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Das Dschungelbuch

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Das Dschungelbuch
Das Dschungelbuch
Audiobook
Czyta Lydia Herms
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Balu muß in der Nähe sein. Baghira würde nicht allein gekommen sein, dachte Mogli, und dann rief er mit lauter Stimme:»Zum Wasser, Baghira! Rolle dich ins Wasserbecken! Rolle dich und tauche! Zum Wasser!«

Baghira hörte, und die Gewißheit, daß Mogli in Sicherheit war, gab ihm neuen Mut. Mit der Kraft eines Verzweifelten bahnte er sich Zoll für Zoll den Weg zur Zisterne hin. Da tönte von den Mauertrümmern zunächst der Dschungel der dumpfe Kampfesruf Balus. »Baghira« schrie er keuchend. »Hier bin ich! Halte nur aus! Jetzt klettere ich über die Mauer! Ich werde gleich bei dir sein. Ahuwora! Die Steine zerbröckeln mir unter den Füßen! Wartet nur, bis ich über euch komme, ihr dreimal verfluchten Bandar-log!«

Er keuchte mühsam die Terrasse hinauf – aber kaum hatte er sich gezeigt, als er in einer Wolke schrill heulender Affen verschwand. Er setzte sich auf die Hinterbeine und umfaßte mit den Vorderpranken so viel seiner Angreifer, als er nur halten konnte. Mit grimmiger Zärtlichkeit drückte er sie an sein Herz, bis sie mit gebrochenen Rippen zu Boden sanken, und dann schlug er zu – patsch – patsch – patsch – gerade in den Haufen hinein, gleich dem schlapfenden Schlag eines Raddampfers! Ah! Ein lautes Platschen im Wasser verkündete, daß Baghira sich seinen Weg zur Zisterne durchgefochten hatte, wohin ihm die Affen nicht folgen konnten. Der Panther lag, nach Atem ringend, nur mit dem Kopfe ein wenig aus dem Wasser lugend, während die Affen sich am Rande drängten und in ohnmächtiger Wut hin und her tanzten. Das keuchende Brummen des alten Bären drang zu ihm. Doch was konnte er tun? Da lag er im Wasser, unfähig, dem Freunde zu helfen. Bei diesem Gedanken heulte er fast unbewußt den Hilferuf der Schlangen hinaus in die Nacht, denn er fürchtete, daß Kaa im letzten Augenblicke sich davongemacht habe. »Wir sind vom gleichen Blute, du und ich! Sss! Sss! Sss!« Ein Hilferuf vom schwarzen Panther! Obwohl Balu unter der Wucht der Affen fast erstickte, lachte er dennoch laut auf. »Er hat sich's gemerkt«, dachte er. »Der schwarze Panther hat etwas von meinem Menschenjungen gelernt!« und patsch – patsch krachten die Rippen der Affen unter den Tatzenhieben.

Kaa war es eben erst gelungen, die westliche Mauer zu erklimmen; es war eine schwere Arbeit, denn die Steine gabenunter seinem Gewichte nach und rollten laut polternd zu Boden. Nun aber war keine Minute mehr zu verlieren. Er ringelte sich und wand sich und schlug ungeheure Reifen, um zu sehen, ob auch jeder Zoll seines mächtigen Körpers biegsam und geschmeidig wäre. Unterdessen tobte der Kampf mit Balu weiter, und die Affen an der Zisterne schrien gellend gegen Baghira an. Mang, die Fledermaus, schwirrte hin und her über der schlafenden Dschungel, Kunde bringend von der großen Schlacht in »Cold Lairs«, bis zuletzt Hathi, der wilde Elefant, erregt zu trompeten begann und verstreute Gruppen der Affenvölker hochkamen und von weit her die Baumstraßen hastend durchliefen, um den Freunden und Brüdern zu helfen. Selbst die Tagesvögel flatterten unruhig auf den Ästen.

Und nun kam Kaa, eilig, hungrig und begierig, zu töten.

Die Kampfesstärke einer Pythonschlange liegt in der furchtbaren Stoßkraft des Kopfes, der mit der ganzen Wucht und Macht des ungeheuren Körpers nach rückwärts geschnellt wird. Denkt euch, ein Sturmbock, wie er früher zum Brechen der Stadtmauern benutzt wurde, oder ein tausend Pfund schwerer Schmiedehammer besitze Leben, und in dem langen Stiele wohne kalter, berechnender Geist, der das Werkzeug regiert, dann könnt ihr euch ungefähr eine Vorstellung von Kaa, dem Kämpfenden, machen. Er war gut dreißig Fuß lang, wie ihr wißt, und eine nur vier oder fünf Fuß große Pythonschlange vermag schon einen ausgewachsenen Mann niederzustoßen.

