Handbuch Anti-Aging und Prävention

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Bin ich optimal versorgt?

Eine berechtigte und sehr wichtigen Frage, denn woher soll man wissen, ob der eigene Körper wirklich gut mit Antioxidantien ausgestattet ist? Dazu zunächst wieder eine schlechte Nachricht:

Solange der individuelle antioxidative Status noch immer nicht wie Cholesterin- und Blutdruckmessung routinemäßig bestimmt wird, gibt es für den Einzelnen keine eindeutige Klarheit. Daten breiter Bevölkerungsschichten allein zum Vitamin E zeigen allerdings, dass die Mehrheit von uns kaum damit rechnen kann, einen optimalen antioxidativen Schutzschild zu haben. Nach einer neueren Studie an 44 000 US-Bürgern (NHANES III) liegt die durchschnittliche Vitamin-E-Versorgung sogar unterhalb der behördlich festgesetzten Mindestmarke von 15 mg/Tag. Inzwischen geht man in den USA davon aus, dass allein die unzureichende Zufuhr dieses Antioxidans eine mitentscheidende Ursache für die bei den Amerikanern erhöhten Herz-Kreislauf-Risiken darstellt.

In Deutschland ist die Situation kaum besser. Nach den Ergebnissen der Mitte der 90er-Jahre durchgeführten VERA-Studie und weiteren Vergleichsdaten wäre zur Reduktion allein der akutesten Herz-Kreislauf-Risiken die doppelte Menge an Vitamin E nötig, als in der Nahrung enthalten ist. Eine wirklich optimale Zufuhr zur umfassenden Eindämmung schädlicher Lipidperoxidation liegt um ein Mehrfaches höher.

Nicht erst seit der VERA-Studie mehrten sich schon vor Jahren die Stimmen, die Grenzwerte für Vitamin E anzuheben. Es wurden auch entsprechende Anstrengungen unternommen. Das Problem: Weil es keine extrem Vitamin-E-haltigen Nahrungsmittel gibt, ließ sich die anvisierte Aufnahme in der Praxis nicht erreichen. Schlimmer noch: Weil Gesundheits- und Ernährungsbehörden offizielle Empfehlungen für zusätzliche Vitaminsubstitutionen vermeiden wollten, sind in der jüngsten Vergangenheit Salatöle als ausreichende Vitaminquellen propagiert worden. Ein Trugschluss, denn der Konsum von Ölen oder Margarinen mit hohem Anteil mehrfach ungesättigter und somit leicht oxidierbarer Fettsäuren kann die Nettobilanz an verfügbarem Vitamin E noch weiter verschlechtern. Durch zu heiße Pressung, unsachgemäße Abfüllung oder die Verwendung als Bratöl nimmt der Konsument sogar oxidierte und bereits aggressive Lipide zu sich.

Bei Vitamin E sind optimale Schutzwerte ohne zusätzliche Substitution nicht zu erzielen. Auch die Selenversorgung ist in Deutschland weit von optimalen Werten entfernt und beträgt meist deutlich weniger als 50 μg pro Tag. Die Aufnahme des wichtigsten wasserlöslichen Antioxidans, der Ascorbinsäure (Vitamin C), ist zwar durchschnittlich so hoch, dass sie die Mindestempfehlungen zur Vermeidung von akuten Mangelkrankheiten erreicht (75 bis 100 mg). Von einem optimalen Schutz, der auch oxidative Stresssituationen ohne ein Einbrechen der antioxidativen Abwehr übersteht, kann man beim Menschen − übrigens wie auch bei Primaten − aber erst in Größenordnungen von täglich mindestens 400 mg ausgehen.

Andere Antioxidantien lassen sich dagegen durch gezielte Nahrungsauswahl auch in durchaus hochwirksamer Dosierung zuführen. Voraussetzung ist allerdings eine Ernährung mit hohem Anteil an frischem Obst und Gemüse. Im Zweifelsfall oder bei speziellen Substanzen können Ergänzungspräparate die antioxidative Abwehr optimieren. Eine erhöhte Substitution kann auch sinnvoll sein, wenn ungewöhnliche Belastungen auf den Organismus wirken. Und davon gibt es nicht wenige.

