Handbuch Anti-Aging und Prävention

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Warum die Natur sich Altern leisten kann
Antagonistische Pleiotropie oder: Dr. Jekyll und Mr. Hyde in unseren Genen

Wer hinter das Wesen der Alterung blicken will, kommt um diesen etwas kompliziert klingenden Begriff nicht herum. Doch keine Sorge, so schwierig ist die Sache gar nicht. Als „pleiotrop“ werden Gene bezeichnet, die gleich mehrere Eigenschaften eines Organismus bestimmen. Im Hinblick auf die Evolution, also die Entwicklung einer Art, können diese Eigenschaften sogar entgegengesetzt sein. Das heißt, die eine Eigenschaft des Gens wirkt sich günstig aus, die andere ungünstig. Deshalb „antagonistische Pleiotropie“.

Die zwei Gesichter von Fett

Häufig hat sogar ein und dieselbe Eigenschaft, die ein Gen steuert, gegensätzliche Konsequenzen. Ein Beispiel ist die Fettspeicherung beim Menschen. Die Veranlagung, viel Fett zu speichern, wirkt sich vor allem bei unregelmäßigem Nahrungsangebot günstig auf die Fortpflanzungsfähigkeit und damit auf die Überlebenschancen aus. Das gilt besonders für Frauen, da bei ihnen eine erfolgreiche Fortpflanzung unmittelbar von ausreichenden Energiespeichern abhängt. Je mehr Fettreserven, desto besser also die Überlebenschance der Nachkommen und damit der Art.

Auf der anderen Seite führen verschiedene Stoffwechselprozesse rund um die Fettspeicherung zu einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Krankheiten – was die Überlebenstauglichkeit im späteren Alter beeinträchtigt.

Pleiotrope Gene sollten sich über Generationen hin also grundsätzlich nur dann durchsetzen, wenn für die betreffende Art unterm Strich der Gewinn höher ist als der Verlust. Der Vorteil muss größer sein als die Nachteile. Dieser Grundsatz gilt für alle Entwicklungen der Evolution und ist leicht nachvollziehbar. Doch es kommt noch etwas Entscheidendes hinzu: der Zeitfaktor.

Der Zeitpunkt entscheidet

Negative Auswirkungen, die von einem ansonsten positiven Gen verursacht werden, verlieren für das Überleben und den Fortbestand einer Art erheblich an Gewicht, wenn sie erst spät im Leben zum Tragen kommen.

Um bei unserem etwas vereinfachten Beispiel zu bleiben: Die Fähigkeit, besonders viel Fett zu produzieren und zu speichern, wirkt sich positiv auf die Zahl beziehungsweise die Überlebenschance der Nachkommen aus und sollte sich deshalb im Laufe der Evolution als genetischer Vorteil durchsetzen. Der dadurch entstehende Nachteil, im späteren Erwachsenenalter einem höheren Krankheits- und Sterberisiko ausgesetzt zu sein, mag für das betroffene Individuum bedauerlich sein. Für den Fortbestand der Art aber wirkt sich dieser Nachteil kaum aus, da die Nachkommen bereits gezeugt und aufgezogen sind.

Die Fürsorge der Natur ist begrenzt

Unterstellen wir für einen Moment der Natur eine bestimmte Absicht (was natürlich nicht korrekt ist, da die Natur keine Intentionen verfolgt), so könnte man sagen: Die Natur kümmert sich um uns, solange es um den Fortbestand der Art geht – und das ist in erster Linie die Zeit von unserer Geburt bis zum mittleren Erwachsenenalter. Was danach mit dem einzelnen Individuum geschieht – Krankheit oder Tod –, ist für den Fortbestand der Art und damit auch für die Natur von höchst untergeordnetem Interesse.

Ein ernüchternder Gedanke, dass wir in diesem Sinne auf die Fortpflanzungsfähigkeit reduziert und ab dem Erwachsenenalter gewissermaßen „vernachlässigt“ werden. Und überhaupt, wir könnten uns mit einiger Berechtigung fragen, warum die Natur all ihr Interesse auf die Jugend konzentriert. Ebenso gut könnte ja die Fortpflanzungsfähigkeit länger erhalten bleiben und damit könnten die Anstrengungen um die Gesunderhaltung des Individuums auch im späteren Alter einen höheren Stellenwert bekommen.

Biologisch wäre das tatsächlich möglich, das wissen wir heute. Und bei vielen Tierarten ist das auch so. Aber die Natur hat noch einen anderen Grund, nicht allzu viel in höhere Lebensalter von uns Menschen zu investieren. Und das hat etwas mit Mathematik, mit kleinen Glasröhrchen und einer Schublade zu tun. Wir kommen gleich auf diesen etwas merkwürdig klingenden Zusammenhang zu sprechen.