Den ersten Stoß richtete Kaa gegen die Mitte der dichten Masse um Balu – es war ein Stoß mit geschlossenem Munde, in tiefstem Schweigen … und kein zweiter war nötig. Entsetzen packte die Affen, und mit dem Schrei: »Kaa! Es ist Kaa! Fort! Fort!« flohen sie davon wie Frösche vor dem Reiher.

Wie man bei uns die Kinder mit dem schwarzen Mann schreckt, so hatten Generationen junger Affen alle Untaten gelassen, wenn ihnen die Eltern mit Kaa drohten, dem Nachträuber, der auf den Ästen entlanggleitet, so geräuschlos, wie das Moos auf ihnen wächst; von Kaa, dem Gewaltigen, der den allerstärksten Affen töten kann, wenn er ihn nur mit der Nase berührt; von Kaa, dem schlauen Schurken, der einen morschen Ast oder einen alten Baumstumpf so täuschend nachzuahmen vermag, daß auch der weiseste Affe sich irreführen läßt, bis plötzlich der Baum zu leben beginnt und sein zappelndes Opfer verschlingt. Kaa war der Inbegriff alles dessen, was die Affen in der Dschungel fürchteten, denn kein Wesen kannte die Grenzen seiner Macht, niemand vermochte ihm in die stechenden Augen zu sehen, und keiner war bisher aus seiner Umschlingung mit dem Leben davongekommen. Und so flüchteten sie, so schnell die zitternden Füße sie tragen konnten, von Grauen gepackt, auf die Mauern und Dächer der Häuser. Balu atmete erlöst auf; sein Fell war viel dicker als Baghiras, aber dennoch hatte er Haare gelassen in dem tollen Kampfe. Und jetzt öffnete Kaa zum erstenmal den Rachen und stieß ein einziges, langes, zischendes Wort hervor; und die Affen, die von weit her aus der Dschungel zur Stadt herbeieilten, hielten plötzlich an und drängten sich bebend dicht zusammen, bis das beladene Geäst sich knackend bog unter der Last. Die Affen auf den Mauern und Häuserruinen verstummten, und in der Grabesstille, die plötzlich über der Stadt lag, hörte Mogli, wie Baghira triefend und sich schüttelnd dem Wasserbecken entstieg. Dann begann das Geheul von neuem. Die Affen sprangen bis zu den höchsten Spitzen der Trümmer; sie umklammerten wie hilfesuchend die großen Steingötzen und irrten ziellos zwischen den Mauerresten umher. Mogli im Sommerhause tanzte vor Freude, sah durch das marmorne Netzwerk und heulte wie eine Eule, um den Affen seine Verachtung zu zeigen.

»Hole das Menschenjunge dort aus der Falle; ich kann mich kaum noch rühren«, ächzte Baghira. »Und dann laß uns machen, daß wir fortkommen. Sie greifen vielleicht wieder an.«

»Keiner wird sich regen ohne meinen Willen. Verharrt! – Rührt euch nicht – keinen Mucks! Ssss!« zischte Kaa, und wieder lag Grabesstille über der Stadt. »Ich konnte nicht früher kommen, Bruder, aber mir war's, als ob ich deinen Hilferuf hörte.« Das galt Baghira.

»Eh? Meinen … was? … Ich … ja, es wird wohl mein Kampfschrei gewesen sein. Übrigens, Balu, wie bist du davongekommen?«

»Mir scheint, sie haben mich in hundert kleine Bären zerreißen wollen«, brummte Balu, sich die Beine leckend, eins nach dem andern. »Wuff! Zerschunden bin ich am ganzen Körper! Kaa, ich glaube, wir schulden dir unser Leben – Baghira und ich.«

»Hat nichts zu sagen. Wo ist das Menschenjunge?«

»Hier in einer Falle. Ich kann nicht heraus«, rief Mogli. Die Wölbung des herabgefallenen Daches versperrte ihm den Ausgang.

»Hole ihn heraus, so schnell wie möglich. Er tanzt umher wie Mor, der Pfau. Er wird unsere Jungen zertreten!« riefen die Kobras.

»Ha!« kicherte Kaa. »Er hat überall Freunde, dieser Mannling! Tritt zurück, kleiner Mensch, und ihr, Giftvölker, versteckt euch mit euren Jungen. Ich lege die Mauer um!«

Kaa prüfte die Seitenwand sorgfältig, bis er einen wettergeschwärzten Riß fand, der eine schwache Stelle verriet. Kaa schlug zwei- oder dreimal mit dem Kopfe leicht gegen die Wand, um die Stärke zu prüfen; dann hob er sechs Fuß seines Körpers senkrecht in die Höhe und schnellte den Kopf wie einen Schmiedehammer gegen den Stein – einmal – zweimal – dreimal immer gerade mit der Nase voran. Das Gestein dröhnte, ächzte, bröckelte und fiel dann krachend und eine Staubwolke aufwirbelnd zusammen. Mogli sprang durch die Öffnung hervor, stürzte sich zwischen Balu und Baghira und schlang seine Arme um je einen mächtigen Nacken seiner Freunde.