Der Mythos Olivenöl besteht zu recht

Die gerade genannten Zusammenhänge erklären auch die erstaunliche Karriere von Olivenöl. Weil es vergleichsweise geringe Mengen an zwar gesunden, aber auch empfindlichen mehrfach ungesättigte Fettsäuren enthält, ist seine Nettobilanz für Vitamin E positiv. Das heißt, obwohl nur wenig Vitamin E vorhanden ist, liefert Olivenöl zumindest mehr Tocopherole als es für seine Verstoffwechslung benötigt. Eine gute Vitamin-E-Quelle ist es zwar nicht – immerhin aber kein Vitaminräuber. Olivenöl war außerdem das erste Nahrungsöl, bei dem eine schonende kalte Extraktion schon früh Verbreitung fand (wenn auch zunächst aus Geschmacksgründen). Zusätzlich haben einige der im Öl vorkommenden Begleitstoffe herausragende antioxidative und präventive Eigenschaften.

Dass Olivenöl typischerweise naturbelassen verwendet wird, hat auch leider zu einigen Fehlbeurteilungen geführt. Nicht wenige der Vergleichsstudien mit anderen Ölen verglichen nämlich die Gesundheitseffekte von naturbelassenem Olivenöl mit dem Konsum von Ölsorten, die raffiniert und damit wichtiger Begleitstoffe beraubt, wenn nicht gar bereits oxidiert waren. Ein mehr als ungleiches Duell also, bei dem der Sieger im Grunde schon von vornherein feststehen musste. Olivenöl ist somit keineswegs das „gesündeste” Öl, wie häufig behauptet. Vielmehr stellt es einen für den Alltagsgebrauch günstigen Kompromiss dar. Aufgrund seines geringen Anteils von mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist es auch ohne Kühlung relativ stabil und wird beim Erhitzen nicht so schnell oxidiert und damit aggressiv.

Fast gänzlich fehlt beim Olivenöl die hochempfindliche, aber sehr stoffwechselaktive und essenzielle Alpha-Linolensäure, wie sie vor allem aber in Leinöl und Hanföl vorhanden ist.

Alltagssituationen, die unsere antioxidative Abwehr überfordern

Eine ganze Reihe von Stoffen aus der Umwelt verstärken die Radikalbildung. Biochemiker nennen sie Promotoren. In der heutigen Ernährung sind sie leider überall zu finden. Die Aufnahme gefährlicher Promotoren wie zum Beispiel oxidierte und veränderte Fette oder Umweltgifte war in der Entwicklungsgeschichte des Menschen noch nie so hoch wie gegenwärtig. Unser antioxidatives System ist für diese Belastungen nicht angelegt und somit nicht optimal ausgerüstet.

Auch Rauchen oder regelmäßiger Alkoholkonsum führen unweigerlich zu einer Überforderung spezifischer Bereiche des antioxidativen Systems. Zutage tritt die Überbelastung dann entweder an der schwächsten Stelle des Systems, etwa weil von einem gerade dafür zuständigen Antioxidans zu wenig zur Verfügung steht oder eben bei dem am stärksten belasteten Organ. Bei Zigarettenrauchern ist das naturgemäß die Lunge, bei Alkoholkonsum die Leber. Untersucht man die entsprechenden Organe von Rauchern oder Alkoholkonsumenten, lässt sich fast immer ein lokales relatives Defizit an Antioxidantien feststellen.