Lebensbedrohliche Mutationen

Mutationen sind zufällig entstehende Genveränderungen und ein typisches Phänomen des Lebens. Wahrscheinlich sind sie sogar ein wichtiger Motor für die Evolution. Allerdings: Die meisten dieser spontanen genetischen Veränderungen wirken für das Individuum überaus schädlich. Krebs ist ein Beispiel dafür.

Eine Mutation kann auch in einem jungen Organismus auftreten beziehungsweise sich in einem frühen Alter auswirken. Weil aber das Überleben dadurch normalerweise behindert, wenn nicht unmöglich gemacht wird, sterben ihre Träger sehr bald – meist, bevor sie die Möglichkeit haben, sich fortzupflanzen und die Veranlagung zu frühen Mutationen weiterzugeben.

Weit weniger stark wirkt die evolutionäre Auslese, wenn sich eine vererbte Mutation erst im späteren Alter bemerkbar macht. Wahrscheinlich ist die Alzheimer-Erkrankung die häufigste genetisch (mit-) bedingte Erkrankung, die im Erwachsenenalter auftritt. Eine besondere, vererbbare Genvariante vergrößert deutlich das Risiko zu erkranken. Da aber meist nur Menschen in höherem Alter betroffen sind, hat die Natur sozusagen wenig Handhabe, diese Vererbungslinie zu unterbrechen.

Teure Wartungsarbeiten

Mutagene Prozesse und andere gefährliche Angriffe auf den Organismus finden ununterbrochen statt. Ohne eine pausenlos arbeitende Abwehr und Schnellreparatur wäre nicht einmal ein kurzes Leben möglich. Aber Körperzellen sind schädlichen Einflüssen nicht schutzlos ausgeliefert. Abwehrkämpfe und Ausbesserung von Schäden sind ein wesentlicher Überlebensfaktor. Dramatisch deutlich wird das, wenn diese Mechanismen nicht funktionieren, wie das bei der Immunschwächekrankheit Aids der Fall ist. An Aids erkrankte Kinder erleiden nicht nur vielfältige Infektionskrankheiten, auch die Krebsrate steigt schnell an.

Perfekte Abwehr und aufwendige Reparatur sind aber nicht kostenfrei zu haben. Sie zwingen den Organismus, mit seinem Energie- und Ressourcenhaushalt entsprechende Schwerpunkte zu setzen; diese Ressourcen fehlen an anderer Stelle (s. u.). Für das Überleben einer Art ist es deshalb auch dabei wichtig, dass die Natur ihre Kräfte konzentriert und sich besonders auf Reparaturleistungen im jungen Organismus spezialisiert. „Nachlässigkeiten“, die sich im Alter einschleichen, wirken sich für die Arterhaltung weit weniger dramatisch aus.

Amputierte Bakterien

Bakterien können, ebenso wie der Mensch, bestimmte lebensnotwendige Substanzen aus Nahrungsbausteinen herstellen. Andere Nährstoffe müssen sie in direkter Form aufnehmen, genau wie wir. Im Labor kann man nun einen Bakterienstamm derart verändern, dass die Fähigkeit, – sagen wir – eine Substanz A selbst herzustellen, verloren geht. Diese Substanz wird damit zu einem klassischen Vitamin, das diese Bakterien ab sofort über die Nahrung aufnehmen müssen, um zu überleben.

Werden die veränderten Bakterien zusammen mit nichtmanipulierten Artgenossen in eine Nährlösung gesetzt, in der die Substanz A nur in sehr geringen Mengen vorkommt, vermehren sich vor allem die unveränderten Bakterien, die die Substanz A nach wie vor selbst herstellen können. Sie sind ja nicht von der Nahrungszufuhr abhängig. Der manipulierte Bakterienstamm dagegen erleidet Mangelerscheinungen und geht unter.

Der Fall scheint ja auch auf der Hand zu liegen: Wenn Nährstoffe, die vorher im Organismus „einfach” selbst hergestellt wurden, nicht mehr produziert werden können und der Körper jetzt in Abhängigkeit von der Umwelt gerät, so muss das zwangsläufig zu Existenznachteilen führen. Oder nicht?

Ein zweites Experiment: Setzt man beide Bakterienstämme in eine Nährlösung, die ausreichend große Mengen der Substanz A enthält, passiert etwas Überraschendes: Jetzt überleben beide Stämme nicht etwa gleich gut. Es vermehren sich vielmehr die Bakterien besser, die Substanz A nicht mehr selbst herstellen können und deshalb auf die externe Zufuhr angewiesen sind.