»Bist du verletzt?« fragte Balu, ihn zärtlich betastend.

»Hungrig bin ich und zerschunden – aber oh! wie schlimm haben sie euch zugerichtet, meine Brüder! Ihr blutet ja beide!«

»Andere auch«, sagte Baghira, seine Lippen leckend, und blickte auf die toten Affen, die auf der Terrasse und am Wasserbecken umherlagen.

»Nichts, alles nichts, wenn du nur mit heiler Haut davongekommen bist. Oh, mein bester kleiner Honigfrosch!« grunzte Balu.

»Nun, darüber werden wir später noch ein Wort zu sprechen haben«, meinte Baghira in einem Tone, bei dem es Mogli etwas unbehaglich wurde. »Aber hier ist Kaa, dem wir den Sieg verdanken und dem du, Mogli, dein Leben schuldest. Erstatte ihm Dank nach unserer Sitte.«

Mogli wandte sich um und sah den Kopf des Pythons einen Fuß über dem seinen hin und her schwingen.

»Also das ist der Mannling!« sprach Kaa. »Sehr weich ist seine Haut und hat mit den Bandar-log rechte Ähnlichkeit. Sieh dich vor, kleiner Mann, daß ich dich nicht für einen Affen halte im Zwielicht, wenn ich die Haut gewechselt habe.«

»Wir sind vom gleichen Blute, du und ich!« antwortete Mogli. »Du hast mich vom Tode errettet heute nacht, und es gehört dir alles, was ich in Zukunft erlege, wenn du hungrig bist, Kaa!«

»Sehr verbunden, kleiner Bruder!« sagte Kaa mit ernsthaftem Gesichte, wenn er auch mit den Augen blinzelte. »Und was erlegt denn ein so kühner Jäger? Ich frage nur, damit ich auf deiner nächsten Pirsch deinen Spuren folgen kann!«

»Ich töte nichts – jetzt noch nicht – ich bin noch zu klein – aber wenn ich jage, treibe ich meinen Freunden wilde Ziegen zu. Darauf verstehe ich mich vortrefflich. Wenn du hungrig bist, komm nur getrost zu mir und überzeuge dich, ob ich die Wahrheit spreche. Flink und geschickt bin ich mit diesen hier«, er zeigte seine Hände, »und wenn du je in eine Falle gerätst, dann kann ich dir vielleicht die Schuld zurückbezahlen … dir und Baghira und Balu … denn ihr alle habt ja für mich gekämpft. Große Jagd euch allen, meine Lehrmeister!«

 

»Wohl gesprochen«, brummte Balu, denn Mogli hatte seinen Dank recht hübsch abgestattet. Kaa ließ seinen Kopf ein paar Fuß herab und legte ihn leicht auf Moglis Schulter. »Hast ein braves Herz, Mannling!« zischte er. »Und eine höfliche Zunge! Damit wirst du weit kommen in der Dschungel. Aber nun gehe schnell fort von hier mit deinen Freunden. Geh und leg dich schlafen, denn der Mond geht unter, und was nun folgt – das ist nichts für dich, Söhnchen!«

Die Silberscheibe des Mondes versank hinter den Hügeln, und die Reihen der zitternden Affen, zusammengeduckt auf Mauern und Trümmern, erschienen wie zerfranstes Gezack der Ruinen. Balu trabte zum Wasserbecken, um sich mit einem Trunk zu laben; Baghira leckte und putzte sein Fell. Kaa aber glitt lautlos in die Mitte der weiten Terrasse und schnappte mit klingendem Ruck die starken Kiefer zusammen, worauf die verharrenden Affen starr die Blicke auf Kaa richteten.

»Der Mond geht unter«, zischte Kaa. »Könnt ihr mich noch alle sehen?«

Von den Mauern hallte es, als ob der Wind in den Wipfeln stöhnte: »Wir sehen dich, Kaa!«

»Gut. Nun beginnt der Tanz – der Jagdtanz Kaas! Sitzt stille! Seht her!« Er glitt zwei- oder dreimal in großem Kreise umher und schwang tänzelnd im Takte den Kopf zur Rechten und zur Linken, als höre er eine geheimnisvolle Musik. Dann begann er mit seinem Körper Schleifen und Achterfiguren zu bilden, große Knäuel und Knoten, die lebten und unentwirrbar schienen, bis sie geräuschlos im Augenblicke auseinanderschlüpften – gleitende, gebogene Dreiecke, die sich in Vierecke, Kreise und Arabesken verwandelten; und während der glatte, buntscheckige Körper plötzlich in die Erde zu verschwinden und dann wieder ringelnd zum Himmel aufzuragen schien – immer raschelnd, raschelnd, raschelnd –, tönte Kaas leiser, zischender Zaubergesang.