Das Problem der Schwachpunkte erklärt auch, warum wir durch die zusätzliche Zufuhr von einzelnen Antioxidantien spezifische Krankheitserscheinungen verhindern können, nicht jedoch die degenerativen Alterungsprozesse in ihrer Gesamtheit. Jeder Körper- und sogar jeder einzelne Zellbereich benötigt andere Schutzstoffe. Je komplexer und vielschichtiger die Unterstützung unserer Abwehrmechanismen, desto größer auch die Chance, das Fortschreiten schädlicher Alternsvorgänge insgesamt zu bremsen.

Alkohol und Altern

Alkohol ist eine der ältesten Drogen der Menschheit, und interessanterweise war über alle Kulturen hinweg eines schon immer klar: Die erwünschten psychischen Effekte von Alkohol werden bei höherem Konsum mit negativen Auswirkungen auf Körper und Gesundheit erkauft, gerade auch was das Altern betrifft. Schon unter Griechen und Römern gab es den Spruch: „Alkohol macht aus jungen Männern Alte.“ Und das bezog sich nicht nur auf die sexuelle Manneskraft. Ebenso einig waren sich die meisten Menschen jedoch darin, die Risiken Risiken sein zu lassen und nichtsdestotrotz den Alkohol zu genießen.

Doch die Alkoholgemeinde erhielt vor einigen Jahren unerwartete Unterstützung, als einige Untersuchungen für mäßige Rotweintrinker weniger Alterskrankheiten als bei Abstinenzlern ergaben. Der Jubel war groß. Schon konnte man allenthalben lesen, Rotwein sei geradezu ein Jungbrunnen. Also: Lasst uns trinken für das Jungbleiben?

Wir sollten durch Halbwissen nicht von einem Extrem ins andere verfallen. Alkoholgenuss und Jungbleiben lassen sich aber in der Tat einigermaßen vereinbaren, vorausgesetzt, man kennt die richtigen Fakten. Hier sind sie:

Der Hauptgrund für die potenziellen Gesundheitswirkungen von Rotwein liegt im Gehalt bestimmter antioxidativ wirkender Stoffe vom Typ der Proanthocyanidine und Resveratrol liegt, beispielsweise auch in Brombeeren enthalten. Mit diesem roten Farbstoff der Trauben nimmt der Weintrinker einen sehr effektiven Radikalfänger zu sich. Möglicherweise ist dieser Schutzeffekt für den Körper größer als die negativen Auswirkungen des mit dem Wein zugeführten Alkohols. Wenn Rotwein aber generell einen Nettogewinn für die Gesundheit brächte, müssten Menschen, die extrem viel Rotwein trinken, jünger und gesünder sein als die, die wenig trinken. Wie alle Studien zeigen, ist dem aber nicht so. Warum?

Manche versuchten, den Widerspruch damit zu erklären, dass Antioxidantien eben nur bis zu einer bestimmten Menge für den Menschen nützlich seien. Diese Begründung entsprang wieder der alten Vorstellung, nach der Vitamine und ähnliche Schutzstoffe nur bis zur Vermeidung von Mangelkrankheiten wirkungsvoll sind; und wie bei den Vitaminen ist diese Argumentation auch diesmal falsch. Denn in Labortests steigern Anthocyanidine ihre Schutzwirkung im Körper mit zunehmender Dosierung, zumindest aber bis zu einer Menge, die mehreren Litern Rotwein pro Tag entspräche. Vieltrinker mit solchen Konsummengen jedoch zeigen nicht weniger, sondern extrem verstärkte oxidative Schädigungen und beschleunigte Alterung.

Die Zusammenhänge sind komplexer. Das Hauptproblem beim Trinken liegt nicht beim Alkohol selbst, sondern bei einem Zwischenprodukt seiner Verstoffwechslung. Im Organismus entsteht bei jedem Menschen ständig ein natürlicher Anteil an Alkohol. Der Körper betreibt deshalb ganz routinemäßig ein Enzymsystem, das Alkohol zunächst in eine Verbindung namens Acetaldehyd umwandelt. Ein anderes Enzym baut Acetaldehyd möglichst schnell weiter ab. Ein schneller Abbau ist auch notwendig, denn Acetaldehyd ist eine aggressive Verbindung, die nicht nur in der Leber, sondern im gesamten Körper starken oxidativen Stress auslöst. Besonders empfindlich auf Acetaldehyd reagieren die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn.