Grund für diese überraschende Entwicklung: Jeder noch so einfach erscheinende Stoffwechselvorgang verlangt vom Organismus Energie und Ressourcen. Eine Energie, die unter Umständen von anderen Körpervorgängen abgezogen werden muss. Kann es sich eine Population leisten, an einem bestimmten Stoffwechselablauf zu sparen, so können die frei werdenden Ressourcen gewinnbringend in andere Bereiche investiert werden. Und das kann einen entscheidenden Überlebensvorteil bedeuten. Das Leben muss sich also „genau überlegen”, wann und worauf es seine Bemühungen konzentriert.

Bitte beachten Sie: Deshalb sind auch bestimmte, immer wieder zu hörende Aussagen zur Nährstoffsubstitution unsinnig, Aussagen wie: Nährstoffe und vitaminähnliche Stoffe, die der Körper selbst herstellen kann, bräuchte man nicht von außen zuzuführen beziehungsweise sie hätten überhaupt keine Wirkung. Denn der Organismus würde ja immer genau die optimale Menge produzieren, die er benötigt. Falsch! Richtig ist: Vitalstoffe werden vom Körper nicht am Optimum orientiert produziert, sondern unter einer strengen Nutzen-Aufwand-Relation. Zusätzliche Substitution kann deshalb in vielen Fällen positiv und sinnvoll sein.

Die letzten Zähne des Elefanten

Wie wichtig ein ökonomischer Umgang mit Lebensenergie ist und wie genau die Natur ihre Ressourcen verteilt, zeigt das Beispiel der Elefantenzähne. Elefanten sind fast den ganzen Tag damit beschäftigt, sprödes Gras zu zermalmen. Entsprechend schnell nutzen sich ihre Backenzähne ab. Nicht auszudenken, würden Elefanten nur einmal im Leben neue Zähne erhalten, wie wir. Sie wären schon in ihrer Jugend zahnlos. Auf einem Satz Zähne kann ein Elefant nämlich nur etwa 10 Jahre lang kauen, dann ist er abgenutzt und muss durch neue Zähne ersetzt werden. Das geschieht auch. Die Natur versorgt die Tiere immer wieder mit neuen Zähnen. Eine verschwenderische Ausstattung?

 

Keineswegs. Etwa im Alter von 60 Jahren erhält der Elefant seinen sechsten und diesmal unwiderruflich letzten Zahnsatz. Elefanten werden 60 bis 70 Jahre alt und normalerweise genügt somit diese letzte Ausstattung bis zum Lebensende. Bleibt ein Elefant länger am Leben, gibt es keinen „Zahnbonus“ für das Tier. Eine Veranlagung, vielleicht in den späten Sechzigern zum siebten Mal Zähne zu entwickeln – sozusagen als Versicherung für einzelne, besonders langlebige Vertreter der Art –, ist vom Evolutionsstandpunkt aus „unrentabel“ und hat sich nicht durchgesetzt. Sehr alte Elefanten bezahlen diese strenge Ökonomie nicht selten mit einem grausamen Schicksal: Sie müssen verhungern.

Alterung als Nebeneffekt

Alternsforscher interessierten sich schon immer für die Frage, in welcher Beziehung unser mächtiges Hormonsystem zum Altern steht. Denn die meisten Hormone und Botenstoffe verlieren im Alter ihre fein abgestimmte Regulation. Verhindert man diese Störungen, lassen sich viele Alterserscheinungen vermeiden. Hormonstörungen sind also sowohl Folge als auch Ursache von Altern.

Doch nicht alles, was das Überleben im jungen, fortpflanzungsfähigen Alter sichert, ist auch im Hinblick auf die Langlebigkeit förderlich. Verschiedene Bereiche unseres Hormonsystems sind ebenfalls einer antagonistischen Pleiotropie unterworfen. Stressreaktionen sind solch ein Beispiel. Die Natur sichert unter allen Umständen eine möglichst optimale Reproduktion, um das Überleben der Art zu gewährleisten. Dabei sind ihr alle Mittel recht – auch solche, für die der Einzelne im späteren Leben eine bittere Rechnung bezahlen muss. Charles Mobbs, Endokrinologe am New Yorker Fishberg Center of Neurobiology, drückt das so aus: „Fehlfunktionen im späteren Leben sind im Wesentlichen Nebeneffekte eines optimalen Fortpflanzungserfolges im frühen Leben.“

Überbevölkerung – kein Thema für die Natur

Altern als Nebeneffekt, Altern als Folge zufälliger genetischer Doppelwirkungen und Altern aufgrund einer strengen „Sparpolitik“ der Natur – wir haben jetzt eine ganze Reihe von Gründen kennengelernt, warum sich im Laufe der menschlichen Evolution das entwickeln konnte, was wir heute unter Alterung verstehen (und zu unserem Missfallen selbst erleben).