Balu und Baghira standen wie zu Stein erstarrt – in ihren Kehlen rasselte mühsam der Atem, ihr Nackenfell sträubte sich, während Mogli voll Staunen und Grauen zusah.

Es wurde dunkler und dunkler. Die wirren Figuren schwanden in der Nacht, aber man konnte das Rascheln der schlürfenden Schuppen deutlich vernehmen.

»Bandar-log«, sang die Stimme Kaas, »könnt ihr Hand oder Fuß noch regen wider meinen Willen? Sprecht!«

»Wider deinen Willen kann keiner von uns regen Hand oder Fuß, o Kaa«, hauchten die Affen.

»Gut. Kommt alle einen Schritt näher zu mir!«

Die Reihen der Affen schwankten hilflos nach vorn – auch Balu und Baghira folgten mechanisch dem Befehle der Schlange.

»Näher!« zischte Kaa; wieder schwankten sie einen Schritt vor.

Mogli legte die Hände auf Balu und Baghira, um sie dem Zauber der Schlange zu entreißen; und die beiden gewaltigen Tiere schreckten zusammen, wie aus einem Traum erwacht.

»Halte deine Hand fest auf meiner Schulter«, keuchte Baghira. »Laß mich nicht los – oder ich muß hin zu Kaa – muß hin zu Kaa. Ah!«

»Was hast du? Es ist ja nur der närrische Kaa, der im Staube seine Kreise schlägt«, sagte Mogli. »Aber wir wollen fort von hier.« Und die drei stahlen sich durch eine Öffnung der Mauer und trabten fort in die Dschungel.

»Wuff!« ächzte Balu, als er wieder unter den stillen Bäumen stand. »Nie mehr in meinem ganzen Leben verbünde ich mich mit Kaa.« Und er schüttelte sich am ganzen Körper.

»Er weiß mehr als wir«, sagte auch Baghira zitternd. »Wäre ich geblieben – nur noch ein paar Minuten –, so hätte ich selbst den Weg in seinen Schlund angetreten.«

»Viele werden diesen Weg wandern, ehe der Mond wieder aus den Tälern steigt«, meinte Balu. »Gute Jagd wird er haben – auf seine Art.«

»Aber was bedeutet das alles?« fragte Mogli, der nichts von den hypnotischen Kräften eines Pythons wußte. »Ich sah nur eine große Schlange närrische Kreise schlagen, bis die Nacht kam. Und ihre Nase war ganz wund. Ha! Ha!«

»Mogli«, knurrte Baghira ärgerlich, »wenn er sich verletzt hat, so geschah es nur deinetwegen, so wie meine Ohren und Tatzen deinetwegen zerbissen sind; und sieh nur auf deinen alten Lehrer Balu, wie er zerzaust ist, es war alles deinetwegen. Wir zwei werden so bald nicht wieder fröhlich jagen können.«

»Laß nur gut sein«, brummte Balu. »Wir haben unser Menschenjunges wieder!«

»Ganz recht, aber wir haben teuer für ihn bezahlt. Denke nur, was wir an Zeit für die Jagd verloren haben und an Haaren und – vor allen Dingen – an Ehre und Ansehen. Denn, denke daran, Mogli, ich, der schwarze Panther, erniedrigte mich so weit, Kaa um Hilfe anzurufen, und Balu sowohl wie ich wurden gebannt wie kleine Vögel von Kaas Jagdtanz! Und das alles kam nur, Menschenjunges, von deinem Spielen mit den Bandar-log.«

»Wahr! Es ist alles wahr!« sagte Mogli mit aufrichtiger Reue. »Ein schlechtes Menschenjunges bin ich, und Kummer sitzt mir in den Eingeweiden.«

»Mf! Was sagt das Gesetz der Dschungel, Balu?«

Balu hatte keine Lust, seinem Schüler noch weitere Unannehmlichkeiten zu bereiten, aber mit dem Gesetz durfte man nicht Spaß treiben. Und deshalb murmelte er: »Reue schützt vor Strafe nicht! Aber bedenke, Baghira, er ist klein!«

»Ich weiß, aber er hat Unrecht begangen und muß dafür seine Schläge haben. Mogli, hast du noch etwas vorzubringen?«

»Nein, ich tat unrecht. Balu und du, ihr blutet. Ich habe Strafe verdient.«

Baghira gab ihm ein halbes Dutzend Klapse … sanfte Schläge vom Standpunkte eines Panthers aus (sie würden kaum eines seiner Jungen aus dem Schlafe geweckt haben), doch für einen siebenjährigen Knaben waren sie eine ganz gehörige Tracht Prügel. Als es vorüber war, schüttelte sich Mogli, nieste einmal und rieb sich, aber sagte kein Wort.