 

Größere Alkoholmengen führen – neben der sehr hohen Energiezufuhr – zu einer fortdauernden Belastung mit Acetaldehyd, das bei nährstoffarmer Ernährung (vor allem wenig Thiamin) zusätzlich überproportional ansteigt. Zur unmittelbar zellgiftigen Wirkung von Acetaldehyd kommt eine extreme Bildung von Superoxid-Radikalen. Den daraus entstehenden oxidativen Stress kann man übrigens bereits nach wenigen Stunden in Form eines Katers spüren.

Wie hoch die Belastung mit Acetaldehyd nach einer bestimmten Menge getrunkenen Alkohols tatsächlich ausfällt, kann je nach Abstammung und individueller Veranlagung sehr unterschiedlich sein. Bei Menschen orientalischer Abstammung ist das Enzymsystem, das Acetaldehyd abbaut, genetisch bedingt weniger leistungsfähig. Asiaten zeigen deshalb eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber den Nebenwirkungen von Alkohol, und auch körperliche Schäden entwickeln sich bei ihnen schneller. Das erklärt auch, warum manche Menschen trotz regelmäßigen Alkoholkonsums relativ lange gesund bleiben, während andere schon früh starke Schädigungen aufweisen. Langfristig führt die alkoholbedingte Radikalbildung zu einer ganzen Reihe von Alterungsprozessen, von denen die sichtbaren noch die harmlosesten sind wie zum Beispiel im Bereich des Hautkollagens. Dort häufen sich unter anderem fehlerhafte Kollagenverknüpfungen an, was sich ja bekanntermaßen im Erscheinungsbild von Vieltrinkern untrüglich bemerkbar macht: Die Haut wird deutlich ungleichmäßiger, weniger elastisch und faltiger.

„Es ist eine Forderung der Natur, dass der Mensch mitunter betäubt werden muss, ohne zu schlafen; daher der Genuss in Tabak rauchen, Branntwein trinken, Opiaten.”

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE [deutscher Dichter und Naturwissenschaftler, 1749–1832]

Besonders gefährlich: Alkohol plus Rauchen

Was das Altern und die Gesundheit betrifft, liegt die Hauptgefahr beim Alkoholkonsum also in der verstärkten Radikalbildung, ähnlich wie beim Rauchen. Auch im Zigarettenrauch ist übrigens Acetaldehyd enthalten und für viele der schädlichen Wirkungen verantwortlich. Das macht auch verständlich, warum die Kombination von Alkohol und Rauchen das Altern besonders stark beschleunigt – und zwar mehr, als es von der reinen Addition zu erwarten wäre. Nach Alkoholkonsum sinkt darüber hinaus der Spiegel von Glutathion, das ja für die Beseitigung von Radikalen außerordentlich wichtig ist. Neben der Leber bringt Alkohol auch die Lunge um das schützende Glutathion. Eine fatale Situation, wenn jetzt noch der im Rauch enthaltene Teer und seine Begleitgase die Lunge mit Radikalen, Lipidperoxidationen und DNA-schädigenden Substanzen überschwemmen.

(Anmerkung: Nikotin ist übrigens an keiner dieser negativen Reaktionen beteiligt und es ist eine tragische Ironie, dass Menschen wegen des Nikotins rauchen, letztlich aber an den Begleitstoffen erkranken oder sterben. Keine Lösung sind deshalb Light-Zigaretten. Hier ist das Verhältnis von Nikotin zu Kondensat noch ungünstiger, da sich produktionsbedingt der Nikotingehalt überproportional zum Kondensat reduziert. Gesundheitlich sinnvoller wäre es, kondensatreduzierte Zigaretten mit Nikotin anzureichern, was aber an den gesetzlichen Bestimmungen scheitert. Ein interessanter neuer Ansatz sind die sogenannten e-Dampfgeräte.)