Wir müssen auch – vielleicht ein wenig irritiert – zur Kenntnis nehmen, dass Menschen nicht deshalb altern, weil es ein geplantes oder notwendiges Schicksal ist. Nicht weil es vorbestimmt ist oder „Sinn macht“, sondern viel eher aus Zufall, durch eine Reihe von Nachlässigkeiten und vor allem Ökonomiemechanismen der Natur hat sich das Altern gewissermaßen über die Hintertür eingeschlichen.

Man könnte jetzt einwenden, es gebe ja mindestens einen guten Grund, warum Altern und Alterstod existieren: Denn wie sollten neue Generationen überleben, wenn es keine oder nur geringe Alterung sowie keine Alterskrankheiten gäbe und die Menschen Jahrhunderte alt werden könnten? Nahrung oder Platz würden früher oder später knapp. Liegt also doch so etwas wie ein Sinn im Altern?

Auch da ist die Antwort überraschend. Sie lautet: nein. Wegen drohender Überbevölkerung hätte Altern nicht entstehen müssen. Seit der Entwicklung der ersten Menschen bis in unsere Zeit, also seit vielen Hunderttausenden von Jahren, war der Tod aus „Altersschwäche“ eine Seltenheit. Um das Leben der Menschen zu beenden, hätte das Altern nicht „erfunden“ werden müssen.

Unfälle, Hungersnöte, Infektionen und viele andere Faktoren sorgten über Jahrtausende dafür, dass die allermeisten Menschen ums Leben kamen, bevor sie überhaupt in die „glückliche Verlegenheit“ kommen konnten, an den Folgen ihrer Alterung zu sterben. Ganz im Gegenteil: Die Tatsache, dass das Leben schon ohne das Altern gefährlich genug ist, ist sogar ein weiterer Grund, warum sich die Natur über schädliche Begleiterscheinungen des menschlichen Alterungsprozesses „keine Gedanken zu machen“ brauchte. Zumindest galt das bis in die jüngste Geschichte der Menschheit. Und damit kommen wir zu den bereits erwähnten Glasröhrchen und der Schublade – erinnern Sie sich? – und dazu, was es damit auf sich hat.

Die Schubladenparabel oder: Warum die Mathematik gegen zu viel Altersvorsorge spricht

Seneszenz (also die zunehmenden Funktionsverluste und Defizite im Alter) beeinträchtigt nicht die Fortpflanzung und damit das Überleben der Gattung Mensch. Das haben wir gesehen. Dennoch mag man angesichts der vielen Alterserscheinungen den Preis, den der Einzelne zu zahlen hat, als sehr hoch beklagen. Ist die Natur nicht doch zu nachlässig?

Kommen wir noch einmal auf eine Überlegung von weiter oben zurück: Theoretisch könnte es für das Überleben der Gattung Mensch doch auch gewisse Vorteile haben, wenn Fortpflanzungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit im Leben länger erhalten blieben: Bei längerer Fortpflanzungsfähigkeit würde sich die Natur dann auch länger um unser Jungbleiben kümmern. Nun ja, wie gesagt, theoretisch denkbar. Praktisch wäre der Vorteil aber äußerst gering. Der englische Zoologe und Nobelpreisträger Peter Bryan Medawar präsentierte 1957 dazu folgende interessante Parabel:

In einer Schublade eines Labors liegen neben anderen Dingen kleine Glasröhrchen. Die Schublade wird von den Mitarbeitern häufig geöffnet, und weil man in einer großen Schublade nie das findet, was man gerade sucht, gehen bei der Wühlerei immer wieder Glasröhrchen in die Brüche. In regelmäßigen Abständen müssen deshalb Röhrchen ersetzt werden.

Erhöht man nun mit einem kleinen Kunstgriff die Brüchigkeit der Glasröhrchen, gehen beim täglichen Umgang natürlich mehr Exemplare entzwei. Entsprechend wird ein größerer Nachschub gebraucht, will man das „Aussterben” der Röhrchen verhindern. So weit ist alles, wie es jeder erwarten würde.

Manipuliert man die Brüchigkeit der Glasröhrchen aber so, dass sie langsam und zunehmend mit dem Alter der Röhrchen ansteigt (am Ende sogar viel stärker als beim vorherigen Versuch), kann man Erstaunliches feststellen. Es müssen jetzt in einem bestimmten Zeitraum kaum mehr Röhrchen ersetzt werden als im ursprünglichen Alltagsgebrauch ohne die zugefügte Brüchigkeit.