»Nun, nun«, schnurrte Baghira, »auf meinen Rücken, kleiner Bruder. Wir wollen nach Hause.«

Das ist im Dschungelgesetz eine ganz prächtige Einrichtung: Wenn man seine Strafe erhalten hat, ist alles vergessen und vergeben. Da gibt es kein langes Brummen und Grollen.

Mogli legte den Kopf auf Baghiras weichen Rücken und schlief so fest, daß er nicht einmal erwachte, als man ihn in der Höhle seiner Wolfseltern niederlegte.

Und nun zurück zur ersten Geschichte.

Wanderlied des Affenvolkes

 
Wir schwingen uns, ein fliegender Kranz,
Halbwegs bis zum neidischen Mond im Tanz.
Bewunderst du nicht unsere prächtige Schar,
Hätt'st gern noch ein Extrahändepaar?
Möchtest du nicht, geschweift wär' dein Schwanz
Wie Amors Bogen – voll Eleganz?
Nun bist du böse. Doch glaube mir,
Bruder, dein Schwanz hängt hinter dir.
Hier sitzen wir im Gezweig und beraten
Viel schöne Pläne und große Taten.
Doch träumen wir nur von Dingen,
Die im Ernst wir doch nie vollbringen.
Was edel ist und klug und fein,
Tun wir durch Wünschen ganz allein.
Schon ist's vergessen. Doch glaube mir,
Bruder, dein Schwanz hängt hinter dir.
Alles Geschwätz, das wir brachten nach Haus,
Vom Vogel, vom Wolf und der Fledermaus,
Wir schnattern es nach und alle zugleich.
Noch einmal! wie herrlich, wie rhythmenreich!
Wahrhaftig, jetzt sind wir den Menschen gleich.
Gut, seien wir's – doch glaube mir,
Bruder, dein Schwanz hängt hinter dir.
Das ist so recht der Affen Manier.
Komm, reih' dich unsern Scharen ein,
Die hoch in den Bäumen springen,
Die mit der Dschungel wildem Wein
Sich stolz in die Lüfte schwingen.
Wir schwören, beim Schmutz auf unserm Pfad,
Bald kommt sie, die große, erlösende Tat.
 

»Tiger – Tiger!«

 
Wie war's mit der Jagd im tiefen Wald? …
    Bruder, die Nacht war so lang und so kalt!
Wie war's mit der Beute? Besiegt oder tot? …
    Bruder, noch springt sie im Morgenrot!
Wo bleibt deine Stärke, dein Stolz, deine Lust? …
    Bruder, sie schmilzt mir von Flanke und Brust.
Was hetzt dich so? Was ist deine Not?
    Bruder, ich sterbe, mich hetzt der Tod.
 

Als Mogli nach dem Kampf mit dem Rudel am Ratsfelsen die Höhle seiner Wolfseltern verließ, wußte er wohl, daß er sich manchen Todfeind geschaffen hatte. Er wollte deshalb nicht in allzu großer Nähe der Dschungel bleiben und lief in gleichmäßigem Wolfstrabe mindestens dreißig Kilometer talabwärts, den bebauten Feldern der Menschen zu, bis er in eine ihm unbekannte Gegend kam. Vor ihm öffnete sich eine große Ebene, die mit Felsblöcken übersät und von tiefen Einschnitten durchfurcht war. An dem einen Ende stand ein kleines Dorf, am andern drang die Dschungel bis dicht zu den Weidegründen vor und hörte dann plötzlich wie abgeschnitten auf. Auf den grünen Wiesen grasten friedlich Rinder und Büffel; sobald aber die kleinen Jungen, welche die Herde hüteten, Mogli erblickten, rannten sie schreiend davon, und die gelben herrenlosen Hunde, die um jedes indische Dorf herumlungern, erhoben wütendes Gekläff. Mogli trabte weiter, denn er war hungrig, und als er zum Dorfgatter kam, sah er, daß das dichte Dorngeflecht, mit dem der Dorfeingang beim Einbruch der Dämmerung verschlossen wurde, zur Seite gesetzt war.