So lassen sich Alkoholschäden reduzieren

Maß halten! Wie gesagt: Der menschliche Organismus kann geringe Alkoholmengen ohne größere Radikalbildung und damit relativ gefahrlos verstoffwechseln. Werden wie beim Rotwein noch zusätzliche Antioxidantien zugeführt, bleibt unter Umständen ein positiver Nettoeffekt für den Gesamtorganismus. (Anmerkung: Was „geringe Mengen“ sind, lässt sich seriös nicht festlegen, da die individuellen Unterschiede sehr groß sind. Beispielsweise sind bei Frauen mehr als zwei viertel Liter Rotwein pro Tag bereits mit schwerwiegenden Gesundheitsrisiken verbunden; s. Kap. II.5)

Antioxidativen Schutz optimieren! Wie viel Acetaldehyd aus der Alkoholmenge beispielsweise eines Partycocktails in unserem Körper entsteht, hängt von der Veranlagung ab und lässt sich nicht beeinflussen. Der oxidative Stress und die Schädigungen, die vom gebildeten Acetaldehyd ausgehen, sind allerdings erheblich beeinflussbar. Studien zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Aufnahme bestimmter Schutzstoffe und alkoholbedingten Schäden:

– Cystein und Vitamin C. Die schwefelhaltige Aminosäure Cystein und Vitamin C blockieren die von Acetaldehyd ausgehende Form von Radikalen, unter anderem durch Unterstützung des körpereigenen Enzyms SOD und von Glutathion.

– Thiamin. Das auch als Vitamin B1 bezeichnete Thiamin ist der wichtigste Schutzfaktor gegen die direkte Zellschädigung durch Acetaldehyd vor allem im Gehirn. Eine prophylaktische Einnahme von Zink schützt vor der nach Alkoholkonsum erhöhten Lipidperoxidation in der Leber.

Wir reden übrigens nicht von „Peanuts“. Wie extrem effektiv die Schutzwirkung einer gezielten Substitution sein kann, verdeutlicht eine richtungsweisende Studie von H. Sprince und Kollegen aus dem Jahre 1975:

In einem Experiment verabreichte man Ratten eine hohe Dosis Acetaldehyd. 90 Prozent der Tiere starben aufgrund der sofort einsetzenden Radikalbildung und der direkten Giftwirkung. Eine Vergleichsgruppe erhielt parallel dazu die gleiche Menge Acetaldehyd, jedoch zusätzlich Cystein, Vitamin C und Thiamin. Von den Tieren dieser zweiten Gruppe starb nicht ein einziges.

Das alte Hausmittel gegen Kater, Orangensaft mit einem Ei, ist also durchaus sinnvoll. Es liefert mit 100 mg Vitamin C und 150 mg Cystein schon eine relativ wirksame Dosierung gegen die schädlichen Auswirkungen des Acetaldehyds. Wesentlich effektiver wäre es allerdings, nicht erst bis zum Kater zu warten, sondern Cystein (500 mg), Vitamin C (1000 mg) und vor allem Thiamin (100 mg) gleichzeitig mit dem Alkohol oder besser davor einzunehmen.

Aber Achtung: Alkoholmengen, die einen Kater nach sich ziehen, beschleunigen das Altern nicht nur über den entstehenden Acetaldehyd. Allein die gewaltige Energiezufuhr verursacht ja eine erhebliche Radikalbildung. Verzicht auf einen allzu tiefen Blick ins Glas ist in diesem Fall die effektivste Vorbeugung gegen beschleunigte Alterung, vor allem im Bereich der Leber, der Gefäße, des Gehirns und der Haut.