Obwohl sich ja „junge” Glasröhrchen in keiner Weise von „alten” Glasröhrchen unterscheiden (es gibt keine Alterung bei Röhrchen), wirken sich Anfälligkeiten, die die „jungen” betreffen, sehr nachhaltig aus. Die Brüchigkeit von „alten” Exemplaren dagegen beeinflusst die „Röhrchenpopulation” nicht oder zumindest nur wenig. Grund: Durch die täglichen Schubladengefahren überleben die Glasröhrchen durchschnittlich ohnehin nur eine gewisse Zeit, auch ohne zu altern oder im eigentlichen Sinn sterblich zu sein. Nur sehr wenige erreichen deshalb ein chronologisch hohes Alter. Anfälligkeiten, die erst im hohen Alter auftreten, wirken sich entsprechend gering auf den Gesamtbestand aus.

Die Natur erlaubt uns, jung zu bleiben

Ebenso verhält es sich in der Menschheitsentwicklung. Auch wenn man die genannten wichtigen Faktoren wie Fortpflanzungsfähigkeit oder Energiesparmaßnahmen beiseite lässt, ist es für die Natur sinnvoll, sich auf die Jungen und damit die Mehrheit zu konzentrieren. Wegen der alltäglichen Lebensgefahren gab es bis in die allerjüngste Vergangenheit nämlich nur wenige, die alt an Jahren wurden. Ob diese wenigen nun alt wurden im Sinne von Alterung und Krankheit, spielte für die Entwicklung der Gattung Mensch kaum eine Rolle.

Es spricht also nichts dagegen, dass der Mensch bis in ein hohes Alter jugendlich bleiben könnte. Biologisch wäre das absolut möglich und die Natur jedenfalls verbietet es ihm nicht. Sie hat nur keine Veranlassung, von sich aus allzu viel Mühe darauf zu verwenden.

Für das Alter ist jeder selbst verantwortlich

Inwieweit genau die verschiedenen Evolutionsmechanismen beim Menschen direkt oder indirekt am Funktionsabfall im Alter beteiligt sind, lässt sich nicht exakt abgrenzen. Wir brauchen auch nicht näher darauf einzugehen. Halten wir fest, dass es für die Entstehung von Seneszenz beim Menschen eine Reihe von Gründen geben kann. Rein biologisch ist körperlicher und geistiger Abbau jedenfalls auch in hohem Alter keinesfalls zwingend. Und viele Mechanismen, die diesen Abbau verhindern oder stark verzögern können, sind bereits entschlüsselt.

Die Evolution interessiert sich immer nur für die Art, nicht für das Individuum. In unserem Fall heißt das: Um Alterserscheinungen, die spät im Leben auftreten, muss sich die Natur nur wenig kümmern. Für Alterserscheinungen, die sich zwar früher einstellen, aber nicht lebensbedrohlich sind, wie Falten, Haarausfall und Ähnliches mehr, interessiert sich die Natur überhaupt nicht.

Die Natur hilft uns, solange wir jung sind. Wenn wir als Einzelperson Wert darauf legen, unsere Kraft, unser Aussehen oder unser geistiges Potenzial möglichst lange zu erhalten, müssen wir uns schon selbst darum kümmern.

„Wer nicht handelt, dem wird der Himmel nie helfen.”

SOPHOKLES [griechischer Tragiker und Philosoph, 496–406/5 v. Chr.]

Wann Altern beginnt

„50! Was jetzt schon?

Splittert jetzt hier und da der Lack,

bin ich jetzt auch so‘n alter Sack,

zu dem ich und meine Gefährten

jeden, der über zwanzig war,

gnadenlos stempelten und gar

zum Zausel und scheintot erklärten?”

REINHARD MEY [deutscher Liedermacher, *1942]

Wir alle haben eine mehr oder weniger genaue Vorstellung, was alt bedeutet. Auch unter blühender Jugend können wir uns etwas vorstellen. Wann aber beginnt dieses Verhängnis, das wir Altern nennen? Mit der ersten Falte, dem ersten grauen Haar?

Der große amerikanische Schauspieler und Komiker George Burns machte sich darüber ebenfalls so seine Gedanken. Er kam zu dem Schluss, auch nicht genau zu wissen, wann Altern beginnt. Dafür schilderte er, wie man wenigstens eindeutig erkennt, dass man bereits alt ist. Wir möchten Ihnen diese Checkliste nicht vorenthalten.