingeschlagen« hätte. Natürlich im positiven Sinne. Ein Gefühl, als würde man sich »wieder erinnern«, so fremd und doch so bekannt.

Eine Aufgabe in diesem Seminar war es unter anderem, etwas zu präsentieren – egal was. Man konnte aus dem Anatomie-Bereich etwas ausarbeiten oder etwas von dem zu Besten geben, worin man sich »sattelfest« fühlte. Es war wundervoll zu sehen, was die einzelnen Teilnehmer für »versteckte« Potenziale hatten.

Bei vielen Dingen, die vorgetragen wurden, war ich tief berührt. Und nicht nur ich, sondern die gesamte Gruppe lachte und weinte und es war einfach herrlich. Eine Teilnehmerin trug etwas vor und sang dann ein Lied für uns. Es war der Hammer – Gänsehaut pur! Ich hatte schon dort die Idee, dass sie vielleicht in ca. eineinhalb Jahren zu meinem runden Geburtstag für mich singen könnte. Es war wunderschön und unbeschreiblich. Sie hatte eine Stimme, die direkt ins Herz ging – ein Juwel.

 

Von Spiele-Runde über Kanon singen und selbst gebackenen Kuchen bis hin zu tollen Vorträgen und Vorführungen war alles dabei. Wirklich schön, das erleben zu können. Jeder war genau richtig, so wie er war.

Meine eigene Ausarbeitung über die »Nieren« hatte natürlich auch einen tieferen Sinn, den ich zu der Zeit aber noch gar nicht verstand. Da mir in meinem Leben schon vieles buchstäblich an die Nieren gegangen war, wunderte es mich im Nachhinein nicht, dass ich durch »Zufall« dieses Thema gewählt hatte. Schon bei der Suche nach geeignetem Material, diese Organe auch mal anders zu beleuchten, fand ich interessante Beiträge. Von mittelalterlichen Ansichten bis hin zu Aussagen im »übertragenen« Sinn war es schon sehr spannend, sich mal diesen Dingen zu widmen.

Natürlich war ich dann im Seminar, als mein Vortag an der Reihe war, sehr nervös. Mit hochrotem Kopf stand ich vorne und gab mein »Bestes«, was auch immer das in diesem Moment war. Im Anschluss daran machte ich mit der gesamten Gruppe eine Meditation, von der ich wusste, dass sie mir selbst immer guttat. Ich hatte sie schon öfter gemacht, aber jetzt vor allen Teilnehmern war mir etwas unwohl zumute. Es ging um das bewusste »Spüren« und »Transformieren« von Energien und Emotionen. Und trotz der Aufregung fühlte es sich sehr gut an.

Heute weiß ich, dass alles, was ich erlebt habe, einige Zeit danach absolut Sinn machte. Es war wohl eine Übung für spätere Erlebnisse.

Das erste Seminar ging zu Ende und der Abschied war sehr emotional. Wenn man bedenkt, dass ich diese Menschen erst seit drei Tagen kannte, schon sehr ungewöhnlich. Ich fuhr, körperlich ziemlich angeschlagen, aber beflügelt, zusammen mit meiner Kollegin mit dem Zug nach Hause. Während der gesamten Rückfahrt redeten wir ununterbrochen und spürten eine besondere Euphorie.

Ja, es waren wunderbare Erfahrungen und ich fühlte mich einmal mehr auf dem Weg, »auf meinem Weg ins L-ICH-T«.

Mit Petra, einer Kursteilnehmerin, die in meiner Nähe wohnte, hatte ich die Telefonnummern ausgetauscht. Es war schön, jemanden im näheren Umkreis zu wissen, ob zur gegenseitigen Anwendung, zum Austausch oder auch zur Übung und zur Ausarbeitung. Es war der Beginn einer besonderen Freundschaft, aber das wussten wir da natürlich noch nicht.

Zu Hause angekommen, ging es körperlich bergab. Ich hatte vorher noch nie erlebt, dass es mir so mies gehen konnte, obwohl es mir seelisch so gut ging wie schon lange nicht mehr. Ein Wechselbad der Gefühle – Achterbahn!

Meine Familie machte sich ernsthafte Sorgen, sie sah ja, wie »schlecht« es mir ging. Ich versuchte ihnen zu vermitteln, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand. Dass es die Selbstregulation des Körpers war und sich vieles in der »Lösung« befand. Ich blickte in hilflose Gesichter, keiner von ihnen verstand, was ich da erzählte. Eine riesige Herausforderung für alle.

Natürlich hatte ich nach den ersten Ausführungen im Seminar auch gedacht: Ohje, wenn alle Dinge – Konflikte, die ich über Jahrzehnte erlebt hatte – jetzt nach und nach in »Lösung« gehen, na dann herzlichen Glückwunsch! Gut, dass ich da noch nicht ahnte, dass einige Lösungsphasen quasi auf mich warteten.