Gesundheitspolitik ad absurdum geführt: Alkohol und Behörden

Grundlagenforschung und Studien zeigen: Viele der schädlichen Wirkungen von Alkohol lassen sich durch natürliche Wirkstoffe vermeiden. Diese Tatsache führte in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu Vorstößen aus der Wissenschaft, die Schutzwirkung der Öffentlichkeit bekannt und für die Alkoholkonsumenten nutzbar zu machen. Bereits 1975 schrieben Sprince und seine Kollegen voller Hoffnung in ihrer Acetaldehyd-Studie:

„Unsere Entdeckungen könnten den Weg zum möglichen Aufbau eines natürlichen Schutzes gegen die durch Acetaldehyd verursachte chronische Körperschädigung aufzeigen, die als Folge starken Konsums von Alkohol und starken Rauchens von Zigaretten entsteht.”

RICHARD H. SPRINCE [über die von seinem Forschungsteam entdeckte Schutzwirkung von Thiamin, Cystein und Vitamin C gegen alkoholbedingte Schädigungen]

In der Realität passierte genau das Gegenteil. Schon Mitte des 20. Jahrhunderts hatte es in den USA ein beliebtes, mit Mikronährstoffen angereichertes Alkoholgetränk gegeben. Die Ernährungsbehörde verbannte das Produkt vom Markt. „Zum Schutze der Bevölkerung“, wie es hieß. Das Produkt trüge zur „Verharmlosung“ des Alkohols bei. Eine große amerikanische Destillerie stellte dann in den 80er-Jahren den Antrag, zumindest ihre hochprozentigen Produkte mit dem Acetaldehyd-Schutzstoff Thiamin (Vitamin B1) anreichern zu dürfen. Untersuchungen breiter Bevölkerungsschichten hatten kurz zuvor gezeigt, dass allein mit diesem Vitalstoff viele alkoholbedingte Langzeitschäden an zerebralen Nervenzellen und in der Leber vermieden werden können. Das Projekt scheiterte an gleich zwei Behörden:

Die nationale Destillervereinigung betrachtete den Vitaminzusatz als unerlaubte „Verunreinigung“. Eine solche enge Sichtweise entspricht dem deutschen Reinheitsgebot beim Bier und würde hierzulande wahrscheinlich zu ähnlichen Reaktionen führen. Die alternative Möglichkeit für den Hersteller, nämlich den mit Thiamin angereicherten Alkohol als eigenständiges Produkt im Bereich der Gesundheitsförderung zu vermarkten, hätte eine Zulassung vonseiten der Ernährungs- und Arzneibehörde erfordert. Genussmittel haben bei Gesundheitsbehörden aber keine Chance auf Zulassung. So auch in diesem Fall. Der Hersteller durfte sein Produkt schließlich nicht verkaufen.

Das Ergebnis entbehrt nicht einer bedenklichen Ironie. Die Firma durfte unter den strengen Augen beider Behörden weiterhin mit hochprozentigen Getränken Millionenumsätze machen, vorausgesetzt, ihre Produkte enthielten keinerlei Schutzstoffe, welche die schädlichen Auswirkungen des Alkohols reduzieren könnten. Bis heute hat sich an dieser Situation nichts geändert.

„Die Wissenschaftler bemühen sich, das Unmögliche möglich zu machen. Die Politiker bemühen sich oft, das Mögliche unmöglich zu machen.“

Bertrand Russell [britischer Literaturnobelpreisträger, Philosoph und Logiker, 1872–1970]

Die Risiken antioxidativer Therapie

Die bisher besprochenen antioxidativ wirkenden Substanzen übernehmen wichtige natürliche Schutzfunktionen im Organismus und haben in diesem Zusammenhang keine negativen Auswirkungen. Das bedeutet aber nicht, dass jedes Antioxidans in jeder Dosierung unproblematisch ist.

Bitte beachten Sie: Auch Antioxidantien – ob natürlichen oder synthetischen Ursprungs – sollten immer im Rahmen eines umfassenden individuellen Gesundheitsprogramms eingenommen werden. Ein solches Programm sollte grundsätzlich mit ärztlicher Unterstützung und unter Einbeziehung regelmäßiger Blutanalysen erfolgen.