»Umpf!« stieß Mogli hervor, »auch hier fürchtet der Mensch die Völker der Dschungel!« – denn oft war er auf seinen nächtlichen Streifzügen nach Nahrung auf solche Schutzwehren gestoßen. Er hockte am Tor nieder, und als ein Mann herauskam, stand er auf, öffnete den Mund und zeigte mit dem Finger hinein, um anzudeuten, daß er essen wolle. Der Mann starrte ihn an, lief fort und schrie laut nach dem Priester. Der Priester, ein dicker Mann im weißen Gewand, mit einem rot-gelben Zeichen auf der Stirne, kam an der Spitze eines Haufens von mindestens hundert Leuten herbei. Sie alle gafften Mogli an, schwatzten und riefen und deuteten mit den Fingern auf ihn.

»Sie haben keine Lebensart, diese Menschenvölker«, dachte sich Mogli. »Nur die grauen Affen benehmen sich so!« Er warf seine langen Haare trotzig zurück und starrte düster die Menge an.

»Wovor fürchtet ihr euch denn?« fragte der Priester. »Seht doch die Narben an seinen Armen und Beinen. Das sind Wolfsbisse. Ein Wolfskind ist es, der Dschungel entlaufen, nichts weiter.«

Beim Spielen hatten die jungen Wölfe natürlich manchmal härter zugebissen, als es in ihrer Absicht lag, und so waren seine Arme und Beine mit weißen Narben bedeckt. Mogli aber wäre es niemals eingefallen, solche Zärtlichkeiten »Bisse« zu nennen, denn er wußte viel zu gut, was richtiges Beißen war.

»Arré! Arré!« riefen die Frauen mitleidig. »Von Wölfen zerbissen! Das arme Kind! Ein hübscher Bursche ist er. Hat Augen wie glühendes Feuer. Wahrhaftig, Messua, sieht er nicht deinem Sohn ähnlich, den der Tiger damals davonschleppte?«

»Laßt sehen«, sagte eine Frau mit schweren Kupferringen an Armen und Fußgelenken. Sie drängte sich vor, schützte die Augen mit den Händen und betrachtete Mogli aufmerksam. »O nein!« sagte sie. »Er ist viel dünner – aber – wirklich – es ist wahr … , im Gesicht sieht er ihm ganz ähnlich!«

Der Priester war ein kluger Mann und Messua die Frau des reichsten Bauern im Dorfe. So blickte er denn gen Himmel auf und sprach mit feierlicher Stimme: »Was die Dschungel nahm, gab die Dschungel zurück. Nimm den Knaben in dein Haus, meine Schwester, und vergiß nicht, den Priester zu ehren, der tiefen Einblick hat in das Leben der Menschen.«

»Bei dem Bullen, um den Baghira mich kaufte«, dachte Mogli, »dieses Schwatzen und Anstarren kommt mir ganz so vor wie die Aufnahme im Rudel. Oah! Es kann nichts helfen – wenn ich nun einmal ein Mensch bin, so muß ich einer bleiben!«Die Frau deutete Mogli durch Zeichen an, ihr zu folgen, und die braune, schwatzende Menge geleitete sie bis zu einem alleinstehenden, niedrigen Hause im Dorfe. Als Mogli argwöhnisch eingetreten war, sah er allerlei merkwürdige Gegenstände. Da stand ein großer Kasten, mit bunten Farben bemalt – das war das Bett. Und zur Seite ein rundes Gefäß, ein großer irdener Behälter, in dem Getreide aufbewahrt wurde, und Mogli erstaunte, als er an den Seiten des irdenen Kruges kleine Kühe und Bäume eingepreßt sah, die sich nicht bewegten und kein Lebenszeichen von sich gaben.

Ganz merkwürdig war auch ein dicker Hindugötze, der aus einer Nische an der Wand hervorgrinste – aber vor allem schien Mogli ein Stück Glas unerklärlich, in dem man seine eigenen Ohren und Augen, sein Gesicht und seinen ganzen Körper sehen konnte – viel besser als in irgendeinem Teiche.

Messua gab ihm Milch, und Mogli trank in langen, durstigen Zügen. Dann gab sie ihm weiches, schönes Brot, und während er aß, sah sie ihm tief in die Augen. Sie seufzte, denn sie wollte gern Gewißheit haben, ob er auch wirklich ihr Sohn sei, den der Tiger fortgeschleppt hatte und der nun aus der Dschungel zurückkäme. Sie legte die Hand auf seine Schulter und sagte: »Nathu, o mein Nathu!« Mogli zeigte durch nichts, daß er den Namen kenne. »Erinnerst du dich nicht an die neuen Schuhe, die ich dir gab eines Morgens?« Sie befühlte seinen Fuß und fand ihn fest und hart wie Horn. »Nein!« meinte sie betrübt. »Diese Füße haben niemals Schuhe getragen … aber sehr gleichst du meinem Nathu, und du sollst nun mein Sohn sein.«

 

Mogli fühlte sich sehr unbehaglich, denn er hatte noch nie ein Dach über sich gehabt; ein Blick auf die schwachen Dachsparren lehrte ihn, daß er jederzeit dort hindurch könnte, wenn er entweichen wollte, und auch die Fenster der Hütte waren unverwahrt und nicht verriegelt.