Ich hörte auch Aussagen wie: »In welche Hände bist du da geraten? Dir geht es ja schlechter als vorher.« Oder: »Das ist doch nicht normal, was du da erzählst!« Natürlich versuchte ich den Zweiflern einige Eindrücke aus dem Seminar zu vermitteln, doch es gelang mir nicht. Kein Wunder. Hätte mir jemand nur davon erzählt, ohne dass ich es selbst erlebt hätte, wäre es mir auch sehr suspekt vorgekommen.

Ich versuchte, das Erlebte irgendwie zu konservieren und mein Leben und vor allem meine körperlichen Symptome zu verstehen. Erstmals hatte ich einen Ansatz, warum mein Körper schon so lange mit mir dieses »Unwesen« trieb. Er wollte mich nicht ärgern, er versuchte mir etwas zu vermitteln. Doch zu der Zeit verstand ich die Sprache noch nicht. Ich vertraute allerdings darauf, dass kein Mensch morgens wach wird und der Körper sich denkt: »Na, dem wollen wir heute mal so richtig zusetzen«, und schickt ihm einfach so heftige Schmerzen. Alles unterliegt einer natürlichen Ordnung, die, wenn man sie versteht, auch einen Sinn ergibt.

Aber langsam dämmerte es mir: Es musste einen anderen, diesen »neuen Weg« geben, um aus dem Schlamassel rauszukommen. Nicht Symptome »wegmachen«, sondern sie verstehen lernen und annehmen stand auf dem Programm. Leichter gesagt als getan. Immer wieder dämpften Schmerzen meine Euphorie. Der Alltag hatte mich wieder und ich wusste nicht wirklich, wie ich das hinkriegen sollte.

Mein Arzt empfahl mir einen Krankenhausaufenthalt, bei dem die Naturheilkunde im Vordergrund stand. Das erschien mir eine gute Möglichkeit, mit der ich mich anfreunden konnte. Ich ließ mich auf die Warteliste von zwei Krankenhäusern setzen und hoffte, dass es nicht allzu lange dauern würde. Die Arbeit im Geschäft war kaum noch zu bewältigen und ich musste öfter zu Hause bleiben, als es mir lieb war. Für manche Kollegin ein Dorn im Auge, wenn ich mal wieder ausfiel. Und das, obwohl ich für meine Kolleginnen immer da war und sie auch in persönlichen Notsituationen unterstützte. Und jetzt, wo ich ihre Hilfe gebraucht hätte, fiel man mir sogar »in den Rücken«. Zumindest empfand ich es so. Eine große Enttäuschung machte sich in mir breit – ein Fahrwasser, in dem ich mich sehr gut auskannte. Wie oft hatte ich das schon so gespürt, ein ganz altes Muster, das mir seit der Kindheit immer wieder begegnete.

Wenn man das Wort »Ent-täuschung« beleuchtet, wird klar, dass es sich um das Ende einer Täuschung handeln muss. Also eigentlich sehr positiv. Heute weiß ich nach allem, was ich gelernt und erfahren habe, dass mich niemand verletzen kann. Es müssen noch alte Kästchen offenstehen. Ein altes Muster bzw. Gefühl, das sich zeigt, möchte gesehen werden, damit es dann vielleicht mit diesem neuen Bewusstsein für immer verschwinden kann. Manche Kollegin stellte sich quasi wie »zur Verfügung« und streute mir Salz in alte Wunden, damit ich es spüren konnte. Also »Teufelchen« und »Engelchen« in einer Person. Ich ärgerte mich über das Teufelchen, weil es wehtat, und trotzdem war es ein Segen – ein Engel –, da ich dadurch einen Schritt weiterkam. Aber so weit war ich vor Jahren noch nicht, diese Erkenntnisse fehlten mir.

Die Arbeit, die mir jahrelang großen Spaß gemacht hatte, fiel mir immer schwerer und ich spürte, dass in naher Zukunft eine Entscheidung anstand. Ich hatte nur keine Ahnung, welche. Klar war nur, dass es so nicht weitergehen konnte. Neben all meinen anderen Beschwerden waren die Schmerzen in meiner rechten Schulter an manchen Tagen unerträglich. Eine Untersuchung beim Orthopäden hatte ergeben, dass das kleine Schulter-Eckgelenk völlig zerschlissen war. Laut meinem Arzt sah es so aus, als würde ich im Steinbruch oder auf dem Bau arbeiten. Tja … da sieht man wieder, was emotionale Lasten, die unsichtbaren Pakete auf unseren Schultern, verursachen können.

Sich für etwas ganz anderes zu entscheiden, ist nicht immer leicht, wenn unklar ist, wohin es führt. Es gibt ein Bild, das ich oft vor meinem geistigen Auge habe und das mir dann bei Entscheidungen hilft: Zwei Menschen laufen auf Schienen hintereinander her, gefolgt von einem Zug, der schon direkt hinter ihnen ist. Der eine ruft dem anderen zu: »Lauf schneller, der Zug überrollt uns gleich!« Neben den Schienen ist eine tolle Landschaft zu sehen. Bäume, Blumen, Wiesen. Aber keiner der beiden kommt auf die Idee, einfach die Schienen zu verlassen. Sie rennen und rennen und sehen keinen Ausweg.

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