Vitamin E. Von den verschiedenen Tocopherolen, die unter dem Sammelbegriff Vitamin E zusammengefasst werden, wurden bisher keine akuten toxikologischen Effekte beobachtet. Substitutionen im Bereich von 200 bis 800 IE (Internationale Einheiten) werden in der Regel problemlos vertragen. Selbst Dosierungen bis 3000 IE, wie sie als unterstützende Therapie etwa bei entzündlich rheumatischen Krankheiten eingesetzt werden, haben sich in Praxisstudien als gut verträglich erwiesen. Eine im Jahre 2005 veröffentlichte Metaanalyse, nach der bereits bei Substitution von 800 IE das Risiko von Gefäßkrankheiten erhöht wäre, ist aufgrund ihrer nachgewiesenermaßen fehlerhaften Datenanalyse und damit auch ihrer Aussage umstritten. Ein Aspekt im Hinblick auf ungünstige Nebenwirkungen könnte allerdings von Bedeutung sein: Die einseitig hoch dosierte Gabe von Alpha-Tocopherol ist physiologisch nicht die optimale Substitution. Die physiologische Forschung zeigt, dass hoch dosiertes Vitamin E nicht nur, wie bisher üblich, in Form von Alpha-Tocopherol zugeführt werden sollte, sondern mindestens mit Gamma-Tocopherol ergänzt. Letzteres besitzt eigene spezifische Wirkungen im Zellbereich. Präparate mit Gamma-Tocopherolen sind bisher nur über das Ausland zu beziehen. Einen hohen Gehalt an Gamma-Tocopherolen haben Sonnenblumenkerne (allerdings nicht das Sonnenblumenöl).

Karotine. Für die große Gruppe der Karotinoide existieren in der Regel keine toxischen Grenzwerte. Obwohl bestimmte Karotine im Körper zu Vitamin A umgewandelt werden, besteht keinerlei Gefahr einer früher befürchteten Vitamin-A-Überdosierung. Zum einen sind von den 600 natürlich vorkommenden Karotinoiden nur das Alpha-, Beta- und Epsilon-Karotin Vorstufen von Vitamin A, zum anderen hat dieser Stoffwechselweg eine begrenzte Aktivität, sodass keine höheren Vitamin-A-Konzentrationen entstehen können.

Ganz im Gegenteil. Neue biochemische Forschungen haben gezeigt, dass die einseitige Zufuhr von Beta-Karotin die Metabolisierung von Vitamin A an einem bestimmten Punkt stört (resultierend in reduzierter Bereitstellung von Retinsäure). Aufgrund der Antitumorwirkung von Retinsäure könnte dieser Effekt sogar für das nach isolierter Zufuhr von Beta-Karotin leicht erhöhte Risiko für Lungenkrebs bei starken Rauchern verantwortlich sein. Die Problematik wird dadurch verstärkt – oder könnte überhaupt erst dadurch entstanden sein –, dass die Aufnahme von Vitamin A in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich auf inzwischen kritische Werte gesunken ist.

 

Das Karotinoid Canthaxanthin ist ein wichtiger Schutzstoff vor allem gegen Lipid-Peroxidationen. In sehr hohen Konzentrationen können sich negative Begleiteffekte einstellen. Canthaxanthin-haltige Bräunungspillen wurden wieder vom Markt genommen, nachdem bei einigen Nutzern unerwünschte Ablagerungen im Auge aufgetreten waren. Als Farbstoff für Lebensmittel (zum Beispiel in der Lachszucht) ist das Karotinoid bis zu einer Konzentration von 15 mg pro Kilogramm Lebensmittel weiterhin erlaubt. Zum Vergleich: Bräunungspillen brachten eine Tageszufuhr von etwa 60 mg Canthaxanthin. Einige Nutzer hatten ein Mehrfaches dieser Menge zugeführt.