»Was nützt es mir denn, Mensch zu sein, wenn ich die Menschensprache nicht verstehe?« sagte er zu sich. »Ich bin hier so dumm und stumm, wie ein Mensch sein würde unter uns in der Dschungel. Ich muß ihre Sprache erlernen!«

Er hatte nicht umsonst gelernt, den Lockruf der Hirsche und das Grunzen der kleinen Wildschweine nachzuahmen. Sobald Messua ein Wort aussprach, wiederholte Mogli es mit wunderbarer Genauigkeit, und ehe der Abend herbeikam, wußte er bereits den Namen vieler Gegenstände in der Hütte.

Als die Schlafenszeit nahte, stellte sich eine neue Schwierigkeit ein, denn Mogli war durch nichts zu bewegen, in der Hütte zu schlafen, die einer Pantherfalle allzu ähnlich sah. »Laß ihm seinen Willen«, sagte Messuas Gatte. »Bedenke, er hat wohl noch niemals in einem Bett geschlafen. Wenn er uns wirklich an Stelle unseres Sohnes gesandt wurde, so wird er schon nicht fortlaufen.«

Und so kam es, daß Mogli sich gemächlich im weichen, grünen Gras am Rande des Feldes ausstreckte. Als er gerade müde seine Augen geschlossen hatte, fühlte er am Kinn den sanften Stoß einer kalten, feuchten Nase.

»Puh!« maunzte Graubruder (er war der älteste von Mutter Wolfs Kindern), »das nenne ich mir eine schlechte Belohnung für die zwanzig Meilen, die ich deinetwegen gelaufen bin! Abscheulich! Du riechst schon ganz wie ein Mensch nach Rauch und Herdenvieh – wache auf, kleiner Bruder, ich bringe Neues von der Dschungel!«

»Sind alle wohlauf?« fragte Mogli, ihn liebevoll zausend.

»Alle, nur die Wölfe sind vergrämt, deren Fell du mit der roten Blume sengtest. Nun höre, Schir Khan ist auf und davon, in fernen Gründen will er jagen, bis sein Fell wieder heil ist, das du ihm nicht schlecht verbrannt hast. Aber er hat geschworen, wenn er wieder zurück ist, will er deine Knochen in den Waingunga werfen.«

»Auch ich habe einen Schwur getan. Doch davon später. Neuigkeiten sind immer willkommen. Sehr müde bin ich heut nacht, die Augen fallen mir zu, und der Kopf schwirrt mir von all den Dingen, die ich gesehen habe. Aber, Graubruder, du mußt mir immer Nachricht bringen.«

»Und wirst du dich auch immer daran erinnern, daß du ein Wolf bist? Wirst du uns nicht der Menschen wegen ganz und gar vergessen?«

»Niemals. Ich werde dich immer lieb behalten, dich und alle in der Höhle, aber ich werde auch niemals vergessen, daß man mich ausgestoßen hat aus dem Rudel!«

»Jawohl, und … daß sie dich vielleicht auch noch aus einem andern Rudel ausstoßen werden. Menschen sind nur Menschen, kleiner Bruder, und ihr Geschwätz ist nicht mehr wert als das Gequake der Frösche im Teiche. Wenn ich wieder herkomme, werde ich dich im Bambusdickicht erwarten, dort an der Grenze des Weidegrundes.«

Nach dieser Nacht kam Mogli drei Monate lang nicht vor das Dorftor, denn eifrig war er, Menschenart und Menschenbrauch zu erlernen. Zuallererst mußte er sich daran gewöhnen, ein Tuch um die Hüften zu tragen, und das fiel ihm schwer; und dann hatte er alle die sonderbaren Worte der Menschen nachzuahmen und dabei Mund und Zunge ganz schrecklich zu verdrehen. Sobald er die Dinge, die man essen und trinken kann, bei Namen wußte, gab man ihm schmutzige Kupferstücke in die Hand und sagte, dies sei Geld und das müsse man über alles schätzen. Mogli lachte und meinte, die Menschen seien fast ebenso wie die Bandar-log. Und dann führte man ihn hinaus auf das Feld und zeigte ihm, wie man die Erde aufreißt und den Samen hineinlegt. Alles dies schien ihm sehr sonderbar, und er begriff nicht, warum die Menschen sich mit alledem so plagten und mühten. Auch ärgerten ihn oft die Kinder im Dorf. Zum Glück hatte er in der Dschungel gelernt, kaltes Blut zu bewahren; aber wenn sie ihn verspotteten oder am Ende gar ihn höhnisch nachahmten, weil er einige Worte schlecht aussprach, dann konnte er sich kaum halten, sie zu packen und in Stücke zu zerreißen. Er wußte jedoch, daß ein rechter Jäger kleine, nackte Jungen verschont, und er begnügte sich damit, den Kindern gelegentlich einen heillosen Schreck einzujagen, indem er die Zähne fletschte und sie anknurrte wie Baghira, der Panther.

Von seiner Körperkraft ahnte er nichts. In der Dschungel unter den Tieren galt er für schwach; die Dorfleute aber sagten, er sei stark wie ein Stier.

Daß die Menschen durch Kasten streng voneinander geschieden sind, war ihm unverständlich. Als nun eines Tages des Töpfers Esel in die Lehmgrube fiel, zog Mogli das Tier beim Schwanze heraus und half dem Töpfer, seine Ware wieder aufzuladen für den Markt in Khanhiwara. Das war ein großes Vergehen, denn der Töpfer gehörte einer sehr niedrigen Kaste an, und mit seinem Esel stand es noch weit schlimmer. Als der Priester ihn deswegen schalt, drohte Mogli dem heiligen Manne, daß er ihn selbst auf den Esel setzen werde. Da lief der Priester zu Messuas Gatten und sagte ihm, es sei hohe Zeit, Mogli an eine regelmäßige Beschäftigung zu gewöhnen, und der Dorfälteste wies den Knaben an, am nächsten Tage die Büffel zur Weide zu führen. Niemand war darüber glücklicher als Mogli.

An demselben Abend stellte er sich in der ehrwürdigen Versammlung ein, die regelmäßig auf einer Art Plattform unter dem großen Feigenbaum tagte und zu der er nun als angestellter Dorfhirt Zutritt hatte. Es war der Dorfklub, zu dem alle Honoratioren gehörten: der Dorfälteste, der Nachtwächter, der hagere Barbier, der alle Neuigkeiten im Dorf wußte, und der alte Buldeo, der Dorfjäger, der eine rostige Donnerbüchse sein eigen nannte. Sie und viele andere saßen unter dem Palmbaum, schwatzten und rauchten, und oben in den Zweigen des Baumes saßen die Affen und schwatzten ebenfalls, nur daß sie nicht rauchten. Unter der steinernen Plattform aber in einem Loch hauste die Dorfkobra, der man jeden Abend eine Schüssel mit Milch brachte, denn sie war heilig. Die alten Männer saßen und erzählten sich bis tief in die Nacht hinein wunderbare Geschichten von Göttern, Menschen und Geistern, während sie fleißig an den großen Huquas, den Wasserpfeifen, sogen. Buldeo überbot alle mit seinen merkwürdigen Berichten von den wilden Tieren und ihrem Treiben in der Dschungel; er schilderte, erzählte und gestikulierte, bis den Kindern, die außerhalb des Kreises saßen, die Gänsehaut über den Rücken lief, und bis ihre großen, braunen Augen wie Mühlräder starrten. Die meisten Geschichten handelten von Tieren, denn die Dschungel rauschte ja Tag und Nacht vor den Häusern der Dorfbewohner. Der Hirsch und das Wildschwein wühlten in ihren Feldern und verdarben ihnen die Ernten; ab und zu schlich der Tiger in der Dämmerung herbei, um vor ihren Augen einen Mann davonzutragen; und von weitem tönte der geheimnisvolle Chor unsichtbarer Jäger.

Mogli, der natürlich in der Dschungel Bescheid wußte, vergrub oft sein Gesicht in den Händen, um das Lachen zu verbergen, während Buldeo, den rostigen Stutzen über den Knien, eine grausige Mär nach der anderen zum besten gab, daß Moglis Schultern zuckten.

Der alte Dorfjäger erzählte gerade von dem Tiger, der Messuas Sohn vor Jahren fortgeschleppt hatte. »O gewiß!« sagte er. »Das war gar kein richtiger Tiger, sondern der Geist eines bösen, alten Wucherers, der hier vor vielen Jahren gestorben ist. Und zur Strafe ist seine Seele in den Körper eines Tigers gefahren. Das ist ganz gewiß wahr, und ihr selbst könnt euch davon überzeugen. Der Tiger hinkt, wie wir an den Spuren gesehen haben, und ihr erinnert euch doch, daß der alte Geizhals Purun Daß auf einem Fuße lahm war; das kam von den Schlägen, die der Richter ihm einmal für seine Wucherei gab; seitdem humpelte er, und es geschah ihm ganz recht, und nun ist er ein Tiger, und mein Mund spricht die reine Wahrheit.«